Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialkassen im Baugewerbe. Steinflächenveredelung. Steinmetzhandwerk
Orientierungssatz
Ein Handwerksbetrieb, in dem Natur- und Kunststeinoberflächen in und an Gebäuden mittels Schleifmaschinen abgeschliffen und anschließend unter Einsatz von Säure und Druck an der geschliffenen Oberfläche wieder zum Aushärten gebracht werden, ist als Berieb des Steinmetzhandwerks vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen.
Normenkette
Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. III, Abschn. VII Ziff. 13
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. Dezember 2001 – 10 Sa 712/01 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Klagezeitraum einen Baubetrieb iSd. Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterhalten hat und deshalb Auskünfte für den Zeitraum Januar 1997 bis Dezember 1999 erteilen und im Falle der Nichterteilung eine Entschädigung zahlen muß.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Die Beklagte ist 1997 gegründet worden. Sie ist hervorgegangen aus einer auf Reinigung und Versiegelung von Steinflächen spezialisierten Abteilung der B Gebäudereinigung, die ihrerseits seit 1897 im Gebäudereinigungsbereich tätig ist. Mit Wirkung vom 14. Juni 2000 ist die Beklagte mit dem Gebäudereinigerhandwerk in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer M eingetragen. Ihr technischer Betriebsleiter ist Gebäudereiniger-Meister. Im Handelsregister ist als Gegenstand des Unternehmens das Schleifen und Kristallisieren von Natur- und Kunststeinböden eingetragen.
Im Betrieb der Beklagten wurden in den Kalenderjahren des Klagezeitraums arbeitszeitlich weit überwiegend ältere Natur- und Kunststeinflächen in und an Gebäuden, insbesondere Fußböden, Treppen und Fassaden, mittels Diamantschleifscheibenmaschinen in mehreren aufeinander folgenden, zunächst grobe und danach immer feinere Körnung einsetzenden Arbeitsgängen im Bereich von kaum mehr als 1/10 Millimeter abgeschliffen und anschließend unter Einsatz von Säure (Fluatieren/Kristallisation) und Druck an der geschliffenen Oberfläche wieder zum Aushärten gebracht.
Die Klägerin meint, es handele sich bei diesen Arbeiten um baugewerbliche Tätigkeiten iSd. Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in seiner jeweiligen Fassung (VTV). Die Arbeiten dienten auch der Beseitigung von Unebenheiten und Kratzern. Unter Eingriff in die Substanz werde der Stein teilweise abgetragen. Dies seien keine Reinigungs-, sondern bauliche Instandsetzungsarbeiten. Sie dienten der Wiederherstellung der uneingeschränkten Nutzbarkeit, wie sie die Kunden verlangten. Die Klägerin ist bei ihrer Klageberechnung von drei gewerblichen Arbeitnehmern und einem Angestellten ausgegangen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
- wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Januar 1997 bis Dezember 1999 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer angefallen sind;
- die Beklagte zu verurteilen, ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), in der damals geltenden Fassung in den Monaten Januar 1997 bis Dezember 1999 in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden, und welche Zusatzversorgungsbeiträge in diesen Monaten angefallen sind;
die Beklagte zu verurteilen, für den Fall, daß die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach dem Antrag zu 1 a) nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an sie folgende Entschädigung zu zahlen: 39.062,70 Euro (76.400,00 DM),
die Beklagte zu verurteilen, für den Fall, daß die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach dem Antrag zu 1 b) nicht innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an sie folgende Entschädigung zu zahlen: 828,29 Euro (1.620,00 DM).
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, sie sei ein Gebäudereinigerhandwerksbetrieb. Die Arbeiten erfolgten nicht aus statischen oder bautechnischen Gründen, sondern um Flecken zu entfernen, dem optischen Verfall infolge Verschmutzung und Abstumpfung entgegenzuwirken, die Bodenstruktur wieder zu schließen und eine optisch edle, also saubere und dauerhaft glänzende Oberfläche zu erzielen. Die Flächen blieben auch ohne diese Behandlung uneingeschränkt bestimmungsgemäß nutzbar. Mit gleicher Arbeitsmethode werde im übrigen auch die Sanierung von Steinflächen, die durch Brand oder Wasserschaden gelitten hätten, durchgeführt. Das gesamte Verfahren habe sich im Bereich der Gebäudereinigung entwickelt und werde nur deshalb Sanierung genannt, um es als teures und aufwendiges Verfahren gegen sonstige Reinigungsverfahren abgrenzen und vermarkten zu können. In der Gebäudereinigung werde seit jeher auch mit intensiven chemischen und/oder mechanischen Einwirkungen auf Oberflächen gearbeitet. Sie arbeite mit den im Reinigungsbereich klassisch eingesetzten Einscheibenmaschinen. Zu 30 % der betrieblichen Arbeitszeit befasse sie sich mit Glasreinigung und Unterhaltsreinigung.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Auskünfte.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Auskunftsanspruch bestehe deshalb nicht, weil es sich bei dem Betrieb der Beklagten um einen solchen des Gebäudereinigerhandwerks handele. Die Arbeiten unterfielen dem betrieblichen Geltungsbereich des für dieses Handwerk geltenden Rahmentarifvertrages (RTV). In § 1 Abs. 1 der Gebäudereinigermeisterverordnung vom 12. Februar 1988 seien die von der Beklagten ausgeführten Tätigkeiten beschrieben worden. Auch dort seien Arbeiten aufgeführt, die nicht ohne teilweisen Substanzverlust durchgeführt werden könnten. Das Arbeiten mit dem Diamantschleifgerät sei ein „Abziehen, Schleifen” und das anschließende Fluatieren/Kristallisation unter Aushärtung der Steinoberfläche ein „Versiegeln” iSd. Ziff. 21 in § 1 Abs. 2 der genannten Verordnung und unterfalle damit den Begriffen „Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung” in deren § 1 Abs. 1. Solche Reinigungsarbeiten könnten nicht gleichzeitig bauliche Instandsetzungs- oder Instandhaltungsarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV sein, auch dann nicht, wenn mit ihnen in die Materialsubstanz von Bauteilen eingegriffen werde. Reinigungsarbeiten an Bauwerken seien nach Herkommen und Üblichkeit noch nie dem Baugewerbe zugeordnet gewesen. Entsprechend seien für beide Bereiche von derselben Gewerkschaft Tarifverträge abgeschlossen und auf Antrag der Tarifvertragsparteien für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Tarifvertragsparteien hätten in Anknüpfung an die in der Fachsprache des Arbeits- und Wirtschaftslebens üblichen Begriffsinhalte davon ausgehen wollen, daß es wechselseitige Überschneidungen des Bereichs der Reinigungsarbeiten einerseits und der baulichen Leistungen andererseits nicht geben könne. Demzufolge sei eine Tätigkeit, die noch dem betrieblichen Geltungsbereich des RTV zuzuordnen sei, auch dann ausschließlich Reinigungsarbeit, wenn dabei bereits Eingriffe in die Substanz von Bauteilen stattfänden.
Ginge man aber davon aus, daß die Steinsanierungsarbeiten der Beklagten zugleich auch als Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV einzuordnen seien, entstehe eine Tarifkonkurrenz, die in der Weise gelöst werden müsse, daß der RTV als der speziellere Tarifvertrag dem VTV vorgehe. Sein persönlicher Geltungsbereich sei enger, da er nur für Arbeiter gelte. Im übrigen werde er den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
Der Betrieb der Beklagten unterfiel mit den in ihm arbeitszeitlich überwiegend durchgeführten Arbeiten während der Kalenderjahre des Anspruchszeitraums nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV.
1. In den für den Klagezeitraum anwendbaren Fassungen des VTV vom 12. November 1986, 18. Dezember 1996, 21. Mai 1997, 28. November 1997, 10. Dezember 1997, 18. Dezember 1998, 28. Januar 1999, 9. April 1999 und 26. Mai 1999 heißt es zum betrieblichen Geltungsbereich in § 1 Abs. 2:
„Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einem der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
Abschnitt I
Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen.
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Abschnitt III
Betriebe, die soweit nicht bereits unter Abschnitt I oder II erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen.
…
Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe
…
13. des Steinmetzhandwerks, soweit die in § 1 Nr. 2.1 des Tarifvertrags über eine überbetriebliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk vom 1. Dezember 1986 in der Fassung vom 28. August 1992 aufgeführten Tätigkeiten überwiegend ausgeübt werden.”
Im Beispielskatalog des Abschnitts V waren bis zum 1. Januar 1992 unter Ziff. 30 „Steinmetzarbeiten” enthalten, in den darauf folgenden Fassungen nicht mehr.
2. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Entscheidung des Rechtsstreits darauf ankommt, ob im Anspruchszeitraum im Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßte Tätigkeiten verrichtet worden sind, wobei auf die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit der Arbeitnehmer der Beklagten und nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst, aber auch nicht auf handels- und gewerberechtliche Kriterien abzustellen ist (st. Rspr. vgl. zB BAG 23. August 1995 – 10 AZR 105/95 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 193 = EzA TVG § 4 Bauindustrie Nr. 79).
3. Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend ausgeführten Arbeiten unter die Instandsetzungs- bzw. Instandhaltungsarbeiten des § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV fallen, insbesondere ob der Betrieb nach Einrichtung und Zweckbestimmung baulich geprägt war oder ob dies wegen der Klassifizierung der Arbeiten als Gebäudereinigerarbeiten verneint werden muß. Es kommt auch nicht darauf an, wie eine Tarifkonkurrenz zwischen dem VTV und dem RTV für das Gebäudereinigerhandwerk zu lösen wäre.
Auch wenn diese Rechtsfragen jeweils im Sinne der Klägerin zu beantworten wären, wäre die Klage dennoch abzuweisen, weil der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum als ein „Betrieb des Steinmetzhandwerks im Sinne des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 13 VTV” aus dem Geltungsbereich des VTV ausgenommen war.
a) Diese Ausnahmevorschrift nimmt Bezug auf die Regelung über den betrieblichen Geltungsbereich im Tarifvertrag über eine überbetriebliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk vom 1. Dezember 1986 idF vom 28. August 1992. Diese lautet:
„2. Betrieblicher Geltungsbereich
2.1 Alle Betriebe des Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerks.
Dies sind Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die ua. die nachfolgenden Tätigkeiten ausüben:
Herstellen und Bearbeiten von Natur- und Betonwerkstein, Bekleidungen und Belägen,
…
Restaurierungen und Antragsarbeiten in natürlichem und künstlichem Stein,
Reinigungs- und Imprägnierungsarbeiten,
…”
b) Diese im Tarifvertrag beschriebenen Tätigkeiten entsprechen den in den berufsrechtlichen Vorschriften und im berufskundlichen Schrifttum als zum Steinmetzhandwerk gehörend genannten Tätigkeiten.
§ 1 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Steinmetz- und Steinbildhauer-Handwerk (StmStbMstrVO) vom 13. Mai 1990 (BGBl. I S 910) rechnet diesem Handwerk ua. die „Ausführung von Restaurierungs-, Reinigungs-, Renovierungs-, Rekonstruktions- und Konservierungsarbeiten” zu, wozu gemäß § 1 Abs. 2 Ziff. 27 die Kenntnisse und Fertigkeiten des „Reinigen, Restaurieren, Hydrophobieren” (= gegen Feuchtigkeit schützen), „Konservieren und Verfestigen” erforderlich sind. Zu den fachtheoretischen Kenntnissen, die in der Meisterprüfung nachzuweisen sind, gehören gem. § 5 Abs. 1 Ziff. 2 die Bauphysik und Bauchemie, Versetz-, Ansetz-, Verlege-, Erhaltungs- und Ergänzungstechniken für Steine und Platten und gem. Ziff. 4 zur Werkstoffkunde ua. Arten, Eigenschaften, Verarbeitung der Bau- und Hilfsstoffe, insbesondere der natürlichen und künstlichen Steine, Platten, Bindemittel und Zuschläge. Im berufskundlichen Schrifttum wird unter den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen des Steintechnikers und des Steinmetzes die Restaurierung und der Einsatz in zahlreichen Spezialisierungsgebieten erwähnt, weiterhin ist von Betrieben die Rede, in denen nur Steinmetzarbeiten am Bau (Bodenbeläge, Fassaden) durchgeführt werden und von Betrieben, die in der Restaurierung tätig sind. Bezüglich der Anforderung an die körperliche Belastbarkeit wird darauf hingewiesen, daß die Beschäftigten ua. bei der Oberflächenbehandlung aggressiven Chemikalien ausgesetzt sind (Blätter zur Berufskunde Band 2 – I Q 26 – Steintechniker/in, Meister/in im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk 2. Aufl. S 5, 6, 9, 13). Zu den allgemeinen Tätigkeiten des Steinmetzes wird erwähnt, daß die Steinmetzbetriebe neben Natursteinen auch künstliche Steine verarbeiten, die als Boden- und Wandplatten naßgeschliffen und poliert werden. Die Chemie spielt bei den Arbeiten oft eine bedeutsame Rolle, da die Vorgänge bei der Zerstörung des Natursteins durch Luftverschmutzung durch chemische Abläufe hervorgerufen werden. Ua. Konservierung, Hydrophobierung (Schutz gegen Feuchtigkeit schaffen), Abwaschen und Sandstrahlen sind weitere Tätigkeiten, die vom Steinmetz auszuführen sind. Dabei werden zunehmend auch bewegliche Bearbeitungsmaschinen eingesetzt. Bei der Restaurierung werden Natursteine an erhaltungswürdigen Bauwerken abgewaschen, sandgestrahlt, ergänzt, hydrophobiert oder gefestigt. Zu den modernen Steinbearbeitungsmaschinen gehören auch Schleifmaschinen (Blätter zur Berufskunde Band 1 – III B 205 a – 3. Aufl. S 5, 7, 8). Damit werden sowohl die Abschleiftätigkeiten als auch die chemische Verfestigung sowie die anschließende Glättung der Steinoberflächen im Schrifttum dem Steinmetzhandwerk zugeordnet.
c) Die im Betrieb der Beklagten verrichteten Tätigkeiten fallen sowohl unter das Bearbeiten von Natursteinen, die Restaurierung von natürlichem und künstlichem Stein und die Reinigungs- und Imprägnierungsarbeiten. Diese Arbeiten werden arbeitszeitlich überwiegend, nämlich fast ausschließlich, ausgeübt.
d) Es kommt nicht auf die weiteren Voraussetzungen der Geltung des in Bezug genommenen Tarifvertrages an, wie den räumlichen und persönlichen Geltungsbereich, insbesondere nicht darauf, daß der Tarifvertrag über eine überbetriebliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk selbst eine Rückausnahme seines Geltungsbereichs für Betriebe des Baugewerbes enthält. Auf Ziff. 2.3 nimmt die Ausnahmevorschrift der des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Ziff. 13 VTV nicht Bezug, sondern nur auf den Tätigkeitskatalog in § 1 Nr. 2.1 des das Steinmetzhandwerk betreffenden Tarifvertrages.
e) Bei dem Betrieb der Beklagten handelt es sich um einen Handwerksbetrieb. Ein solcher liegt vor, wenn die Arbeiten überwiegend mit der Hand nach den Methoden des einschlägigen Handwerks ausgeführt, für einen bestimmten Kundenkreis (Einzelfertigung) und nicht auf Vorrat angefertigt werden und wenn es sich um einen kleineren, weniger technisierten Betrieb handelt (BAG 26. August 1987 – 4 AZR 153/87 – nv.; 27. Januar 1993 – 10 AZR 473/91 – nv.). Dies ist hier der Fall. Der Einsatz der Schleifmaschinen geschieht zur Unterstützung der nach individuellen Kriterien und Kundenwünschen zu verrichtenden handwerklichen Arbeiten. Eine Anfertigung auf Vorrat ist nicht möglich, da nur nach individuellen Kundenaufträgen geleistet wird. Weiterhin handelt es sich bei nur drei gewerblichen Arbeitnehmern um einen kleineren Betrieb, der nicht in hohem Maße technisiert ist. Wenn die Klägerin in der Revisionsinstanz erstmals die Ansicht vertritt, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich um einen Industriebetrieb, so fehlt es hierfür an jeglichen Anhaltspunkten.
f) Auf die Beschäftigung von gelernten Steinmetzen kommt es nicht an (BAG 3. Dezember 1986 – 4 AZR 466/86 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 73; 27. Januar 1993 – 10 AZR 473/91 – nv.).
g) Angesichts der Formulierung der Ausnahmevorschrift in Ziff. 13 des Abschnitts VII ist die Rechtsprechung des Senats zu den sog. Sowohl-als-auch-Tätigkeiten nicht heranzuziehen. Zwar hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 1996 generell für alle Tätigkeiten, die sowohl baugewerbliche iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II bis V VTV als auch solche eines nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV ausgenommenen Handwerks sind, gefordert, daß daneben in nicht unerheblichem Umfang (mindestens zu 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit) Arbeiten ausgeführt bzw. von Fachkräften des ausgenommenen Handwerks wahrgenommen oder beaufsichtigt werden, die für dieses Handwerk typisch, dh. solche Tätigkeiten, die ausschließlich dem ausgenommenen Gewerk zuzuordnen sind (BAG 11. Dezember 1996 – 10 AZR 376/96 – BAGE 85, 15). Diese Abgrenzungskriterien sind sinnvoll für die Ziffern 1 bis 12 des Abschnitts VII. Hierin sind entweder ausschließlich die ausgenommenen Gewerke genannt (Ziff. 1, 2, 4, 9, 10) oder die Ziffer enthält eine Einschränkung hinsichtlich der Art der Tätigkeit (Ziff. 3). In Ziff. 8 wird die Erfassung des Betriebes durch einen anderen Tarifvertrag vorausgesetzt. Schließlich werden Rückausnahmen bezogen auf bestimmte baugewerbliche Tätigkeiten erwähnt (Ziff. 5, 6, 7, 11 und 12). Ziff. 13 unterscheidet sich insoweit davon, daß sie immer dann eingreift, wenn die beschriebenen Tätigkeiten in einem Handwerksbetrieb überwiegend ausgeübt werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien bereits festgelegt, daß sie diese Arbeiten für den Gewerbezweig des Steinmetzhandwerks für typisch halten. Eine Abgrenzung ist nicht mehr erforderlich. Dem entspricht, daß der Senat bereits in der Entscheidung vom 27. Januar 1993 (– 10 AZR 473/91 – nv.) einen Betrieb als Steinmetzbetrieb aus dem Geltungsbereich der Bautarifverträge für ausgenommen erachtet hat, in dem mittels Hochdruckheißdampfgeräten Fassaden gereinigt, anschließend durch Sprühen und Tränken imprägniert, verwitterte Steine ausgebessert und Verfugungsarbeiten an Fassaden vorgenommen wurden. Der Senat hat diese Tätigkeiten ausschließlich dem Steinmetzhandwerk zugeordnet und den Betrieb nach dem Prinzip der Sachnähe insgesamt diesem Handwerk zugerechnet. Dabei ging er ohne weiteres davon aus, daß diese Arbeiten auch als bauliche Leistungen iSv. § 1 Abs. 2 VTV anzusehen seien. Nach den damals gültigen Tarifvorschriften enthielt Abschn. V unter Ziff. 30 „Steinmetzarbeiten” und Abschn. VII nahm unter Ziff. 5 das „Natur- und Kunststein be- und verarbeitende Gewerbe und das Steinmetzhandwerk” aus. Die in dem entschiedenen Fall vorgenommenen Tätigkeiten des Betriebes sind insoweit mit den Tätigkeiten der Beklagten vergleichbar, als in beiden Fällen eine Reinigung der Bauteile durch Einwirkung auf deren Oberfläche mit anschließender chemischer Behandlung zur Versiegelung vorgenommen wurden.
h) Daß die Beklagte selbst ihren Betrieb für einen Gebäudereinigerbetrieb hält, ist insoweit unerheblich. Auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien sowie die Eintragung in die Handwerksrolle oder die Mitgliedschaft in bestimmten Innungen oder Verbänden kommt es für den Klageanspruch nicht an, auch nicht darauf, ob eine Tarifkonkurrenz zwischen anderen Tarifverträgen außerhalb des VTV besteht und wie diese zu lösen wäre.
III. Die Klägerin hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, N. Schuster, Thiel
Fundstellen
NZA 2004, 288 |
NJOZ 2004, 758 |