Entscheidungsstichwort (Thema)
Chefarzt. arbeitsvertragliche Entwicklungsklausel. Arbeitsvertragsrecht
Leitsatz (amtlich)
Regelt ein Chefarztvertrag, daß der Krankenhausträger sachlich gebotene organisatorische Änderungen im Benehmen mit einem leitenden Arzt vornehmen und selbständige Abteilungen bei objektiv vorliegendem Bedarf neu einrichten kann, unterliegen die dem Änderungsbedarf zugrundeliegenden Prognosen einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu überprüfen ist, ob der Krankenhausträger eine auf die konkrete Situation des Krankenhauses bezogene Bedarfsprognose erstellt hat, die Inhalt und Umfang der angestrebten Änderungen sachlich rechtfertigt.
Orientierungssatz
- Die für einen Chefarztvertrag typische Entwicklungs- und Anpassungsklausel, nach der ein Krankenhausträger berechtigt ist, sachlich gebotene Änderungen im Benehmen mit dem leitenden Arzt vorzunehmen und bei einem objektiv vorliegenden Bedarf selbständige Abteilungen einzurichten oder abzutrennen, ist grundsätzlich zulässig. Sie ist wirksam, wenn die beabsichtigten Änderungen nicht zu einer grundlegenden Störung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis führen und billigem Ermessen entsprechen.
- Die durch eine zulässige Anpassungs- und Entwicklungsklausel gedeckte einseitige Änderung des Aufgabengebiets eines Chefarztes wahrt die Grenzen billigen Ermessens, wenn die damit verbundene Beschränkung die Einkünfte aus Privatliquidation lediglich um 6 vH mindert.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 3; BPersVG § 108 Abs. 2; Bremisches Gesetz über die Berufsvertretung, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker (Heilberufsgesetz – HeilBerG) vom 5. März 1996 (BremGBl. S. 53 ff.) § 39 Abs. 1; Weiterbildungsordnung für Ärzte im Lande Bremen (WeiterbildungsO) vom 18. März 1996 (BremAbl. S. 323 ff.) Abschn. I Nrn. 25, 33; Bremisches Personalvertretungsgesetz (BremPersVG) vom 19. März 1974 (BremGBl. S. 131 ff.) i.d.F. vom 4. Dezember 1998 (BremGBl. S. 337) § 52 Abs. 1 S. 1; Bremisches Personalvertretungsgesetz (BremPersVG) vom 19. März 1974 (BremGBl. S. 131 ff.) i.d.F. vom 4. Dezember 1998 (BremGBl. S. 337) § 58 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Bremen (Urteil vom 16.05.2001; Aktenzeichen 2 Sa 152/00) |
ArbG Bremen (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 7 Ca 7500/99) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 16. Mai 2001 – 2 Sa 152/00 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Organisationsverfügung.
Die Beklagte ist Trägerin des Zentralkrankenhauses B…. Der Kläger ist dort seit Januar 1991 als leitender Arzt der Neurologischen Klinik tätig. Ihm war ein Teil der Physiotherapie unterstellt. Er war Dienst- und Fachvorgesetzter der Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten und verantwortlich für die physikalische Therapie in der medizinischen Klinik, der Klinik für Lungen- und Atemwegserkrankungen, der Klinik für Allgemein- und Unfallchirurgie, der Klinik für Thorax-Chirurgie sowie der Klinik für Intensivmedizin. Im Anstellungsvertrag der Parteien vom 1. Januar 1991 heißt es:
Ҥ 14
Entwicklungsklausel
(1) Der Krankenhausträger kann sachlich gebotene organisatorische Änderungen im Benehmen mit der Direktion und dem leitenden Arzt vornehmen.
Der Krankenhausträger hat das Recht, nach dem objektiv vorliegenden Bedarf selbständige Abteilungen neu einzurichten oder abzutrennen und dafür weitere leitende Ärzte einzustellen sowie die Bettenzahl dann zu beschränken, wenn die Betten nicht nur vorübergehend leer stehen.
…”
Anfang 1999 beabsichtigte die Beklagte die Einrichtung einer neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Dazu teilte sie dem Kläger in einem Schreiben vom 25. März 1999 mit, sie erwarte durch die Zusammenfassung der im Bereich der Somatik tätigen Therapeuten in einer eigenen fachärztlich geleiteten Abteilung eine Steigerung der Effektivität und Effizienz für den Bereich der Physiotherapie. In diesem Schreiben heißt es weiter, die Befugnisse und Rechte des Klägers würden sich durch die Einrichtung der neuen Abteilung nicht entscheidend ändern; er habe unter neurologischen Fachgesichtspunkten zu entscheiden, wie die Therapeuten die Patienten der Neurologischen Klinik zu behandeln hätten. In einem weiteren Schreiben vom 8. September 1999 wurde der Kläger über die Einstellung des Facharztes für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. med. R… S… mit Wirkung zum 1. November 1999 unterrichtet. Im Anschluß an ein gemeinsames Gespräch am 13. Oktober 1999 erklärte sich der Kläger in einem Schreiben vom 14. Oktober 1999 mit der Übertragung der Aufgaben der künftigen Abteilung auf den von der Beklagten ausgewählten leitenden Arzt einverstanden.
Die Beklagte errichtete mit Zustimmung des Personalrats mit Wirkung zum 1. November 1999 die Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Die dazu ergangene schriftliche Verfügung der Direktion des Krankenhauses vom 18. Oktober 1999 lautet:
“ Organisationsverfügung
Mit Wirkung vom 1. November 1999 werden die im Bereich der somatischen Disziplinen des Zentralkrankenhauses B… arbeitenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Krankengymnastik, der Massage- und Bäderabteilung, der Ergotherapie und der Logopädie sowie des Sozialdienstes im Krankenhaus in einer
Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin
zusammengefaßt und unter fachärztliche Leitung durch Herrn Dr. med. R… S…, Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, gestellt. Herr Dr. S… wird zum Leitenden Arzt ernannt.
Von dieser Maßnahme sind derzeit folgende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betroffen:
- |
Krankengymnastik |
- |
Massage- und Bäderabteilung |
- |
Ergotherapie |
- |
Logopädie |
- |
Sozialdienst im Krankenhaus |
Herr Dr. S… ist Dienst- und Fachvorgesetzter der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieser Abteilung.
Die Behandlungsstrategie auch im Einzelfall ist im Benehmen mit den Fachkliniken festzulegen.”
In einem weiteren Schreiben vom 15. November 1999 wies die Direktion darauf hin, daß entsprechend dem letzten Satz der Organisationsverfügung die Entscheidung über das Ob einer rehabilitativen Behandlung die jeweilige Fachklinik trifft, während die Entscheidung über das Wie einer solchen Behandlung der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin obliegt. Als Folge der Organisationsentscheidung minderten sich die Einnahmen des Klägers aus privaten Liquidationen um etwa 6 %.
Der Kläger hat gemeint, die Organisationsverfügung sei unwirksam, soweit sie die Physiotherapie bei den Patienten der Neurologie und der Frührehabilitation Neurologie dem Chefarzt der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin übertrage. Die Organisationsmaßnahme sei nicht durch die in § 14 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vereinbarte Entwicklungsklausel gedeckt und nicht im Benehmen mit ihm erfolgt. Die Zuordnung der Logopädie zur neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin widerspreche dem Weiterbildungsrecht der Ärzte. Der Personalrat sei unvollständig unterrichtet worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Organisationsverfügung der Direktion des Krankenhauses B… vom 14./18. Oktober 1999 unwirksam ist, soweit die Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten – jeweils in den Bereichen Neurologie und Frührehabilitation Neurologie – aus dem Zuständigkeitsbereich des Klägers herausgenommen und dem Leiter der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin als Dienst- und Fachvorgesetztem unterstellt worden sind.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, für die Einrichtung der neuen Abteilung habe objektiv Bedarf bestanden. Die Maßnahme verfolge das Ziel, neue Geschäftsbereiche der rehabilitativen Medizin zu erschließen. Mit der Übertragung bisheriger Zuständigkeiten des Klägers im Bereich der Physiotherapie auf den Leiter der neuen Abteilung hätten die bisherigen Angebote gebündelt und die Zusammenarbeit des medizinischen Personals erheblich verbessert werden sollen. Der Maßnahme seien ein umfangreicher Schriftwechsel und mehrere Gespräche mit dem Kläger vorausgegangen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die Organisationsverfügung der Beklagten vom 18. Oktober 1999 ist wirksam.
Die Übertragung der Dienst- und Fachaufsicht über die Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten vom Kläger auf den Chefarzt der neu errichteten Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin hält sich im Rahmen der vertraglich getroffenen Abrede. Sie ist durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.
1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrags kann die Beklagte sachlich gebotene organisatorische Änderungen im Benehmen mit der Direktion und dem leitenden Arzt vornehmen. Sie ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags befugt, nach einem objektiv vorliegenden Bedarf selbständige Abteilungen neu einzurichten oder abzutrennen und dafür weitere leitende Ärzte einzustellen. Diese Vereinbarung legt die Grenzen des Direktionsrechts der Beklagten fest. Es handelt sich um eine für Chefarztverträge übliche Entwicklungs- und Anpassungsklausel, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig ist, soweit die damit verbundene einseitige Änderung der Arbeitsbedingungen im Einzelfall zwingendes Kündigungsschutzrecht nicht umgeht und billigem Ermessen entspricht (BAG 15. Dezember 1976 – 5 AZR 600/75 – AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 3 = EzA BGB § 613a Nr. 10, zu 2a der Gründe; 9. Januar 1980 – 5 AZR 111/78 – BAGE 32, 265, 271; 4. Mai 1983 – 5 AZR 389/80 – BAGE 42, 336, 346; 28. Mai 1997 – 5 AZR 125/96 – BAGE 86, 61, 70 f.).
2. Die Voraussetzungen der arbeitsvertraglichen Entwicklungsklausel sind erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, daß für die Einrichtung der neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin objektiv Bedarf iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags bestanden hat und die mit der organisatorischen Änderung verbundene Beschränkung des Aufgabenbereichs des Klägers sachlich geboten ist.
a) Die Entscheidung der Beklagten, eine neue Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin einzurichten, unterliegt ebenso der gerichtlichen Kontrolle wie die damit verbundene Beschränkung des Aufgabenbereichs des Klägers. Die Prüfung, ob objektiv Bedarf für die Einrichtung einer neuen Abteilung besteht und die damit verbundenen organisatorischen Änderungen sachlich geboten sind, hat allerdings die Verantwortung der Beklagten für die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses zu berücksichtigen und ihre unternehmerische Entscheidungsbefugnis als Krankenhausträgerin hinsichtlich struktureller und organisatorischer Maßnahmen zu achten. Sie ist deshalb auf die Kontrolle beschränkt, ob die Beklagte eine auf die konkrete Situation des Krankenhauses bezogene Prognose über den Bedarf der neu eingerichteten Abteilung erstellt und den bisherigen Aufgabenbereich des Klägers durch organisatorische Maßnahmen nur im erforderlichen Umfang beschränkt hat.
b) Diesem Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum objektiven Bedarf für die Einrichtung der neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin stand. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, eine strategische Neuausrichtung des Krankenhauses sei aus Gründen des Wettbewerbs der Leistungserbringer im Krankenhausbereich erforderlich geworden. Dabei bot es sich aus der Sicht der Beklagten an, die bereits vorhandenen rehabilitativen Einrichtungen in einer eigens dafür bestimmten Abteilung unter eigenständiger ärztlicher Leitung zu konzentrieren, um ein darauf gerichtetes Angebot auf dem dafür in Betracht kommenden Markt frühzeitig etablieren zu können. Der Kläger ist auch dem Vortrag der Beklagten nicht entgegengetreten, wonach die mit der Einrichtung der neuen Abteilung verbundene Neugründung der Reha-Ambulanz die medizinischen Angebote des Krankenhauses verbessern sowie eine komplexe ambulante Weiterbetreuung der Patienten der physikalischen Therapie aller Kliniken ermöglichen sollte. Darüber hinaus diente die Maßnahme dem Ziel, den Einsatz des medizinischen Personals zu optimieren und dadurch auch die Qualität der zu erbringenden Leistungen zu verbessern. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte als konkrete Ziele die Stärkung des Teamgedankens, die Verbesserung der Kommunikation unter den Therapeuten, die Erleichterung von Fortbildungsmaßnahmen sowie die Einführung neuer Therapieangebote genannt. Danach hat die Beklagte eine auf die konkrete Situation des Krankenhauses bezogene Prognose erstellt, die den Bedarf für die Einrichtung der neuen Abteilung belegt.
c) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die mit der organisatorischen Änderung verbundene Beschränkung des Aufgabenbereichs des Klägers sachlich geboten war.
aa) Die durch die bisherige Aufteilung der im therapeutischen Bereich der somatischen Medizin tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verursachten Reibungsverluste waren ohne die Zusammenfassung dieser Beschäftigten in einer eigenen Abteilung unter der Leitung eines Chefarztes nicht zu vermeiden und die mit dieser Zusammenfassung verfolgten Ziele der Steigerung der Effektivität und Verbesserung der Qualität nicht zu erreichen. Es war deshalb erforderlich, die Dienst- und Fachaufsicht auch über die in den Bereichen Neurologie und Frührehabilitation Neurologie tätigen Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten vom Kläger auf den Leiter der neu eingerichteten Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin zu übertragen und insoweit die darauf bezogenen Befugnisse des Klägers zu beschränken.
bb) Nach der getroffenen Vereinbarung war die Beklagte nicht verpflichtet, den konzeptionellen Vorstellungen des Klägers zu folgen und die künftige Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin oder jedenfalls den Teilbereich der neurologischen Rehabilitation seiner ärztlichen Leitung zu unterstellen. Auf den Inhalt des vom Kläger erstmals im Revisionsverfahren vorgelegten Schreibens vom 17. Juli 2000 kommt es deshalb nicht an. Unabhängig davon belegt das an die Gesundheitsbehörde gerichtete Schreiben der Direktion auch nicht die Annahme des Klägers, die Beklagte habe keine sachlichen Gründe für ihre Ablehnung seiner konzeptionellen Vorstellungen über die neu zu gründende Abteilung benennen können.
cc) Auf die Auswahl des Chefarztes, unter dessen fachärztlicher Leitung die Therapeuten nach der Organisationsänderung stehen, hat der Kläger nach der getroffenen Vereinbarung keinen Einfluß. Diese Personalentscheidung war allein von der Beklagten zu treffen.
dd) Die sachlich gebotene Beschränkung der Zuständigkeit des Klägers wird auch durch die konkrete personelle Auswahlentscheidung der Beklagten nicht in Frage gestellt. Insbesondere widerspricht die Zuordnung der Logopäden unter die Fachaufsicht des Leiters der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. S… nicht dem Weiterbildungsrecht. Die Beklagte ist deshalb nicht aus rechtlichen Gründen an einer entsprechenden Leistungserbringung ihren Patienten gegenüber gehindert. Nach § 39 Abs. 1 des Bremischen Gesetzes über die Berufsvertretung, die Berufsausübung, die Weiterbildung und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker (Heilberufsgesetz – HeilBerG) vom 5. März 1996 (BremGBl. S. 53 ff.) darf, wer eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, im wesentlichen nur in dem Teilgebiet tätig werden, dessen Bezeichnung er führt. Der Chefarzt, unter dessen fachärztlicher Leitung die Therapeuten nach der Organisationsänderung stehen, besitzt die Anerkennung als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Damit ist er berechtigt, entsprechende kassenärztliche Leistungen in der neu eingerichteten Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin zu erbringen, die mit der entsprechenden Vergütung der gesetzlichen Krankenversicherungen abgegolten werden. Der vom Kläger behauptete Verstoß gegen Vorschriften der Weiterbildungsordnung für Ärzte im Lande Bremen (WeiterbildungsO) vom 18. März 1996 (BremAbl. S. 323 ff.) liegt nicht vor. Abschnitt I Nr. 25 WeiterbildungsO legt den Inhalt und das Ziel der Weiterbildung für die Neurologie fest, ordnet aber nicht an, daß Rehabilitationsverfahren wie Bewegungstherapie, Krankengymnastik, Logopädie, Ergotherapie, Sozialmaßnahmen und neuropsychologisches Training ausschließlich zur Neurologie und nicht zur Physikalischen und Rehabilitativen Medizin gehören. Diese Verfahren könnten auch gemäß Abschnitt I Nr. 33 WeiterbildungsO als Rehabilitation bei Erkrankungen aus den Gebieten der nichtoperativen Medizin der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin zuzuordnen sein. Die Weiterbildungsordnung läßt dies offen. Auch die Schriftsätze des Klägers vom 28. April 2000 und 26. September 2000 belegen nichts gegenteiliges.
Selbst die vom Kläger angezweifelte neurologische Kompetenz des ärztlichen Leiters der neu gegründeten Abteilung stellt die Beschränkung seiner eigenen Zuständigkeit nicht in Frage. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich das Landesarbeitsgericht mit diesem Einwand auseinandergesetzt und angenommen, die Beklagte könne ungeachtet der Richtigkeit dieses Vorhalts zu Recht eine kooperative Zusammenarbeit der einzelnen Fachabteilungen erwarten und davon ausgehen, daß der Kläger nach wie vor von seinen neurologischen Kompetenzen im Interesse seiner Patienten Gebrauch mache. Substantielle Anhaltspunkte dafür, daß sich die vom Kläger in Frage gestellte fachliche Kompetenz des ärztlichen Leiters der neuen Abteilung zu Lasten der Patienten des Klägers auswirkt, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Beklagte hat die Organisationsmaßnahme auch im Benehmen mit dem Kläger getroffen.
a) Der unbestimmte Rechtsbegriff des Benehmens unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung daraufhin, ob der Rechtsbegriff als solcher verkannt, bei der Subsumtion des Sachverhalts Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder ob bei der Beurteilung wesentliche Umstände übersehen worden sind (BAG 25. Juni 1987 – 6 AZR 506/84 – BAGE 55, 393, 400). Dieser eingeschränkten Kontrolle halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.
b) Unter dem Begriff des Benehmens ist eine Mitwirkungsform zu verstehen, die schwächer ist als das Einvernehmen oder die Zustimmung. Benehmen bedarf zwar keiner Willensübereinstimmung, verlangt wird jedoch ein Mindestmaß an Einflußmöglichkeit auf die Willensbildung des anderen (BAG 15. Dezember 1976 – 5 AZR 600/75 – AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 3 = EzA BGB § 613a Nr. 10, zu 3a der Gründe). Dadurch soll sichergestellt werden, daß der von einer solchen Abrede Begünstigte eigene Vorstellungen vor einer endgültigen Entscheidung des anderen einbringen und damit deren Inhalt beeinflussen kann. Danach erschöpft sich die Herstellung des Benehmens nicht in einer bloßen Information oder Anhörung. Stärker als die Anhörung setzt das Benehmen eine Fühlungnahme voraus, die von dem Willen getragen wird, auch die Belange der anderen Seite zu berücksichtigen und sich mit ihr zu verständigen (BAG 25. Juni 1987 – 6 AZR 506/84 – BAGE 55, 393, 400). Erhebliche Einwände oder Bedenken dürfen deshalb nicht einfach übergangen werden. Vielmehr ist auf den Ausgleich aufgetretener Differenzen hinzuwirken. Bei dennoch verbleibenden Meinungsunterschieden ist jedoch der Wille des Regelungsbefugten ausschlaggebend (BAG 25. Juni 1987 – 6 AZR 506/84 – aaO).
c) Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze berücksichtigt. Nach seinen von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat der mündliche und schriftliche Austausch mit dem Kläger über die Einrichtung der neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin bereits Anfang des Jahres 1999 und damit mehrere Monate vor der Durchführung der Organisationsänderung zum 1. November 1999 begonnen. Die darauf beruhende Würdigung des Landesarbeitsgerichts, nach der dem Kläger das Ausmaß der Organisationsmaßnahme bewußt gewesen ist, er seine Vorstellungen und Einwände rechtzeitig vorbringen konnte und die Beklagte die Bedenken des Klägers beachtet hat und bemüht war, die aufgetretenen Differenzen auszugleichen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat entgegen der Auffassung des Klägers auch den Inhalt des Schreibens vom 25. März 1999 berücksichtigt. Es hat gesehen, daß dem Kläger darin zugesichert worden war, auch nach der Organisationsänderung unter neurologischen Fachgesichtspunkten darüber entscheiden zu können, wie die Therapeuten die Patienten der Neurologischen Klinik zu behandeln haben. Der Kläger mußte aber nach dem Inhalt der beabsichtigten Änderung davon ausgehen, daß ihm wegen der künftig fehlenden Dienst- und Fachaufsicht über die Therapeuten kein Weisungsrecht gegenüber diesem Personenkreis mehr zusteht. Vielmehr war er zur Durchsetzung seiner therapeutischen Vorstellungen auf die Zusammenarbeit mit dem künftigen Leiter der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin angewiesen. Die in diesem Zusammenhang später auftretenden Meinungsverschiedenheiten durfte die Krankenhausdirektion, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, durch ihre klarstellende Verfügung vom 15. November 1999 beseitigen. Hinzu kommt, daß der Kläger spätestens am 13. Oktober 1999 und damit vor der Einrichtung der neuen Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin zum 1. November 1999 darüber informiert war, daß die Entscheidung über die Art und Durchführung der physikalischen Therapie nicht mehr ihm allein obliegt. Seine Bedenken hat er darauf hin im Schreiben vom 14. Oktober 1999 und damit noch vor der Umsetzung der geplanten Organisationsänderung zum Ausdruck gebracht. Die Beklagte war aber nicht verpflichtet, im Hinblick darauf ihre organisatorische Maßnahme oder die damit im Zusammenhang stehende Personalentscheidung zu unterlassen.
Die Beklagte hat mit der Organisationsmaßnahme die Grenzen billigen Ermessens (§ 315 Abs. 3 BGB) gewahrt.
1. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (st. Rspr., vgl. BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30, zu II 2b aa der Gründe; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 61 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 23, zu IV 1 der Gründe). Ob dies der Fall ist, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) und ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar (BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – aaO; BAG 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18, zu 1 der Gründe; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – aaO). Die Billigkeitskontrolle obliegt in erster Linie den Tatsacheninstanzen, deren Aufgabe es ist, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und im Hinblick darauf zu würdigen. Ob das Landesarbeitsgericht von einer Billigkeitskontrolle abgesehen hat – wie die Revision meint – oder sich das Berufungsgericht zu Beginn der Entscheidungsgründe in zulässiger Weise die darauf gerichteten Ausführungen des Arbeitsgerichts zu eigen gemacht hat, bedarf keiner Entscheidung. Denn stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen ohnehin fest, kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen (BAG 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – aaO).
2. Das Interesse des Klägers als leitendem Arzt der Neurologischen Klinik geht zunächst dahin, daß er in seinem ureigensten Zuständigkeitsbereich nicht durch organisatorische Maßnahmen der Beklagten beeinträchtigt wird. In seinem Interesse liegt es auch, daß die physikalische Therapie bei neurologischen Patienten, für die er Verantwortung trägt, sachgerecht durchgeführt wird. Schutzwürdig ist deshalb nicht nur das Interesse des Klägers daran, darüber zu entscheiden, ob eine physikalische Therapie bei diesen Patienten durchgeführt wird, sondern auch sein Interesse daran, auf die Art und Durchführung der Therapie Einfluß nehmen zu können. Schließlich ist das Interesse des Klägers anzuerkennen, daß Art und Umfang der ihm vertraglich eingeräumten Liquidationsmöglichkeiten nicht in einer Weise zu seinem Nachteil verändert werden, die den Kernbereich seines Arbeitsverhältnisses berühren.
3. Die Beklagte hat diese Interessen ausreichend berücksichtigt.
a) Die Organisationsverfügung der Beklagten beeinträchtigt den Kläger nicht in seiner Dienststellung als leitender Arzt der Neurologischen Klinik. Er entscheidet wie bisher allein darüber, ob bei neurologischen Patienten eine physikalische Therapie durchgeführt wird. Der Kläger ist zwar nicht mehr Dienst- und Fachvorgesetzter der Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten. Deren Unterstellung unter die fachärztliche Leitung des Chefarztes der neu eingerichteten Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin führt jedoch nicht dazu, daß neurologische Patienten nicht mehr sachgerecht therapiert werden. Trotz der Neuorganisation hat der Kläger seinen bestimmenden fachlichen Einfluß auf Art und Durchführung der physikalischen Therapie bei neurologischen Patienten nicht verloren. Der Umstand, daß er nicht mehr Dienst- und Fachvorgesetzter der Therapeuten ist, schließt es nicht aus, daß Art und Durchführung der physikalischen Therapie bei neurologischen Patienten entsprechend der ausdrücklichen Vorgabe der Beklagten erst nach Beratung und in enger Abstimmung mit ihm festgelegt werden. Nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Chefarzt der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin dies nicht nur zugesagt, sondern sich auch an diese Vorgabe der Beklagten gehalten. Der Kläger hat selbst vorgetragen, daß sich der Chefarzt der neuen Abteilung von den aus der Neurologie kommenden Patienten weitgehend “fernhält”. Damit verbleibt ihm auch nach der Neuorganisation noch maßgebender Einfluß auf die physikalische Therapie bei neurologischen Patienten. Er kann damit seiner Verantwortung für diese Patienten bei kooperativer Zusammenarbeit mit dem Chefarzt der Abteilung für Physikalische und Rehabilitative Medizin auch ohne Vorgesetztenstellung gegenüber den Therapeuten gerecht werden.
b) Die Organisationsverfügung überschreitet auch den Rahmen billigen Ermessens nicht, soweit sie das Privatliquidationsrecht des Klägers einschränkt und damit seine Vergütung betrifft. Das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung wird dadurch nur unwesentlich beeinträchtigt. Die Einnahmen des Klägers für die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich als leitender Arzt der Neurologischen Klinik sind nicht betroffen. Der zu erwartende Rückgang seiner Einkünfte aus Privatliquidation im Umfang von nicht einmal 6 vH ist nur gering.
- Die Organisationsverfügung ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht nach dem Bremischen Personalvertretungsgesetz (BremPersVG) vom 19. März 1974 (BremGBl. S. 131 ff.) idF vom 4. Dezember 1998 (BremGBl. S. 337) unwirksam, weil die Beklagte dem Personalrat bei der Unterrichtung über die beabsichtigte Organisationsänderung mitgeteilt hat, er sei mit dieser einverstanden. Auf die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht entwickelte Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. BAG GS 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 73 f.; BAG 20. August 1991 – 1 AZR 326/90 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 50 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 29) kann sich der Kläger zur Begründung dieser Rechtsfolge nicht berufen. Danach führt die Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats oder Personalrats zwar im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jedenfalls zur Unwirksamkeit solcher Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte, die den Arbeitnehmer belasten (BAG GS 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 170). Die Voraussetzungen dieser Rechtsfolge sind vorliegend schon deswegen nicht erfüllt, weil der Personalrat nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts an der Organisationsänderung gemäß den § 52 Abs. 1 Satz 1, § 58 Abs. 1 BremPersVG beteiligt worden ist und ihr auch ausdrücklich zugestimmt hat. Eine der in den Ländern unmittelbar geltenden Vorschrift des § 108 Abs. 2 BPersVG vergleichbare Regelung in Bezug auf die Nichtbeteiligung des Personalrats in organisatorischen Angelegenheiten iSv. § 52 Abs. 1 Satz 1 BremPersVG enthält das BremPersVG nicht. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift, die die Unwirksamkeit einer vom Arbeitgeber ohne Beteiligung des Personalrats ausgesprochenen Kündigung zwingend vorsieht, kommt entgegen der Auffassung der Revision nicht in Betracht. Es fehlt schon an einer Regelungslücke, die Voraussetzung einer solchen Rechtsfortbildung ist.
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Schipp, Augat
Fundstellen
BB 2003, 2408 |
DB 2003, 1960 |
ARST 2003, 284 |
FA 2003, 344 |
NZA 2004, 735 |
AP, 0 |
ArztR 2004, 282 |
EzA-SD 2003, 4 |
EzA |
MDR 2003, 1239 |
MedR 2004, 390 |
AUR 2003, 355 |
GesR 2003, 380 |