Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf von Lohnzulagen
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 13.5.1987 - 5 AZR 125/86.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 03.06.1986; Aktenzeichen 8 Sa 99/85) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 10.10.1985; Aktenzeichen 6 Ca 251/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Lohnzulage wirksam widerrufen wurde.
Die Klägerin ist seit 1. Juni 1982 bei der Beklagten als Maschinenarbeiterin tätig. Die Beklagte stellt berührungslose Abtastgeräte her und beschäftigt etwa 100 Angestellte und 180 Arbeiter. Bei der Einstellung haben die Parteien vereinbart, daß die Klägerin in Lohngruppe II eingestuft wird und einen Stundenlohn von 8,70 DM brutto erhält (der Tarifstundenlohn hat derzeit 8,68 DM brutto betragen). Die Beklagte ist nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Berliner Metallindustrie. In einer Anlage zum Anstellungsvertrag sind alle Tarifverträge aufgezählt, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Diese Aufstellung schließt mit folgendem von den Parteien unterzeichneten Text:
"Ergänzend zu dem Lohntarifvertrag gilt folgender
Hinweis als vereinbart:
Bei übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt
es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem
Ermessen widerrufliche Leistungen, auf die auch bei
wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch für die
Zukunft besteht. Diese Leistungen können auch jederzeit
ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen
und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden."
Nach Beendigung der Probezeit teilte die Beklagte der Klägerin aufgrund der Abschlußbeurteilung vom 28. Juli 1982 mit Schreiben vom 5. August 1982 mit:
"Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können,
daß wir Ihren Stundenlohn ab 2. August 1982
um DM 0,32 erhöht haben.
Ihr neuer Brutto-Stundenlohn setzt sich ab
2. August 1982 wie folgt zusammen:
Lohngruppe 2 DM 8,68
Zulage DM -,32
-------
DM 9,00."
=======
Nach einer weiteren Beurteilung im November 1982, die hinsichtlich der Einsatzfähigkeit der Klägerin zu einer Vergleichbarkeit mit einer anderen Mitarbeiterin führte, die bereits eine entsprechende Leistungszulage erhielt, teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 30. November 1982 mit:
"Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können,
daß wir Ihren Stundenlohn ab 1. Dezember 1982
um DM -,24 je Stunde erhöhen werden.
Ihr neuer Stundenlohn setzt sich ab 1. Dezember
1982 wie folgt zusammen:
Lohngruppe 2 DM 8,68
außertarifl. Zulage DM 0,56
-------
Gesamt DM 9,24."
Später erhöhte die Beklagte der Klägerin die Zulage um 0,40 DM pro Stunde, Später erhöhte die Beklagte der Klägerin die Zulage um 0,40 DM pro Stunde, nachdem sie zu der Auffassung gelangt war, daß die Klägerin im Vergleich zu der damals noch in ihrer Abteilung beschäftigten Mitarbeiterin S wesentlich höhere Leistungen erbringe.
Seither erhielt die Klägerin bis einschließlich März 1985 eine Zulage von 0,96 DM brutto auf den jeweiligen Tarifstundenlohn (Zeitlohn) der Lohngruppe II.
Am 1. März 1985 hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine am selben Tage in Kraft getretene "Betriebsvereinbarung über die Vergabe von tariflichen Leistungszulagen" abgeschlossen. Grundlage hierfür war folgende nachwirkende tarifliche Lohnbestimmung (früher § 19 MTV):
"Zeitlohnarbeitern werden Leistungszulagen
gewährt, die im Durchschnitt des Betriebes
13 % der tariflichen Zeitlohnsumme betragen."
Hierzu ist unter I und X der Betriebsvereinbarung vom 1. März 1985 folgendes geregelt worden:
I. Die laut Tarifvertrag zu gewährenden Leistungszulagen
sind für alle Arbeitnehmer auf der Grundlage
der Ergebnisse einer Leistungsbeurteilung
festzusetzen. Für die Beurteilung der Leistungszulage
ist ein Beurteilungsbogen entsprechend
dem beigefügten Muster zu verwenden. Die beurteilte
Leistung wird mit Punkten von 1 - 100 belegt.
Der Wert eines Punktes beträgt bei Zeitlohnarbeitern
0,13 %, bei Angestellten 0,10 % des jeweiligen
Tariflohnes/-gehaltes.
...
X. Soweit außertarifliche (übertarifliche) Zulagen
gewährt werden, werden diese auf tarifliche Leistungszulagen
angerechnet. Die Anrechnung erfolgt
solange, bis der Betrag der außertariflichen
(übertariflichen) Zulagen erreicht ist. Bis zur
Deckungsgleichheit beider Summen werden die sich
ergebenden Differenzbeträge als außertarifliche
(übertarifliche) Leistungszulagen gezahlt unter
der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber nicht von
seinem vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch macht.
Die so verbliebenen außertariflichen (übertariflichen)
monatlich ausbezahlten Zulagen werden jeweils
unter dem Vorbehalt der Verrechenbarkeit gewährt.
Insbesondere gilt dies für die sich aus dieser Betriebsvereinbarung
etwa ergebenden Ausgleichsberechnungen,
so daß die bis dahin gezahlten außertariflichen
(übertariflichen) Zulagen unter dem
jeweiligen Vorbehalt der nachträglichen Verrechenbarkeit
stehen.
Es besteht Klarheit darüber, daß die freiwillig
gewährten und zu gewährenden Zulagen nach Grund
und Höhe weiterhin mitbestimmungsfrei sind."
In einer schriftlichen Leistungsbeurteilung vom 27. März 1985 errechnete der Vorgesetzte der Klägerin für sie 51,75 von 100 möglichen Punkten.
Die Beklagte hat sämtlichen Arbeitnehmern Ende März mit dem in der Betriebsvereinbarung vereinbarten Formularschreiben die nähere Zusammensetzung ihres Lohnes ab 1. April 1985 mitgeteilt. Das Schreiben an die Klägerin vom 28. März 1985 lautet auszugsweise wie folgt:
"Das Ergebnis der Leistungsbeurteilung - unter
Berücksichtigung der ab 1. April 1985 geltenden
Lohntabelle - führte in Ihrem Falle dazu,
daß Ihr Brutto-Stundenlohn ab 1. April 1985
sich im einzelnen wie folgt zusammensetzt:
DM 9,81 Tarif-Stundenlohn, LG 2
DM -,66 Tarifl. Leistungszulage (51,75
Punkte = 6,73 %)
DM -,30 AT-Zulage nach Verrechnung
./. DM -,30 Widerruf der AT-Zulage
--------
DM 10,47 Brutto-Stundenlohn/Gesamt"
========
Der Tarifstundenlohn der Lohngruppe II war zum 1. April 1985 von 9,24 DM auf 9,81 DM angehoben und die Arbeitszeit auf 38,5 Stunden wöchentlich verringert worden. Die Beklagte zahlte an die Klägerin ab 1. April 1985 einen Wochenlohn von 403,01 DM (10,47 DM x 38,5 Stunden). Bei Weitergewährung der außertariflichen Zulage in Höhe von 0,30 DM hätte die Klägerin einen Wochenlohn von 10,77 DM x 38,5 Stunden = 414,65 DM erzielt.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Beklagte zur Weiterzahlung der Lohnzulage in Höhe der Kürzung von 0,30 DM brutto pro Stunde verpflichtet ist; gleichzeitig verlangt sie die Rückstände für die Monate April bis Juni 1985 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 152,84 DM.
Die Klägerin hat vorgetragen: Ihr stehe nach dem 1. April 1985 ein Effektivlohn von 10,77 DM pro Stunde zu. Der Widerruf der Zulage sei nicht wirksam vereinbart worden. Bei der Einstellung sei sie davon ausgegangen, daß die Beklagte ihr die tarifliche Leistungszulage habe zahlen wollen. Selbst wenn man den Widerrufsvorbehalt für wirksam erachte, sei die Beklagte gehalten, das ihr vertraglich eingeräumte Gestaltungsrecht nur nach billigem, gerichtlich nachprüfbarem Ermessen auszuüben. Ein sachlicher Grund für den Widerruf fehle jedoch. Ihre Leistungen seien nicht schlechter geworden; die gegenteilige Darstellung der Beklagten sei zu allgemein und nicht nachprüfbar. Im übrigen habe sie, die Beklagte, den arbeitsgerichtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weil sie nur gegenüber einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Arbeitnehmern die verbliebene restliche außertarifliche Leistungszulage in unterschiedlicher Höhe widerrufen habe, ohne daß hierfür eine gleichmäßige und durchschaubare Handhabung erkennbar gewesen sei.
Schließlich sei die Leistungsbeurteilung vom 27. März 1985 bereits in sich widersprüchlich, indem ihr nämlich im Bereich Pünktlichkeit und Termineinhaltung sehr gute Leistungen bescheinigt würden, andererseits aber nur eine befriedigende Zuverlässigkeit.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
ist, an die Klägerin ab
1. Juli 1985 eine weitere Lohnzulage
von 0,30 DM brutto pro Stunde zu
zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen, an die
Klägerin 152,84 DM brutto nebst 4 %
Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag
seit dem 9. August 1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und hierzu vorgetragen: Die Klägerin habe wegen der Aufschlüsselung in Tarifgehalt und außertarifliche Zulage in späteren Lohnmitteilungen erkennen müssen, daß es sich um eine außertarifliche Leistungszulage handele, denn tarifliche Leistungszulagen zahle sie erst seit dem Abschluß der Betriebsvereinbarung vom 1. März 1985.
Außerdem sei sie vereinbarungsgemäß berechtigt, freiwillige außertarifliche Leistungszulagen nach freiem Ermessen zu widerrufen. Hierbei sei sie nicht an die Anforderungen des billigen Ermessens gebunden. Ihr freies Ermessen habe sie weder offenbar unbillig noch willkürlich ausgeübt, da der Widerruf der verbliebenen außertariflichen Leistungszulage in Höhe von 0,30 DM pro Stunde wegen des schlechten Ergebnisses der Leistungsbeurteilung erfolgt sei. Die jetzt durchgeführte Leistungsbeurteilung habe eine Punktezahl von nur 51,75 Punkten als geringste Punktezahl in der Abteilung der Klägerin ergeben, während die mit ihr vergleichbare Mitarbeiterin Sch 59,75 Punkte und damit eine Besserleistung von 15,5 % erreicht habe. Das Ergebnis der Leistungsbeurteilung sei ein sachlicher Grund, um die freiwillig und widerruflich gewährte AT-Zulage zu widerrufen. Die Leistungsbeurteilung habe ergeben, daß sich bei den Beurteilungsmerkmalen "Fachkenntnisse" und "Zuverlässigkeit" erhebliche Differenzen zu dem bisher von der Klägerin gezeigten Leistungsverhalten ergeben hätten. Die Klägerin könne sich nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen, obwohl ihr allein in der Abteilung die Zulage gekürzt worden sei.
Voraussetzung für die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei nämlich eine betriebseinheitliche Regelung, von der ohne sachlichen Grund abgewichen werde. Es habe sich aber hier um eine einzelvertraglich ausgehandelte Zulage gehandelt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Feststellungsklage zu Recht dagegen, daß ihre außertarifliche Zulage von 0,30 DM in vollem Umfang widerrufen worden ist. Die Beklagte ist dazu nicht berechtigt.
I. Der Klägerin steht nach ihrem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 611 BGB für die Zeit ab 1. April 1985 ein Gesamtstundenlohn von 10,77 DM zu, der sich aus dem Tarifstundenlohn der Lohngruppe II von 9,81 DM, der tariflichen Leistungszulage von 0,66 DM und der AT-Zulage von 0,30 DM zusammensetzt.
Die Beklagte war nicht berechtigt, den Lohn der Klägerin ab 1. April 1985 durch Widerruf der nach Verrechnung mit der tariflichen Leistungszulage noch verbleibenden AT-Zulage in Höhe von 0,30 DM zu kürzen.
Bei der der Klägerin bis einschließlich März 1985 gezahlten Zulage von 0,96 DM handelt es sich nach den übereinstimmenden Erklärungen beider Parteien um eine Leistungszulage.
Der Anspruch der Klägerin auf eine ungekürzte außertarifliche Zulage ergibt sich aus der Lohnmitteilung vom 30. November 1982 in Verbindung mit einer weiteren Erhöhung der Zulage um 0,40 DM. Davon geht die Beklagte in ihrem Schreiben vom 28. März 1985 ebenfalls aus, jedoch hat sie die bis dahin gewährte Zulage in doppelter Weise verringert: Einmal hat sie die tarifliche Leistungszulage hierauf angerechnet. Dagegen wendet sich die Klägerin nicht, denn diese Anrechnung ist in der Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 geregelt. Die Beklagte hat aber außerdem die hiernach verbleibende außertarifliche Zulage widerrufen und diesen Abzug mit der durch Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 eingeführten Leistungsbeurteilung begründet.
II. Die Beklagte war zu diesem Widerruf nicht berechtigt. Hierfür kann sie sich weder auf den in der Anlage zum Arbeitsvertrag vorbehaltenen Widerruf noch auf die Betriebsvereinbarung vom 1. April 1985 stützen.
1. Die Parteien haben in einer Anlage zum Arbeitsvertrag "ergänzend zu dem Lohntarifvertrag" folgendes vereinbart: "Bei diesen übertariflichen Verdienstbestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistungen...." Diesen Widerrufsvorbehalt hat die Beklagte in ihrer Betriebsvereinbarung vom 1. März 1985 aufrecht erhalten. Hierzu heißt es nämlich in Ziff. X, daß die außertariflichen Zulagen auf die tariflichen Leistungszulagen angerechnet werden und der nach Anrechnung verbleibende Teil weitergezahlt werde "unter der Voraussetzung, daß der Arbeitgeber nicht von seinem vorbehaltenen Widerrufsrecht Gebrauch macht".
2. Die Beklagte konnte hierdurch aber kein Widerrufsrecht nach freiem Ermessen begründen, sondern sie muß sich im Rahmen billigen Ermessens halten (§ 315 Abs. 1 BGB). Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nach freiem Ermessen ist jedenfalls soweit unzulässig, wie sie sich auf Bestandteile des laufenden Verdienstes bezieht. Der Arbeitnehmer kann nicht zugleich auf den Schutz kündigungsrechtlicher Vorschriften (§ 2 KSchG) und den Schutz durch gerichtliche Ermessenskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB verzichten. Es ist anerkannt, daß die Vereinbarung von Widerrufsvorbehalten nicht unbegrenzt zulässig ist und insbesondere nicht zur Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften führen darf (BAG Urteil vom 9. Juni 1965 - 1 AZR 388/64 - AP Nr. 10 zu § 315 BGB; Urteil vom 16. Oktober 1965 - 5 AZR 55/65 - AP Nr. 20 zu § 611 BGB Direktionsrecht; BAGE 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; BAGE 47, 314 = AP Nr. 6 zu § 2 KSchG 1969). Darüber hinaus hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz aber auch auf andere - außerhalb kündigungsschutzrechtlicher Gesichtspunkte liegende - Vertragsgestaltungen angewandt (vgl. das zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehene Senatsurteil vom 11. Dezember 1985 - 5 AZR 135/85 - AP Nr. 65 zu § 1 LohnFG, zu I 2 a der Gründe, m.w.N. sowie unveröffentlichtes Urteil des BAG vom 31. Januar 1985 - 2 AZR 393/83 -, zu II 1 a der Gründe). Ebenso wie aber der Arbeitnehmer gegen Verträge geschützt werden muß, mit denen das Kündigungsschutzgesetz umgangen wird, bedarf er des Schutzes gegen Vereinbarungen, die dem Arbeitgeber entgegen § 315 Abs. 1 BGB das Recht zum einseitigen Widerruf nach freiem Ermessen oder gar nach Belieben einräumen und damit ermöglichen, das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung unkontrolliert zu verändern (vgl. Bötticher, Anm. zum Urteil des BAG vom 9. Juni 1967, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, Bl. 5; Herschel, Anm. zum Urteil des BAG vom 30. August 1972, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, Bl. 2 R). Das muß jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie hier - um eine Leistungszulage handelt.
3. Aber auch in den Grenzen billigen Ermessens kann ein Widerrufsrecht nur begründet werden, wenn darin keine Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften zu sehen ist. Das ist hier nicht der Fall. Die widerrufliche Zulage von 0,96 DM belief sich auf nur knapp 9,8 % des Tarifstundenlohns von 9,81 DM, wobei 0,30 DM (also etwa 3 %) widerrufen worden sind.
4. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen im Rahmen des § 315 BGB, wenn sie die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat. Hiernach können Verdienstbestandteile nur aus sachlichen Gründen widerrufen werden (BAG Urteile vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 -, vom 30. August 1972 - 5 AZR 140/72 - AP Nr. 5, 6 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, jeweils zu 3 der Gründe; Urteil vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 11 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung).
Es unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Allerdings ist die Billigkeitskontrolle in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanz, weil es bei ihr darum geht, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und zu würdigen. Stehen die hierfür maßgeblichen Tatsachen jedoch fest, so ist das Revisionsgericht in der Lage, die Beurteilung selbst vorzunehmen (BAG Urteil vom 9. Juni 1967 - 3 AZR 352/66 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Lohnzuschläge, zu 5 a der Gründe; Urteil vom 8. Juni 1982 - 3 AZR 661/79 - AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, zu 3 der Gründe; Urteil des Senats vom 19. Juni 1985 - 5 AZR 57/84 - AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu A II 2 a der Gründe). Nach allgemein anerkannter Auffassung hat die Partei, der das Recht zur Leistungsbestimmung zusteht, zu beweisen, daß ihre Bestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspricht (BAG Urteil vom 9. Juni 1965 - 1 AZR 388/64 - AP Nr. 10 zu § 315 BGB; Urteil vom 26. November 1986 - 4 AZR 789/85 - AP Nr. 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk; BGH Urteil vom 30. Juni 1969 - VII ZR 170/67 - AP Nr. 11 zu § 315 BGB).
a) Das Landesarbeitsgericht ist hiervon ebenfalls ausgegangen und hat angenommen, der Widerruf der außertariflichen Zulage widerspreche billigem Ermessen und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe im vorliegenden Fall einen sachlichen Grund für den Widerruf der verbliebenen außertariflichen Leistungszulage gegenüber der Klägerin nicht anführen können. Ein solcher wäre gegeben, wenn sich die Arbeitsleistung der Klägerin seit der Gewährung der Zulage verschlechtert hätte. Dies lasse sich der Darstellung der Beklagten nicht entnehmen. Die Leistungsbewertung aufgrund der Betriebsvereinbarung könne nicht herangezogen werden, weil es insoweit an einer Vergleichsgröße fehle. Die Beklagte habe nicht behauptet, frühere Beurteilungen der Klägerin, insbesondere anläßlich der letzten Zulagenerhöhung, hätten nach ähnlichen Kriterien stattgefunden und ein anderes, insbesondere besseres Ergebnis gebracht. Der Widerruf könne auch nicht auf einen Leistungsvergleich mit der Mitarbeiterin Sch gestützt werden. Im übrigen habe die Klägerin schon in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen, ihr seien zu keinem Zeitpunkt Leistungsvorbehalte gemacht worden. Danach sei der Vortrag der Beklagten zum behaupteten Leistungsabfall ungenügend.
b) Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg. Die Beklagte hat mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Vergabe von tariflichen Leistungszulagen" abgeschlossen, wonach diese vom Ergebnis einer Leistungsbeurteilung abhängen. Die bisherige Zulage war jedoch in vielen Fällen höher als die aufgrund der Beurteilung nach der Betriebsvereinbarung zu zahlende Zulage. Die Betriebsvereinbarung erwähnt zwar die verbleibende sogenannte AT-Zulage. Sie enthält jedoch keine Regelung über deren Widerruf. Die Beklagte hat nicht dargelegt, von welchen Anforderungen die Zulage abhängig ist. Es fehlt insoweit schon an einem einer Billigkeitskontrolle zugänglichen objektiven Maßstab.
Zwar hat die Beklagte den Widerruf der außertariflichen Zulage mit dem Ergebnis der Leistungsbeurteilung begründet. Es fehlt aber an der Darlegung bestimmter Leistungsmängel, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Die Beklagte hat jedenfalls in der Vergangenheit keine Veranlassung gesehen, die außertarifliche Zulage der Klägerin zu widerrufen oder zu kürzen, obwohl sie sich das Recht hierzu schon in der Anlage zum Arbeitsvertrag vorbehalten hatte.
c) Da die von der Beklagten für die Kürzung der außertariflichen Zulage dargelegte Begründung den Anforderungen des § 315 Abs. 1 BGB schon nicht genügt, kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt hat. Es kann weiter unerörtert bleiben, ob das von der Beklagten durch Betriebsvereinbarung eingeführte Punktesystem mit der nachwirkenden tariflichen Lohnregelung vereinbar ist. Die Beklagte behält nämlich einen Teil der Leistungszulage von durchschnittlich 13 % der tariflichen Zeitlohnsumme ein und zahlt ihn erst später aus. Da nach der Betriebsvereinbarung der Wert eines Punktes bei Zeitlohnarbeitern 0,13 % beträgt, jedoch höchstens 100 Punkte erreichbar sind und im Betriebsdurchschnitt 64,1 Punkte erzielt wurden, liegt die monatlich ausgezahlte Zulage bis zu einem späteren Ausgleich erheblich unter 13 % der tariflichen Zeitlohnsumme. Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte über das Punktesystem hinaus einseitig Richtlinien oder allgemeine Gesichtspunkte für den Widerruf oder die Kürzung der Zulagen aufgestellt oder zugrunde gelegt hat, ohne insoweit den Betriebsrat - wie erforderlich - zu beteiligen (vgl. BAG Urteil vom 17. Dezember 1980 - 5 AZR 570/78 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
ist durch Urlaub an
der Unterschrift verhindert
Dr. Thomas
Polcyn Dr. Schönherr
Fundstellen