Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersversorgung für befristet beschäftigte Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bei der Zusage von Leistungen auf betriebliche Altersversorgung ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann vereinbar, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (Bestätigung des Senatsurteils vom 20. Juli 1993 - 3 AZR 52/93 - AP Nr 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
2. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse rechtswirksam auf ein Jahr befristet sind (hier: ABM-Kräfte nach §§ 91 bis 96 AFG), dürfen von Zusagen auf Leistung der betrieblichen Altersversorgung ausgenommen werden.
Orientierungssatz
Auslegung des § 3 des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 22.02.1994; Aktenzeichen 6 Sa 1100/93) |
ArbG Rheine (Entscheidung vom 12.05.1993; Aktenzeichen 2 Ca 1512/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Gemeinde verpflichtet ist, der Klägerin eine Zusatzrente zu zahlen, die sie beziehen würde, wenn sie für die Dauer ihrer Beschäftigungen als ABM-Kraft bei einer Kommunalen Zusatzversorgungskasse versichert worden wäre.
Die 1927 geborene Klägerin war vom 19. Oktober 1981 bis 18. Oktober 1982, vom 1. Januar 1983 bis 30. Juni 1983 sowie vom 3. Oktober 1983 bis 31. März 1984 (insgesamt 24 Monate) jeweils zeitlich befristet bei der beklagten Gemeinde als Angestellte beschäftigt. Den Arbeitsverhältnissen lagen gleichlautende Arbeitsverträge zugrunde. Danach wurde die Klägerin für die genannten Zeiträume „als Angestellte für Arbeiten nach §§ 91 bis 96 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vom 25. Juni 1969 in der jeweils gültigen Fassung eingestellt”. Nach einer weiteren Bestimmung der Verträge sollten auf das Arbeitsverhältnis einzelne Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anwendung finden. Im übrigen richtete sich das Arbeitsverhältnis, soweit nichts anderes geregelt wurde, nach den gesetzlichen Vorschriften. Die Bundesanstalt für Arbeit und das Land Nordrhein-Westfalen erstatteten der Beklagten ganz und später teilweise die Lohnkosten. Die Klägerin wurde nicht bei der Kommunalen Zusatzversorgungskasse Westfalen-Lippe (ZKW) angemeldet.
Die Klägerin bezieht seit dem 1. März 1992 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, sie während der Beschäftigungszeiträume bei der ZKW zu versichern. Eine solche Verpflichtung ergebe sich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Ausschluß der ABM-Kräfte von der Zusatzversorgung sei sachwidrig. Zusammen mit einer aus einer früheren Beschäftigung bei der Kreisverwaltung T anrechenbaren Zeit von 36 Monaten hätte sie die Wartezeit von 60 Umlagemonaten erfüllt. Sie hätte Leistungen aus der Zusatzversorgung beanspruchen können.
Die Klägerin hat beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Altersrente zu zahlen, wie sie sie beziehen würde, wenn sie für die Dauer ihrer Beschäftigung als ABM-Kraft bei der Zusatzversorgungskasse versichert gewesen wäre.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, es sei sachlich nicht zu beanstanden, wenn der BAT und die Versorgungstarifverträge auf ABM-Kräfte keine Anwendung fänden. Die Tarifvertragsparteien könnten frei darüber entscheiden, ob und für welche Berufsgruppen sie tarifliche Regelungen treffen wollten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin kann eine Zusatzrente weder als Schadensersatz noch aus Gründen der Gleichbehandlung verlangen.
I.
Die beklagte Gemeinde ist nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Sie brauchte die Klägerin während der genannten Beschäftigungszeiten nicht bei einer Zusatzversorgungskasse zu versichern.
1. Die Klägerin hat keinen tarifvertraglichen Anspruch nach § 46 BAT in Verbindung mit dem Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV). Der VersTV ist nur anzuwenden, wenn die Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) fallen (§ 3 VersTV). Nach § 3 Buchst. d des BAT gilt der Tarifvertrag nicht für Angestellte, die Arbeiten nach §§ 93 und 97 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) verrichten. Zu diesem Personenkreis gehörte die Klägerin.
2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Arbeitsvertrag. Zwar werden einzelne Bestimmungen des BAT in den Arbeitsverträgen in Bezug genommen. § 46 wird aber nicht erwähnt. Anhaltspunkte, die für die Aufnahme einer entsprechenden Verpflichtung in den Arbeitsvertrag sprechen könnten, sind hier (anders als im Senatsurteil vom 15. September 1992 - 3 AZR 438/91 - AP Nr. 39 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen) nicht ersichtlich.
II.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
1. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine Zusatzversorgung zu verschaffen, kann auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Wird einem Arbeitnehmer unter Verletzung des Gebots der Gleichbehandlung die Zusatzversorgung versagt, so ist der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Verschaffung der üblichen Zusatzversorgung rechtswidrig nicht nachgekommen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verpflichtet ihn dann, dem Arbeitnehmer eine gleichwertige Versorgung zukommen zu lassen. Kann der Arbeitnehmer nach den Satzungsbestimmungen der Kasse nicht nachversichert werden, muß der Arbeitgeber selbst eintreten (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu B II 1 der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Ein solcher Anspruch ist nicht vom Verschulden des Arbeitgebers abhängig. Es handelt sich nicht um einen Schadensersatzanspruch.
2. Die beklagte Gemeinde durfte die Klägerin von der Zusatzversorgung ausnehmen. Sie hat den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Eine unterschiedliche Behandlung der Gruppe ist dann sachfremd, wenn es für diese unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. zuletzt das erwähnte Senatsurteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung; Urteil vom 20. Juli 1993 - 3 AZR 52/93 - AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Die Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen bei der Zusage von Leistungen auf betriebliche Altersversorgung ist nur dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn die Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist (Senatsurteil vom 20. Juli 1993, aaO).
Die unterschiedliche Behandlung der befristet eingestellten Arbeitnehmer und der auf unbestimmte Zeit eingestellten Arbeitnehmer ist – gemessen am Zweck, den der Arbeitgeber mit der betrieblichen Altersversorgung verfolgt – gerechtfertigt. Mit Zusagen auf eine betriebliche Altersversorgung will der Arbeitgeber in der Regel die Betriebstreue fördern und belohnen sowie den Arbeitnehmer an den Betrieb binden (vgl. BAGE 24, 177, 183 = AP Nr. 156 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu A II 2 a der Gründe; BAGE 32, 139, 146 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Treuebruch, zu III 1 b der Gründe; Urteil vom 20. Juli 1993, aaO, zu 2 c der Gründe; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 81 I 2, m.w.N.). Dieses Interesse fehlt bei allen Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber nur vorübergehend in seinem Betrieb oder seiner Dienststelle beschäftigen will. Zu diesem Personenkreis gehörte auch die Klägerin. Ihr Arbeitsverhältnis wurde für die Dauer der Zuweisung im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wirksam befristet (BAGE 55, 338 = AP Nr. 114 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Die Einwendungen der Klägerin gegen diese rechtliche Beurteilung überzeugen nicht. Zwar soll der befristete Einsatz einer ABM-Kraft nach dem Zweck dieser Förderung zur Begründung von Dauerarbeitsverhältnissen führen. Dieser Zweck der Förderung ändert aber nichts daran, daß die Arbeitnehmer zunächst nur befristet eingestellt werden. Der Arbeitgeber ist nicht in der gleichen Weise gebunden wie bei der Begründung eines von vornherein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses.
Auf die Rechtsprechung des Senats zur Gleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten mit Vollzeitbeschäftigten kann sich die Klägerin nicht berufen. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer werden wie Vollzeitbeschäftigte auf Dauer eingestellt. Sie dürfen nicht wegen des zeitlich geringeren Umfanges ihrer Arbeitspflichten gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt werden. Sie können dieselbe Betriebszugehörigkeit und damit eine Bindung an den Arbeitgeber erreichen wie Vollzeitbeschäftigte auch. Dagegen können befristet beschäftigte Arbeitnehmer in der Regel die eine unverfallbare Anwartschaft begründenden Zeiten nicht erreichen, wenn es nicht später zu einer Dauerbeschäftigung kommt. Bei befristet eingestellten Arbeitnehmern fehlt es an der mit einer zusätzlichen Altersversorgung belohnten und geförderten Betriebstreue des Arbeitnehmers. Deshalb besteht entgegen der Annahme des Berufungsgerichts auch kein Widerspruch zwischen den Entscheidungen des Senats vom 12. Mai 1992 (- 3 AZR 226/91 - AP Nr. 35 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen betreffend den Ausschluß der ABM-Kräfte) einerseits und der Entscheidung des Senats vom 28. Juli 1992 (- 3 AZR 173/92 - AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung betreffend die Ansprüche der Teilzeitbeschäftigten) andererseits.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Dr. Bächle, Schlaefke
Fundstellen
Haufe-Index 60183 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 8 |
DB 1995, 930-931 (LT1) |
BuW 1995, 327-328 (K) |
EBE/BAG 1995, 50-51 (LT1-2) |
FamRZ 1995, 673 (L) |
ARST 1995, 159-160 (LT1-2) |
EWiR 1995, 423 (L1-2) |
NZA 1995, 886 |
NZA 1995, 886-887 (LT1-2) |
VersorgW 1995, 168 (T) |
ZAP, EN-Nr 632/95 (L) |
ZIP 1995, 667 |
ZIP 1995, 667-668 (LT1-2) |
ZTR 1995, 213-214 (ST1) |
AP BetrAVG § 1, Nr. 23 Gleichbehandlung (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 460 Nr. 311 (LT1-2) |
EzA-SD 1995, Nr 6, 12-13 (LT1-2) |
EzA BetrAVG § 1, Gleichbehandlung Nr. 5 (LT1-2) |
EzBAT § 6 Versorgungs-TV, Nr. 3 (L1-2) |
EzBAT BAT § 46, Nr. 26 (LT1-2) |
MDR 1995, 722-723 (LT) |
VersR 1995, 1471-1472 (LT) |