Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung von Prozeßkosten
Leitsatz (amtlich)
- Ein Journalist handelt grob fahrlässig, wenn er über einen anderen eine unwahre negative Tatsache verbreitet und für die angebliche Richtigkeit seiner Behauptung weder auf eigene Kenntnisse noch auf andere Erkenntnisquellen verweist.
- Wird er gerichtlich in Anspruch genommen, so hat er gegen seinen Auftraggeber keinen Anspruch auf Freistellung von den Gerichtskosten.
Normenkette
BGB §§ 611, 276, 670
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist seit 20 Jahren überwiegend für die Beklagte im Hörfunk und Fernsehen als Autor/Realisator und Regisseur aufgrund sog. Honorarverträge tätig. Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit betrugen im Jahr 1989 rund 150.000,-- DM.
Nach seinem eigenen Vortrag recherchierte der Kläger u.a. über einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren das Thema “Bauskandale in der City”, und zwar konkret anhand des Objektes K…. In diesen Skandal ist nach seiner Auffassung auch der Rechtsanwalt Professor N… verwickelt. Der Kläger sah es als gegeben an, daß im Zusammenhang mit diesem Bauobjekt ab 1984 falsche eidesstattliche Versicherungen abgegeben, daß Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts betrogen und daß Steuern nicht ordnungsgemäß abgeführt worden seien. Diesen Komplex bereitete der Kläger für drei Hörfunksendungen auf, worauf Prozesse gegen ihn angestrengt wurden. Die Beklagte erklärte sich insoweit bereit, 15.000,-- DM an Kosten zu zahlen.
Für die Hörfunk-Sendereihe “Zeitlupe-Aktuelle Dokumente” erstellte der Kläger einen Beitrag zum Thema “Anwälte und Kriminalität”.
Der vom Kläger vorbereitete Text lautete u.a.:
“In der Praxis des ehemals renommierten Rechtsanwalts Prof. … war ein Notar L… tätig. Er wurde inzwischen wegen Veruntreuung von Mandantengeldern rechtskräftig verurteilt. Prof. N… sieht sich zahlreichen Strafanzeigen und Untreuevorwürfen ausgesetzt.”
Der zweite Satz dieser Hörfunknotiz war von einem Redakteur der Beklagten wie folgt geändert worden: “Er ist wegen … verurteilt worden”.
Prof. N… teilte der Beklagten hierauf mit, der zitierte Notar L… sei nach einer im Herbst 1975 ausgesprochenen Kündigung des Sozietätsvertrages zum 30. Juni 1976 ausgeschieden. Mandantengelder habe er nicht veruntreut. Er sei, soweit ihm bekannt, etwa 1983 oder 1984 im Zusammenhang mit einer Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH im Raum Württemberg zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden.
Auf Begehren von Prof. N… gab die Beklagte mit Schreiben vom 23. Oktober 1989 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Prof. N… erwirkte außerdem gegen den Kläger am 17. Oktober 1989 eine einstweilige Verfügung, mit der dem Kläger die obige Äußerung untersagt wurde. Der Widerspruch des Klägers, mit dem er sich gegen die ihm in dem Verfügungsverfahren auferlegten Verfahrenskosten wandte, blieb erfolglos.
Der Kläger fordert von der Beklagten die Freistellung von den ihm in dem einstweiligen Verfügungsverfahren entstandenen Prozeßkosten. Er hat geltend gemacht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten, jedenfalls aber als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen. Er habe in Ausübung einer gefahrgeneigten Tätigkeit gehandelt. Im Zusammenhang mit der Erstellung des Sendemanuskripts treffe ihn kein Verschulden. Er habe äußerst gründlich recherchiert. Im Gespräch mit anderen Rechtsanwälten sei von diesen der Name L… genannt und dabei wörtlich zum Ausdruck gebracht worden im Falle L… sei der “Sündenfall” von Prof. N… begründet. Darüber hinaus habe die Beklagte das Sendemanuskript zu seinen Ungunsten verändert.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn von sämtlichen Verbindlichkeiten betreffend die Prozeßkosten des Rechtsstreits Prof. Dr. …./. R… O…, Geschäftsnr. 27 0 772/89 des Landgerichts Berlin, freizustellen. Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe die Kosten der einstweiligen Verfügungsverfahrens allein aufgrund der gesetzlichen Regelungen der §§ 91 ff. ZPO zu tragen. Selbst wenn daneben ein schuldrechtlicher Befreiungsanspruch bestehe, könne der Kläger sich hierauf nicht berufen, da er nur arbeitnehmerähnliche Person sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, ist der vom Kläger geltend gemachte Freistellungsanspruch nicht aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers herzuleiten. Die Fürsorgepflicht als solche kann nicht Anspruchsgrundlage für etwaige Ersatzansprüche sein (BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers).
2. Ebensowenig hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Freistellung von den Prozeßkosten nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Die Beklagte hat sich gegenüber dem Kläger nicht schadenersatzpflichtig gemacht. Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Diese hat den Kläger umgehend von den Ansprüchen des Rechtsanwalts unterrichtet und die eigene Unterlassungserklärung erst nach dessen Stellungnahme abgegeben. Der Kläger zeigt selbst nicht auf, wieso in dieser Handlungsweise eine Pflichtverletzung zu sehen sein soll. Insbesondere liegt keine Verletzung des Redaktionsgeheimnisses vor. Durch die sog. Absage im Anschluß an die Zeitlupe-Sendung war der Name des Klägers als Autor bekanntgegeben, er stellte somit kein Geheimnis mehr dar.
3. Ein Anspruch des Klägers kann auch nicht aus § 670 BGB (analog) hergeleitet werden (vgl. dazu BAGE 12, 15 = AP, aaO).
a) Gemäß § 670 BGB ist der Auftraggeber zum Ersatz solcher Aufwendungen verpflichtet, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten darf. Die Regelung des § 670 BGB wird insoweit über den Ersatz von Aufwendungen als freiwillige Vermögensopfer entsprechend auf Schäden angewandt, die in einem inneren adäquaten Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen und nicht durch die Vergütung abgegolten werden (MünchKomm-Seiler, BGB, 2. Aufl., § 670 Rz 14, 17 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind auch den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht erfüllt.
Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob der Kläger Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Person war (vgl. dazu BAGE 12, 15, 24 ff. = AP, aaO. zu VII der Gründe). Entscheidend ist vielmehr, daß der Kläger nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Berufungsgerichts nicht ordentlich recherchierte und damit eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung über den Rechtsanwalt Prof. Dr. N… verursachte. Das Verhalten des Klägers war grob fahrlässig.
Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob die Untersuchung des Bauvorhabens K… 12/15 als gefahrgeneigt anzusehen war, ob der Untersuchungsbereich “Unterschlagung von Mandantengeldern” mit zu diesem Gesamtkomplex zu rechnen war oder eine in sich geschlossene Angelegenheit darstellte, die nicht als gefahrgeneigt zu qualifizieren wäre.
3. Wie das Bundesarbeitsgericht bereits am 10. November 1961 ausgeführt hat (BAGE 12, 15 = AP, aaO) scheitert der Anspruch des Arbeitnehmers aus § 670 BGB jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer infolge einer schuldhaften Handlungsweise sein Vorgehen den Umständen nach nicht für erforderlich halten durfte. Hiervon ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auszugehen.
Die im Hörfunk verbreitete Behauptung, der früher in der Praxis des ehemals renommierten Rechtsanwalts Prof. N… tätig gewesene Notar L… sei wegen Veruntreuung von Mandantengeldern rechtskräftig verurteilt worden, Prof. N… sehe sich zahlreichen Strafanzeigen und Untreuevorwürfen ausgesetzt, war eine für den Rechtsanwalt nicht hinzunehmende Behauptung. Der Hörer konnte hieraus negative Schlüsse auf die Art der Betreuung der Mandantschaft ziehen.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, ein Redakteur der Beklagten habe den von ihm gelieferten Text zu seinen Ungunsten verändert. Das Gegenteil ist zutreffend. Nach dem Textvorschlag des Klägers ergab sich durch die Verknüpfung mit dem Wort “inzwischen” ein engerer Bezug zum Skandalkomplex als mit der von dem Redakteur vorgenommenen Formulierung, Notar L… sei verurteilt worden.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, eine entsprechende Tatsachenbehauptung sei von anderen Rechtsanwälten verbreitet worden. Er trägt dazu nämlich nur vor, die Rechtsanwälte hätten zum Ausdruck gebracht, im Falle L… sei der “Sündenfall” von Prof. N… begründet. Aus dieser Mitteilung ergibt sich nichts für eine Unterschlagung von Mandantengeldern.
Der Kläger kann ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen, Prof. N… habe ihm ein Interview verweigert. Allein diese Tatsache berechtigte den Kläger nicht anzunehmen, in der Praxis von Prof. N… seien Mandantengelder veruntreut worden. Der Kläger trägt selbst nicht vor, er habe Prof. N… vor der Bitte um ein Interview darauf hingewiesen, er werde eine entsprechende Behauptung verbreiten, wenn Prof. N… sich dazu nicht äußere. Es kann deshalb auch dahingestellt bleiben, ob ein solcher Hinweis den Kläger zur Verbreitung einer solch ehrenrührigen Behauptung berechtigt hätte.
Der Kläger hat somit ohne tatsächlich vorhandene Grundlage eine ehrenrührige Behauptung aufgestellt. Der Kläger behauptet selbst nicht, daß ihm ein solcher Vorgang aus eigener Anschauung bekannt sei noch macht er geltend, daß er aus irgend einer anderen zuverlässigen Quelle entsprechende Tatsachen habe entnehmen können. Die Handlungsweise war daher grob fahrlässig. Für die dadurch verursachten Folgen hat der Kläger daher allein einzustehen.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Weiss, R. Schmidt
Fundstellen
BAGE, 81 |
BB 1992, 997 |
NJW 1992, 2109 |
JR 1992, 528 |
NZA 1992, 691 |
RdA 1992, 220 |
AfP 1992, 186 |