Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschlag für Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr
Orientierungssatz
1. Freizeitausgleich für Arbeiten an Samstagen nach 13.00 Uhr mit 50%igem Zuschlag.
2. Auslegung der §§ 2 und 3 des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 25.7.1986.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 28.11.1988; Aktenzeichen 4 Sa 1187/88) |
ArbG Wesel (Entscheidung vom 12.07.1988; Aktenzeichen 1 Ca 1319/88) |
Tatbestand
Die Klägerin wird von der Beklagten als Angestellte in der Niederlassung Kalkar beschäftigt. Sie erhält ein Monatsgehalt in Höhe von DM 2.521,-- brutto und ist Mitglied des Betriebsrates. Im Betrieb der Beklagten beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 38,5 Stunden wöchentlich; es gilt die Fünf-Tage-Woche von Montag bis Freitag.
Am 12. Oktober 1987 wurde zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die "Arbeitszeitregelung zum Jahreswechsel 1987/1988" geschlossen, in der u.a. folgendes bestimmt ist:
"§ 1
Da zum Jahreswechsel 1987/1988 Betriebsferien sind,
werden hierfür laut beiliegender Auflistung zwei oder
drei der erforderlichen vier Urlaubstage an Samstagen
vorgearbeitet.
§ 2
Mögliche Samstage sind:
21. November 1987 - 28. November 1987 - 5. Dezember
1987 - 12. Dezember 1987 - 19. Dezember 1987.
§ 3
Der letzte Arbeitstag vor Weihnachten ist der
23. Dezember 1987. Dieser Tag gilt als Bestandstag,
vorausgesetzt, alle bis zum 22. Dezember 1987 ge-
planten Touren wurden bearbeitet.
§ 4
Als erster Arbeitstag in 1988 gilt der 4. Januar 1988.
..."
Für die Niederlassung Kalkar sollte am 21. November, 5. und 12. Dezember 1987 vorgearbeitet werden. Am 21. November 1987 hatte die Klägerin Urlaub. In der Woche vom 30. November bis 5. Dezember 1987 hat die Klägerin an sechs Tagen insgesamt 49,75 Stunden und am Samstag, dem 5. Dezember 1987, von 7.00 bis 12.00 Uhr und von 12.30 bis 16.15 Uhr gearbeitet. Am 5. Dezember 1987 hat nach 13.00 Uhr der Betriebsrat der Beklagten getagt, an dessen Sitzung die Klägerin teilgenommen hat; die Erforderlichkeit dieser Sitzung ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Am 12. Dezember 1987 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Für den 30. Dezember 1987 wurde ihr ein Urlaubstag angerechnet.
Mit Schreiben vom 14. April 1988 hat die Klägerin von der Beklagten erfolglos die Zahlung eines fünfzigprozentigen Zuschlages für die am 5. Dezember 1987 nach 13.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden begehrt.
Mit ihrer am 26. Mai 1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 1. Juni 1988 zugestellten Klage hat sie ihr Begehren weiterverfolgt und dazu vorgetragen, die von ihr am 5. Dezember 1987 nach 13.00 Uhr geleistete Samstagsarbeit sei mit einem Zuschlag von 50% zu vergüten. Dabei handele es sich nicht um einen Mehrarbeitszuschlag im üblichen Sinne, sondern um einen Erschwerniszuschlag für Arbeit zu unüblichen Zeiten. Der Zuschlag für Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr sei unabhängig davon zu zahlen, ob im übrigen Mehrarbeit vorliege. Maßgeblicher Anspruchszeitraum sei nach den tariflichen Bestimmungen die Kalenderwoche. Dabei komme es nicht darauf an, daß im Hinblick auf die Betriebsferien zum Jahreswechsel vorgearbeitet worden sei, so daß die Betriebsvereinbarung ihren Anspruch nicht berühre. Maßgeblich sei allein, ob die regelmäßige Wochenarbeitszeit überschritten worden sei. Im übrigen habe gerade bei der Beklagten an der Samstagsarbeit vor Weihnachten ein starkes Interesse bestanden, denn erfahrungsgemäß sei die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr wenig arbeitsintensiv.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
DM 51,87 brutto nebst 4 % Zinsen seit dem
1. Juni 1988 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, es handele sich vorliegend nicht um Mehrarbeit im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmungen. Vielmehr liege lediglich eine Verlagerung regelmäßiger Arbeitszeit auf Grund der Betriebsvereinbarung vor, die nach den tarifvertraglichen Bestimmungen nicht zuschlagspflichtig sei. Unabhängig hiervon handele es sich nicht um einen Zuschlag eigener Art, sondern um einen Mehrarbeitszuschlag, der durch Freizeitausgleich gemäß der Betriebsvereinbarung ausgeglichen worden sei. Eine Arbeitsleistung an sechs Tagen in der Woche auf Grund der Betriebsvereinbarung unterliege nicht der tarifvertraglichen Regelung. Im Hinblick auf die Freistellung zum Jahreswechsel sei im Durchschnitt sogar weniger als fünf Tage in der Woche gearbeitet worden. Im übrigen sei die Geltendmachung des Anspruchs treuwidrig. Nach § 2 Nr. 1 MTV ende die Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember um 12.00 Uhr. Hierdurch ausfallende Arbeitszeit sei nach Vereinbarung vor- oder nachzuarbeiten. Die Betriebsvereinbarung sehe eine solche Vor- oder Nacharbeit nicht vor. Hierdurch sei die Klägerin in den Genuß von zwei halben arbeitsfreien Tagen gekommen. Diese stellten ohne Zweifel mehr als ein Äquivalent zu den von der Klägerin jetzt erbetenen Zuschlägen dar.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin mit Einwilligung der Beklagten die Klage in Höhe des DM 25,93 brutto übersteigenden Betrages zurückgenommen; außerdem haben die Parteien unstreitig gestellt, daß hinsichtlich dieses Betrages die Verfallfristen eingehalten sind. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage in dem in der Berufungsinstanz beschränkten Umfang weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht der eingeklagte Betrag als Zuschlag für Arbeit am Samstag, den 5. Dezember 1987, nach 13.00 Uhr nicht zu. Denn dieser Zuschlag ist durch Freizeit abgegolten.
Auszugehen ist für die Klageforderung von § 3 MTV, der bestimmt:
"Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit
1. Mehrarbeit ist jede über 40 Stunden in der Woche
ab 1. Januar 1987 über 38,5 Stunden in der Woche
hinausgehende angeordnete oder mit dem Betriebsrat
vereinbarte Arbeit.
...
2.a) Die nach § 3 Nr. 1 angeordnete Mehrarbeit ist mit
1/173 ab 1. 1. 1987 mit 1/167 des Monatsgehalts
bzw. Monatslohnes, zuzüglich eines Zuschlages von
25 % ab der 41. Stunde pro Woche (Mehrarbeitszu-
schlag) zu vergüten. Bei abweichender Verteilung
der Arbeitszeit (§ 2 Nr. 2) ist für 1,5 Stunden,
die festgelegte Wochenarbeitszeit überschreitende
Arbeitszeit nur die Grundvergütung, darüber hinaus
zusätzlich der Mehrarbeitszuschlag zu zahlen.
Überschreitet die Arbeitszeit an einem Arbeitstag
zehn Stunden, so ist ab der elften Stunde ein Zu-
schlag von 50 % zu vergüten (siehe § 3 Nr. 8). Wird
an sechs Tagen in der Woche gearbeitet, ist
Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr mit einem Zuschlag
von 50 % zu vergüten. Die angebrochene Arbeits-
stunde ist anteilig zu vergüten.
...
3. Mehrarbeit kann auch im beiderseitigen Einvernehmen
durch Freistellung an anderen Arbeitstagen ausge-
glichen werden, wobei die Zuschläge in Zeit mitzu-
berücksichtigen sind. Ist ein Ausgleich nicht mög-
lich, wird die Mehrarbeit einschließlich Zuschlag
vergütet."
Für die Arbeitszeit wird in § 2 MTV geregelt:
"1. Die regelmäßige Wochenarbeitszeit beträgt aus-
schließlich der Pausen 40 Stunden, ab 1. 1. 1987
38,5 Stunden. Sie vermindert sich um die an gesetz-
lichen Wochenfeiertagen ausfallenden Arbeitsstunden.
Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit ist festzu-
legen.
Die regelmäßige Arbeitszeit ist ab 1. 1. 1987 auf
fünf Tage in der Woche zu verteilen. Aus dringenden
betrieblichen Erfordernissen kann die Arbeitszeit
auf sechs Tage verteilt werden. Wird an Samstagen
gearbeitet, soll die Arbeitszeit um 13.00 Uhr enden.
Soweit ein Betriebsrat vorhanden ist, ist hierüber
eine Betriebsvereinbarung abzuschließen.
Am 24. und 31. Dezember endet die Arbeitszeit um
12.00 Uhr; abgesehen von zwingenden Ausnahmen. Hier-
durch ausfallende Arbeitszeit ist zu bezahlen. Sie
ist nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber vor- oder
nachzuarbeiten; der entsprechende Zuschlag gemäß § 3
ist zu zahlen.
2. Eine von Nr. 1 abweichende Verteilung der regel-
mäßigen Arbeitszeit ist aus betrieblichen Gründen
unter Beachtung der Höchstarbeitszeit des § 7 AZO
bis zu 50 Stunden in der Woche zulässig, wenn innerhalb
von Regelungszeiträumen von bis zu jeweils 26 Wochen
die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von
38,5 Stunden nicht überschritten wird.
Besteht ein Betriebsrat, so ist über die abweichende
Einteilung der Arbeitszeit eine Betriebsvereinbarung
abzuschließen.
Die tägliche Arbeitszeit und die Pausen regelt
die Betriebsleitung unter Mitbestimmung des Be-
triebsrates. Diese Regelung ist durch Aushang
im Betrieb bekanntzugeben."
Soweit das Landesarbeitsgericht insoweit noch vom MTV Groß- und Außenhandel vom 8. Februar 1982 ausgeht, ist das unschädlich, weil der Tarifvertrag in der Fassung vom 25. Juli 1986 in den entscheidenden Regelungen hiermit übereinstimmt.
Danach steht der Klägerin für die Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr ein Zuschlag von 50 % zu. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß sie in der Woche vom 30. November bis 5. Dezember 1987 an sechs Tagen gearbeitet hat und am Samstag, dem 5. Dezember 1987 in der Zeit von 13.00 Uhr bis 16.15 Uhr als Mitglied des Betriebsrates an einer erforderlichen Betriebsratssitzung teilnahm. Die Beklagte war verpflichtet, die Klägerin für diese Zeit von der beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts freizustellen (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Im Sinne von § 3 MTV ist aber mit dem Betriebsrat über 38,5 Stunden in der Woche hinaus vereinbarte Arbeit in jedem Falle Mehrarbeit. Es kommt insoweit nicht darauf an, daß es sich um anderweit ausgefallene regelmäßige Arbeit handelt, die hier nur vorgeholt wird. Für Mehrarbeit ist allein entscheidend, daß sie in der betreffenden Woche geleistet worden ist, was im vorliegenden Fall in der Zeit vom 30. November bis 5. Dezember 1987 geschehen ist. Für diese Mehrarbeit sind in § 3 Ziffer 2 a Zuschläge festgelegt, die in unterschiedlicher Höhe normiert sind. Ab der 41. Stunde beträgt der Zuschlag 25 % und wenn an einem Arbeitstag mehr als 10 Stunden geleistet werden, ab der 11. Stunde 50 %. Genauso wird dann die Samstagsarbeit ab 13.00 Uhr mit einem Zuschlag von 50 % versehen, wenn an 6 Tagen in der Woche gearbeitet wird. Das alles ist geregelt in § 3 Ziffer 2 a, so daß sich aus diesem Zusammenhang des Tarifvertrages schon ergibt, daß auch dieser Zuschlag von den Tarifvertragsparteien als eine Art des Mehrarbeitszuschlages angesehen wird.
Zwar ist richtig, daß im Hinblick auf die Besonderheit einer Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr, die nach § 2 Ziffer 1 MTV nach Möglichkeit vermieden werden soll, hiermit auch eine Erschwernis für die besondere Lage dieser Arbeitszeit abgegolten werden soll. Trotzdem behandeln die Tarifvertragsparteien aber diesen Zuschlag nach dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages nicht als Sonderzuschlag, sondern im Zusammenhang mit dem Mehrarbeitszuschlag. Für Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit werden Zuschläge nämlich erst in § 3 Ziffer 4 und 5 MTV festgelegt. Demgegenüber ist der Zuschlag für Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr in § 3 Ziffer 2 a MTV geregelt. Selbst wenn man dabei berücksichtigt, daß die Tarifvertragsparteien die Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr nach Möglichkeit vermeiden wollten und deshalb einen besonders hohen Zuschlag festgelegt haben, wird er doch nach dem Zusammenhang des Tarifvertrages aus der Regelung in §§ 2 und 3 MTV einem Mehrarbeitszuschlag gleichgestellt, so daß er auch nach § 3 Ziffer 3 MTV durch Freizeit ausgeglichen werden kann.
Haben die Tarifvertragsparteien die Zuschläge unterschiedlich in verschiedenen Ziffern geregelt und hier den Zuschlag für Samstagsarbeit nach 13.00 Uhr im Zusammenhang mit den Mehrarbeitszuschlägen für Mehrarbeit über die 41. Stunde pro Woche hinaus und bei Arbeiten über 10 Stunden ab der 11. Stunde hinaus einheitlich in einer Ziffer geregelt, werden diese Mehrarbeitsregelungen auch insgesamt von § 3 Ziffer 3 MTV erfaßt, worin der Ausgleich durch Freistellung unter Mitberücksichtigung der Zuschläge in Zeit festgelegt wird. Selbst wenn man also mit der Klägerin davon ausgeht, daß die Besonderheit dieses Zuschlages in der ungünstigen Arbeitszeitlage am Samstagnachmittag zu sehen ist, wird er trotzdem nach dieser tariflichen Regelung von der Freistellungsmöglichkeit mit erfaßt.
Die Klägerin hat aber insgesamt erheblich mehr Freizeit erhalten als ihr einschließlich der Zuschläge zustehen würde. Der Klägerin ist nämlich nach dieser Regelung auch der volle 24. und 31. Dezember 1987 bezahlt worden, obwohl sie an diesen Tagen hätte arbeiten müssen und selbst die Zeit ab 12.00 Uhr vor- oder nachgearbeitet werden mußte. Ein weiterer Anspruch steht danach der Klägerin auch bei Berücksichtigung des 50%igen Zuschlages für die Samstagsarbeit ab 13.00 Uhr nicht mehr zu.
Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es insoweit auch nicht am beiderseitigen Einvernehmen gemäß § 3 Ziffer 3 MTV. Auch hier muß auf den Gesamtzusammenhang abgestellt werden. Wenn nach § 3 Ziffer 1 des Tarifvertrages Mehrarbeit die mit dem Betriebsrat vereinbarte Arbeit ist, kann in Ziffer 3 bei dem anderweiten Ausgleich durch Freistellung im beiderseitigen Einvernehmen nichts anderes verlangt werden. Der Ausgleich wurde ausdrücklich in der Betriebsvereinbarung niedergelegt, weil darin die Zeiten der Freistellung festgelegt und die Tage bestimmt worden sind, an denen durch Samstagsarbeit die ausfallende Arbeit vorgeholt wird. Dann braucht nicht noch zusätzlich ausdrücklich niedergelegt zu werden, daß damit auch die Zuschläge abgegolten sind, wenn sich durch diese Freistellungszeiten von selbst ergibt, daß damit auch die Zuschläge in der Freistellung mitenthalten sind.
Hat aber damit das Landesarbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen, war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Brocksiepe Marx
Fundstellen