Entscheidungsstichwort (Thema)
Kundenschutzabrede
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 15.12.1987, 3 AZR 476/86.
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 06.05.1987; Aktenzeichen 5 Sa 1249/86) |
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 13.05.1986; Aktenzeichen 1 Ca 431/86) |
Tatbestand
Der Beklagte war vom 1. Juli 1982 bis zum 28. Februar 1985 als Weinberater bei der Muttergesellschaft der Klägerin, der K GmbH in N beschäftigt. Die Klägerin übernahm zum 1. März 1985 den Betrieb ihrer Muttergesellschaft. Zu diesem Zeitpunkt trat der Beklagte in deren Dienste. Als Vergütung erhielt er Provisionen aus den von ihm vermittelten Weingeschäften. Während des Arbeitsverhältnisses überließ die Klägerin dem Beklagten Listen über mögliche Weinkunden. Hierzu heißt es im Arbeitsvertrag:
Die Namen, Anschriften, Telefonnummern und Kaufgewohnheiten
von Kunden und die Anschriften von Weininteressenten
auf Werberückantwortkarten der Firma sind Geschäftsgeheimnisse
der Firma im Sinne von § 17 UWG. Der
ADM anerkennt, daß ihm diese Anschriften und Daten nur
als Geschäftsgeheimnisse anvertraut werden und daß die
Verwertung dieser Geschäftsgeheimnisse außerhalb dieses
Vertrages oder die Mitteilung an Dritte vertrags- und
sittenwidrig ist und der Berufsauffassung eines ordentlichen
Kaufmanns widerspricht.
Die Daten von Kunden, die erst während der Vertragsdauer
aufgrund von Werberückantwortkarten der Firma oder
als sogenannte Empfehlungskunden gewonnen wurden, sind
ebenfalls Geschäftsgeheimnisse der Firma, die der ADM
außerhalb dieses Vertragsverhältnisses nicht verwerten
darf.
Der ADM darf Aufzeichnungen von obigen Kundendaten nur
auf firmeneigene Unterlagen (Originalkarteikarte, Auftragsvordruck)
im Rahmen der Verkaufsrichtlinien anfertigen.
Er hat diese auf Verlangen der Firma jederzeit,
bei Kündigung oder Vertragsbeendigung unaufgefordert
vollständig beim zuständigen Verkaufsleiter abzugeben.
Insoweit ist jedes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen.
Soweit der ADM Aufzeichnungen, die Kundendaten enthalten,
zur Kontrolle der noch nicht verprovisionierten
Aufträge oder aus sonstigen triftigen Gründen benötigt,
hat er diese Unterlagen oder die herausgetrennten Kundenanschriften
in den vorgenannten Fällen dennoch zur
Verwahrung bei der Firma abzugeben.
Gibt der ADM die Kundenkartei oder sonstige Aufzeichnungen
von Kundendaten trotz schriftlicher Aufforderung
nicht heraus, so verpflichtet er sich, für jeden
Tag der verspäteten Rückgabe eine Vertragsstrafe von
DM 800,-- pro Tag und Kundenkartei an die Firma zu zahlen.
Der ADM verpflichtet sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe
von DM 800,--
a) für jede Kundenanschrift, von der er sich bei Beendigung
des Vertrages Aufzeichnungen zurückbehält,
b) für jede ihm als Geschäftsgeheimnis anvertraute
Kundenanschrift der Firma, die er während der
Vertragszeit oder nach Beendigung des Vertragsverhältnisses
zu Konkurrenzzwecken selbst verwertet
oder Dritten, insbesondere Konkurrenten
zugänglich macht.
Die gleichen Vertragsstrafen sind verwirkt, wenn der
ADM diese Handlungen versucht oder vorbereitet.
Am 30. September 1985 kündigte der Beklagte außerordentlich, weil im Wein der Klägerin Glykol gefunden worden war. Seit Anfang Oktober 1985 arbeitete er als Handelsvertreter für die W G GmbH & Co. in N. Der Beklagte besuchte auch ehemalige Kunden der Klägerin, um ihnen Wein, Schaumwein und Spirituosen zu verkaufen. Nachdem über das Vermögen der G GmbH & Co. das Konkursverfahren eröffnet worden ist, wurde das Handelsvertreterverhältnis am 4. Februar 1987 fristlos beendet. Der Beklagte ist auch weiterhin im Weinhandel tätig.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei den Kundenlisten um Geschäftsgeheimnisse handele, die der Verschwiegenheitspflicht des Beklagten unterlägen. Die Kundenlisten dürfe er daher auch ohne ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht für sich ausnutzen. Von einem redlichen kaufmännischen Angestellten könne erwartet werden, daß er nicht die Kunden seines Arbeitgebers abwerbe. Dagegen sei es ihm unbenommen, auch am gleichen Ort nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Weinhandel tätig zu werden. Sie hat behauptet, daß der Beklagte entgegen seinem Arbeitsvertrag bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kundenlisten kopiert habe. Es sei ausgeschlossen, aus dem Gedächtnis in so großem Umfang Kundenanschriften zu bewahren und die Kunden nach dem Gedächtnis aufzusuchen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. dem Beklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes
bis 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft,
oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für
jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen,
Kunden der Klägerin zwecks Verkaufs von Wein,
Schaumwein und Spirituosen gezielt zu kontaktieren
oder kontaktieren zu lassen, deren Anschriften
ihm im Rahmen des Anstellungsvertrages
mit der Klägerin bekannt geworden oder
anvertraut worden sind,
hilfsweise,
Stammkunden, der Klägerin zwecks Verkaufs von
Wein, Schaumwein und Spirituosen gezielt zu
kontaktieren oder kontaktieren zu lassen, deren
Anschriften ihm im Rahmen des Anstellungsvertrages
mit der Klägerin bekannt geworden oder
anvertraut worden sind und die bei der Klägerin
oder deren Muttergesellschaft, der K GmbH,
bereits zwei Weinbestellungen
aufgegeben und in der Zeit vom 1. Oktober
1983 bis 30. September 1985 Wein im Werte
von mindestens 250,-- DM bestellt haben, soweit
es sich nicht um Personen handelt, die vor dem
1. Oktober 1985 bereits Kunden der
G GmbH & Co. waren,
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin vollständige
Auskunft zu geben, welche Kunden der
Klägerin er im Sinne von Nr. 1 nach dem 30.
September 1985 zwecks Verkaufs von Wein, Schaumwein
und Spirituosen, insbesondere im Auftrag
der G GmbH & Co., N, kontaktiert
hat, welche Aufträge er mit diesen Kunden
getätigt und welche Provisionen er hierfür
ausbezahlt erhalten hat,
3. für den Fall, daß der Beklagte die Auskunft nicht
innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung
des Berufungsurteils erteilt, den Beklagten
zu verurteilen, an die Klägerin eine Entschädigung
in Höhe von 20.000,-- DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin einen unbestimmten Antrag gestellt habe. Sie sei aber auch nicht begründet, weil die Kundenschutzklausel ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot enthalte, das unwirksam sei. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er vertragsgemäß sämtliche Kundenkarteikarten und sonstige kundenbezogene Unterlagen vollständig zurückgegeben. Aufgrund seiner dreijährigen Tätigkeit habe er eine Reihe von Kunden und Kundenanschriften im Gedächtnis behalten. Dabei habe es sich vor allem um die Kunden gehandelt, die besonders viel bestellt hätten. Zum Teil seien sie auch Kunden seines neuen Vertriebsunternehmens gewesen. Der Klägerin sei durch sein Verhalten kein Schaden erwachsen. Die von ihm besuchten Kunden seien nicht mehr bereit gewesen, von der Klägerin Ware zu beziehen. Dies könne er beurteilen, weil er glykolverseuchte Weine gegen einwandfreie Ware habe austauschen müssen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren Revision, mit der die bisherigen Anträge weiterverfolgt werden. Jedoch hat die Klägerin den hilfsweise gestellten Unterlassungsantrag geändert, daß ein Verbot nicht zu ergehen habe, soweit es sich um Personen handelt, die vor dem 1. Oktober 1985 bereits Kunden der G GmbH & Co. oder einer sonstigen Weinhandelsgesellschaft waren.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision und die Klage sind zulässig.
1. Die Revision ist in vollem Umfange zulässig. Sie ist wegen der Zulassung des Landesarbeitsgerichts an sich statthaft (§ 72 ArbGG) und form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden (§ 74 ArbGG). Ihrer Zulässigkeit steht nicht entgegen, daß die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz ihren Hilfsantrag eingeschränkt hat. Ein neuer Antrag kann in der Revisionsinstanz dann gestellt werden, wenn das hierzu notwendige Tatsachenvorbringen vom Landesarbeitsgericht festgestellt ist (Stein/Jonas/Grunsky, ZP0, 20. Aufl. 1977, § 561 Rz 5; Zöller/Schneider, ZP0, 15. Aufl. 1987, § 561 Rz 10). Der von der Klägerin eingeschränkte Hilfsantrag ist bereits in ihrem früheren Antrag enthalten, weil er das Rechtsbegehren allein auf ihre Kunden beschränkt.
2. Die Klage ist auch zulässig, soweit die Klägerin von dem Beklagten verlangt, ihre Kunden nicht zu besuchen. Die Anträge sind hinreichend bestimmt. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZP0 muß eine Klage die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Aus dem Antrag muß sich deutlich ablesen lassen, welches Verhalten von dem Beklagten verlangt wird. Auch in einem auf Unterlassung gerichteten Rechtsstreit darf die Antragsformulierung nicht so abstrakt und unbestimmt sein, daß die Aufgaben gerichtlicher Streiterkenntnis funktionswidrig in das Vollstreckungsverfahren übertragen werden (Ahrens, Wettbewerbsverfahrensrecht, 1983, S. 158; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 5. Aufl. 1986, S. 327 f., jeweils mit weiterem Nachweis). Andererseits kann von dem Kläger nicht verlangt werden, seine Unterlassungsanträge so konkret zu umschreiben, etwa durch Aufnahme von Kundenlisten, daß gerade durch die Antragstellung die Gefährdung wettbewerblicher Interessen eintritt. Demgemäß sind in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung auch allgemein beschreibende Anträge als hinreichend bestimmt angesehen worden, wie "aus der früheren Tätigkeit bekannte Kunden zu bearbeiten" (RGJW 1938, 2904, 2905), "die Kunden der Klägerin, die dem Beklagten bekannt sind und von ihm besucht worden sind, zu besuchen und mit ihnen Geschäfte über irgendwelche Milcherzeugnisse zu machen" (BGH Urteil vom 6. November 1963 - I b ZR 41/62 und 40/63 - AP Nr. 5 zu § 1 UnlWG = GRUR 1964, 215 - Milchfahrer -) oder "eine Maschinenanlage zu benutzen, die in der Konstruktion der Aufbereitungsanlage der Klägerin für ... entspricht" (BGH GRUR 1963, 367 - Industrieböden -). Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind die von der Klägerin gestellten Anträge nicht zu beanstanden. Bei den in der Revisionsinstanz noch verfolgten Klageanträgen zu 1 ist eine Beifügung von Kundenlisten zwar möglich; sie würde es aber gerade dem Beklagten erleichtern, auch von solchen Kunden noch Kenntnis zu nehmen, die er möglicherweise bereits vergessen hat. Sie würde die wettbewerblichen Interessen der Klägerin verletzen.
B. Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin kann von dem Beklagten weder die Unterlassung von Wettbewerb noch Auskunft verlangen.
I. Die Klägerin kann aufgrund des Arbeitsvertrages nicht verlangen, daß der Beklagte unterläßt, ihre Kunden zu besuchen.
1. Die zwischen den Parteien vereinbarte Kundenschutzabrede enthält ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot. Dieses ist unverbindlich und wegen Fehlens jeglicher Entschädigungsvereinbarung unwirksam (§ 75 d HGB).
a) Nach dem Arbeitsvertrag ist dem Beklagten untersagt, die Namen der Kunden, die er durch seine Tätigkeit bei der Klägerin erfahren hat oder die geworben wurden, für sich oder einen Dritten zu verwenden. Nach Abs. 3 der Kundenschutzklausel darf der Beklagte Kundendaten nur auf der Klägerin gehörendem Papier und Karteikarten festhalten. Nach Abs. 4 ist der Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, wenn er Wettbewerb macht. Das bedeutet, daß dem Beklagten verboten ist, die Kunden der Klägerin zu besuchen, ihnen Wein oder sonstige Gegenstände zu verkaufen. Verboten ist jegliche Verwendung der Kundennamen.
b) Das dem Beklagten auferlegte Verbot stellt ein Wettbewerbsverbot dar. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Wettbewerbsverbot dann gegeben, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung geschlossen wird, die den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Sowohl eine Beschränkung einer künftigen selbständigen wie unselbständigen Berufsausübung führt zu einem Wettbewerbsverbot (BAGE 7, 239, 242 = AP Nr. 10 zu § 74 HGB, unter II 3 a der Gründe, mit weiterem Nachweis). Umstritten ist lediglich, ob bei jeder Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit oder nur bei einer Einschränkung in wirtschaftlich nicht unbedeutender Weise ein Wettbewerbsverbot anzunehmen ist. Nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum ist immer dann ein Wettbewerbsverbot gegeben, wenn die spätere Betätigungsfreiheit sachlich, örtlich oder zeitlich beschränkt wird (Würdinger in Großkomm., HGB, Bd. 1, 3. Aufl. 1967, § 74 Anm. 1 a; Baumbach/ Duden/Hopt, HGB, 27. Aufl. 1987, § 74 Anm. 1 C a). Dagegen ist der Senat davon ausgegangen, daß wirtschaftlich nicht relevante Beschränkungen aus einem Wettbewerbsverbot auszunehmen sind (BAGE 7, 239, 242 = AP, aa0, unter II 3 a der Gründe; zustimmend Schlegelberger/Schröder, HGB, 5. Aufl. 1973, § 74 Rz 4). Dieser Meinungsstreit kann hier auf sich beruhen. Denn durch die Konkurrenzabrede wird der Beklagte in nicht unerheblicher Weise in seiner Berufsausübung beschränkt. Nach der Vertragsabrede darf der Beklagte in der gesamten Bundesrepublik zeitlich unbeschränkt einen nicht unerheblichen Personenkreis zur Vermeidung des Wettbewerbs nicht besuchen. Die sich damit ergebende gewerbliche Beschränkung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unerheblich.
Die Revision hat vorgetragen, ihre Kundenschutzklausel diene nur dazu, einzelne Kunden in einem größeren Gebiet mit einer riesigen Zahl von Weininteressenten zu sperren. Eine derartige Beschränkung müsse ein ehemaliger Arbeitnehmer hinnehmen. Dem ist nicht zu folgen. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, daß nicht alle Weininteressenten wegen der hohen Vertriebskosten für einen Direktverkauf geworben werden können. Die Kundenschutzklausel macht dem Beklagten gerade dort die geschäftliche Entwicklung unmöglich, wo er bislang seinen Erwerb gefunden hat. Diese Beschränkung wird nur unwesentlich im Hilfsantrag dadurch abgemildert, daß der Beklagte an solche Kunden verkaufen darf, die wiederholt bei der Klägerin gekauft haben.
c) Ein Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer des Verbotes eine Entschädigung zu zahlen (§ 74 Abs. 2 HGB). Wettbewerbsabreden, in denen von dieser Verpflichtung des Arbeitgebers abgewichen wird, sind unverbindlich und im Falle des völligen Ausschlusses einer Entschädigung unwirksam (§ 75 d HGB).
2. Der Klägerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, zu ihren Gunsten ergebe sich ein Kundenschutz bereits aus der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht des Beklagten.
a) Aus einem Arbeitsverhältnis können sich auch Pflichten ergeben, die über seine Beendigung hinaus bestehen. In § 80 Abs. 1, 3 des Entwurfs eines Arbeitsgesetzbuchs vom September 1977 war ein entsprechender allgemeiner Rechtsgrundsatz enthalten (MünchKomm-Söllner, BGB, 1. Halbbd., § 611 Rz 403). Nach diesem Grundsatz sind Arbeitnehmer verpflichtet, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten sind (RGZ 149, 329, 334; BGH Urteil vom 15. Mai 1955 - I ZR 111/53 - AP Nr. 1 zu § 17 UnlWG; BAGE 41, 21 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis; von Gamm, Wettbewerbsrecht, 1. Halbbd., 5. Aufl. 1987, Kapitel 50 Rz 13). Betriebsgeheimnisse beziehen sich auf den technischen Betriebsablauf, insbesondere Herstellung und Herstellungsverfahren; Geschäftsgeheimnisse betreffen den allgemeinen Geschäftsverkehr des Unternehmens (von Gamm, aa0, Kapitel 50 Rz 12). Von der Verpflichtung des Arbeitnehmers, Betriebsgeheimnisse über das Ende des Arbeitsverhältnisses zu wahren, ist der Senat auch in seiner Entscheidung vom 16. März 1982 ausgegangen (BAGE 41, 21 = AP, aa0). Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auch auf Geschäftsgeheimnisse.
b) Die Klägerin verkennt aber, daß sich der Inhalt der Verschwiegenheitspflicht nur auf die geheimzuhaltende Tatsache bezieht. Der Arbeitnehmer hat Verschwiegenheit zu bewahren über die im Betrieb erarbeiteten Rezepturen (vgl. BAGE 41, 21 = AP, aa0) und Geschäftsgeheimnisse. Hierzu mögen Kundenlisten, Kaufgewohnheiten der Kunden, ihr Geschmack und ähnliche Umstände gehören (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 12. Aufl., UWG, § 17 Rz 9; von Gamm, aa0, Kapitel 50 Rz 21; RG Markenschutz und Wettbewerb 1933, 12 f.). Diese Kenntnisse darf der angestellte Verkäufer nicht veräußern und auf diese Weise für sich verwerten. Dagegen folgt aus der Verschwiegenheitspflicht noch kein weitergehendes Verbot, Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers zu umwerben. Insoweit bedarf es einer Wettbewerbsabrede, wenn dies verhindert werden soll (Grunsky, Wettbewerbsverbot für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987, S. 48). Für die Einschränkung der gewerblichen Tätigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat das Gesetz die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten zur Verfügung gestellt (BAGE 7, 239, 244 = AP Nr. 10 zu § 74 HGB, zu 3 b der Gründe). Die Klägerin selbst hat zutreffend darauf hingewiesen, daß im Recht der Handelsvertreter ebenfalls zwischen der Verpflichtung zur Wahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 90 HGB) und Wettbewerbsvereinbarungen (§ 90 a HGB) unterschieden wird. Das Gesetz mag damit, wie die Klägerin meint, dem verfassungsrechtlichen Eigentum des Unternehmens an seinen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen Rechnung getragen haben.
c) Die Unterscheidung zwischen dem Inhalt der Verschwiegenheitspflicht und dem Inhalt einer Wettbewerbsabrede widerspricht nicht der Rechtsprechung des Senats zu den Mandantenschutzklauseln. Diese kommen in rechts- und steuerberatenden Berufen vor. Nach der Rechtsprechung des Senats sind zu unterscheiden allgemeine Mandantenschutzklauseln, in denen sich der frühere Mitarbeiter eines Steuerberaters verpflichtet, keine Mandanten seines bisherigen Arbeitgebers zu betreuen, sowie beschränkte Mandantenschutzklauseln, in denen dem angestellten Steuerberater nur untersagt ist, bisherige Mandanten seines Arbeitgebers abzuwerben (BAGE 23, 382, 389 = AP Nr. 25 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel, zu II 4 der Gründe; Urteil vom 26. November 1971 - 3 AZR 220/71 - AP Nr. 26, aa0, zu I 1 a der Gründe; Urteil vom 9. August 1974 - 3 AZR 346/73 - AP Nr. 27, aa0, zu I der Gründe). Auf allgemeine Mandantenschutzklauseln sind §§ 74 ff. HGB entsprechend anzuwenden; sie sind demnach nur wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Unterlassung der Betreuung ehemaliger Mandanten seines Arbeitgebers eine Karenzentschädigung zugesagt wird. Dagegen ist der Arbeitnehmer zur Einhaltung einer begrenzten Mandantenschutzklausel auch ohne Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet.
Zwischen Mandantenschutzklauseln freier Berufe und Kundenschutzklauseln in der gewerblichen Wirtschaft bestehen jedoch erhebliche Unterschiede. Dem Steuerberater, der sich selbständig macht, ist nach dem Standesrecht jede aktive Mandantenwerbung untersagt, insbesondere ist ihm verboten, seinem früheren Arbeitgeber die Mandanten abzuwerben (BAGE 23, 382, 388 f. = AP Nr. 25 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel, zu II 3 b der Gründe). Beschränkte Mandantenschutzklauseln wiederholen nur die ohnehin geltende Rechtslage. Die Betreuungsverträge von Steuerberatern und ihren Mandanten sind auf Dauer auf die ständige Beratung der Klienten und die Bereitschaft zur Mandatsübernahme angelegt. Dagegen ist es einem früheren Angestellten, zu dessen Pflichten die Förderung des Warenumsatzes seines Arbeitgebers gehörte, gestattet, seinem bisherigen Arbeitgeber Konkurrenz zu machen und auch in seinen Kundenstamm einzudringen. Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, kann etwas anderes gelten (BAGE 3, 139, 141 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; 7, 239 f. = AP Nr. 10 zu § 74 HGB; 41, 21, 33 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis, zu III 2 der Gründe, mit weiterem Nachweis; RG JW 1938, 2904; BGH Urteil vom 6. November 1963 - I b ZR 41/62 u. 40/63 - AP Nr. 5 zu § 1 UnlWG = GRUR 1964, 215 ff., mit zustimmender Anmerkung von Bußmann - Milchfahrer -; Urteil vom 19. November 1982 - I ZR 99/80 - AP Nr. 11 zu § 17 UnlWG, zu III 3 b der Gründe = GRUR 1983, 179, 181 - Stapel-Automat -; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 2. Aufl. 1982, S. 375; von Gamm, aa0, Kapitel 33 Rz 24, mit weiterem Nachweis). Solche besonderen Umstände liegen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Streitfalle aber nicht vor.
3. Die Klägerin kann keine Auskunft verlangen, welche Kunden der Beklagte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besucht hat. Ein Wettbewerbsverbot bestand mangels Vereinbarung nicht; aus der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht folgt kein Auskunftsrecht.
II. Der Klägerin stehen gegen den Beklagen auch keine weitergehenden Unterlassungsansprüche aufgrund des allgemeinen Wettbewerbsrechts zu.
1. Die Klägerin kann ein Verbot, mit ihren Kunden in Geschäftsbeziehungen zu treten, nicht aus § 823 Abs. 2, § 1004 BGB in Verb. mit § 17 UWG ableiten. Zu dem Zeitpunkt, in dem das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien beendet worden ist, galt § 17 UWG in der Fassung der NotV0 vom 9. März 1932 (RGBl I, 121) in der Änderung vom 2. März 1974 (BGBl I, 469).
a) Nach § 17 Abs. 1 UWG wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das ihm im Wege des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich geworden ist, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an jemand zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen, mitteilt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt und die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, daß der Beklagte bereits während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses in irgendeiner Form von den Kundenlisten Gebrauch gemacht hat.
b) Ebensowenig sind die Voraussetzungen des Geheimnisverrats von § 17 Abs. 2 UWG gegeben. Hiernach wird bestraft, wer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, dessen Kenntnis er durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zum Zwecke des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder jemand mitteilt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß dem Beklagten nicht zu widerlegen ist, daß er Namen und Anschriften der Kunden, die er nach September 1985 aufgesucht hat, aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit für die Klägerin im Gedächtnis behalten hat. Die Verwertung langjährig erworbenen beruflichen Erfahrungswissens ist aber statthaft (vgl. oben B I 2).
Die von der Klägerin gegen diese Feststellung erhobenen Verfahrensrügen (§ 554 Abs. 3 ZP0) sind unbegründet.
Soweit die Klägerin rügt, Arbeits- und Landesarbeitsgericht seien ihrer Behauptung nicht nachgegangen, der Beklagte habe vor seinem Ausscheiden die Kundenunterlagen kopiert, ist die Verfahrensrüge ungerechtfertigt. Es hätte der Klägerin oblegen anzugeben, wo sie für diese Behauptung Beweis angetreten hat. In der Tat findet sich für eine derartige Behauptung aber auch kein Beweisantritt. Aus ihrem Sachvorbringen, der Beklagte habe zahlreiche ihrer ehemaligen Kunden besucht, läßt sich nicht der Schluß ableiten, der Beklagte müsse die Kundenlisten kopiert haben. Im Gegenteil ist von einem langjährig beschäftigten Weinverkäufer gerade zu erwarten, daß er die Kundschaft kennt.
2. Der Beklagte hat durch Weinverkäufe an ehemalige Kunden der Klägerin auch nicht gegen die allgemeinen Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstoßen. Nach § 1 UWG kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden, wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen.
Nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, zu seinem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb zu treten (vgl. B I 2). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber ein Wettbewerbsverbot vereinbart hat oder die nachvertragliche Wettbewerbstätigkeit wegen ihrer eingesetzten Mittel und Methoden gegen den redlichen Geschäftsverkehr verstößt. Derart unredliche Methoden mögen gegeben sein, wenn sich ein ehemaliger Arbeitnehmer die Kenntnis der Kundschaft seines Arbeitgebers unredlich verschafft (B II 1) oder der Arbeitnehmer einen Vernichtungswettbewerb entfaltet. Ein solcher liegt z.B. dann vor, wenn ein früherer Arbeitnehmer nach Einstellung seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber schlagartig dessen Kundenkreis wegnimmt und mit Erzeugnissen eines Konkurrenzunternehmens beliefert (BGH Urteil vom 6. November 1963 - I b ZR 41/62 und 40/63 - AP Nr. 5 zu § 1 UnlWG = GRUR 1964, 215; RG JW 1938, 2904). Aber auch für ein derartiges Verhalten hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Der Beklagte ist nur in einen Teil der Kundschaft der Klägerin eingedrungen, so daß die Unterlassungsansprüche nicht gerechtfertigt sind.
2. Aus allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Gründen stehen der Klägerin keine Auskunftsansprüche wegen der Kundenbesuche nach September 1985 zu.
Schaub Griebeling Ascheid
Gnade Dr. Kiefer
Fundstellen