Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall von Übergangsgeldansprüchen

 

Orientierungssatz

Eine objektiv unzutreffende Rechtsauskunft des anderen Vertragsteils allein hindert nicht den Verfall von Ansprüchen. Die Ungewißheit des Gläubigers über Umfang und Grenzen seiner Forderung steht der Geltendmachung nicht entgegen, da er bei besserer Rechtskenntnis die Forderung erheben und notfalls auch einklagen kann.

 

Normenkette

BMT-G § 58; BMT-G 2 § 58; BMT-G § 63 Abs. 1; BMT-G 2 § 63 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 22.08.1986; Aktenzeichen 16 Sa 557/86)

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 29.01.1986; Aktenzeichen 1 Ca 2865/85)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Gewährung von Übergangsgeld nach §§ 58 ff. BMT-G II.

Der Kläger war seit dem 18. Februar 1959 bei der Beklagten als Arbeiter beschäftigt und über 20 Jahre lang freigestellter Personalratsvorsitzender. Er ist Schwerbehinderter mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 50 %. Nachdem die Hauptfürsorgestelle beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe ihre Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilt hatte, schied der Kläger mit dem 3. September 1981 wegen Berufsunfähigkeit bei der Beklagten aus. Gemäß Bescheid vom 15. Juli 1981 erhielt er wegen Berufsunfähigkeit rückwirkend ab 16. Oktober 1980 eine Rente.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtete sich nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II).

Im August 1981 besprach der Kläger mit dem damaligen Personalamtsleiter S seinen Antrag auf Übergangsgeld. Der Personalamtsleiter S erklärte ihm, daß er einen Antrag auf Übergangsgeld nicht zu stellen brauche, weil ein solcher Anspruch nicht bestehe. Dies bestätigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 7. September 1981 erneut.

Nachdem der Kläger von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 1982 - 3 AZR 576/80 - (AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr. 3) Kenntnis erhielt, wonach für Schwerbehinderte entgegen der Auffassung der Beklagten ein Anspruch auf Übergangsgeld bestehe, machte er erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 1982 seinen Anspruch auf Auszahlung von Übergangsgeld schriftlich geltend. Mit Schreiben vom 21. Januar 1983 erwiderte die Beklagte dem Kläger, daß die Frage der Zahlung des Übergangsgeldes an Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrentner noch nicht höchstrichterlich geklärt sei und sie zum gegebenen Zeitpunkt unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen werde. Auf Erinnerungsschreiben des Klägers teilte die Beklagte mit Schreiben vom 9. Februar 1984 abermals mit, daß sie unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkomme. Nach erneuter Erinnerung des Klägers mit Schreiben vom 26. Juni 1984 lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 8. August 1984 die Zahlung von Übergangsgeld ab, weil der Anspruch verfallen sei.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte sich auf die nicht rechtzeitige schriftliche Geltendmachung des Anspruchs auf Übergangsgeld nicht berufen könne, weil sie die nicht rechtzeitige schriftliche Geltendmachung durch die unrichtige mündliche und schriftliche Auskunft im August/September 1981 selbst herbeigeführt habe.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Beklagte zur Zahlung

von Übergangsgeld verpflichtet ist.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, eine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer auf das Bestehen tariflicher Ansprüche hinzuweisen, bestehe nicht. Die Tatsache allein, daß das Personalamt zunächst angenommen habe, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Übergangsgeld nicht zu, setze die Ausschlußfrist gemäß § 63 BMT-G II auch nicht außer Kraft. Das Personalamt habe 1981 nicht arglistig gehandelt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld gemäß §§ 58, 59 BMT-G II bestand, jedoch gemäß § 63 Abs. 1 BMT-G II verfallen ist, da er nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist schriftlich geltend gemacht wurde.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe den Anspruch auf Übergangsgeld erstmals mit Schreiben vom 17. Dezember 1982 und damit verspätet gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlußfrist gemäß § 63 Abs. 1 BMT-G II verstoße auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Als der Personalamtsleiter der Beklagten und die Beklagte selbst mit Schreiben vom 7. September 1981 unter Berufung auf § 58 Abs. 4 Unterabs. 2 BMT-G II den Anspruch versagt haben, sei für sie nicht zu erkennen gewesen, daß diese Vorschrift rechtlich umstritten gewesen sei. Mit den Zwischenbescheiden vom 21. Januar 1983 und vom 9. Februar 1984 habe die Beklagte auch nicht den Eindruck erzeugt, als wolle sie bei Erfolglosigkeit der zu dieser Rechtsfrage seinerzeit anhängigen Verfassungsbeschwerde Übergangsgeld ohne schriftliche Geltendmachung zahlen. Im Schreiben vom 21. Januar 1983 hätte sich die Beklagte zwar auf die Ausschlußfrist des § 63 Abs. 1 BMT-G II berufen können. Es sei jedoch nicht als treuewidrig anzusehen, wenn sie dies nicht getan habe. Solange die Beklagte vom Ausgang eines anhängigen Verfahrens eine Klärung der Rechtsfrage erwarte, um einen Antrag zutreffend bescheiden zu können und deshalb nur die Zwischenbescheide erteilt habe, sei ihr Verhalten nicht rechtsmißbräuchlich.

II. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß dem Kläger grundsätzlich das Übergangsgeld zustand, da er nach Lebensalter und Beschäftigungsdauer die tariflichen Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsgeld gem. §§ 58, 59 BMT-G II erfüllt hatte. Er schied am 3. September 1981 aus dem Arbeitsverhältnis aus, um als Schwerbehinderter vorgezogenes Altersruhegeld in Anspruch zu nehmen.

a) Dem Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld stand vorliegend auch § 58 Abs. 4 Unterabs. 2 BMT-G II nicht entgegen, wonach das Übergangsgeld für den Zeitraum vom Beginn des dritten Monats seit dem Beginn einer Rente wegen Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis vor Beginn der Berufsunfähigkeit begründet worden war. Nach § 42 SchwbG a. F. vom 29. April 1974 (BGBl I S. 1006) i.d.F. vom 8. Oktober 1979 (BGBl I S. 1649) durften bei der Bemessung des Arbeitsentgelts und der Dienstbezüge Renten und vergleichbare Leistungen, die wegen einer Behinderung bezogen wurden, nicht berücksichtigt werden. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht (BAGE 37, 245, 249 = AP Nr. 2 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr. 2; BAG Urteil vom 13. Juli 1982 - 3 AZR 576/80 - AP Nr. 3 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - DB 1987, 2049 f., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) geschlossen, daß beim Übergangsgeld gem. §§ 62 ff. BAT eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente, wenn die Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit auf einem Schwerbehindertenleiden beruht, weder angerechnet werden noch zum Ausschluß oder zur Kürzung des Anspruch führen darf. Die Vorschrift des § 62 Abs. 4 Unterabs. 2 BAT ist daher im Bereich des Schwerbehindertenrechts nicht anwendbar gewesen (vgl. erkennender Senat, Urteil vom 27. November 1986, aaO). Dies gilt in gleichem Maße für die wortgleiche Vorschrift des § 58 Abs. 4 Unterabs. 2 BMT-G II, so daß insoweit ein Übergangsgeldanspruch des Klägers nicht ausgeschlossen ist.

b) Daran hat die durch Art. 6 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1523) erfolgte Neufassung des § 42 SchwbG nichts geändert. Zwar gilt seit dem 1. Januar 1982 das Anrechnungsverbot nicht mehr (vgl. BAGE 40, 355, 358 = AP Nr. 8 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr. 9; BAGE 46, 245, 248 = AP Nr. 13 zu § 42 SchwbG = EzA § 42 SchwbG Nr. 14; BAG Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 -; zuletzt erkennender Senat, Urteile vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 -, aaO, sowie vom 9. Juli 1987 - 6 AZR 542/84 -). Die neue Regelung gilt aber noch nicht für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Januar 1982 geendet hat (vgl. BAGE 40, 355, 360 = AP, aaO; BAG Urteil vom 11. Dezember 1985 - 7 AZR 351/84 -; BAG Urteil vom 27. November 1986 - 6 AZR 558/84 - aaO; BAG Urteil vom 9. Juli 1987 - 6 AZR 542/84 -).

2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht den Verfall dieses Anspruchs auf Übergangsgeld gemäß § 63 Abs. 1 BMT-G II zu Recht bejaht, da der Kläger seinen Anspruch nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist des § 63 Abs. 1 BMT-G II geltend gemacht hat.

a) Der Ablauf tariflicher Ausschlußfristen ist von Amts wegen zu beachten (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. u.a. Urteil vom 27. Februar 1968 - 1 AZR 369/67 - AP Nr. 2 zu § 37 BAT; BAGE 23, 83, 89 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer; Urteil vom 12. Juli 1972 - 1 AZR 445/71 - AP Nr. 51 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Urteil vom 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - AP Nr. 4 zu § 496 ZPO = EzA § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 26 sowie aus jüngster Zeit die Senatsurteile vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 - nicht veröffentlicht, m.w.N. aus dem Schrifttum; vom 25. Juni 1987 - 6 AZR 506/84 - zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt; vom 9. Juli 1987 - 6 AZR 542/84 -), ohne daß sich eine Partei darauf zu berufen braucht. Ihr Ablauf bewirkt das Erlöschen des Rechts (vgl. BAG Urteil vom 5. November 1963 - 5 AZR 136/63 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; Senatsurteile vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 - und vom 9. Juli 1987 - 6 AZR 542/84 -).

b) Die schriftliche Geltendmachung des Anspruch innerhalb der Ausschlußfrist war im Streitfalle nicht entbehrlich. Der Hinweis auf den Ablauf der tarifvertraglichen Verfallfrist ohne formwirksame Geltendmachung stellt sich nicht als unzulässige, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Rechtsausübung dar.

aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Kläger im August 1981 mit dem Personalamtsleiter der Beklagten über einen Antrag auf Übergangsgeld gesprochen habe. Dieser Antrag ist jedoch schriftlich nicht gestellt worden, weil die Beklagte darüber hinaus mit Schreiben vom 7. September 1981 die Anspruchsvoraussetzungen verneint hat. Die Auskunft des Personalamtsleiters und der Beklagten mit Schreiben vom 7. September 1981, der Kläger habe keinen Anspruch auf Übergangsgeld und es bedürfe deshalb auch keines schriftlichen Antrages, war rechtlich zwar unzutreffend, begründet jedoch nicht den Vorwurf der Arglist oder des Rechtsmißbrauchs. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat weder der Personalamtsleiter der Beklagten bzw. die Beklagte selbst im August/September 1981 gewußt, daß die Anrechnung von Renten auf das tarifliche Übergangsgeld und damit die Rechtsgültigkeit von § 58 Abs. 4 Unterabs. 2 BMT-G II umstritten war und gerichtliche Verfahren deshalb anhängig waren.

bb) Eine objektiv unzutreffende Rechtsauskunft des anderen Vertragsteils allein hindert nicht den Verfall von Ansprüchen. Die Ungewißheit des Gläubigers über Umfang und Grenzen seiner Forderung steht der Geltendmachung nicht entgegen, da er bei besserer Rechtskenntnis die Forderung erheben und notfalls auch einklagen kann (vgl. BAG Urteil vom 13. Dezember 1983 - 3 AZR 264/80 - nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 13/85 - nicht veröffentlicht). Zum Zeitpunkt der Auskunft durch die Beklagte im August/September 1981 lagen die die Rechtslage klärenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1982 noch nicht vor. Wenn daher die Beklagte in einer höchstrichterlich noch ungeklärten Rechtsfrage einen sich später als irrig erweisenden Rechtsstandpunkt einnahm, ändert dies nichts daran, daß es Sache des Klägers gewesen wäre, darauf bedacht zu sein, sich selbst unabhängig von der Beklagten ein Urteil über die Berechtigung seiner Ansprüche zu bilden. Der Kläger kann nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß ein für ihn ungünstiger Rechtsstandpunkt des Arbeitgebers auch zutreffend ist. Wenn er gleichwohl der ihm nicht günstigen Rechtsansicht seines Vertragspartners glaubt und es unterläßt, den Anspruch rechtzeitig und formgerecht geltend zu machen, ist das sein Risiko und kann nicht zu Lasten der Beklagten gehen (vgl. BAGE 17, 248, 255 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: BAVAV; erkennender Senat, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 13/85 -).

cc) Auch die Nichtvorlage des Antragsformulars durch den Personalamtsleiter der Beklagten führt zu keiner anderen Bewertung. Abgesehen davon, daß die Nichtaushändigung eines Antragsformulars in unmittelbarem Zusammenhang mit der erteilten Rechtsauskunft steht und damit letztlich nur dessen zwangsläufige Folge darstellt, trifft den öffentlichen Arbeitgeber auch nicht die allgemeine Fürsorgepflicht, seine Arbeitnehmer über etwaige Ansprüche zu belehren, wenn darüber rechtlich verschiedene Ansichten möglich sind (BAGE 8, 279, 284 = AP Nr. 25 zu § 256 ZPO; BAG Urteil vom 16. November 1982 - 3 AZR 454/80 - AP Nr. 6 zu § 42 SchwbG; BAG Urteil vom 21. August 1984 - 3 AZR 459/80 - nicht veröffentlicht; erkennender Senat, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 13/85 - nicht veröffentlicht). Dies gilt zumindest dann, wenn es um Ansprüche geht, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwickeln waren. Einen Anspruch auf Übergangsgeld kann der Arbeitnehmer auch ohne Hilfe des Arbeitgebers durchsetzen. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, daß jedermann sich über seine Rechte und Befugnisse Gewißheit verschaffen muß. Dem Arbeitgeber kann nicht zugemutet werden, in umfassender Weise die Interessen des Arbeitnehmers zu wahren (BAG Urteil vom 31. Juli 1984 - 3 AZR 205/84 - unveröffentlicht). Insofern gehörte es auch nicht zu den Verpflichtungen der Beklagten, den Kläger auf eine schriftliche Geltendmachung hinzuweisen oder ihn durch Vorlage des Antragsformulars darin zu unterstützen, obwohl sie die Auffassung vertrat, daß überhaupt kein Anspruch bestand. In der Nichtvorlage des Antragsformulars kann weder eine Verletzung von Pflichten und Obliegenheiten aus dem Arbeitsverhältnis noch ein "Abhalten" von einer fristgerechten Geltendmachung der Ansprüche gesehen werden. Auch im öffentlichen Dienst gilt im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Übergangsgeld als allgemeiner Grundsatz, daß jedermann sich über seine Rechte und Befugnisse Gewißheit verschaffen muß. Die Berufung auf eine Ausschlußfrist kann deshalb nur ausnahmsweise in besonders krassen Fällen rechtsmißbräuchlich sein (vgl. BAG Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - AP Nr. 131 zu § 1 TVG Auslegung). Eine andere Bewertung würde dem Sinn und Zweck einer tariflichen Ausschlußfrist zuwiderlaufen. Mit tariflichen Ausschlußfristen wird der Zweck verfolgt, die Ansprüche einer möglichst schnellen endgültigen Erledigung zuzuführen. Sinn und Zweck der Forderung nach einer schriftlichen Geltendmachung bestehen darin, dem Schuldner den behaupteten Anspruch so deutlich zu machen, daß er sich über Inhalt und Umfang klar werden kann (vgl. BAG Urteil vom 4. Februar 1981 - 4 AZR 948/78 - AP Nr. 8 zu § 70 BAT). Für den möglichen Schuldner soll möglichst bald Gewißheit eintreten, auf welche Ansprüche er sich einzurichten hat (vgl. erkennender Senat Urteil vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 13/85 -). Dieser Zweck würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn gefordert würde, daß der mögliche Schuldner bei einer nicht formgerechten Geltendmachung erst dann Gewißheit erlangen kann, wenn er seinen möglichen Gläubiger im Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsauffassung zu einer formgerechten Geltendmachung aufgefordert hat, mithin ein Tätigwerden des Schuldners statt des Gläubigers erforderlich wäre.

dd) Ein Rechtsmißbrauch kann auch nicht aus anderen Gründen angenommen werden. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn nach den Erklärungen sowie dem sonstigen Verhalten der Partei, die sich auf mangelnde Geltendmachung beruft, der Eindruck erzeugt worden wäre, als wolle sie auch ohne Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung erfüllen oder von der Einhaltung der schriftlichen Geltendmachung absehen (vgl. dazu u.a. BAG Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - aaO; sowie Senatsurteile vom 18. Dezember 1986 - 6 AZR 36/85 - sowie vom 9. Juli 1987 - 6 AZR 542/84 -). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers, die Beklagte werde auch in Abänderung ihrer Praxis ohne schriftliche Geltendmachung das Übergangsgeld auszahlen, ist nicht erkennbar. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend die Zwischenbescheide der Beklagten vom 21. Januar 1983 und 9. Februar 1984 dahin ausgelegt, daß der Kläger daraus nicht den Eindruck gewinnen konnte, die Beklagte werde auch ohne rechtzeitige schriftliche Geltendmachung den Übergangsgeldanspruch erfüllen. Dies ist rechtsfehlerfrei und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Röhsler Dr. Jobs Dörner

Ramdohr Buschmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440616

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