Leitsatz (redaktionell)
Nach § 3d BAT-O (= § 3d BAT) gilt dieser Tarifvertrag nicht für Angestellte, die Arbeiten nach den §§ 93, 97 AFG oder nach den §§ 19, 20 BSHG verrichten. Arbeitnehmer, die in Maßnahmen nach § 249h AFG arbeiten, sind nicht vom Geltungsbereich des BAT-O ausgeschlossen (Fortführung von BAG Urteil vom 18. Juni 1997 - 5 AZR 259/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin für ihre Beschäftigung im Rahmen einer nach § 249h AFG geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme den vollen Tariflohn zu zahlen.
Die Klägerin, seit 1993 Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, war vom 15. Dezember 1994 bis zum 14. Dezember 1996 bei dem beklagten Land beschäftigt. Dieses ist Mitglied des Verbandes von Arbeitgebern des Öffentlichen Dienstes in Berlin sowie von Unternehmen, auf deren Leitung das Land Berlin einen entscheidenden Einfluß hat. Nach § 2 des von diesem Verband mit der ÖTV abgeschlossenen Tarifvertrages vom 21. November 1994 (DBl. I 1995, S. 2 ff.) finden auf die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Angestellten sämtliche zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der ÖTV vereinbarten, in ihrer jeweiligen Fassung für Angestellte geltenden oder nachwirkenden Tarifverträge Anwendung.
In der Zeit vom 15. Dezember 1994 bis zum 14. Dezember 1995 war die Klägerin auf der Grundlage eines sog. ABM-Vertrages (§ 93 AFG) beschäftigt. Für die Zeit vom 15. Dezember bis zum 31. Dezember 1995 war sie aufgrund Arbeitsvertrages vom 15. Dezember 1995 in einer nach § 249h AFG mit Lohnkostenzuschuß geförderten Maßnahme vollbeschäftigt. Am 8. Januar 1996 wurde ein Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Januar bis zum 14. Dezember 1996 abgeschlossen. Seine Überschrift lautet: "Arbeitsvertrag für Angestellte, die Arbeiten nach § 249h AFG verrichten (§ 3d BAT-O, vorbehaltich einer entsprechenden Änderung)". Eingangs heißt es: "Der Arbeitsvertrag vom 15.12.1995 ist ungültig". Nach seinem § 1 war die Klägerin "als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden für Arbeiten nach § 249h des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der jeweils gültigen Fassung eingestellt". § 3 des Arbeitsvertrages erklärte einzelne Bestimmungen und Abschnitte des BAT-O für anwendbar. Nach § 2 des Arbeitsvertrages sollte die Klägerin Bezüge der Vergütungsgruppe IVa BAT-O erhalten.
In einem undatierten und nicht gesondert unterschriebenen "Zusatz zum Arbeitsvertrag" heißt es:
"Aufgrund des Artikels 1 Nr. 19 des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26. Juli 1994 i.V.m. § 94 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz gilt hinsichtlich der zu zahlenden Vergütung, daß § 26 BAT/BAT-O mit den jeweils anzuwendenden Vergütungstarifverträgen mit der Maßgabe gilt, daß 90 v.H. der darin vereinbarten Bezüge zu zahlen sind. ..."
Dementsprechend erhielt die Klägerin 90 % des Tarifgehaltes.
Nach § 3d BAT-O gilt dieser Tarifvertrag nicht für "Angestellte, die Arbeiten nach den §§ 93 und 97 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) oder nach den §§ 19 und 20 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) verrichten". § 249h AFG in seiner bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung lautet auszugsweise:
"(1) Bis zum 31. Dezember 1997 kann die Bundesanstalt die Beschäftigung arbeitsloser Arbeitnehmer in Arbeiten, deren Durchführung in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet zur Verbesserung der Umwelt, der sozialen Dienste oder der Jugendhilfe dienen soll, durch die Gewährung von Zuschüssen an Arbeitgeber nach den folgenden Vorschriften fördern. Satz 1 gilt auch für Arbeiten zur Erhöhung des Angebots im Breitensport und in der freien Kulturarbeit sowie für Arbeiten zu Vorbereitung denkmalpflegerischer Maßnahmen.
(2) Die Bundesanstalt kann
1. Empfänger von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe, die vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mindestens drei Monate beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet waren,
2. Arbeitnehmer, die in einer nach den §§ 91 bis 96 geförderten allgemeinen Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung beschäftigt waren, und
3. Arbeitnehmer mit Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach § 63 Abs. 4, deren Arbeitszeit in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Arbeitsverhältnisses jeweils höchstens zehn vom Hundert der Arbeitszeit nach § 69 betragen hat,
unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Arbeitsamtbezirk in Maßnahmen der in Absatz 3 genannten Art zuweisen, sofern diese Personen in absehbarer Zeit nicht in andere Arbeit oder in berufliche Ausbildungsstellen vermittelt werden oder an einer Maßnahme zur beruflichen Bildung teilnehmen können. ... (Satz 4) Die Beziehungen zwischen den zugewiesenen Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber richten sich nach den Vorschriften des Arbeitsrechts. ... (Satz 6) § 93 Abs. 2 bis 4, § 112 Abs. 5 Nr. 4 gelten entsprechend.
(3) Arbeiten in den in Absatz 1 genannten Bereichen können nach diesen Vorschriften durch Zuschüsse zu den Lohnkosten von Arbeitnehmern gefördert werden, die das Arbeitsamt den Arbeitgebern zugewiesen hat, wenn die Arbeiten alsbald durchzuführen sind und sie ohne Förderung nach dieser Vorschrift nicht durchgeführt werden können. ...
(4a) Vom 1. Januar 1996 an ist für die Gewährung des Zuschusses § 242s Abs. 3 Satz 2 bis 4 entsprechend anzuwenden."
§ 93 Abs. 2 AFG lautet:
"(2) Die Beziehungen zwischen den zugewiesenen Arbeitnehmern und dem Träger oder dem Unternehmen richten sich nach den Vorschriften des Arbeitsrechts. Das Arbeitsverhältnis kann ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden, wenn das Arbeitsamt den Arbeitnehmer abberuft; der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis auch dann ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn er eine andere Arbeit oder eine berufliche Ausbildungsstelle findet, oder an einer Maßnahme zur beruflichen Bildung teilnehmen kann."
§ 242s Abs. 3 Sätze 2 bis 4 AFG haben folgenden Wortlaut:
"... Der Zuschuß nach Satz 1 wird nur gewährt, wenn für die zugewiesenen Arbeitnehmer Arbeitsentgelte vereinbart sind, die bei einer Arbeitszeit im Sinne des § 69 die berücksichtigungsfähigen Entgelte nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht überschreiten. Überschreiten die vereinbarten Entgelte die berücksichtigungsfähigen Entgelte, ist der Zuschuß nach Satz 1 um den überschreitenden Betrag zu kürzen. Beträgt die Arbeitzeit des zugewiesenen Arbeitnehmers weniger als 100 vom Hundert der Arbeitszeit im Sinne des § 69, ist der nach den Sätzen 1 und 2 berechnete Zuschußbetrag im Verhältnis zu dieser Arbeitszeit zu kürzen. ..."
Die Klägerin begehrt Zahlung des Differenzbetrages zwischen 90 % und dem vollen Tariflohn für die Zeit von Januar bis März 1996 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe wegen beiderseitiger Tarifbindung der volle Tariflohn zu. Sie sei nicht nach § 3d BAT-O vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages ausgeschlossen. Diese Vorschrift könne auch nicht ergänzend ausgelegt oder analog angewandt werden. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Eine ausdehnende Auslegung des § 3d BAT-O sei mit den Grundsätzen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an sie 1.074,42 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettozahlbetrag seit dem 16. März 1996 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat vorgetragen: Der Arbeitsvertrag stehe unter der - stillschweigenden - Bedingung, daß die öffentlichen Fördermittel in voller Höhe gezahlt würden. Dies ergebe sich aus der Zusatzvereinbarung zu dem Vertrag vom 15. Dezember 1995. Zu dem Arbeitsvertrag vom 8. Januar 1996 gebe es keine Zusatzvereinbarung. Da der Vertrag vom 8. Januar 1996 aber nur die Wochenarbeitszeit auf 32 Stunden reduziert habe, sei klar, daß die übrigen Vereinbarungen hätten bestehen bleiben sollen. Ohne Zahlung dieser Fördermittel sei der öffentliche Arbeitgeber nicht in der Lage und wohl nicht bereit, Arbeitsverhältnisse zur Wiedereingliederung langfristig Arbeitsloser in das Arbeitsleben einzugehen. Im übrigen sei der BAT-O auf das Arbeitsverhältnis nicht anzuwenden. Im Wege ausdehnender Auslegung, jedenfalls aber im Wege der Analogie sei § 3d BAT-O auch auf Förderprogramme gem. § 249h AFG anzuwenden, da die Interessenlage hier genauso sei wie bei den in § 3d BAT-O ausdrücklich genannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Billigenswerte Gründe für eine Ungleichbehandlung von Beschäftigten in ein und demselben Beschäftigungsprogramm mit gleichen Leistungsanforderungen seien nicht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung war erfolglos. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat für die Monate Januar bis März 1996 Anspruch auf das volle Tarifgehalt der Vergütungsgruppe IVa BAT-O.
I. Die Zusatzvereinbarung, wonach die Klägerin nur 90 % der tariflichen Vergütung erhalten sollte, betraf zunächst den Arbeitsvertrag vom 15. Dezember 1995, der nach dem Eingangssatz des Vertrages vom 8. Januar 1996 ungültig sein sollte. Es kann dahinstehen, ob die Parteien eine entsprechende Zusatzvereinbarung auch zum Vertrag vom 8. Januar 1996 geschlossen haben.
Ist dies nicht der Fall, so folgt der Anspruch der Klägerin sowohl aus § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrages, wonach die Klägerin Bezüge der Vergütungsgruppe IVa BAT erhalten sollte, als auch aus § 611 BGB in Verbindung mit dem BAT-O, der nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG wegen beiderseitiger Tarifbindung unmittelbar und zwingend gilt. Die Frage, ob eine solche Zusatzvereinbarung wirksam wäre, stellt sich dann nicht.
II. Haben die Parteien dagegen auch zum Vertrag vom 8. Januar 1996 eine entsprechende Zusatzvereinbarung geschlossen, so ergibt sich der Anspruch der Klägerin auf den vollen Tariflohn aus dem BAT-O, der nach § 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend gilt. Weder gestattet der BAT-O abweichende Vereinbarungen, noch enthält die Zusatzvereinbarung eine dem Arbeitnehmer günstigere Regelung (§ 4 Abs. 3 TVG).
Nach § 3d BAT-O (= § 3d BAT) gilt dieser Tarifvertrag nicht für Angestellte, die Arbeiten nach den §§ 93 und 97 AFG oder nach den §§ 19 und 20 BSHG verrichten. Diese Bestimmung ist wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Senatsurteil vom 18. Juni 1997 - 5 AZR 259/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
a) § 3d BAT-O erfaßt seinem Wortlaut nach nicht die Beschäftigung in Maßnahmen nach § 249h AFG. § 3d BAT-O ist auch weder ergänzend auszulegen, noch analog auf nach § 249h AFG geförderte Maßnahmen anzuwenden (ebenso Bruse u.a., BAT und BAT-O, 2. Aufl., § 3 Rz 8).
Nach seinem unmißverständlichen Wortlaut nimmt § 3d BAT-O nur die dort genannten Angestellten vom Geltungsbereich des Tarifvertrages aus. Das sind - neben denjenigen, die Arbeiten nach den §§ 19, 20 BSHG verrichten - nur solche Arbeitnehmer, die in allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (§§ 93, 91 AFG) und den besonderen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für ältere Arbeitnehmer (§ 97 AFG) tätig sind. Die Klägerin verrichtete dagegen - was sich auch aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages ergibt - Arbeiten nach § 249h AFG. Nach Abs. 2 Satz 6 dieser Bestimmung gelten zwar § 93 Abs. 2 bis 4 AFG entsprechend. Der Gesetzgeber hat § 249h AFG aber nicht als Unterfall der allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, sondern als eigenständige Förderungsmaßnahme ausgestaltet. Die Art der Arbeiten ist unterschiedlich. Während nach den §§ 93, 91 AFG alle "Arbeiten, die im öffentlichen Interesse liegen", förderungsfähig sind und es nach § 97 AFG auf die Art der Arbeiten nicht ankommt, muß es sich nach § 249h Abs. 1 AFG um Arbeiten im Beitrittsgebiet handeln, "deren Durchführung ... der Verbesserung der Umwelt, der sozialen Dienste oder der Jugendhilfe dienen soll" oder um "Arbeiten zur Erhöhung des Angebots im Breitensport und in der freien Kulturarbeit sowie Arbeiten zur Vorbereitung denkmalpflegerischer Maßnahmen". Auch der Kreis der zu fördernden Arbeitnehmer ist nicht identisch. So können nach § 249h Abs. 2 AFG neben denjenigen Arbeitnehmern, die zuvor in einer allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach den §§ 91 bis 96 AFG beschäftigt waren, auch Empfänger von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe mit kürzerer Arbeitslosigkeit als in § 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AFG gefordert und unter bestimmten Voraussetzungen auch Empfänger von Kurzarbeitergeld zugewiesen werden.
Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nicht, daß Arbeitnehmer, die mit Arbeiten nach § 249h AFG beschäftigt werden, aus dem Geltungsbereich des BAT ausgeschlossen sein sollen. Das AFG sieht unterschiedliche Leistungen an Arbeitgeber zur Beschäftigungsförderung vor, neben den genannten Bestimmungen und § 242s AFG auch Darlehen und Zuschüsse zur beruflichen Eingliederung nach § 54 AFG, die ebenfalls in § 3 d BAT-O nicht genannt sind. Die Tarifvertragsparteien wollten also nicht allgemein alle Arbeitnehmer, die in durch die Bundesanstalt für Arbeit und die öffentliche Hand geförderten Arbeitsverhältnissen tätig sind, sondern nur die in § 3d ausdrücklich genannten vom Geltungsbereich des Tarifvertrags ausnehmen.
b) Eine ergänzende Tarifauslegung kommt nicht in Betracht. Es kann zugunsten des beklagten Landes unterstellt werden, daß mit der Einfügung des § 249h in das Arbeitsförderungsgesetz durch Gesetz vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2044) zunächst eine (nachträgliche) Regelungslücke entstanden ist. Anders als bei bewußten Tariflücken kommt in derartigen Fällen eine Lückenausfüllung durch Urteil grundsätzlich in Betracht. Sie scheidet jedoch dann aus, wenn den Tarifvertragsparteien dafür verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und nicht feststeht, für welche sie sich entschieden hätten (BAGE 54, 30, 35 = AP Nr. 1 zu § 42 MTB II). Mit der Füllung der Lücke auch in einem solchen Fall würden die Gerichte verfassungswidrig in die Tarifautonomie eingreifen.
Eine ergänzende Tarifauslegung scheidet hier aus zwei Gründen aus: Die Tarifvertragsparteien haben den BAT-O seit dem Inkrafttreten des § 249h AFG (1. Januar 1993) mehrfach geändert. Sie hatten also vor Abschluß des Arbeitsvertrages vom 8. Januar 1996 mehrfach Gelegenheit, auch § 3d BAT-O entsprechend zu ändern. Das haben sie nicht getan. Von einer unbewußten Regelungslücke kann demnach nicht mehr gesprochen werden. Zudem standen und stehen den Tarifvertragsparteien verschiedene - rechtlich zulässige - Möglichkeiten der Lückenfüllung zur Verfügung.
c) Auch eine analoge Anwendung des § 3d BAT-O auf Arbeitnehmer in Arbeitsverhältnissen nach § 249h AFG kommt nicht in Betracht. Sie würde hier ebenso wie die ergänzende Tarifauslegung einen verfassungswidrigen Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie bedeuten.
Das beklagte Land hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, die Interessenlage sei bei § 249h AFG genauso wie bei den in § 3d BAT-O ausdrücklich genannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Eine solche Annahme liegt insbesondere für den Personenkreis des § 249h Abs. 2 Nr. 2 AFG nahe, also für die Arbeitnehmer, die zunächst in einer nach den §§ 91 bis 96 geförderten allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt waren und dann in einer Maßnahme nach § 249h AFG weiterarbeiten. Das ändert aber nichts daran, daß es zunächst und in erster Linie Aufgabe der Tarifvertragsparteien ist, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügende Regelungen zu schaffen.
Allerdings haben die Gerichte für Arbeitssachen nach ständiger Rechtsprechung Tarifverträge daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, insbesondere das Grundgesetz oder zwingendes Gesetzesrecht verstoßen. Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Mit der Tarifautonomie ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, Rechtsnormen zu schaffen. Dementsprechend müssen sie sich wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten. Es kann hier dahinstehen, ob die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer, die in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nach den §§ 93, 97 AFG und derjenigen, die in nach § 249h AFG geförderten Arbeitsverhältnissen tätig sind, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Denn die gerichtliche Überprüfung kann nicht dazu führen, daß dem Arbeitnehmer Rechte, die ihm nach einem Tarifvertrag zustehen, unter Berufung auf den Gleichheitssatz aberkannt werden. Solange die Tarifvertragsparteien eine Personengruppe begünstigen, haben die Angehörigen dieser Gruppe bei beiderseitiger Tarifbindung einen tariflichen Anspruch hierauf, den sie nicht dadurch verlieren, daß einer anderen Gruppe die Vergünstigungen nicht gewährt worden sind (vgl. BVerfGE 67, 239, 244; BFHE 154, 383).
III. Der Vertrag ist nicht unter der - stillschweigenden - Bedingung abgeschlossen worden, daß das beklagte Land die volle Förderung erhält. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Nach § 249h Abs. 2 Satz 4, Satz 6, § 93 Abs. 2 Satz 1 AFG richten sich die Beziehungen zwischen den zugewiesenen Arbeitnehmern und den Arbeitgebern nach den Vorschriften des Arbeitsrechts. Ob und in welcher Höhe Zuschüsse gewährt werden, ist eine Frage des Sozialrechtsverhältnisses, das zwischen der Bundesanstalt und dem beklagten Land als Träger der Maßnahme besteht.
§ 249h Abs. 4a, § 242s Abs. 3 Satz 3, 4 AFG bestimmen auch nur, daß der Zuschuß um den überschießenden Betrag zu kürzen ist, wenn für die zugewiesenen Arbeitnehmer Arbeitsentgelte vereinbart werden, die die berücksichtigungsfähigen Entgelte (damals 90 % des Arbeitsentgelts in gleichen oder vergleichbaren ungeförderten Tätigkeiten) übersteigen. Überdies ist fraglich, ob die Bundesanstalt für Arbeit im Streitfall zu einer Kürzung des Zuschusses berechtigt ist, wenn zwischen den Parteien tatsächlich ein niedrigeres Arbeitsentgelt vereinbart wurde. Denn dann hätte das beklagte Land alles ihm mögliche getan, um den vollen Zuschuß zu erhalten.
Fundstellen
Haufe-Index 440444 |
BAGE, 319 |
BB 1998, 752 |
NZA 1998, 550 |
RdA 1998, 192 |
ZAP-Ost 1998, 228 |
ZTR 1998, 217 |
AP, 0 |
AuA 1998, 356 |
RiA 1998, 279 |