Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Arbeitgeberantrag
Orientierungssatz
1. An die Begründung eines Auflösungsantrags sind strenge Anforderungen zu stellen, da auch die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf Arbeitgeberantrag eine Ausnahme von von dem vom Gesetz als Regel erstrebten Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist. Zur Schlüssigkeit eines derartigen Antrages gehört der Vortrag von prüfbaren Tatsachen, die so beschaffen sein müssen, daß sie eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen.
2. Als derartige Gründe können zwar auch Umstände geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen. Jedoch muß der Arbeitgeber darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden und aus welchem Grund diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen sollen.
3. Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist, anders als für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, eine Vorausschau auf die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien anzustellen. Deshalb kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung an, sondern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag ist zu prüfen, ob in Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.
Normenkette
KSchG § 9 Abs. 1 S. 2 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 01.06.1984; Aktenzeichen 12 Sa 468/83) |
ArbG Gießen (Entscheidung vom 23.02.1983; Aktenzeichen 3 Ca 305/82) |
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 1. Januar 1978 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 2. Januar 1978 bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht L als Gerichtshelferin tätig. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß § 2 des Arbeitsvertrages nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen, ferner nach der Dienstordnung für Gerichtshelfer gemäß Runderlaß des Hessischen Ministers der Justiz vom 28. November 1974 - 4205 - III/5 - 1284/74 -; die Vergütung erfolgte nach VergGr. IV b BAT. Die Klägerin war die erste und alleinige Gerichtshelferin bei der genannten Behörde des beklagten Landes.
Während ihrer Tätigkeit als Gerichtshelferin erstattete die Klägerin etwa 450 Gerichtshilfeberichte. Die Klägerin ist an die Mitteilung der Fallzahlen der Gerichtshilfestelle für die Jahre 1978, 1979 und 1980 von dem Referenten für die Gerichtshilfe bei der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main mehrfach erinnert worden. Im August 1981 rechnete die Klägerin das Kilometergeld für zwei Hausbesuche unrichtig ab. Im Herbst 1981 fand eine Dienstprüfung der Gerichtshilfestelle der Klägerin statt, in der es in erster Linie um die Feststellung der Auslastung der Klägerin und um die technische Abwicklung der Aufträge ging. Als dem Behördenleiter der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht L am 26. Oktober 1981 das Ergebnis der Dienstprüfung bekannt wurde, die Klägerin sei nicht ausgelastet, ordnete er an, daß die Klägerin ab dem 1. November 1981 ein Tagebuch zu führen habe. Diese Verfügung wurde der Klägerin am 28. Oktober 1981 ausgehändigt. Sie lehnte jedoch die Entgegennahme des Tagebuchs zunächst ab. In ihrer dienstlichen Äußerung vom 29. Oktober 1981 erklärte sie u.a., es sei ihr Wunsch gewesen, vorher zu erfahren, welche sachlichen Gründe die Führung eines Tagebuchs bedingten. Ab dem 1. November 1981 führte die Klägerin das Tagebuch. Am 12. November 1981 weigerte sie sich zunächst, das Tagebuch dem Geschäftsleiter auszuhändigen. Der durch einen Vermerk des Geschäftsleiters am selben Tage in Kenntnis gesetzte Behördenleiter legte in einem Vermerk vom 13. November 1981 u.a. nieder, daß er den Referenten für Gerichtshilfe bei dem Generalstaatsanwalt informiert habe, daß der Geschäftsleiter die Klägerin erneut auffordern werde, das Tagebuch vorzulegen, und daß er das Arbeitsverhältnis kündigen werde, wenn die Klägerin sich wiederum weigern oder künftig in ähnlicher Weise verfahren solle. Auf zwei Ersuchen der Staatsanwaltschaft Darmstadt, eingegangen am 27. November 1981 und 1. Dezember 1981, fertigte die Klägerin bis zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 4. Februar 1982 keine Berichte oder Berichtsentwürfe an; auf ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft Marburg, eingegangen am 9. Dezember 1981, veranlaßte die Klägerin nichts. Vom 14. bis 16. Dezember 1981 befand sich die Klägerin auf einer Fortbildungsveranstaltung. Vom 4. Januar 1982 bis zum 3. Februar 1982 war sie arbeitsunfähig erkrankt.
Im Januar 1982 erörterte der Behördenleiter der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht L dreimal mit dem Vorsitzenden des Personalrats die Kündigungsabsicht. Bei dem ersten Gespräch überreichte er einen elfseitigen Vermerk mit 18 Anlagen. Der beabsichtigten Kündigung stimmte der Personalrat unter dem 29. Januar 1982 zu. Am 4. Februar 1982 wurde der Klägerin das Kündigungsschreiben gleichen Datums ausgehändigt.
Der gegen diese Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage gab das Arbeitsgericht G in einem Vorprozeß mit Urteil vom 19. Mai 1982 - 3 Ca 99/82 - statt. Gegen dieses Urteil legte das beklagte Land Berufung ein (Aktenzeichen: 12 Sa 785/82). Am 2. Dezember 1982 beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich.
Nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 4. Februar 1982 wurde die Klägerin zunächst weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 9. Februar 1982 wies der Behördenleiter die Klägerin darauf hin, daß ihr aus dem Jahr 1981 noch dreizehn Arbeitstage Urlaub und für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1982 noch acht Arbeitstage Urlaub zustünden, der bis zum 31. März 1982 gewährt werden müsse. Am 8. März 1982 und an den darauffolgenden Tagen erschien die Klägerin nicht zur Arbeit. Unter dem 11. März 1982 wurde sie deswegen schriftlich zu einer dienstlichen Erklärung aufgefordert, die sie unter dem 13. März 1982 wie folgt abgab: Sie sei mit Schreiben vom 9. Februar 1982 aufgefordert worden, ihren Resturlaub zu nehmen; dieser Aufforderung sei sie nachgekommen.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1982 kündigte das beklagte Land der Klägerin erneut (vorsorglich) zum 30. Juni 1982.
Die Klägerin hat mit ihrer am 26. Mai 1982 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis durch die von dem
beklagten Land am 5. Mai 1982 zum 30. Juni 1982
ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden
ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen der dargelegten Verhaltens- und Leistungsmängel der Klägerin sozial gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land Berufung eingelegt. Mit der Berufung hat das beklagte Land seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt, hilfsweise hat es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt. Den Auflösungsantrag hat das beklagte Land auf die mangelhafte Arbeitsleistung der Klägerin sowie auf ihr kritikwürdiges Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern gestützt. Es sei unrichtig, daß der neue Behördenleiter erklärt habe, er sehe keine Schwierigkeiten, in Zukunft mit der Klägerin zusammenzuarbeiten. Die Klägerin hat hierauf erwidert, die aufgetretenen Schwierigkeiten seien in erster Linie die Folge des wenig kooperativen Führungsstils des früheren Behördenleiters gewesen. Dessen Nachfolger habe sich zu einer zukünftigen Zusammenarbeit mit der Klägerin positiv geäußert.
Das Landesarbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den Hilfsantrag des beklagten Landes aufgelöst und das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 11.500,-- DM zu zahlen. Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufzuheben, als es das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 11.500,-- DM aufgelöst hat. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt hinsichtlich des in der Revisionsinstanz noch allein zu beurteilenden Auflösungsantrages zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Eine abschließende Entscheidung über den vom beklagten Land hilfsweise gestellten Auflösungsantrag ist dem Senat nicht möglich, da das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung teilweise unter Verkennung der dem Arbeitgeber obliegenden Darlegungs- und Beweislast sowie unter Verstoß gegen den Verhandlungsgrundsatz getroffen hat. Es bedarf daher weiterer tatsächlicher Feststellungen und ihrer Würdigung durch das Berufungsgericht.
I. In der Revisionsinstanz geht es nur noch um die Frage, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht das Arbeitsverhältnis der Parteien auf den hilfsweise von dem beklagten Land gestellten Auflösungsantrag zum 30. Juni 1982 gegen Zahlung einer Abfindung von 11.500,-- DM aufgelöst hat. Da das beklagte Land seinerseits keine Revision eingelegt hat, steht rechtskräftig fest, daß die ordentliche Kündigung vom 5. Mai 1982 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30. Juni 1982 beendet hat.
TEXTII. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf den Hilfsantrag des beklagten Landes hat das Berufungsgericht im wesentlichen wie folgt begründet: Das zur Stützung des Auflösungsantrags vom beklagten Land herangezogene gesamte Kündigungsvorbringen lasse eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwarten. Die Klägerin könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht länger begründet behaupten, der jetzige Behördenleiter halte eine weitere Zusammenarbeit mit ihr für möglich. Vielmehr stehe eher das Gegenteil fest. Es könne dahinstehen, ob die Ansicht des Zeugen H, der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin und das von der Zeugin B wiedergegebene Gespräch habe bereits die vereinbarte Vertraulichkeit verletzt, richtig ist. Jedenfalls sei der Beweis der klägerischen Behauptung, der Zeuge H halte eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin "für möglich", nicht gelungen. Dafür sei das Obsiegen der Klägerin im vorliegenden Prozeß Voraussetzung gewesen. Demgemäß seien nur die vom beklagten Land bewiesenen, auch zur Stützung des Auflösungsantrages herangezogenen Kündigungstatsachen zu werten. Danach biete die Klägerin von ihrer Persönlichkeit und ihrer Arbeitsauffassung her keine Gewähr dafür, daß die Anstellungsbehörde mit ihr künftig positiv zusammenarbeiten könne. Von erheblichem Gewicht sei insoweit das bisherige übertrieben selbstbewußte bis aggressive Auftreten der Klägerin gegenüber Vorgesetzten und anderen Bediensteten der Behörde. Dabei könnten in diesem Zusammenhang die herabsetzenden Äußerungen über und ihr teilweise ungehöriges bis freches Verhalten gegenüber dem früheren Behördenleiter, dem Zeugen K, ausgeklammert werden. Bedeutung habe in diesem Zusammenhang allerdings, daß die Klägerin den Zeugen M grundlos als "unverschämten Menschen" vor dem gemeinsamen Vorgesetzten bezeichnet habe. Im Verhältnis zu den Rechtspflegern habe die Klägerin übertriebenes Selbstbewußtsein und Arroganz gezeigt. Dies zeige sich darin, daß sie einen Berichtsauftrag eines Rechtspflegers als "nicht detailliert genug" zurückgewiesen habe, statt sich die gewünschten Informationen - etwa telefonisch - einzuholen. Außerdem habe die Klägerin bei den Rechtspflegern den Eindruck hervorgerufen, sie erledige deren Aufträge "nur ungern". Damit habe sie selbst einen beträchtlichen Beitrag zu ihrer Nichtauslastung geleistet. Nachhaltige Durchsetzung ihrer Eigeninteressen verbunden mit einem nicht unerheblichen Maß an Unbelehrbarkeit lasse sich auch aus dem Umgang der Klägerin mit der "Verwaltung" der Anstellungsbehörde ablesen. So habe sie ihre monatlichen Reisekostenabrechnungen wiederholt mit Bearbeitungshinweisen wie "sofort erledigen]" oder "muß sofort erledigt werden" versehen, obwohl der Zeuge M ihr eine zügige Bearbeitung zugesagt habe. Dies spreche deutlich für eine unbelehrbar egoistische Einstellung der Klägerin. Für eine derartige Haltung spreche auch der Umstand, daß die Klägerin die Reisekostenabrechnung für August 1981 mit bewußt unrichtigen Angaben über die von ihr dienstlich gefahrenen Kilometer abgegeben habe. Es sei nichts dafür ersichtlich, daß die Klägerin ihre Einstellung und ihr Verhalten bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ändern werde. Darauf, daß die Klägerin nach wie vor - auch im Verhältnis zum neuen Behördenleiter - zu spontanen Unmutsäußerungen neige, lasse die demonstrative Art schließen, mit der sie die Aussage desselben nach deren Beendigung quittiert habe; sie habe sich ihre Jacke angezogen und sich noch während des Diktats der Parteivernehmung ohne Erklärung oder Entschuldigung aus dem Gerichtssaal entfernt.
III. Dieser Würdigung kann nicht gefolgt werden. Wie die Revision durchgreifend rügt, enthält das angefochtene Urteil insoweit einen zur Aufhebung führenden materiell-rechtlichen Fehler, als es die dem Arbeitgeber obliegende Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Vorliegens von Auflösungstatsachen i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG verkannt und darüber hinaus den Verhandlungsgrundsatz verletzt hat.
1. Das Arbeitsverhältnis ist auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG dann aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Bei dieser Formulierung handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff (vgl. BAG Urteil vom 3. November 1983 - 2 AZR 204/82 -, unveröffentlicht, zu III 1 der Gründe; KR--Becker, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz 50; Hofmann, ZfA 1970, 63, 80). Die Wertung, ob im Einzelfall die Auflösung gerechtfertigt ist, obliegt in erster Linie dem Tatsachengericht. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen für den Auflösungsantrag verkannt und bei der Prüfung der vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt hat. Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil jedoch nicht stand.
a) An die Begründung eines Auflösungsantrags sind strenge Anforderungen zu stellen, da auch die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers eine Ausnahme von dem vom Gesetz als Regel erstrebten Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses ist (vgl. BAG 16, 285, 291 ff. = AP Nr. 20 zu § 7 KSchG, zu III der Gründe; BAG 25, 43, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969, zu II 4 a der Gründe; BAG Urteil vom 3. November 1983 - 2 AZR 204/82 -, zu III 3 der Gründe, unveröffentlicht). Zur Schlüssigkeit eines derartigen Antrags gehört der Vortrag von greifbaren Tatsachen, die so beschaffen sein müssen, daß sie eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen (BAG 28, 196, 200 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969, zu 3 b der Gründe). Als derartige Gründe können zwar auch Umstände geeignet sein, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen (vgl. BAG Urteil vom 26. Oktober 1979 - 7 AZR 752/77 - AP Nr. 5 zu § 9 KSchG 1969, zu A II 2 b der Gründe; BAG 9, 131, 133 = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG, zu II 1 der Gründe). Jedoch muß der Arbeitgeber darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden und aus welchem Grund diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen sollen (BAG Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 AZR 524/81 - AP Nr. 15 zu Art. 140 GG, zu B II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 25. Januar 1979 - 2 AZR 259/77 -, zu III 1 der Gründe, nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 16. Mai 1984 - 7 AZR 280/82 -, zu I 5 b aa der Gründe, insoweit nicht veröffentlicht). Für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist, anders als für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung, eine Vorausschau auf die künftige Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien anzustellen. Deshalb kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung an, sondern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag ist zu prüfen, ob in Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist (vgl. dazu BAG 9, 131, 133 f. = AP Nr. 7 zu § 7 KSchG, zu II 1 der Gründe; BAG 28, 196,199 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969, zu 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 30. Juni 1983 - 2 AZR 524/81 - AP Nr. 15 zu Art. 140 GG, zu B II 2 der Gründe; KR-Becker, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz 54; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 9 Rz 35).
b) Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte in seiner Entscheidung vom 30. September 1976 (BAG 28, 196, 200, aa0, zu 3 a der Gründe) ausgeführt, zur Rechtfertigung des Auflösungsantrags des Arbeitgebers müßten bei Vorliegen von Gründen, die die Kündigung selbst nicht rechtfertigen, noch zusätzliche Tatsachen vorgetragen werden (vgl. dazu die Kritik von Glaubitz, SAE 1977, 301, zu Ziff. 1). Auf dieses Urteil beruft sich die Revision jedoch zu Unrecht. In seiner Entscheidung vom 25. Januar 1979 - 2 AZR 259/77 - (unveröffentlicht, zu III 1 der Gründe) hat der Zweite Senat klargestellt, daß er damit lediglich einen auf die Zukunft gerichteten ins einzelne gehenden Vortrag der Tatsachen fordert, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr erwarten lassen. Nicht notwendig ist es, daß es sich um neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen handelt. Der Arbeitgeber muß nur darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen auch für den Auflösungsantrag herangezogen werden und aus welchem Grund diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen. Im Urteil vom 16. Mai 1984 (aaO, unter I 5 b aa der Gründe) hat sich der Senat dieser Rechtsauffassung angeschlossen.
c) Auflösungsgründe, die von dem darlegungsbelasteten Arbeitgeber nicht vorgetragen worden sind, dürfen vom Tatsachengericht nicht verwertet werden. Nach dem im Verfahren vor den Arbeitsgerichten geltenden Verhandlungsgrundsatz darf der Tatsachenrichter seiner Würdigung nur solche Tatsachen zugrundelegen, die die insoweit darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat; auch offenkundige Tatsachen müssen außer Betracht bleiben, wenn sie von der darlegungspflichtigen Partei nicht aufgegriffen worden sind (BAG 28, 196, 201, aaO, zu 4 der Gründe; zustimmend insoweit Glaubitz, SAE 1977, 301; KR-Becker, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz 61; Herschel/-Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 9 Rz 42; Bauer, DB 1985, 1180, 1181).
2. Die Anwendung dieser Grundsätze führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
a) Der Sachvortrag des beklagten Landes genügt bislang nicht den an die Rechtfertigung des Auflösungsantrages zu stellenden Anforderungen. Als darlegungsbelastete Partei hätte das beklagte Land im einzelnen darlegen müssen, welche Kündigungstatsachen so beschaffen sind, daß sie den Schluß zulassen, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit der Klägerin sei für die Zukunft nicht mehr gewährleistet. Da es für die nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG anzustellende Vorausschau maßgeblich auf die Umstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ankommt, hätte das beklagte Land unter Berücksichtigung des zwischenzeitlich eingetretenen Wechsels in der Person des Behördenleiters im einzelnen dartun müssen, aufgrund welcher objektiven Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt sei, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei mit der Klägerin unwahrscheinlich. Für die Darlegung einer negativen Prognose genügte auch nicht der Vortrag, der neue Behördenleiter sei subjektiv der Auffassung, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit der Klägerin sei nicht zu erwarten. Das beklagte Land hätte vielmehr vortragen müssen, aufgrund welcher Tatsachen objektiv die Besorgnis des neuen Behördenleiters gerechtfertigt gewesen sei, es werde in Zukunft nicht mehr zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit der Klägerin kommen. Der angebliche Bruch des vertraulichen Charakters des zwischen dem neuen Behördenleiter und der Zeugin B geführten Gesprächs stellt bereits deshalb keinen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigenden Umstand dar, weil das beklagte Land nicht dargetan hat, die Klägerin habe von der Vertraulichkeit des Gesprächs Kenntnis gehabt. Der Tatsachenvortrag des beklagten Landes genügt auch insoweit nicht den gesetzlichen Anforderungen, als dieser sich zur Begründung des Auflösungsantrages auf die der Klägerin vorgeworfenen Leistungs- und Verhaltensmängel bezieht. Es fehlt bislang noch an der Darlegung, daß diese Verhaltens- und Leistungsmängel nicht situationsbezogen, sondern aller Voraussicht nach unbehebbar sind und damit einer gedeihlichen Zusammenarbeit für die Zukunft entgegenstehen. In diesem Zusammenhang kann sich das beklagte Land zwar auch auf die von ihm zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen berufen; es muß aber darüber hinaus im einzelnen dartun, aus welchen Gründen die betreffenden Kündigungstatsachen objektiv die Besorgnis rechtfertigen, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit der Klägerin sei unwahrscheinlich.
b) Das angefochtene Urteil hält auch insoweit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand, als es das Verhalten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 1984 als Indiz für eine nicht zu erwartende gedeihliche Zusammenarbeit gewertet hat. Damit hat das Landesarbeitsgericht, worauf die Revision zu Recht hinweist, den im Verfahren vor den Arbeitsgerichten geltenden Verhandlungsgrundsatz verletzt. Das Verhalten einer Partei im Kündigungsschutzprozeß kann zwar auch zur Begründung eines Auflösungsantrages herangezogen werden. Hierzu ist aber erforderlich, daß sich die darlegungsbelastete Partei zur Rechtfertigung ihres Auflösungsbegehrens hierauf beruft. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts läßt sich jedenfalls nicht entnehmen, daß sich das beklagte Land auf das Verhalten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 1984 zur Begründung seines Auflösungsantrages berufen hat.
3. In dem erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, daß das beklagte Land zwar nicht gehalten ist, zusätzlich neue, erst nach Ausspruch der Kündigung eingetretene Tatsachen zur Begründung des Auflösungsantrages vorzutragen. Das beklagte Land muß aber im einzelnen darlegen, welche der zur Kündigung vorgetragenen Tatsachen für den Auflösungsantrag herangezogen werden sollen und aus welchen Gründen diese einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit entgegenstehen. Sollte das beklagte Land sich zur Rechtfertigung seines Auflösungsantrages auch auf das prozessuale Verhalten der Klägerin berufen, wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, daß der vorliegende Rechtsstreit für die Klägerin von existentieller Bedeutung ist. Ein etwaiges Fehlverhalten der Klägerin vor Gericht muß daher nicht zwingend auf nicht behebbare Charakter- oder Verhaltensmängel hindeuten, sondern kann durchaus auch seine Ursache in den prozeßbedingten psychischen Belastungen der Klägerin haben.
Da es für die Entscheidung über den Auflösungsantrag auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt, können auch noch weitere bis zur Entscheidung im zurückverwiesenen Verfahren eingetretene oder eintretende Tatsachen verwertet werden, sofern sie für die Prognose einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit von Bedeutung sein können.
Dr. Seidensticker Dr. Steckhan Dr. Becker
Stappert Schmalz
Fundstellen