Entscheidungsstichwort (Thema)
Kohlenbezugsrecht im Bergbau NRW
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch des aus dem Bergbau ausgeschiedenen Inhabers des Bergmannsversorgungsscheins auf Hausbrand (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW) besteht nur gegen den letzten Bergbauarbeitgeber. Ein Arbeitgeber, bei dem – wie im Rheinischen Braunkohlenbergbau – keine Untertagearbeit anfällt, ist kein Bergbauarbeitgeber.
Normenkette
BergVSG NRW § 9 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. August 1999 – 10 Sa 694/98 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Deputatbriketts für das Bezugsjahr 1996/1997.
Der 1954 geborene, verheiratete Kläger ist seit April 1988 Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins nach § 2 des Gesetzes über einen Bergmannsversorgungsschein in Nordrhein-Westfalen vom 10. Juli 1948 idF vom 19. März 1996 (BVSG NW). Er war von 1969 bis 31. Juli 1991 bei dem Steinkohlenunternehmen E (EBV) beschäftigt, dabei langjährig als Maschinensteiger unter Tage. Anschließend war er bei der Beklagten, die im Übertagebau Braunkohlen fördert, als Betriebsschlosser tätig. Auf Veranlassung der Beklagten wurde das Arbeitsverhältnis im Februar 1997 aus betriebsbedingten Gründen gegen Zahlung einer Abfindung beendet. Für deren Höhe rechnete sie die vom Kläger beim EBV unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten an. Seit dem 1. März 1997 ist der Kläger arbeitslos. Im Dezember 1997 wurde ihm mit Wirkung zum 1. November 1996 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau bewilligt.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Mitarbeiter im Rheinischen Braunkohlenbergbau anzuwenden. In § 9 des Manteltarifvertrags, gültig ab 1. Dezember 1970, Stand 1. Februar 1996 (MTV) ist ua. bestimmt:
„§ 9
Deputatbriketts
1. Mitarbeiter, die in einem Unternehmen im Sinne des § 1 beschäftigt sind, das Braunkohle fördert oder im Braunkohlenhandel tätig ist, erhalten jährlich Deputatbriketts.
2. Bezugsberechtigte Mitarbeiter, die Haupternährer ihrer Familie sind, erhalten für ein Deputatbezugsjahr bis zu 7,5 Tonnen Deputatbriketts. …
Verheiratete Mitarbeiter gelten ohne weitere Prüfung als Haupternährer im Sinne dieser Vorschrift; …
3. Wenn ein Bezugsberechtigter im Laufe eines Deputatbezugsjahres eingestellt wird oder vor Ablauf eines Deputatbezugsjahres ausscheidet, wird die Deputatmenge anteilig nach der Dauer seiner Beschäftigungsmonate berechnet; ein angebrochener Beschäftigungsmonat wird voll angerechnet. …
4. Mitarbeiter, die wegen Bezugs von Altersruhegeld oder Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und die während der letzten 3 Jahre vor dem Ausscheiden ununterbrochen Deputatbezugsberechtigte waren, erhalten auf Antrag jährlich bis zu 4 Tonnen Deputatbriketts. …
…
7. Treffen bei einem Mitarbeiter mehrere Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Deputatbriketts zusammen, so ist nur die höhere Deputatmenge zu gewähren.
…
10. Das Deputatbezugsjahr beginnt am 1. Juli eines Jahres und endet am 30. Juni des Folgejahres. …
11. Bezugsberechtigte nach Ziffern 2, 4 und 5 können an Stelle von Braunkohlenbriketts einen Geldbetrag erhalten (Ablösung). Der Bezugsberechtigte kann seinen Deputatanspruch jeweils in vollen Tonnenzahlen (Teilablösung) oder die Gesamtmenge ablösen; …”
Die Beklagte hat dem Kläger für das Bezugsjahr vom 1. Juli 1996/30. Juni 1997 fünf Tonnen Deputatbriketts zur Verfügung gestellt. Der Kläger hält das nicht für ausreichend. Mit der am 12. September 1997 erhobenen Klage verlangt er weitere 2,5 Tonnen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW habe die Beklagte ihm Deputatkohlen nach den für aktive Mitarbeiter geltenden Tarifbestimmungen zu leisten.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Bezugszeitraum 1. Juli 1996 bis 30. Juni 1997 restliche 2,5 Tonnen Deputatkohle zu liefern.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, sie sei kein Bergbau – Arbeitgeber iSd. BVSG NW, weil sie keine Bergleute unter Tage beschäftige. Das entspreche auch der Auffassung der für die Durchführung des BVSG NW zuständigen Zentralstelle. Im übrigen sei unter „Hausbrand” iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW Steinkohlen und nicht Braunkohlenbriketts zu verstehen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Leistung restlicher Deputatbriketts für das Bezugsjahr 1996/1997.
I. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus dem Tarifvertrag.
1. Nach § 9 Nr. 1 und 2 MTV hatte der Kläger gegen die Beklagte als ein Unternehmen, das Braunkohlen fördert, Anspruch auf 7,5 Tonnen Deputatbriketts je Bezugsjahr. Als Verheirateter (§ 9 Nr. 2 Satz 3 MTV) war er iSd. tariflichen Definition Haupternährer und damit bezugsberechtigt (§ 9 Nr. 2 Satz 1 MTV). Aufgrund seines Ausscheidens im laufenden Bezugsjahr zum 18. Februar 1997 verkürzte sich sein Anspruch nach § 9 Nr. 3 Satz 1 MTV für die Dauer seiner Beschäftigung von zwölf auf acht Monate. Diesen zeitanteiligen Anspruch auf zwei Drittel des jährlichen Deputats, also auf fünf Tonnen, hat die Beklagte erfüllt.
2. § 9 Nr. 4 Satz 2 MTV greift nicht ein. Danach können frühere Mitarbeiter der Beklagten ein Deputat verlangen, wenn das Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs von Altersruhegeld, Erwerbsunfähigkeits- oder Berufsunfähigkeitsrente endet. Der Kläger ist aus keinem dieser Gründe bei der Beklagten ausgeschieden.
II. Der Kläger kann die begehrte Leistung nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW iVm. § 9 MTV beanspruchen.
1. In § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW ist bestimmt, daß der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins gegen den „bisherigen” Bergbauarbeitgeber oder seinen Rechtsnachfolger ua. für die Dauer der „außerbergbaulichen Beschäftigung oder der Arbeitslosigkeit” Anspruch auf Hausbrandkohlen oder entsprechende Barabgeltung nach den für aktive Bergleute geltenden tariflichen oder betrieblichen Regelungen hat.
Der Kläger ist zwar Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins und war im Anschluß an die Beschäftigung bei der Beklagten im Bezugsjahr 1996/1997 arbeitslos. Dem Klageanspruch steht auch nicht entgegen, daß der Kläger den Bergmannsversorgungsschein beim EBV und nicht bei der Beklagen erworben hat. „Bisheriger” Bergbauarbeitgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW ist derjenige, mit dem zuletzt ein Rechtsverhältnis bestanden hat(BAG 23. Januar 1964 – 5 AZR 200/63 – AP BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Nr. 4; Titze, Der Bergmannsversorgungsschein im Land Nordrhein-Westfalen, seine Rechtsnatur und die mit ihm verbundenen Rechte und Pflichten, D II 1 b S 46 ff.).
Die weiteren Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
2. Die Beklagte ist kein Bergbauarbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW. Entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch gehören zu diesen nur solche kohlengewinnenden Bergwerksunternehmen, bei denen der Bergmannsversorgungsschein erworben werden kann, mithin nur solche, die im Untertagebergbau Kohle fördern. Ein Braunkohlenunternehmen wie die Beklagte, bei der ausschließlich übertage gearbeitet wird, ist kein „Bergbauarbeitgeber”, sondern ein „außerbergbaulicher Arbeitgeber”. Das ergibt die Auslegung des Gesetzes.
a) Dem Kläger ist einzuräumen, daß die Beklagte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Bergbau betreibt. Bergbau ist die Gewinnung von Bodenschätzen, die auf ihren natürlichen Lagerstätten zur unmittelbaren Verwertung, zum Verkauf oder auch zur Weiterverarbeitung abgebaut werden. Je nach Art der Vorkommen und der erforderlichen Arbeiten wird dabei zwischen dem Tiefbau (Untertage), bei dem die Bodenschätze in unterirdischen Bauen gewonnen werden, und dem Tagebau (Übertage) unterschieden, bei dem der Abbau unter freiem Himmel, erforderlichenfalls nach der Abräumung des überlagernden Deckgebirges erfolgt. Beides gehört zum Bergbau(Grumbrecht, Einführung in den Bergbau, S 9; Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 3 Stichwort: Bergbau). Dem entspricht auch das Verständnis der Tarifvertragsparteien, wie schon aus den für die Beklagten geltenden Tarifverträgen deutlich wird. Sie betreffen den „Rheinischen Braunkohlenbergbau”.
b) Gleichwohl hat der Begriff Bergbau hier entgegen der Auffassung des Klägers einen anderen Inhalt und damit auch die Begriffe bergbaulich und Bergbauarbeitgeber.
aa) Die einschränkende Auslegung ergibt sich bereits aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Das Gesetz über den Bergmannsversorgungsschein geht auf eine Anregung des britischen Regionalcommissioners W. Asbury vom 28. März 1947 zurück(Landtagsdrucksache Nr. II-109, S 3 f.). Durch die Begründung von Sonderrechten sollte der Bergmannsberuf anziehender gemacht werden, um mit dem verstärkten Einsatz von Bergleuten die Fördermenge von Steinkohlen im Ruhrgebiet um etwa das Dreifache zu steigern und damit ua. die Kohlenknappheit zu beseitigen. Außerdem sollte der Bergbau von den sog. bergfertigen Bergleuten, also solchen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr unter Tage eingesetzt werden konnten, entlastet werden. Der Wechsel der Bergmanns in eine außerbergbauliche Beschäftigung sollte durch „Schaffung von Anreizmitteln” attraktiver gestaltet werden(Landtagsdrucksache aaO; Boldt FS Gerhard Müller S 71 ff.; Schmidt BVSG NW 1994 Vorwort S III u. B II S 13 f.; Schiefer, Welche Schwierigkeiten ergeben sich für die Durchführung des Gesetzes über einen Bergmannsversorgungsschein im Lande Nordrhein-Westfalen? 1951, S 3 in: Gesetzesdokumentation A 0303/1/8 über das BVSG NW vom 10. Juli 1948 dort S 0157). Gegenstand der Gesetzesinitiative waren danach die Verhältnisse im Untertagebau und der dort tätigen Bergleute und deren rechtliche Absicherung bei einem Wechsel zu einem Arbeitgeber außerhalb des Steinkohlenbergbaus. Der Landesgesetzgeber hat diese Ziele übernommen, indem er von einer eigenen Begründung des Entwurfs abgesehen und ihm nur das Schreiben des Vertreters der Britischen Besatzungsmacht beigefügt hat.
bb) Die auf den Steinkohlenbergbau als Bergbauarbeitgeber iSd. BVSG NW beschränkte Bedeutung wird durch die seit der ersten Gesetzesfassung vom 10. Juli 1948 (GVBl. NW 1948 S 139) unverändert gebliebene Präambel bestätigt. Danach sind „besondere Maßnahmen für die Bergleute nötig, die nach längerer bergmännischer Tätigkeit nicht mehr oder nur mit Gefahr völliger vorzeitiger Invalidität Untertagearbeiten ausüben können. Unbeschadet dessen, daß ein großer Teil dieser Personen wie bisher in der Übertagearbeit der Zechen Verwendung finden muß, soll das nachstehende Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein der Fürsorge für diesen Personenkreis dienen”.
Die Beschäftigungsmöglichkeiten der nicht mehr im Untertagebau einsetzbaren Bergleute sollen mithin gefördert werden. Dabei wird unterstellt, daß ihre Unterbringung zu einem Großteil durch Umsetzungen im bisherigen Beschäftigungsbetrieb gewährleistet ist, und zwar nach dem Sprachgebrauch der Präambel „in der Übertagearbeit der Zechen”. Aus dem Satzzusammenhang wird deutlich, daß der Begriff „Zeche” hier im engeren Sinn zu verstehen ist, nämlich als „Grube iSd. Gesamtheit der unterirdischen Bauten an einem Ort” und nicht iS Bergwerk (vgl. Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 3 Stichwort: Bergwerk; Bd. 25 Stichwort: Zeche). Auch in der Umgangssprache wird der Begriff „Zeche” allein im Zusammenhang mit dem Untertagebergbau verwendet und nicht für die Abbauanlagen von Braunkohlen und/oder seine Abbaugebiete.
cc) Dem Gesetzestext läßt sich nicht entnehmen, der Begriff „Bergbau” werde als Oberbegriff für den gesamten Kohlenbergbau verwendet. Das ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umstand, daß der Begriff „Untertage” im Gesetz mehrfach zu finden ist (so aber LAG Köln 20. Mai 1994 – 13 Sa 127/94 – nv.). Soweit im Gesetz Untertagearbeit genannt wird, betreffen die Vorschriften den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes (§ 1), die Anspruchsvoraussetzungen (§ 2) und die Wartezeit (§ 3) sowie den Umfang der nach § 9 Abs. 3 BVSG NW anzurechnenden Beschäftigungszeiten. Der Begriff bezieht sich damit auf die Tätigkeit des Bergmanns. Er dient nicht der Abgrenzung der verschiedenen Bergbauarbeitgeber.
dd) Der Gesamtzusammenhang der Bestimmungen des BVSG NW bestätigt die Beurteilung der Beklagten als außerbergbaulichen Arbeitgeber.
(1) „Besondere Maßnahmen” iSd. Präambel sind ua. die für private Arbeitgeber und die öffentliche Hand in §§ 4 ff. BVSG NW geregelten Unterbringungs- und Beschäftigungspflichten. „Bergwerksbetriebe” sind hiervon ausdrücklich ausgenommen. Deren Herausnahme rechtfertigt sich für Bergwerke mit Untertagearbeit, weil die Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins ohnehin innerhalb des Zechenbetriebes umzusetzen sind. Hinsichtlich der Beklagten macht sie keinen Sinn. In ihren bergbaulichen Anlagen fällt keine Untertagearbeit an. Sie bliebe damit sowohl von den arbeitsvertraglichen Pflichten für bergfertige Bergleute unberührt als auch – zusätzlich – von den für andere Arbeitgeber begründeten gesetzlichen Lasten des BVSG NW befreit. Auch wenn sie das in § 8 BVSG NW vorgeschriebene Beschäftigungskontingent von Scheininhabern nicht erreicht, hätte sie keine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Einem solchen Verständnis der Begriffe Bergwerksbetrieb/Bergbauarbeitgeber widerspricht nicht nur die ständige Verwaltungspraxis des Versorgungsamtes Gelsenkirchen als der nach § 16 BVSG NW für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Zentralstelle. Auch im Schrifttum wird die Beklagte ua. aus diesem Grund nicht als Bergwerk oder Bergbauarbeitgeber iSd. BVSG NW beurteilt (Warda/Wolmerath BVSG NW § 9 Rn. 7, § 4 Rn. 4; Titze aaO D I 1 e S 18 f.; widersprüchlich Boldt aaO S 71 ff. und anders für § 9 Abs. 1 Satz 1 S 89).
(2) Diese Überlegungen treffen auch für die in § 9 Abs. 3 BVSG NW bestimmten Pflichten zu. Danach sind „in jedem außerbergbaulichen Beschäftigungsbetrieb” bei der Gewährung von Leistungen die im Bergbau unter Tage verbrachten Beschäftigungszeiten als gleichwertige Berufsjahre oder als gleichwertige Zeiten der Betriebszugehörigkeit anzurechnen. Hierbei handelt es sich – ebenso wie bei der Aufrechterhaltung des Kohlenbezugsrechts nach § 9 Abs. 1 BVSG NW – um eine der „Maßnahmen”, mit der die Bereitschaft der bergfertigen Bergleute gefördert werden soll, zu einem Arbeitgeber außerhalb des Bergbaus zu wechseln. Wollte man mit dem Kläger die Beklagte als „bergbaulichen Arbeitgeber” betrachten, hätte dies zur Folge, daß die von ihr beschäftigten Inhaber von Bergmannsversorgungsscheinen keinen Anspruch auf die Gewährung dieses Vorteils hätten. Mit dem Bestreben des Gesetzgebers, möglichst umfassend Zeiten der Untertagearbeit beim „neuen” Arbeitgeber zur Geltung zu bringen, ist das nicht zu vereinbaren.
(3) Der vom Kläger betonte Zweck des Gesetzes, die Rechte der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins zu sichern, steht der Auslegung nicht entgegen.
Im Gesetz fehlt es an jedem Anhalt, daß die Begriffe Bergwerk/Bergbau/bergbaulich in den Vorschriften mit einem unterschiedlichen Inhalt verwendet werden. Andernfalls kommt man zu den von der Beklagten zutreffend aufgezeigten Rechtsfolgen: Als außerbergbaulicher Arbeitgeber unterläge sie den Unterbringungs- und Beschäftigungspflichten sowie der Ausgleichsabgabe nach Maßgabe der §§ 4 ff. BVSG NW, müßte nach § 9 Abs. 3 BVSG NW die Untertagearbeit bei Leistungen anspruchssteigernd berücksichtigen und hätte schließlich – nunmehr als Bergbauarbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW – zusätzlich Hausbrand zu liefern. Ein solches Ergebnis wird vom Schutzbedürfnis der Inhaber des Bergmannsversorgungsscheins nicht gedeckt. Für das Kohlenbezugsrecht kommt es auf die Beurteilung der Beklagten als Bergbau – oder Nichtbergbau nicht an. So geht auch der Kläger in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, daß er, wenn er nicht sie erfolgreich auf Lieferung von Deputatbriketts in Anspruch nehmen kann, dann jedenfalls einen Anspruch auf Gewährung von Hausbrand gegen den EBV als seinen letzten Bergbauarbeitgeber hat.
Soweit das Landesarbeitsgericht Köln(aaO) den Anspruch eines Inhabers des Bergmannsversorgungsscheins gegen den EBV während der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten abgelehnt hat, weil es andernfalls zu einem „Doppelbezug” komme, nämlich dem gesetzlichen Anspruch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW gegen den EBV und den tariflichen Anspruch gegen die Beklagte nach § 9 MTV, ist dem ggf. durch einschränkende Auslegung zu begegnen. Die Gefahr einer Mehrfachbegünstigung der Scheininhaber rechtfertigt jedenfalls keine andere Beurteilung. Nach dem ursprünglichen Gesetzestext und den tariflichen Bestimmungen richteten sich die tariflichen Ansprüche ausschließlich auf Kohlendeputate, die nur für den eigenen Verbrauch genutzt werden durften. Damit war ein „Doppelbezug” wegen der für das Heizen mit Steinkohlen und Braunkohlenbriketts erforderlichen unterschiedlichen Heizungsanlagen praktisch ausgeschlossen. Hieran hat sich die Auslegung des Gesetzes zu orientieren. Die Verpflichtung zur Barabgeltung entsprechend den tariflichen oder übertariflichen Leistungen (vgl. BAG 12. Juni 1975 – 5 AZR 580/74 – AP BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Nr. 12) ist erst mit dem Gesetz vom 20. Dezember 1983 (GVBl. NW S 635) eingeführt worden.
c) Schließlich läßt sich der Gegenstand des Kohlenbezugsrechts nicht mit einer Beurteilung der Beklagten als Bergbau vereinbaren. Der Anspruch richtet sich auf Hausbrand wie für aktive Bergleute und nicht auf die hier verlangten Deputatbriketts.
aa) Es ist zwar richtig, wie der Kläger geltend macht, daß der Begriff „Hausbrandkohlen” definiert wird als „der auf die Arbeitnehmergruppe Hausbrand, Kleinverbrauch und militärische Dienststellen entfallender Anteil der Braun- und Steinkohlenförderung bzw. -versorgung”(Meyers Enzyklopädisches Lexikon Bd. 11 Stichwort: Hausbrandkohle). Von daher läßt sich vertreten, den Begriff Hausbrand als Oberbegriff aufzufassen, dem Stein- und Braunkohle gleichermaßen unterfallen. Hierfür könnte auch auf die geschichtliche Entwicklung der Versorgung der Bergleute mit Heizmaterial verwiesen werden, die zunächst im Steinkohlen- und Erzbergbau üblich wurde, seit dem 18. Jahrhundert aber auch im Braunkohlenbergbau bekannt ist(vgl. Dahlgrün, Die Rechtsnatur der Hausbrandversorgung des Kohlenbergarbeiters sowie Aspekte der Rechtsnatur von Naturalleistungen in Arbeitsverhältnissen im allgemeinen, II S 10 ff. 32; Boldt, aaO, S 71, 89).
bb) Diese Betrachtung wird aber dem in § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW verwendeten Sprachgebrauch nicht gerecht. Der Begriff „Hausbrandkohlen” findet sich erstmals in der zum 12. Juni 1954 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes. Bis dahin war das Kohlebezugsrecht nicht im Gesetz selbst geregelt sondern Gegenstand der Ersten DurchführungsVO vom 12. Juli 1948(GVBl. NW S 141). Nach § 8 1. DVO hatte der frühere Arbeitgeber „Deputatkohle” wie für invalide Bergarbeiter zu gewähren. Der Gesetzgeber hat indessen davon abgesehen, diese Formulierung „Deputatkohle” zu übernehmen und statt dessen in § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW einen Anspruch auf „Hausbrandkohlen” begründet. Damit hat er ersichtlich an den ständigen Sprachgebrauch der Tarifvertragsparteien im Bergbau angeknüpft, nach dem unter „Hausbrand” das Deputat „Steinkohlen” zu verstehen ist, während im Braunkohlenbergbau diese Leistung durchgehend als „Deputatbriketts” bezeichnet wird, so zB § 8 des Tarifvertrags für Arbeiter im Rheinischen Braunkohlenbergbau vom 14. April/3. August 1953; Abschnitt D. des Manteltarifvertrags für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau vom 7. April 1953.
3. Der Senat setzt sich mit dieser Beurteilung der Beklagten als außerbergbaulichen Arbeitgeber iSv. § 9 Abs. 1 BVSG NW nicht in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts.
Der Dritte Senat (7. Juni 1988 – 3 AZR 545/86 – AP BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Nr. 26) hat angenommen, § 2 Abs. 3 BVSG NW enthalte für die Auslegung des Begriffs Bergwerksbetrieb eine Legaldefinition, die nicht nur für § 2 Abs. 1 BVSG NW gelte sondern auch für § 9 Abs. 3 BVSG NW. Bergwerksbetriebe seien danach neben den Zechengesellschaften und den Bergbauspezialgesellschaften auch sonstige Unternehmen, soweit sie knappschaftliche Arbeiten nach der Verordnung über knappschaftliche Arbeiten vom 11. Februar 1933 (RGBl. I S 66) verrichteten. Der Dritte Senat hat indessen nicht entschieden, Bergwerksbetriebe seien solche, die knappschaftliche Arbeiten verrichteten, sondern hervorgehoben, Voraussetzung für die Zuordnung eines Zubringerunternehmens der Metallindustrie sei, daß bergbauliche Arbeiten verrichtet würden. Dieses Unternehmen leistete Untertagearbeit, so daß der Dritte Senat keine Veranlassung hatte, zur Abgrenzung der Bergbaubetriebe „Untertage” und „Übertage” Stellung zu nehmen.
Auch die Entscheidung des Fünften Senats vom 5. Dezember 1984 (– 5 AZR 577/77 – AP BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Nr. 25) steht nicht entgegen. Die Entscheidung betrifft § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG NW idF vom 14. April 1971(GVBl. NW S 124 f.), wonach Anspruch auf Hausbrandkohlen bei „anderweitiger Beschäftigung” bestand. Dort hat der Fünfte Senat angenommen, eine solche liege vor, wenn der Inhaber eines Bergmannsversorgungsscheins eine Tätigkeit ausübe, die nicht vom fachlichen Geltungsbereich der Bergbau-Tarifverträge erfaßt werde. Hieraus läßt sich nicht die Auffassung des Fünften Senats folgern, „Bergbau – Tarifverträge” seien auch die des Braunkohlenbergbaus. Er hatte allein über den Anwendungsbereich der Tarifverträge für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau zu entscheiden.
III. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Leinemann, Düwell, Reinecke, Kappes, Ott
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 19.09.2000 durch Brüne, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 448650 |
BAGE, 303 |
DB 2001, 337 |
NZA 2001, 1313 |
SAE 2001, 199 |
ZTR 2001, 331 |
AP, 0 |