Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an Hochschule
Orientierungssatz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die den Hochschulen gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter sachlich rechtfertigen. Für diesen Befristungsgrund der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung ist eine auf eine bestimmte formale wissenschaftliche Qualifikation (etwa eine Promotion oder eine Habilitation) ausgerichtete Tätigkeit nicht erforderlich.
Normenkette
BGB § 620 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 23.05.1985; Aktenzeichen 10 Sa 133/84) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 17.09.1984; Aktenzeichen 9 Ca 172/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die in dem zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 25. April 1980 vereinbarte Befristung zum 30. April 1984 wirksam ist.
Der Universität Hannover stand aufgrund Erlasses des Niedersächsischen Ministers für Wissenschaft und Kunst vom 8. Juni 1979 die Stelle eines Akademischen Oberrats nach der Besoldungsgruppe A 14 zur Besetzung mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter im befristeten Angestelltenverhältnis zur Verfügung. Die Klägerin ist Diplom-Pädagogin und hatte ihre Dissertation abgeschlossen, als sie sich mit Schreiben vom 9. Dezember 1979 aufgrund einer Ausschreibung um diese Stelle bewarb. Die Besetzungskommission der Universität Hannover setzte in ihrem Abschlußbericht vom 23. Januar 1980 die Klägerin an die erste Stelle und führte abschließend aus:
"Da beide Bewerberinnen die Dissertation abgeschlossen
bzw. eingereicht haben, bezieht sich die Weiter-
qualifikation auf dieser Stelle nicht auf die Pro-
motion. Ziel der Eigenqualifikation ist die qualita-
tive Erforschung von Interaktionsprozessen in der Er-
wachsenenbildung und deren konzeptionelle Umsetzung
in den Methodeneinsatz."
Nach der für die Klägerin unter dem 4. Februar 1980 erstellten Arbeitsplatzbeschreibung sollten der Klägerin 50 % der Arbeitszeit für eine "selbständige wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen von Forschungsvorhaben des Lehrgebiets" zur Verfügung stehen. Die restlichen 50 % der Arbeitszeit sollten der Vorbereitung und Durchführung von Lehrveranstaltungen (20 %), der Betreuung von Praktikanten im Hauptdiplomstudium (15 %) sowie Arbeiten in der Organisation und in der Hochschulselbstverwaltung (15 %) dienen.
Durch Arbeitsvertrag vom 25. April 1980 wurde die Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1980 bis zum 30. April 1984 als wissenschaftliche Mitarbeiterin unter Eingruppierung in die VergGr. II a BAT eingestellt. § 5 des Arbeitsvertrages enthält folgende Nebenabrede:
"Es besteht Einvernehmen darüber, daß Frau M.
L auf einer Stelle geführt
wird, die im Haushaltsplan für die zeitlich
befristete Beschäftigung von wissenschaftli-
chen Mitarbeitern zur Förderung des wissen-
schaftlichen Nachwuchses (§ 2 Abs. 2 NHG)
ausgebracht ist und daß ihre Beschäftigung
auch ihrer wissenschaftlichen Weiterbildung
dient."
Die Klägerin hält die vereinbarte Befristung für unwirksam, da es an einem sachlichen Grund fehle. Insbesondere sei die Befristung nicht unter dem Gesichtspunkt der wissenschaftlichen Fort- und Weiterbildung gerechtfertigt, da ein spezieller Weiterbildungszweck nicht vereinbart sei. Eine Promotion sei nicht Vertragszweck gewesen, da die Dissertation abgeschlossen gewesen sei. Für eine Habilitation habe sie zwar Vorstudien erbringen sollen; die Verschaffung der Gelegenheit zur Erbringung einer Habilitation sei jedoch nicht Gegenstand des Vertragsabschlusses gewesen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien
über den 30. April 1984 hinaus als unbefristetes Ar-
beitsverhältnis fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hält die Befristung für wirksam, weil der Klägerin die Möglichkeit zu zielgerichteter eigenwissenschaftlicher Tätigkeit geboten worden sei. Nach der in § 5 des Arbeitsvertrages getroffenen Nebenabrede habe die wissenschaftliche Förderung der Klägerin im Sinne von § 2 Abs. 2 NHG als Vertragszweck im Vordergrund gestanden; mit 50 % ihrer regelmäßigen Arbeitszeit sei die Klägerin für eine selbständige wissenschaftliche Tätigkeit freigestellt gewesen. Auch über diese selbständige wissenschaftliche Weiterbildung hinaus seien der Klägerin selbständige wissenschaftliche Tätigkeiten im Rahmen des Forschungsvorhabens des Lehrgebietes übertragen worden; so habe die Klägerin im Rahmen des Prüfungsverfahrens selbständig mitarbeiten und Praktikanten im Hauptdiplomstudium selbständig betreuen können. Da für eine derartige Tätigkeit ein Zeitraum von vier Jahren erforderlich sei, sei auch die Befristungsdauer wirksam gewählt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund rechtswirksamer Befristung am 30. April 1984 geendet hat.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Befristungskontrolle ausgegangen. Nach dieser Rechtsprechung (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 - GS 1/59 - BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; ferner z.B. BAGE 42, 203 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAGE 47, 44 = AP Nr. 88 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ist die Vereinbarung befristeter Arbeitsverträge wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und gemäß § 620 Abs. 1 BGB grundsätzlich zulässig. Ein schutzwertes Interesse für eine solche Vertragsgestaltung entfällt nur dann, wenn die Befristung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Denn eine Befristung ist unzulässig, wenn sie als rechtliche Gestaltungsmöglichkeit objektiv funktionswidrig verwendet wird. Dies ist anzunehmen, wenn der durch die Kündigungsschutzbestimmungen gewährleistete Bestand des Arbeitsverhältnisses vereitelt wird und hierfür kein sachlicher Grund vorliegt.
2. Im Entscheidungsfall hat das Landesarbeitsgericht zu Recht das Vorliegen eines sachlichen Grundes angenommen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit dem zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmten Senatsurteil vom 12. Februar 1986 - 7 AZR 482/84 - NVwZ 1986, 869 (vgl. Urteile vom 12. März 1986 - 7 AZR 520/84 -, vom 28. Mai 1986 - 7 AZR 620/84 -, vom 20. Juni 1986 - 7 AZR 18/85 -, vom 13. August 1986 - 7 AZR 75/85 - und vom 5. September 1986 - 7 AZR 177/85 -, jeweils unveröffentlicht) kann die den Hochschulen gesetzlich zugewiesene Aufgabe der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter sachlich rechtfertigen. Für diesen Befristungsgrund der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung ist eine auf eine bestimmte formale wissenschaftliche Qualifikation (etwa eine Promotion oder eine Habilitation) ausgerichtete Tätigkeit nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn dem wissenschaftlichen Mitarbeiter aufgrund seiner vertraglichen Tätigkeit, insbesondere auch aufgrund seiner Mitarbeit an Forschungsprojekten eines Hochschullehrers, eine vertiefte Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Arbeitsweisen und Methoden ermöglicht wird und er sich dadurch über die im Studium bereits erworbenen Kenntnisse hinaus wissenschaftlich fort- und weiterbilden kann.
b) Dieser Gesichtspunkt der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses trägt die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Nach der bereits vor Abschluß des Arbeitsvertrages erstellten Arbeitsplatzbeschreibung vom 4. Februar 1980 standen der Klägerin 50 % ihrer Arbeitszeit für eine selbständige wissenschaftliche Tätigkeit zur Verfügung. Schon dies rechtfertigt die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, der Zweck des Vertrages habe wesentlich in dieser selbständigen wissenschaftlichen Arbeit der Klägerin gelegen. Darüber hinaus boten auch die übrigen der Klägerin übertragenen Tätigkeiten, worauf das beklagte Land zu Recht hinweist, Gelegenheit zu vertiefter wissenschaftlicher Weiterbildung. Schließlich hat die Klägerin, wie das Landesarbeitsgericht auf Seite 7 des Berufungsurteils festgestellt hat, selbst vorgetragen, daß von ihr Vorstudien für eine Habilitation erbracht werden sollten.
Die vertragliche Tätigkeit der Klägerin war somit ihrer Art nach geeignet, der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung zu dienen. Sie entsprach damit der Zweckbestimmung der Stelle, die die Klägerin innehatte. In der Nebenabrede in § 5 des Arbeitsvertrages vom 25. April 1980 ist ausdrücklich festgehalten worden, daß Einvernehmen darüber bestand, daß die Stelle der Klägerin im Haushaltsplan für die zeitlich befristete Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (§ 2 Abs. 2 NHG) ausgebracht war und daß die Beschäftigung der Klägerin auch ihrer wissenschaftlichen Weiterbildung dienen sollte.
c) Hiervon unabhängig ergibt sich der wissenschaftliche Fort- und Weiterbildungszweck des Arbeitsvertrages der Klägerin bereits daraus, daß der Klägerin 50 % der Arbeitszeit für eine selbständige wissenschaftliche Tätigkeit zur Verfügung gestellt wurde. Eine solche teilweise Freistellung des Arbeitnehmers ist zwar nicht erforderlich, um den Fort- und Weiterbildungszweck des Arbeitsverhältnisses bejahen zu können (vgl. insbesondere das bereits angeführte Senatsurteil vom 12. Februar 1986 m.w.N.). Liegt eine solche Freistellung jedoch vor, so kommt bereits hierin die Fort- und Weiterbildungsfunktion des Arbeitsverhältnisses deutlich zum Ausdruck, denn ein derartiges staatlich subventioniertes Arbeitsverhältnis erhält hierdurch stipendienartigen Charakter und trägt schon daher seine zeitliche Begrenzung in sich (vgl. insbesondere BAG Urteil vom 2. Dezember 1984 - 7 AZR 204/83 - AP Nr. 85 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III 5 b aa der Gründe).
d) Insgesamt erweist sich damit die Befristung des Arbeitsvertrages der Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses dem Grunde nach als sachlich gerechtfertigt. Es kann weder als zweifelhaft erscheinen, daß die vertragliche Tätigkeit der Klägerin eine vertiefte Beschäftigung mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Arbeitsweisen und Methoden ermöglichen sollte, noch bestehen irgendwelche Bedenken gegen die Annahme, daß die damit erstrebte wissenschaftliche Weiterbildung der Klägerin über die im Studium erworbenen Kenntnisse hinaus nicht wenigstens einer der wesentlichen Vertragszwecke war.
e) Die Einwendungen der Revision gegen das Vorliegen eines sachlichen Befristungsgrundes erweisen sich deshalb als unbegründet. Unerheblich ist insbesondere auch der Hinweis der Revision darauf, daß die Klägerin Daueraufgaben zu verrichten hatte. Denn Befristungsgrund ist hier nicht die Zuweisung nur vorübergehender Aufgaben, sondern der Weiterbildungszweck des Arbeitsverhältnisses. Hierfür aber ist es unschädlich, wenn die wahrzunehmenden Aufgaben im Bereich der Universität ständig anfallen (vgl. insbesondere das bereits angeführte Senatsurteil vom 12. Februar 1986 m.w.N.). Auf die tatsächlich wahrgenommenen Aufgaben kommt es ohnehin nicht an, weil bei der Befristungskontrolle nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist.
3. Unbegründet sind schließlich auch die Einwände der Klägerin gegen die vereinbarte vierjährige Dauer der Befristung. Die Klägerin macht insoweit im wesentlichen geltend, das beklagte Land habe keine hinreichende Prognose getroffen, weshalb das Ziel der wissenschaftlichen Weiterbildung der Klägerin gerade in vier Jahren zu erreichen sei.
Die gewählte vierjährige Befristungsdauer ist jedoch nicht zu beanstanden. Sie orientiert sich an dem Sachgrund der Befristung und hält sich im Rahmen des in solchen Fällen Üblichen.
Der erkennende Senat hat in seinem bereits mehrfach angeführten Urteil vom 12. Februar 1986 im einzelnen dargelegt, daß die vereinbarte Dauer eines der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung dienenden Arbeitsverhältnisses nicht so kurz bemessen sein darf, daß in ihr eine ins Gewicht fallende Verbesserung der wissenschaftlichen Qualifikation des Mitarbeiters nicht erreicht werden kann. Andererseits darf sie nicht übermäßig ausgedehnt werden, damit die Zweckbestimmung der Stelle, auch anderen jungen Wissenschaftlern gleiche Chancen zur wissenschaftlichen Weiterbildung zu geben und damit der Nachwuchsförderung zu dienen, erhalten bleibt. Welche Zeitspanne in diesem Rahmen für den jeweiligen Einzelfall angemessen ist, muß weitgehend der fachlichen Beurteilung der dafür zuständigen Stellen der Hochschule überlassen bleiben, die insoweit einen erheblichen Beurteilungsspielraum haben. Im Entscheidungsfalle ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß sich das beklagte Land mit der vereinbarten vierjährigen Befristungsdauer nicht im Rahmen dieses Beurteilungsspielraumes gehalten hätte.
Dr. Seidensticker Roeper Dr. Steckhan
Kleeschulte Straub
Fundstellen