Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsmitglied. Vergütungsanpassung
Leitsatz (redaktionell)
Zur Bestimmung der Gehaltsentwicklung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG ist eine Durchschnittsberechnung zulässig, wenn eine kleine Vergleichsgruppe besteht und die Gehaltserhöhungen der Vergleichspersonen unterschiedlich ausgefallen sind.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 4, § 37 Abs 4 S 1, § 78 S 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. April 2016 – 11 Sa 1249/15 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche.
Der Kläger ist Vorsitzender des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats und seit dem 1. Juli 2000 nach § 38 BetrVG von der Arbeitsleistung freigestellt.
Bis zum Jahr 2014 wurde das Gehalt von Betriebsratsmitgliedern von der Beklagten nach § 37 Abs. 4 BetrVG jährlich an den Durchschnittswert der Gehaltssteigerungen von drei einvernehmlich bestimmten Vergleichspersonen angepasst. Dieses Verfahren änderte die Beklagte im Jahr 2014 dergestalt, dass eine Anpassung des Gehalts des Betriebsratsmitglieds nur erfolgt, wenn die Mehrzahl der Vergleichspersonen eine Gehaltssteigerung erhält. Bei einer der Höhe nach unterschiedlichen Gehaltssteigerung der Mehrheit der Vergleichspersonen erfolgt nunmehr die Anpassung in Höhe des Durchschnittswerts der begünstigten Vergleichspersonen.
Zur Ermittlung des Anpassungsbedarfs beim Arbeitsentgelt des Klägers wurden von den Parteien als Vergleichspersonen einvernehmlich Frau H, Frau G und Herr W bestimmt. Die drei Vergleichspersonen bezogen – ebenso wie der Kläger – am 1. Januar 2014 ein übertarifliches Gehalt. Herr W wurde bis 2013 tariflich nach der höchsten Tarifgruppe VIII vergütet und rückte erst dann in den außertariflichen Bereich (sog. OT-Bereich) auf. Der Kläger und die beiden anderen Vergleichspersonen wurden seit Juli 2000 durchgehend übertariflich vergütet. Den Vergleichspersonen und dem Kläger wurden in der Zeit zwischen Juli 2000 und dem 1. Januar 2014 regelmäßig anlässlich von Tariferhöhungen Gehaltssteigerungen gewährt, daneben erfolgten auch unregelmäßige individuelle Gehaltserhöhungen.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zuletzt die Erhöhung seiner Vergütung ab dem 1. Januar 2014 um 70,95 Euro brutto monatlich geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten zuletzt geübte Praxis entspreche nicht den Vorgaben des § 37 Abs. 4 BetrVG. Da die Vergleichsgruppe nur aus drei Personen bestehe, müsse die durchschnittliche Gehaltsentwicklung aller drei Personen im gesamten Zeitraum seiner Betriebsratstätigkeit ab Juli 2000 bis zum 1. Januar 2014 an ihn weitergegeben werden. Die durchschnittliche Gehaltssteigerung der Vergleichspersonen betrage nach der Auskunft der Beklagten bei Berücksichtigung allein der außerhalb von Tariferhöhungen gewährten Gehaltssteigerungen zwischen Juli 2000 und Januar 2014 739,95 Euro. Dahinter bleibe die ihm in diesem Zeitraum gewährte Erhöhung bei den außertariflichen Gehaltsrunden von 669,00 Euro um 70,95 Euro zurück.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm rückwirkend ab dem 1. Januar 2014 eine um 70,95 Euro brutto erhöhte monatliche Vergütung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, zur Berechnung der Anpassung der Vergütung des Klägers nach § 37 Abs. 4 BetrVG sei nicht auf die durchschnittliche Vergütungserhöhung der Vergleichspersonen im gesamten Zeitraum der Mandatstätigkeit abzustellen. Vielmehr seien die den vergleichbaren Arbeitnehmern gewährten Gehaltserhöhungen nur dann an das Betriebsratsmitglied weiterzugeben, wenn der Mehrheit der Vergleichspersonen in einem Jahr eine Erhöhung gewährt worden sei. Allerdings sei in regelmäßigen Abständen eine „normative Ergebniskontrolle” erforderlich, um zu verhindern, dass das Betriebsratsmitglied stets leer ausgehe, wenn in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren jeweils eine andere Vergleichsperson im Rotationsprinzip eine Gehaltserhöhung erhalte. Vorsorglich hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und sich auf Verwirkung berufen.
Das Arbeitsgericht hat die erstinstanzlich noch auf eine Erhöhung der monatlichen Vergütung des Klägers ab dem 1. Januar 2014 um 33,33 Euro brutto gerichtete Feststellungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und dem zuletzt gestellten Antrag stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe Anspruch auf eine Vergütungserhöhung in Höhe von 70,95 Euro brutto monatlich ab dem 1. Januar 2014, hält mit der gegebenen Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Klage begründet ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die auf Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Erhöhung der Vergütung ab dem 1. Januar 2014 gerichtete Klage zulässig ist.
1. Der Klageantrag ist dahin zu verstehen, dass der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, das am 1. Januar 2014 von ihr gewährte Monatsgehalt zu diesem Zeitpunkt um 70,95 Euro brutto zu erhöhen. Dem Kläger geht es in dem vorliegenden Rechtsstreit nur um den Umfang des Erhöhungsanspruchs zum 1. Januar 2014, nicht aber um spätere etwaige weitere Erhöhungsverpflichtungen aufgrund der weiteren Gehaltsentwicklung der Vergleichspersonen.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antrag ist auch auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach dieser Vorschrift nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. BAG 17. April 2012 – 3 AZR 481/10 – Rn. 16). Vorliegend geht es um die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Kläger einen Anspruch auf Anhebung seiner Vergütung zum 1. Januar 2014 aufgrund einer zum 1. Januar 2014 nach § 37 Abs. 4 BetrVG bestehenden Anpassungspflicht hatte und damit um die Klärung des Umfangs der Leistungspflicht der Beklagten. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Die Beklagte stellt eine Verpflichtung zur Vergütungserhöhung in Abrede. Der Vorrang der Leistungsklage greift nicht, da die begehrte Feststellung geeignet ist, den Streit der Parteien über die Durchführung und Berechnung der Gehaltsanpassung nach § 37 Abs. 4 BetrVG endgültig beizulegen (vgl. zum Feststellungsinteresse: BAG 12. Februar 2013 – 3 AZR 100/11 – Rn. 13, BAGE 144, 231; 17. April 2012 – 3 AZR 481/10 – Rn. 17; 15. November 2011 – 3 AZR 113/10 – Rn. 18).
II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei nach § 37 Abs. 4 BetrVG verpflichtet, die Vergütung des Klägers ab dem 1. Januar 2014 um 70,95 Euro brutto zu erhöhen, hält mit der gegebenen Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
a) § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrats weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden (BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – Rn. 15; 14. Juli 2010 – 7 AZR 359/09 – Rn. 30; 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 15; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe). § 37 Abs. 4 BetrVG garantiert dem Betriebsratsmitglied allerdings nicht die der Höhe nach absolut gleiche Vergütung, die vergleichbare Arbeitnehmer erhalten. Nach dem Zweck der Vorschrift, das Betriebsratsmitglied vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit zu schützen, kommt es vielmehr darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist (BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – aaO; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – aaO).
b) Vergleichbar iSv. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren (vgl. BAG 18. Januar 2017– 7 AZR 205/15 – Rn. 16; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu II 1 der Gründe; 15. Januar 1992 – 7 AZR 194/91 – zu II 1 a der Gründe; 11. Dezember 1991– 7 AZR 75/91 – zu II der Gründe). Üblich ist eine Entwicklung, die vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben (BAG 18. Januar 2017– 7 AZR 205/15 – aaO).
c) Das Betriebsratsmitglied hat während der Dauer seiner Amtszeit Anspruch auf Gehaltserhöhungen in dem Umfang, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Werden die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten Prozentsatz angehoben, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts (BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – Rn. 17). Fallen die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe unterschiedlich aus, kommt es darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden. Handelt es sich um eine sehr kleine Vergleichsgruppe und lässt sich deshalb nicht feststellen, dass die Gehälter der Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer in gleichem Umfang erhöht wurden, kann für den Gehaltsanpassungsanspruch des Betriebsratsmitglieds der Durchschnitt der den Angehörigen der Vergleichsgruppe gewährten Gehaltserhöhungen maßgebend sein, wenn nur auf diese Weise eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Begünstigung oder Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds vermieden werden kann (BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – aaO; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe). Vergütungserhöhungen, auf die das Betriebsratsmitglied vor seiner Amtsübernahme keinen Anspruch hatte oder, wenn es arbeitete, nicht hätte, haben bei der Bemessung seines Arbeitsentgelts nach der Wahl zum Betriebsratsmitglied außer Betracht zu bleiben. Anderenfalls erhielte das freigestellte Betriebsratsmitglied unter Umständen einen mit § 78 Satz 2 BetrVG nicht zu vereinbarenden Vorteil gegenüber anderen Arbeitnehmern (vgl. BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – Rn. 25; 17. Mai 1977 – 1 AZR 458/74 – zu 2 der Gründe).
2. Danach hat das Landesarbeitsgericht mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die monatliche Vergütung des Klägers sei ab dem 1. Januar 2014 um 70,95 Euro brutto anzuheben.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Gehaltsentwicklung des Klägers habe sich an der Gehaltsentwicklung der einvernehmlich als Vergleichspersonen bestimmten Frau H, Frau G und Herrn W zu orientieren. Die Parteien haben diese Arbeitnehmer nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts einvernehmlich als Vergleichspersonen iSv. § 37 Abs. 4 BetrVG bestimmt. Zwar hat das Landesarbeitsgericht keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, ob die genannten Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie der Kläger ausgeübt haben, dafür in gleicher Weise wie der Kläger fachlich und persönlich qualifiziert waren und ob diese Arbeitnehmer bei objektiv vergleichbarer Tätigkeit mit vergleichbarer fachlicher und persönlicher Qualifikation bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht eine betriebsübliche Entwicklung genommen haben. Allerdings behauptet der Kläger mit seinem Vorbringen, die genannten Arbeitnehmer seien zwischen den Parteien einvernehmlich festgelegt worden, der Sache nach, die Grundlagen der Vergleichbarkeit nach § 37 Abs. 4 BetrVG lägen vor. Dem ist die Beklagte mit ihrem pauschalen Vorbringen, die Festlegung sei „wohlwollend erfolgt”, nicht hinreichend konkret entgegengetreten. Die Behauptung des Klägers gilt daher nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
b) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings die nach § 37 Abs. 4 BetrVG erforderliche Vergleichsberechnung nicht zutreffend vorgenommen und ist daher mit einer rechtsfehlerhaften Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger stehe ab 1. Januar 2014 eine um 70,95 Euro brutto erhöhte Vergütung zu.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, nach § 37 Abs. 4 BetrVG sei maßgeblich, ob die Gehaltsentwicklung des Klägers während des gesamten Zeitraums seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen der Vergleichspersonen zurückgeblieben sei. Es hat ermittelt, in welchem prozentualen Verhältnis die Vergütung des Klägers im Juli 2000 zur Durchschnittsvergütung der drei Vergleichspersonen stand und angenommen, der Kläger habe zum geltend gemachten Anpassungszeitpunkt 1. Januar 2014 Anspruch auf eine Vergütung in Höhe des für Juli 2000 errechneten Prozentsatzes der Durchschnittsvergütung der Vergleichspersonen am 1. Januar 2014. Der Kläger habe zu Beginn des Vergleichszeitraums im Juli 2000 eine Vergütung iHv. 3.773,33 Euro erhalten. Die Durchschnittsvergütung der drei Vergleichspersonen habe zu diesem Zeitpunkt 3.628,12 Euro betragen. Die Vergütung des Klägers habe sich daher auf 104 % der Durchschnittsvergütung der Vergleichspersonen belaufen. Dementsprechend habe der Kläger im Januar 2014 Anspruch auf Vergütung iHv. 104 % der Durchschnittsvergütung der Vergleichspersonen im Januar 2014, die zu diesem Zeitpunkt 5.531,19 Euro betragen habe. Danach habe der Kläger im Januar 2014 Anspruch auf Vergütung in Höhe von 5.752,36 Euro brutto. Erhalten habe der Kläger im Januar 2014 5.625,70 Euro, woraus sich ein Differenzbetrag von 126,66 Euro ergebe. Deshalb sei die Vergütung des Klägers zum 1. Januar 2014 zumindest um den vom Kläger geltend gemachten Betrag von 70,95 Euro brutto monatlich zu erhöhen.
bb) Diese vom Landesarbeitsgericht gewählte Vorgehensweise ist nicht frei von Rechtsfehlern.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen für die Berechnung des Anpassungsanspruchs des Klägers zu Unrecht auf die Vergütungsentwicklung der Vergleichspersonen seit Juli 2000 abgestellt.
(a) Der Schutz vor finanziellen Nachteilen wegen der Ausübung der Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 4 BetrVG steht einem Betriebsratsmitglied für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat und einen Zeitraum von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit zu. Deshalb kommt es darauf an, ob die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds während der gesamten Dauer seiner Amtsausübung in Relation zu derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben ist (vgl. BAG 18. Januar 2017 – 7 AZR 205/15 – Rn. 15; 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe; 17. Mai 1977 – 1 AZR 458/74 – zu 3 der Gründe).
(b) Danach hat das Landesarbeitsgericht zwar im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass nach § 37 Abs. 4 BetrVG maßgeblich ist, ob die Gehaltsentwicklung des Klägers während des gesamten Zeitraums seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen der Vergleichspersonen zurückgeblieben ist. Seine Annahme, dieser Zeitraum habe im Juli 2000 begonnen, wird allerdings nicht von den bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen getragen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar festgestellt, dass der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2000 als Betriebsratsmitglied von der Arbeitsleistung freigestellt wurde. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien wurde der Kläger jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt zum Betriebsratsmitglied gewählt. Feststellungen zum Beginn der Amtszeit des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen, ebenso wenig zu den Gehältern des Klägers und der Vergleichspersonen zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme. Diese Feststellungen werden vom Landesarbeitsgericht nachzuholen sein.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat bei der von ihm vorgenommenen Durchschnittsberechnung der Gehaltssteigerung der Vergleichspersonen zudem nicht berücksichtigt, dass der Kläger – soweit es um die anlässlich von regelmäßigen Tariferhöhungen erfolgten Vergütungssteigerungen geht – nicht ungünstiger behandelt wurde als die drei Vergleichspersonen. Da die Beklagte die Tarifsteigerungen an übertariflich vergütete (sog. OT-)Angestellte in der Zeit von Juli 2000 bis 1. Januar 2014 nicht durchgängig prozentual auf ihr jeweiliges Festgehalt weitergab und zur Vergleichsgruppe zwei Personen (Frau H und Frau G) zählen, die bereits im Juli 2000 übertariflich vergütet wurden, die dritte Vergleichsperson (Herr W) hingegen seinerzeit noch tariflich vergütet wurde und während des Betrachtungszeitraums in den OT-Bereich aufrückte, führt die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Durchschnittsberechnung zu einer ohne Mandat in der konkret ermittelten Höhe nicht erreichbaren Vergütungsanpassung. Die Beklagte gewährt Betriebsratsmitgliedern, die Tarifangestellte sind, die Tariferhöhungen ebenso wie anderen Tarifangestellten. Bis zum Jahr 2003 erfolgte auch bei übertariflich vergüteten Angestellten (OT-Angestellten) eine Weitergabe der prozentualen Tariferhöhung auf ihr übertarifliches Gehalt. Seit dem Jahr 2004 gewährt die Beklagte den OT-Angestellten allerdings nicht mehr den Prozentsatz der Tariferhöhung auf ihr übertarifliches Festgehalt, sondern sie erhöht deren Gehalt seither um den nominellen Erhöhungsbetrag der höchsten Tarifgruppe VIII zuzüglich der Verantwortungszulage (sog. „TG VIII max.”). Das bedeutet, dass die aus Anlass von Tariferhöhungen vorgenommenen Gehaltsanhebungen innerhalb der Gruppe der OT-Angestellten einerseits und der Tarifangestellten andererseits seit dem Jahr 2004 prozentual unterschiedlich ausfielen. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt. Durch die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Durchschnittsberechnung ergibt sich folglich insgesamt ein Betrag, den weder ein Tarifangestellter noch ein OT-Angestellter erhalten hätte und der ohne Mandat auch vom Kläger nicht hätte beansprucht werden können. Sowohl der Kläger als auch die Vergleichspersonen haben – je nach Status als Tarifangestellter oder OT-Angestellter – anlässlich der Tariferhöhungen die im Betrieb übliche Gehaltsanhebung erhalten. Insoweit ist daher die Gehaltsentwicklung des Klägers nicht hinter derjenigen der vergleichbaren Arbeitnehmer zurückgeblieben. Aus den anlässlich der Tariferhöhungen gewährten Vergütungssteigerungen kann der Kläger daher keine Anpassungsansprüche nach § 37 Abs. 4 BetrVG herleiten. Er macht solche im Rahmen der von ihm gewählten Berechnung auch nicht geltend.
(3) Da die tarifgehaltsunabhängig gewährten Gehaltserhöhungen bei den Vergleichspersonen im Betrachtungszeitraum unregelmäßig und nicht nach einem bestimmten System erfolgten und die Vergleichsgruppe nur aus drei Personen besteht, muss insoweit das Gehalt des Klägers in dem durchschnittlichen prozentualen Umfang der bei den Vergleichspersonen in der Zeit seit seiner Amtsübernahme bis zum 1. Januar 2014 vorgenommenen individuellen Erhöhungen angepasst werden. Nur auf diese Weise kann eine Benachteiligung des Klägers aufgrund seiner Amtsausübung ausgeschlossen werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind Gehaltserhöhungen der Vergleichspersonen nicht nur dann berücksichtigungsfähig, wenn die Mehrheit der Vergleichspersonen in einem bestimmten Zeitraum – etwa in einem Kalenderjahr – eine Gehaltserhöhung erhalten hat. Zwar hat der Senat für große Vergleichsgruppen mit gleichförmigen Gehaltserhöhungen angenommen, es komme darauf an, in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden (BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu I 2 a der Gründe). Der Senat hat aber auch für größere Vergleichsgruppen nicht verlangt, die Mehrheit der Vergleichspersonen müsse Gehaltserhöhungen in einem bestimmten Zeitraum erfahren haben. Eine solche Vorgabe würde es – wie die Beklagte letztlich selbst einräumt – ermöglichen, durch innerhalb der Vergleichsgruppe zeitlich verschobene Gehaltsanhebungen eine Anpassungspflicht nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu umgehen. Zudem hat der Senat eine Durchschnittsberechnung für zulässig gehalten, wenn es sich – wie im Streitfall – um eine kleine Vergleichsgruppe handelt und die Gehaltserhöhungen der Vergleichspersonen unterschiedlich ausgefallen sind (vgl. BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – aaO).
cc) Für die Ermittlung des Anpassungsanspruchs des Klägers muss somit für jede Vergleichsperson errechnet werden, in welchem prozentualen Umfang ihr Gehalt – ausgehend von dem Gehalt im Zeitpunkt der Amtsübernahme des Klägers – außerhalb der regelmäßigen Tarifsteigerungen bis zum 1. Januar 2014 angehoben wurde. Das Ausgangsgehalt des Klägers zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme ist sodann um den durchschnittlichen Prozentsatz der den Vergleichspersonen außerhalb von Tariferhöhungen gewährten Gehaltssteigerungen anzuheben.
III. Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann nicht beurteilen, ob die Gehaltsentwicklung des Klägers den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dazu fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Diese wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.
IV. Die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht erübrigt sich nicht deshalb, weil ein etwaiger Anspruch des Klägers nach § 37 Abs. 4 BetrVG auf Erhöhung seiner Vergütung ab 1. Januar 2014 verjährt oder verwirkt wäre. Das ist – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – nicht der Fall.
1. Der etwaige Anspruch des Klägers ist nicht verjährt.
a) Aus § 37 Abs. 4 BetrVG resultierende Ansprüche auf Gehaltsanpassung beruhen auf § 611 BGB (seit dem 1. April 2017 § 611a Abs. 2 BGB) und dem Arbeitsvertrag (BAG 19. Januar 2005 – 7 AZR 208/04 – zu IV 1 a der Gründe). Es handelt sich daher um Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Mangels Eingreifens der besonderen Tatbestände der §§ 196, 197 BGB unterliegen diese der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt in Bezug auf die für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2014 geltend gemachten Vergütungsansprüche nach § 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahres 2014. Diese Frist war weder im Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift beim Arbeitsgericht am 12. Februar 2015 oder der Zustellung der Klage an die Beklagte am 20. Februar 2015 noch bei der am 3. Dezember 2015 beim Landesarbeitsgericht im Rahmen des Berufungsverfahrens eingegangenen Klageerweiterung abgelaufen.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten spielt es für die Frage der Verjährung von Vergütungserhöhungsansprüchen des Klägers ab dem 1. Januar 2014 keine Rolle, dass deren Grundlagen durch eine ggf. bereits in verjährter Zeit erfolgte Erhöhung der Vergütung der Vergleichspersonen gelegt wurden, ohne dass der Kläger für vergangene Zeiträume entsprechende Anpassungsansprüche geltend gemacht hat. Streitgegenständlich sind vorliegend arbeitsvertragliche Vergütungsansprüche ab dem 1. Januar 2014. Diese entstehen jeweils monatlich. Deshalb ist der von der Beklagten angestellte Vergleich mit der Verjährung von Schadensersatzansprüchen aus Rechtsgutsverletzungen aus verjährter Zeit nicht tragfähig.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, dass der Anspruch des Klägers auf Erhöhung seiner Vergütung zum 1. Januar 2014 nicht verwirkt ist.
a) Verwirkung (§ 242 BGB) setzt voraus, dass der Gläubiger mit der Geltendmachung seines Rechts längere Zeit zugewartet hat (Zeitmoment) und er unter Umständen untätig geblieben ist, die bei dem Schuldner den Eindruck erwecken konnten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Schuldner sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Es müssen Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. etwa BAG 13. August 2008 – 7 AZR 269/07 – Rn. 37 mwN).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht bereits das Vorliegen des Zeitmoments verneint und angenommen, der Kläger mache entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach Ablauf von mehr als zehn Jahren eine Benachteiligung bei der Bemessung seiner Vergütung geltend, sondern eine aktuell bestehende Benachteiligung am 1. Januar 2014. Es fehlt zudem an Anhaltspunkten für das Umstandsmoment. Allein daraus, dass der Kläger in der Vergangenheit keine Anpassung seiner Vergütung an die Gehaltsentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer verlangt hat, durfte die Beklagte nicht schließen, dass der Kläger auch künftig derartige Ansprüche nicht geltend machen würde, zumal dem Kläger erst während des vorliegenden Verfahrens Auskunft über die Zusammensetzung und Höhe der Vergütung der Vergleichspersonen erteilt wurde. Da für die Ermittlung des Anpassungsanspruchs die Gehaltsentwicklung des Klägers und der Vergleichspersonen seit der Übernahme des Betriebsratsamts durch den Kläger maßgeblich ist, musste sich die Beklagte auch darauf einstellen, diese Gehaltsentwicklung ggf. darlegen zu können.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, Waskow, Deinert, Meißner
Fundstellen
Haufe-Index 11803963 |
ArbR 2018, 372 |