Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnpfändung. Berücksichtigung mitverdienender Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
1. Aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kann ein Gläubiger Ansprüche des Schuldners auf zukünftiges Arbeitseinkommen pfänden. Eine Klage kann auf die Zeit der Zahlung eines bestimmten Gehaltes und bis zur Tilgung der Forderung auch im Klageantrag und entsprechend im Urteilstenor begrenzt werden.
2. Trägt ein Ehegatte zum Familienunterhalt bei, ist bei der Berechnung der Pfändungsfreigrenzen der andere Ehegatte auch dann als Unterhaltsberechtigter zu berücksichtigen, wenn dessen eigenes Einkommen sehr viel höher liegt, Ein Ausgleich ist nur durch das Vollstreckungsgericht nach § 850 c Abs. 4 möglich, das auf Antrag bestimmen kann, daß diese Person bei der Berechnung ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt.
Normenkette
ZPO §§ 850c, 259, 767, 769, 775; BGB § 1360
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 22.09.1981; Aktenzeichen 11 Sa 787/81) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 09.06.1981; Aktenzeichen 1 Ca 236/81) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. September 1981 – 11 Sa 787/81 – und des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 9. Juni 1981– 1 Ca 236/81 – aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin hat gegen die Streitverkündete einen vollstreckbaren Titel über eine Forderung von DM 2.712,– nebst Zinsen und Kosten erwirkt. Sie nimmt die Beklagte aus einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 1980 – 44 M 9263/80 – in Anspruch, durch den der Anspruch der Streitverkündeten gegen die Beklagte auf Arbeitseinkommen gepfändet und der Klägerin zur Einziehung überwiesen wurde. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß wurde der Beklagten am 24. Oktober 1980 und der Streitverkündeten am 28. Oktober 1980 zugestellt.
Die Streitverkündete war im Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bei der Beklagten gegen eine monatliche Nettovergütung von DM 680,04 beschäftigt. Ab 1. Januar 1981 betrug ihre monatliche Nettovergütung DM 673,04. Seit 1. Juni 1981 bezieht die Streitverkündete wegen Arbeitsunfähigkeit keine Vergütung mehr von der Beklagten. Der Ehemann der Streitverkündeten bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von durchschnittlich DM 1.550,–.
Die Beklagte leistete aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß keine Zahlungen an die Klägerin.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei der Berechnung des pfändbaren Betrages der Vergütung der Streitverkündeten dürfe der Ehemann der Streitverkündeten nicht als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt werden. Der Ehemann der Streitverkündeten könne nämlich seinen Unterhalt aus seinem eigenen Arbeitseinkommen bestreiten. Die Streitverkündete leiste zum Unterhalt ihres Ehemannes keinen Beitrag. Demgemäß seien vom Arbeitseinkommen der Streitverkündeten monatlich DM 121,04 pfändbar.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin DM 363,12 und ab Ende Januar 1981 jeweils monatlich am letzten Tage des Monats DM 121,04 zu zahlen, und zwar bis zur Tilgung der Forderung der Klägerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 1980 (44 M 9263/80).
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Ehemann der Streitverkündeten bestreite monatlich aus seinem Einkommen den Unterhalt von zwei Kindern aus erster Ehe mit DM 330,–, die Miete mit DM 650,–, Mietnebenkosten mit DM 125,–, die Rückzahlung eines Kredits mit DM 369,–, Telefonkosten mit DM 80,–, einen Lebensversicherungsbeitrag mit DM 50,– sowie Beiträge für einen Bausparvertrag mit DM 10,–. Damit sei sein gesamtes Arbeitseinkommen aufgebraucht, so daß auch das Arbeitseinkommen der Streitverkündeten für den Familienunterhalt der Eheleute verwendet werden müsse.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin den von Oktober bis Dezember 1980 monatlich pfändbaren Betrag des Arbeitseinkommens der Streitverkündeten mit DM 84,70 angegeben und den von Januar bis Mai 1981 monatlich pfändbaren Betrag mit DM 77,70. Demgemäß hat die Klägerin in der Berufungsinstanz beantragt, in teilweiser Abänderung des Urteils erster Instanz die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin DM 642,60 zu zahlen und nach dem 1. Juni 1981 jeweils monatlich am letzten Tage des Monats DM 77,70 zu zahlen, solange die Streitverkündete bei der Beklagten Gehalt in Höhe von DM 673,04 netto erhält, und zwar bis zur Tilgung der Forderung der Klägerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 1980 – 44 M 9263/80 –.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß es die Beklagte nach den von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen verurteilt hat.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Klageabweisung. Die Klägerin kann von der Beklagten aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 1980 keine Zahlung verlangen.
Soweit sich die Klage auf die Zeit nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht bezieht, handelt es sich um eine Klage auf eine künftige Leistung. Diese ist nach § 259 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann außer den Fällen der §§ 257, 258 ZPO Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. § 257 ZPO betrifft nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift Klage auf künftige Leistungen, die nicht von einer Gegenleistung abhängig sind. Das gilt auch für § 258 ZPO, der an § 257 ZPO anknüpft. Daraus wird von der einhelligen Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung zutreffend gefolgert, daß § 259 ZPO auch die Verurteilung zu künftigen Leistungen zuläßt, die von einer Gegenleistung abhängig sind (vgl. RGZ 168, 321, 325; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 41. Aufl. 1983, § 259 Anm. 1 A; Zöller/Stephan, ZPO, 13. Aufl. 1981, § 259 Anm. 1). Zu künftigen Leistungen in diesem Sinne hat schon das Reichsarbeitsgericht auch künftige Vergütungsansprüche von Arbeitnehmern gezählt, obwohl diese Ansprüche von der künftigen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abhängig sind; es hat hierbei mit Recht darauf hingewiesen, daß Einwendungen des Arbeitgebers aus einer künftigen Nichtleistung von Diensten des Arbeitnehmers durch Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden könnten (RAG Urteil vom 20. Februar 1937 – RAG 247/36–, ARS 29, 68, 71).
Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht fortgeführt. Dabei ist davon auszugehen, daß auch eine Klageforderung nach § 259 ZPO wie jede andere Klageforderung genügend bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein muß. Künftige Vergütungsansprüche können zwar entfallen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird oder wenn die geschuldete Arbeitsleistung ausbleibt und die Vergütung nicht fortzuzahlen ist, z.B. bei längerer Krankheit, unbezahltem Urlaub, unentschuldigten Fehlzeiten usw.. Diese sich aus der Natur der von einer Gegenleistung abhängigen Schuld ergebenden Unsicherheitsfaktoren hindern aber nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung die Klage auf künftige Leistung gemäß § 259 ZPO nicht (vgl. BAG Beschluß vom 26. Juni 1959 – 2 AZR 25/57 –, AP Nr. 1 zu § 259 ZPO). Demgemäß ist für die Bestimmbarkeit der Forderung im Sinne von § 259 ZPO nicht erforderlich, daß die Leistung unter allen Umständen mit Sicherheit geschuldet wird, sondern nur, daß sie, falls sich nichts Unerwartetes ereignet, geschuldet bleibt (vgl. RGZ 168, 321, 325 f.). Das ist für künftige Vergütungsansprüche aus einem bestehenden, auf unbestimmte Zeit angelegten Arbeitsverhältnis zu bejahen und entspricht zugleich der Regelung des § 832 ZPO. Demgemäß kann ein Gläubiger auch aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, durch den Ansprüche des Schuldners auf künftiges Arbeitseinkommen gepfändet sind, gegen den Drittschuldner gemäß § 259 ZPO Klage auf künftige Lohnzahlung erheben (BAG Beschluß vom 26. Juni 1959 – 2 AZR 25/57 –, AP Nr. 1 zu § 259 ZPO und BAG Urteil vom 29. Juli 1960 – 5 AZR 532/59 –, AP Nr. 2 zu § 259 ZPO). Die vorgenannte Rechtsprechung hat im Schrifttum allgemein Zustimmung gefunden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 259 Anm. 1 A; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 13. Aufl. 1981, § 93 II 2 b; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl. 1972, § 259 Anm. I 1; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl. 1976, § 259 Anm. A). An ihr wird festgehalten.
Auch soweit der Klageantrag darauf begrenzt ist, daß die Streitverkündete bei der Beklagten ein Gehalt in Höhe von DM 673,04 netto bezieht und die Forderung der Klägerin aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß noch nicht getilgt ist, ist die Klage bestimmt genug. Damit trägt die Klägerin der materiellen Rechtslage Rechnung, daß bei einem geringeren Gehalt der Streitverkündeten als DM 673,04 und nach Tilgung der Forderung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß der Klägerin nicht mehr der eingeklagte pfändbare Betrag von DM 77,70 monatlich zusteht. Mit entsprechenden Einwänden kann die Beklagte gegebenenfalls durch Vorlage von Urkunden oder Postscheinen gegenüber dem Gerichtsvollzieher nach § 775 Nr. 4 und 5 ZPO oder durch Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 767, 769 ZPO die Einstellung der Zwangsvollstreckung erreichen. Demgemäß ist die angeführte Beschränkung des Klageantrags und eine entsprechend begrenzte Verurteilung zwar nicht zwingend geboten, weil der Beklagten die angeführten Rechtsbehelfe nach § 775 Nr. 4 und 5 ZPO und §§ 767, 769 ZPO zur Verfügung stehen. Die Begrenzung ist jedoch zur Klarstellung zweckmäßig und geeignet. Probleme bei der Zwangsvollstreckung ergeben sich dadurch nicht. Solange nicht gegenüber dem Gerichtsvollzieher der Nachweis nach § 775 Nr. 4 oder 5 ZPO geführt oder die Zwangsvollstreckung nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt oder nach § 769 ZPO vorläufig eingestellt ist, kann der Gerichtsvollzieher Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der titulierten Beträge durchführen.
Die für die Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistung erforderliche Besorgnis, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen, ist gegeben. Für die Annahme einer solchen Besorgnis genügt es, daß der Schuldner den Anspruch ernstlich, wenn auch gutgläubig, bestreitet (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 259 Anm. 1 B mit weiteren Nachweisen). Das ist hier unbedenklich zu bejahen, da die Beklagte während des gesamten Rechtsstreits die Auffassung vertreten hat, das Arbeitseinkommen der Streitverkündeten sei unpfändbar und deshalb schulde sie der Klägerin nichts.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht zwar aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Wuppertal vom 20. Oktober 1980 für die Zeit ab 24. Oktober 1980 (Tag der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Beklagte) der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens der Streitverkündeten zu (§§ 829, 835 ZPO). Das Arbeitseinkommen, das die Streitverkündete bei der Beklagten erzielt hat (bis 31. Dezember 1980: DM 680,04 netto monatlich, ab 1. Januar 1981: DM 673,04 netto monatlich), ist aber nach der Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO in vollem Umfange unpfändbar, wenn und soweit die Streitverkündete ihrem Ehegatten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt. Diese Voraussetzungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin und der Vorinstanzen vorliegend zu bejahen.
Nach § 1360 Satz 1 BGB sind die Ehegatten einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Diese Verpflichtung trifft grundsätzlich jeden Ehegatten unabhängig von der Höhe seines eigenen Einkommens und unabhängig von der Höhe des Einkommens des Ehegatten. Demgemäß ist auch die Streit verkündete verpflichtet, mit ihrem Arbeitseinkommen von rd. DM 680,– netto monatlich zum Unterhalt der Familie beizutragen. Durch ihren Beitrag zum Familienunterhalt erfüllt sie die gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehegatten. Sie erweitert damit die Lebensgrundlage der Familie und steuert auf diese Weise auch zum Unterhalt ihres Ehemannes bei. Dies gilt auch, wenn sie für ihren eigenen Unterhalt mehr benötigt, als sie selbst für den Unterhalt der Familie aufbringen kann. Denn dies ändert nichts daran, daß sie mit ihrem eigenen Beitrag zum angemessenen Familienunterhalt eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrem Ehemann erfüllt (vgl. Münchener Kommentar – Wacke, BGB, 1978, § 1360 Rz 7, 22; Palandt/Diederichsen, BGB, 42. Aufl. 1983, § 1360 Anm. 2 a und b, 3 b bb). Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden für den Familienunterhalt der Streitverkündeten und ihres Ehemannes DM 1.900,– benötigt. Hierzu steuert die Streitverkündete nach den weiteren Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rd. DM 680,– bei. Diese Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber ihrem Ehemann bedeutet, daß die Streitverkündete damit ihrem Ehegatten Unterhalt gewährt. Deshalb ist der Ehegatte der Streitverkündeten bei der Ermittlung des pfändbaren Betrages des Arbeitseinkommens der Streitverkündeten nach der Pfändungstabelle zu § 850 c ZPO als unterhaltsberechtigte Person zu berücksichtigen.
In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte sich das Bundesarbeitsgericht nur mit der Frage zu befassen, ob bei mitverdienenden Ehegatten der höherverdienende Ehegatte, dessen Arbeitseinkommen gepfändet wurde, geltend machen konnte, er schulde seinem mitverdienenden Ehegatten Unterhalt. Das Bundesarbeitsgericht hat dies mit der Erwägung bejaht, es genüge für die Berücksichtigung der Unterhaltspflicht, daß der Ehemann sich neben der mitverdienenden Ehefrau aufgrund beiderseitiger Verständigung angemessen an den Kosten des Familienunterhalts beteilige (BAG Urteil vom 9. Dezember 1965 – 5 AZR 272/65 –, AP Nr. 2 zu § 850 c ZPO; vgl. auch BAG 27, 4 = AP Nr. 3 zu § 850 c ZPO). Dies trifft aber auch für Fälle der vorliegenden Art zu, in denen das Arbeitseinkommen des geringer verdienenden Ehegatten gepfändet wird, wenn dieser sich angemessen an den Kosten des Familienunterhalts beteiligt.
Demgegenüber hat Fenn (SAE 1975, 491; AcP 167, 184) eingewendet, die Anhebung der Pfändungsfreigrenzen wegen unterhaltsberechtigter Personen basiere auf der Voraussetzung, daß ein Erwerbstätiger tatsächlich etwas für den Unterhalt einer weiteren Person abzweige, daß er also mehr aufwende, als er für seinen eigenen Unterhalt benötige. Tue er das nicht, „gewähre” er auch keinen Unterhalt im Sinne von § 850 c ZPO (vgl. auch Gernhuber, Anm. AP Nr. 2 zu § 850 c ZPO). Dem Senat leuchtet diese am Sinn und Zweck des Gesetzes ausgerichtete Argumentation ein. Ihr hat jedoch inzwischen der Gesetzgeber durch den mit Wirkung vom 1. April 1978 in Kraft getretenen § 850 c Abs. 4 ZPO Rechnung getragen. Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, daß eine Person, der der Schuldner aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, bei der Berechnung der unpfändbaren Teile des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt, wenn sie eigene Einkünfte bezieht. Damit können auch Fälle der vorliegenden Art befriedigend gelöst werden. Der Gläubiger hat es in der Hand, durch einen Antrag beim Vollstreckungsgericht zu erreichen, daß der Ehemann, dem die Ehefrau durch ihren Beitrag zum Familienunterhalt Unterhalt gewährt, bei der Berechnung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens der Ehefrau nach § 850 c ZPO gleichwohl unberücksichtigt bleibt, weil dies der Billigkeit entspricht, z.B. wenn der Beitrag der Ehefrau zum gemeinsamen Familienunterhalt wesentlich geringer ist als der Beitrag des Ehemannes. Dies könnte gegebenenfalls auch für die Streitverkündete zutreffen. Bisher hat die Klägerin jedoch noch keinen entsprechenden Antrag beim Vollstreckungsgericht gestellt. Solange aber das Vollstreckungsgericht nicht bestimmt hat, daß eine unterhaltsberechtigte Person, der der Schuldner durch seinen Beitrag zum Familienunterhalt Unterhalt gewährt, wegen eigener Einkünfte bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise nicht zu berücksichtigen ist, muß es dabei verbleiben, daß sie – unabhängig von der Höhe ihrer eigenen Einkünfte – nach der Pfändungstabelle als unterhaltsberechtigte Person berücksichtigt wird. An diese Rechtslage sind die Arbeitsgerichte im Drittschuldnerprozeß gebunden.
Dieses Ergebnis wird den im Lohnpfändungsrecht besonders wichtigen Grundsätzen der Rechtsklarheit und Praktikabilität gerecht. Sämtliche Beteiligten, insbesondere Gläubiger und Drittschuldner, haben ein berechtigtes Interesse daran, leicht feststellen zu können, welcher Teil des Arbeitseinkommens des Schuldners pfändbar ist. Hierzu gehört auch, daß sich leicht ermitteln läßt, ob bestimmte unterhaltsberechtigte Personen nach der Pfändungstabelle zu berücksichtigen sind. Wollte man dem Drittschuldner, der auf Zahlung in Anspruch genommen wird, im Sinne der Argumentation von Fenn die Prüfung aufbürden, wie hoch der angemessene Unterhalt der Familie des Schuldners jeweils zu bemessen ist und ob der Schuldner mehr für den Familienunterhalt aufwendet, als er für seinen eigenen Unterhalt benötigt, würde dies zu großer Rechtsunsicherheit führen. Gläubiger und Drittschuldner hätten oft überhaupt keine Möglichkeit, die erforderlichen Feststellungen treffen zu können, weil sie meist die Familien- und Vermögensverhältnisse des Schuldners nicht kennen. Im übrigen müßten sie damit rechnen, daß ihre Überlegungen in einem Rechtsstreit von den Gerichten nicht geteilt würden; dadurch würden ihnen unnötige Kosten entstehen. Darüber hinaus erlaubt die Anwendung des § 850 c Abs. 4 ZPO auf alle Fälle der Pfändung des Arbeitseinkommens eines mitverdienenden Ehegatten, daß dann den Umständen des Einzelfalles im besonderen Maße Rechnung getragen und damit eine Einzelfallgerechtigkeit erreicht werden kann, wie sie offenbar auch dem Gesetzgeber vorschwebte (vgl. Amtliche Begründung, BT-Drucks. 8/693, S. 49).
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Feller, Dr. Etzel, Preuße, Bahr
Fundstellen
BAGE, 54 |
DB 1983, 1263-1263 (LT1-2) |
WM IV 1983, 739-741 (LT1-2) |
ZIP 1983, 1247 |
MDR 1983, 788-788 (LT1-2) |