Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Tariflohnerhöhung auf Wechselschichtzulage
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zulage zur Abgeltung der mit dem Vier-Schicht-Betrieb verbundenen besonderen Belastungen ist tarifbeständig, wenn kein Anrechnungsvorbehalt ausdrücklich vereinbart worden ist.
2. Bei der Neuverteilung des Zulagenvolumens aufgrund einer teilweisen, aber prozentual gleichen Anrechnung hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn sich die Verteilungsgrundsätze verändert haben.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 10.04.1992; Aktenzeichen 3 Sa 653/91) |
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 19.03.1991; Aktenzeichen 6 Ca 542/90 N) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer als Erschwerniszulage bezeichneten Leistung der Beklagten für den Monat Mai 1990.
Der Kläger zu 1) ist als Zettelaufleger im Zeitlohn, die Klägerin zu 2) als Weberin im Akkord bei der Beklagten im Betrieb A in S beschäftigt. Alle Beteiligten sind kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Beide Kläger arbeiten im Vier-Schicht-Betrieb.
Für die Arbeit im Vier-Schicht-Betrieb haben die Beklagte und der Betriebsrat des Werkes A am 5. November 1985 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der u.a. bestimmt ist:
"...
4. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeits-
zeit beträgt im Durchschnitt von 2 Wochen
38 Stunden.
An dieser Arbeitszeit fehlende Arbeitsstun-
den werden im 8 Wochen-Turnus ausgeglichen.
Die Ausgleichsschichten sind im Schichtplan
eingetragen.
5. Für die Pausenregelung liegt eine gesonder-
te Vereinbarung vor. (Sie sagt u.a. aus,
daß eine Viertelstunde je Schicht, entspre-
chend dem Südbayerischen Manteltarifver-
trag, gewährt und bezahlt wird und eine
weitere Viertelstunde je Schicht gewährt
und bezahlt wird. Die Erholzeiten bleiben
davon unberührt).
Die Pausen werden durch Springer über-
brückt.
...
8. Die von dieser Regelung betroffenen gewerb-
lichen Arbeitnehmer erhalten je Kalenderwo-
che als Erschwerniszulage für 4-Schicht--
Arbeit 2 durchschnittliche persönliche
Stundenverdienste gezahlt. Gewerbliche Ar-
beitnehmer, die bisher in Dauernachtschicht
beschäftigt waren, erhalten für 3 Monate
die vollen Zuschläge für die Dauernacht-
schicht brutto weiter. Danach werden die
Dauernachtschichtzuschläge in 4 1/4 Jahres-
stufen gleichmäßig abgebaut.
Falls gewünscht, werden den bisher in
Dauernachtschicht Beschäftigten andere
vergleichbare, gleichwertige Dauernacht-
schicht-Arbeitsplätze angeboten.
9. Das Effektivgehalt der Angestellten wird in
gleicher Höhe wie bisher einschließlich
aller Zuschläge brutto weitergezahlt. Dabei
gilt der übertarifliche Gehaltsbestandteil
als Erschwerniszulage für Vierschichtbe-
trieb.
...
11. Zukünftige tarifvertragliche Verbesserungen
können auf diese Vereinbarung nicht in An-
rechnung gebracht werden; sie müssen sich
für die von dieser Vereinbarung betroffenen
Arbeitnehmer genauso positiv auswirken wie
für alle anderen Arbeitnehmer des Betrie-
bes. Ausgenommen sind tarifliche Arbeits-
zeitverkürzungen bis zur 38 Stunden/Woche.
...
15. Diese Betriebsvereinbarung tritt am
18.11.85 in Kraft.
Sie läuft auf unbestimmte Zeit und kann mit
einer Frist von 9 Monaten erstmals zum
31.12.86 gekündigt werden. Danach ist die
Kündigung mit einer Frist von 9 Monaten zum
Quartalsende möglich. Eine Nachwirkung ent-
fällt. Kommt es zwischen den Vertragspart-
nern dieser Vereinbarung während der Kündi-
gungszeit zu keiner Vereinbarung, so tritt
die vor Abschluß dieser Vereinbarung gülti-
ge Arbeitszeitverteilung unverändert in
Kraft.
Den Vertragsparteien bleibt es unbenommen
- auch schon während der Kündigungsfrist -
über neue Regelungen der Arbeitszeitvertei-
lung zu verhandeln und im Nichteinigungs-
fall die Einigungsstelle anzurufen."
Die Zulage nach Nr. 8 der Betriebsvereinbarung sollte nach dem in den Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gebrachten Willen des Arbeitgebers in der Betriebsvereinbarung als Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung bezeichnet werden, während der Betriebsrat auf die Bezeichnung als Erschwerniszulage bestand, die Einordnung als Lohnausgleich ablehnte und lieber die Verhandlungen über die Betriebsvereinbarung hätte scheitern lassen, als auf die Bezeichnung als Erschwerniszulage zu verzichten.
Die tarifliche Arbeitszeit in der Südbayerischen Textilindustrie wurde mit Wirkung vom 1. Mai 1989 von 40 auf 39 Stunden und mit Wirkung vom 1. Mai 1990 auf 38,5 Stunden herabgesetzt. In Ziffer 4 des Tarifabschlusses vom 10. Juni 1988 ist hierzu bestimmt:
"Die Tariflöhne werden ab dem 1. Mai 1989 um
3,8 % und ab dem 1. Mai 1990 um 3,3 % erhöht. In
diesen Erhöhungen ist der Lohnausgleich für die
ab dem 1. Mai 1989 eintretende Arbeitszeitverkür-
zung um eine Stunde in Höhe von 2,6 % und für die
ab dem 1. Mai 1990 eintretende Arbeitszeitverkür-
zung um eine halbe Stunde in Höhe von 1,3 % ent-
halten."
Die Kläger erhalten einschließlich der bezahlten Pausen durchschnittlich 38 Stunden in der Woche vergütet. Abzüglich der bezahlten Pausen leisten sie eine effektive Arbeitszeit von durchschnittlich 35,625 Stunden in der Woche. Die Beklagte hat dem Kläger zu 1) mit Wirkung vom 1. Mai 1990 den Stundenlohn auf 15,37 DM brutto erhöht. Der tarifliche Stundenlohn betrug bis zum 1. Mai 1990 13,56 DM. Die Klägerin zu 2) hatte im Monat Mai 1990 einen durchschnittlichen Akkordverdienst von 16,09 DM in der Stunde, während der Akkordrichtsatz sich auf 13,39 DM belief.
Mit Schreiben vom 31. Mai 1990 teilte die Beklagte allen gewerblichen, im Vier-Schicht-Betrieb arbeitenden Arbeitnehmern im Werk A mit, daß sie die übertariflichen Lohnbestandteile auf den tariflichen Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung anrechne und daß sie daher ab dem 1. Mai 1990 abrechnungstechnisch die Erschwerniszulage auf 1,5 Stunden reduziere. Mit der Abrechnung für den Monat Mai 1990 hat die Beklagte fünf Wochen abgerechnet. Entsprechend ihrer Ankündigung hat sie dabei statt 10 lediglich 7,5 Stunden als Erschwerniszulage für den Vier-Schicht-Betrieb bezahlt. Die Kläger sind der Auffassung, ihnen stehe weiterhin die Zahlung von zwei Stundenlöhnen je Kalenderwoche als Erschwerniszulage zu.
Die Kläger haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu
1) 38,42 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit
Klageerhebung zu bezahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
zu 2) 39,40 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen
seit Klageerhebung zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Sie hat zur Begründung vorgetragen, mit der Erschwerniszulage sei nichts anderes gewollt gewesen, als eine Ausgleichszahlung für die mit der Betriebsvereinbarung vorweggenommene Arbeitszeitverkürzung. Wie die spätere tarifliche Regelung müsse man auch die Arbeitszeitverkürzung in der Betriebsvereinbarung und die übertariflichen Lohnbestandteile als eine Einheit sehen. Gemäß Nr. 11 der Betriebsvereinbarung sei die Beklagte berechtigt, die übertariflichen Lohnbestandteile mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen. Dies gelte für die Zulage zum Tariflohn ebenso wie für die bezahlten Pausen und die sogenannte Erschwerniszulage. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Anrechnung komme nicht in Frage, da die Beklagte die Anrechnung gleichmäßig vorgenommen habe. Würde die Beklagte keine Verrechnung bei den gewerblichen Arbeitnehmern vornehmen, wären diese gegenüber den Angestellten bevorzugt, bei denen keine Erschwerniszulage gezahlt werde. Im übrigen sei Nr. 8 der Betriebsvereinbarung ohnehin nichtig, da die Tarifvertragsparteien alle denkbaren Zulagen abschließend in den Tarifverträgen für die Südbayerische Textilindustrie geregelt hätten.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen mit Endurteil vom 19. März 1991 stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat nach Verbindung der Klagen unter dem Aktenzeichen - 3 Sa 653/91 - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter, während die Kläger bitten, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet, da das Landesarbeitsgericht den Klagen zu Recht stattgegeben hat.
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Betriebsvereinbarung über die Einführung der Vier-Schicht-Arbeit verstoße nicht gegen § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG, soweit in ihr die Voraussetzungen für die Zahlung einer Erschwerniszulage geregelt werden. Eine Tarifnorm schließt das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG nur aus, wenn sie die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit selbst abschließend und zwingend regelt (BAG Beschluß vom 18. April 1989 - 1 ABR 100/87 - AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang).
Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß in dem Manteltarifvertrag für die Südbayerische Textilindustrie die Arbeit im Vier-Schicht-Betrieb nicht geregelt ist. Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Tarifvertrag keine Regelung über eine Erschwerniszulage für Vier-Schicht-Arbeit enthält. Die einzige Norm, die überhaupt eine gewisse Berührung mit dem in Nr. 8 der Betriebsvereinbarung geregelten Erschwerniszuschlag für die Vier-Schicht-Arbeit haben kann, ist der in § 7 MTV geregelte Nachtzuschlag, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat. In beiden Fällen geht es - auch - um einen Ausgleich für die außergewöhnliche Lage der Arbeitszeit. Der Zuschlag für die Nachtarbeit und der Erschwerniszuschlag dienen dennoch dem Ausgleich unterschiedlicher Belastungen. Während der Nachtzuschlag allein ein zusätzliches Entgelt für die besondere Erschwernis darstellt, die der Arbeitnehmer hinzunehmen hat, der entgegen seinem eigentlichen Lebensrhythmus in der Nacht tätig sein muß, soll mit der Erschwerniszulage für Mehrschichtarbeit die zusätzliche Belastung ausgeglichen werden, die sich durch die ständige Umstellung des Lebensrhythmus ergibt. Diese Belastung wird umso größer, worauf das Landesarbeitsgericht zur Recht hingewiesen hat, je häufiger der Wechsel stattfindet. So hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, daß der Sinn der Regelung in einem Tarifvertrag, wonach im Drei-Schicht-Betrieb den Arbeitnehmern während der bezahlten Arbeitszeit ausreichend Zeit zur Einnahme der Mahlzeiten einzuräumen ist, darin besteht, diese Arbeitnehmer für die mit dem Drei-Schicht-Betrieb verbundenen besonderen Belastungen zu honorieren (BAG Urteil vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 45/90 - AP Nr. 91 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). In einem Vier-Schicht-Betrieb muß der Arbeitnehmer noch öfter seinen Lebensrhythmus wechseln. Er muß sein Privatleben auf immer neue Schichtzeiten einstellen mit der Folge, daß er, insbesondere in den Spätnachmittags- und Abendstunden, die für den größten Teil der Bevölkerung arbeitsfrei sind, daran gehindert ist, bei seiner Familie zu sein oder seinen privaten Neigungen nachzugehen. Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeschlossen, daß mit dem Nachtzuschlag zugleich die besondere mit dem Vier-Schicht-Betrieb verbundene Belastung ausgeglichen werden sollte. Schon für den Zwei-Schicht-Betrieb hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, der tarifliche Nachtarbeitszuschlag eines Manteltarifvertrags sei nicht auf eine Wechselschichtzulage nach einer Betriebsvereinbarung anzurechnen (BAG Urteil vom 23. Oktober 1985 - 4 AZR 119/84 - AP Nr. 33 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Da eine Nachtschichtzulage andere Belastungen ausgleichen soll als eine Wechselschichtzulage, ist als Ergebnis mit dem Landesarbeitsgericht festzustellen, daß die Wechselschichtzulage nicht im Manteltarifvertrag der Südbayerischen Textilindustrie geregelt ist. Dementsprechend wird ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, das die Wechselschicht und die Ausgestaltung der Wechselschichtzulage betrifft, nicht durch § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen.
II.1. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, bei der Erschwerniszulage, auf die die Beklagte nach ihren Erklärungen in den Vorinstanzen die Tariflohnerhöhung angerechnet haben will, handele es sich um eine tarifbeständige Zulage. Tariffest oder tarifbeständig ist eine Zulage nach der Rechtsprechung dann, wenn die Zulage für eine Tätigkeit oder eine Leistung gewährt wird, für die der Tarifvertrag keine Gegenleistung vorsieht und der Arbeitgeber sich eine Anrechnung oder einen Widerruf nicht ausdrücklich vorbehalten hat (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 - GS 2/90 - AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Vorliegend ist die Zulage in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Es handelt sich um eine Norm, die nach den Grundsätzen für die Auslegung von Gesetzen und Tarifverträgen auszulegen ist. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß vorliegend der Wortlaut der Betriebsvereinbarung eindeutig und deshalb nicht auslegbar ist. Nach Nr. 8 der Betriebsvereinbarung erhalten die von dieser Regelung betroffenen gewerblichen Arbeitnehmer je Kalenderwoche als Erschwerniszulage für Vier-Schicht-Arbeit zwei durchschnittliche persönliche Stundenverdienste gezahlt. Hiermit wird eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß mit der Zulage die besonderen Belastungen ausgeglichen werden sollen, die mit einer Vier-Schicht-Arbeit verbunden sind. Dem Landesarbeitsgericht wird darin gefolgt, daß dieser Wortlaut mit der Auffassung der Beklagten, es sei ein Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung vereinbart worden, die mit der Einführung der Vier-Schicht-Arbeit verbunden gewesen sei, nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorstellung der Beklagten hat in der Betriebsvereinbarung keinen Ausdruck gefunden. Beklagte und Betriebsrat haben gerade darüber gestritten, ob eine Erschwerniszulage für die besonderen Belastungen der Vier-Schicht-Arbeit in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden solle oder ein Lohnausgleich für eine Arbeitszeitverkürzung. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätte der Betriebsrat die Verhandlungen über die Einführung eines Vier-Schicht-Betriebs platzen lassen und eine Entscheidung der Einigungsstelle angestrebt, wenn es zu einer anderen Formulierung gekommen wäre. Die Beklagte gab bei der Formulierung nach, um die Einführung des Vier-Schicht-Betriebs ohne Einschaltung der Einigungsstelle sicherzustellen. Dann ist aber auch die Regelung der Leistung, die als Erschwerniszulage bezeichnet wird, die Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einführung des Vier-Schicht-Betriebs und der Belastungen, die die Arbeitnehmer mit der Arbeit in einem solchen Vier-Schicht-Betrieb auf sich nehmen. Daß für die Angestellten in Nr. 9 eine andere Regelung getroffen worden ist, führt nicht dazu, nun die Nr. 8 gegen ihren Wortlaut auszulegen. Nach Nr. 9 der Betriebsvereinbarung erhalten auch die Angestellten eine Erschwerniszulage. Diese errechnet sich nur nach anderen Kriterien. Die Betriebsparteien können viele Gründe dafür haben, für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Regelungen zu treffen. Gibt es für eine solche unterschiedliche Regelung keinen sachlichen Grund, und ist die Regelung für die Angestellten ungünstiger, so wäre diese wegen Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz unwirksam. Ob dies so ist, kann den Vorakten nicht entnommen werden, ist im vorliegenden Falle auch nicht zu entscheiden.
Ist die Zulage nach Nr. 8 der Betriebsvereinbarung eine Leistung, mit der besondere Belastungen ausgeglichen werden sollen, handelt es sich um eine tariffeste Zulage, wenn die Betriebsparteien nicht einen Anrechnungsvorbehalt vereinbart haben. In Nr. 11 Satz 1 1. Halbsatz der Betriebsvereinbarung ist geregelt, daß zukünftige tarifvertragliche Verbesserungen auf die Erschwerniszulage nicht angerechnet werden. Zu Recht hat dem das Landesarbeitsgericht entnommen, die Erschwerniszulage sei tarifbeständig. Etwas anderes gilt nach Nr. 11 Satz 2 der Betriebsvereinbarung nur für tarifliche Arbeitszeitverkürzungen bis zu 38 Stunden pro Woche, nicht aber für Tariflohnerhöhungen, die zusammen mit einer Arbeitszeitverkürzung vereinbart worden sind. Da nach Nr. 11 Satz 1 2. Halbsatz sich alle tariflichen Verbesserungen, also nicht nur die finanziellen, für die im Vier-Schicht-Betrieb tätigen Arbeitnehmer genauso positiv auswirken müssen wie für alle anderen Arbeitnehmer, würde ohne Nr. 11 Satz 2 der Betriebsvereinbarung sich auch die Arbeitszeit der im Vier-Schicht-Betrieb arbeitenden Mitarbeiter weiter verkürzen, obwohl diese schon jetzt nur 35,625 Stunden arbeiten. Dieser Effekt soll durch Nr. 11 Satz 2 der Betriebsvereinbarung solange ausgeschaltet werden, wie die tarifliche Arbeitszeit 38 Stunden noch nicht erreicht hat. Die Vergütung der Schichtarbeit ist also nicht Gegenstand der Regelung von Nr. 11 Satz 2, sondern ausschließlich Gegenstand der Regelung von Nr. 11 Satz 1 in Verb. mit Nr. 8 der Betriebsvereinbarung. Wird aber die Erschwerniszulage gezahlt für die besonderen Belastungen, die mit dem Vier-Schicht-Betrieb verbunden sind und dürfen nach Nr. 11 Satz 1 der Betriebsvereinbarung zukünftige Tarifverbesserungen nicht in Anrechnung gebracht werden und gilt Nr. 11 Satz 2 der Betriebsvereinbarung nur für tarifliche Arbeitszeitverkürzungen, so darf die mit einer Arbeitszeitverkürzung verbundene Lohnerhöhung auf die Erschwerniszulage schon deshalb nicht angerechnet werden.
2. Damit ist die Beklagte nicht gezwungen, Tariflohnerhöhungen an die Arbeiter im Vier-Schicht-Betrieb weiterzugeben. Es ist festgestellt, daß die Beklagte an die Arbeiter im Vier-Schicht-Betrieb drei verschiedene übertarifliche Leistungen bewirkt: Die Erschwerniszulage nach der Betriebsvereinbarung, eine freiwillige übertarifliche Zulage und die Bezahlung der Pausen im Vier-Schicht-Betrieb. Daraus kann einmal entnommen werden, daß die Beklagte selbst ihre übertariflichen Leistungen nach ihrem Zweck unterscheidet, die Erschwerniszulage als Gegenleistung für eine besondere Belastung im Mehrschichtbetrieb zahlt, während sie darüber hinaus ohne feste Zweckbindung eine freiwillige übertarifliche Leistung gewährt. Die Tariflohnerhöhung hätte die Beklagte auf die übertarifliche Zulage anrechnen können. Dem Schreiben vom 31. Mai 1990 und den übrigen Umständen läßt sich aber genügend deutlich entnehmen, daß die Beklagte die Tariflohnerhöhung auf die Erschwerniszulage anrechnen wollte. Dafür gibt es nicht nur genügend Anhaltspunkte in dem Schreiben vom 31. Mai 1990, sondern dafür spricht vor allem, daß die Erschwerniszulage auch tatsächlich gekürzt worden ist.
Ist die Betriebsvereinbarung aber so auszulegen, daß die Erschwerniszulage als Gegenleistung für besondere Belastungen geleistet wird, die mit der Arbeit im Vier-Schicht-Betrieb verbunden sind und Nr. 11 der Betriebsvereinbarung nicht zur Anrechnung berechtigt, handelt es sich bei der Erschwerniszulage um eine tariffeste Zulage, so daß die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf diese Zulage rechtsunwirksam ist.
III. Die Anrechnung des Teils der Tariflohnerhöhung, den die Tarifvertragsparteien als Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung bestimmt haben, ist außerdem wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG rechtsunwirksam, gleichgültig, ob die Beklagte die Tariflohnerhöhung auf die Erschwerniszulage oder die nicht zweckbestimmte übertarifliche Zulage anrechnen wollte.
Nach dem Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 (- GS 2/90 - AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) ist die Neuverteilung des Volumens aufgrund einer Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf eine Zulage grundsätzlich dann mitbestimmungspflichtig, wenn sich die Verteilungsgrundsätze infolge der Anrechnung verändern. Auch wenn - wie im vorliegenden Fall - die Tariflohnerhöhung nicht vollständig, sondern teilweise prozentual gleichmäßig auf eine Zulage angerechnet wird, ändern sich die Verteilungsgrundsätze, es sei denn, die Zulagen stünden in einem einheitlichen und gleichen Verhältnis zum jeweiligen Tariflohn und die Tariflöhne würden um den gleichen Prozentsatz erhöht. Dieser Ausnahmefall liegt nicht vor: Die Erschwerniszulage knüpft nicht an den Tariflohn an, sie beträgt vielmehr zwei durchschnittliche persönliche Stundenverdienste. Beide Kläger hatten aber einen Stundenlohn, der erheblich über dem Tariflohn lag. Auch dieser übertarifliche Teil des Stundenlohns der Arbeiter im Vier-Schicht-Betrieb stand nicht in einem einheitlichen und gleichen Verhältnis zum Tariflohn. Deshalb haben sich infolge der Anrechnung das Verhältnis der Zulagen zueinander und damit die Verteilungsgrundsätze verändert (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991, aaO, zu C III 5 b der Gründe). Da die Beklagte die Tariflohnerhöhung nicht vollständig auf alle Zulagen angerechnet hat, hatte sie auch für eine andere Verteilung des Restvolumens einen Spielraum. Deshalb hätte sie nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG den Betriebsrat beteiligen müssen. Das gleiche gilt, wenn davon ausgegangen wird, die Beklagte habe hilfsweise die Tariflohnerhöhung teilweise auf die übertarifliche Zulage angerechnet.
Weil die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet hat, ist die Anrechnung den Klägern gegenüber rechtsunwirksam.
Ist die Anrechnung unwirksam, weil die Erschwerniszulage tarifbeständig ist und außerdem die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht beachtet hat, sind die Klagen begründet, so daß die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen war.
Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost
Dr. Münzer Brunner
Fundstellen
Haufe-Index 437344 |
BAGE 72, 367-375 (LT1-2) |
BAGE, 367 |
BB 1993, 2088 |
BB 1993, 2088-2090 (LT1-2) |
DB 1993, 1980-1981 (LT1-2) |
NJW 1993, 3159 |
NJW 1993, 3159 (L) |
AiB 1993, 664 (ST1) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 10 (22) |
NZA 1993, 806 |
NZA 1993, 806-809 (LT1-2) |
AP § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang (LT1-2), Nr 26 |
EzA § 4 Tariflohnerhöhung, Nr 24 (LT1-2) |