Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung, Schadenersatz
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 18 Manteltarifvertrag vom 31.3.1981 für die Mitarbeiter der co op-Unternehmen (Einzelhandelsbereich) (MTV co op) wird Urlaub, der bis zum Ablauf des Kalenderjahres aus betrieblichen oder zwingenden persönlichen Gründen nicht genommen werden konnte, in das folgende Kalenderjahr übertragen. Dazu bedarf es keiner Handlung von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer.
2. Der übertragene Urlaub verfällt am 31. März des folgenden Kalenderjahres, wenn es nicht zu der Regelung der Beteiligten nach § 18 Satz 2 MTV co op gekommen ist.
3. Gegenstand dieser Regelung ist die Gewährung des Urlaubs bis zum Ende des Übertragungszeitraums. Zu einer weitergehenden Vereinbarung (zB Übertragung über den 31. März des folgenden Jahres hinaus, Abgeltung des Urlaubs nach Verfall) ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 286-287, 249, 251, 280; MuSchG §§ 8a, 8d; BUrlG § 7 Abs. 4, 3; MuSchG § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 13.05.1986; Aktenzeichen 11 Sa 2421/85) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 08.11.1985; Aktenzeichen 8 Ca 2960/85) |
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten bis zum 20. April 1985 als Abteilungsleiterin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag vom 31. März 1981 für die Mitarbeiter der co op-Unternehmen (Einzelhandelsbereich) (MTV) anzuwenden. Darin ist u.a. bestimmt:
"§ 16
...
(2) Der Mitarbeiter hat in jedem Kalenderjahr Anspruch
auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung
des Arbeitsentgelts. Der Urlaub darf nicht in
Geld abgegolten werden.
...
§ 17
...
(4) Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. ...
...
§ 18
Der Urlaubsanspruch entfällt mit Ablauf des Kalenderjahres,
es sei denn, daß der Urlaub aus betrieblichen
oder aus zwingenden persönlichen Gründen bis
zu diesem Zeitpunkt nicht genommen werden konnte.
In diesem Falle hat eine Regelung zwischen den Beteiligten
bis zum 31. März des folgenden Jahres zu
erfolgen."
Vom 15. Mai 1984 bis zum 14. September 1984, dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs. 2 MuSchG, war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am 20. Oktober 1984 gebar sie ein Kind. Nach Beendigung des Beschäftigungsverbots nach § 6 Abs. 1 MuSchG (15. Dezember 1984) nahm sie bis zum 20. April 1985 Mutterschaftsurlaub. Mit Schreiben vom 14. November 1984 bat die Klägerin die Beklagte, ihr den restlichen Urlaub für das Jahr 1984 in Höhe von unstreitig 22 Tagen nach Beendigung des Mutterschaftsurlaubs zu gewähren. Die Beklagte stellte sich im Schreiben an die Klägerin vom 24. Juni 1985 auf den Standpunkt, der Anspruch auf Urlaub für das Jahr 1984 sei erloschen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.126,38
DM brutto Urlaubsabgeltung nebst 4 % Zinsen
von 1.200,-- DM seit dem 19. August 1985 zu
zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abgeltung ihres restlichen Urlaubs für 1984.
I. Der Urlaubsanspruch der Klägerin ist erloschen.
1. Nach § 18 MTV entfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder aus zwingenden persönlichen Gründen bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommen werden konnte. Nach dieser Bestimmung sind neun der 22 Urlaubstage für 1984 am 31. Dezember 1984 verfallen. Die Klägerin hat diesen Urlaub nicht genommen, obwohl sie ihn in der Zeit zwischen dem 16. und dem 31. Dezember 1984 hätte nehmen können.
a) Der Verfall ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin aus zwingenden persönlichen Gründen gehindert war, den Urlaub zu nehmen. Das Beschäftigungsverbot des § 6 Abs. 1 MuSchG endete am 15. Dezember 1984. Der Zeitraum bis zum 31. Dezember 1984, der neun Arbeitstage umfaßte, hätte ausgereicht, den Urlaubsanspruch in dieser Höhe zu erfüllen.
b) Der Mutterschaftsurlaub nach § 8 a MuSchG, den die Klägerin im Anschluß an die Schutzfrist genommen hat, war kein zwingender persönlicher Grund, der die Klägerin daran hinderte, den restlichen Erholungsurlaub für 1984 in Höhe der nach dem 15. Dezember 1984 verbleibenden neun Tage noch im Jahr 1984 zu nehmen. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 498/84 - AP Nr. 3 zu § 8 d MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt; Urteile vom 25. Februar 1987 - 8 AZR 395/85 und 8 AZR 404/85 - und zuletzt Urteil vom 11. August 1987 - 8 AZR 124/86 - zu dem vorliegenden Tarifvertrag, nicht veröffentlicht) angenommen, daß die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs nicht miteinander gleichgesetzt werden können. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub im Sinne von § 8 a MuSchG beruht im Unterschied zur Erkrankung auf der Entscheidung des Arbeitnehmers. Deshalb ist auch ohne Bedeutung, daß die Klägerin nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub, nachdem sie sich für diesen entschieden hatte, im unmittelbaren Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte.
c) Eine Regelung über den Fortbestand des Anspruchs auf Urlaub, der wegen der Gewährung von Mutterschaftsurlaub nicht genommen werden konnte, ist in den Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub nicht enthalten. Vielmehr ergibt sich aus § 8 d MuSchG das Gegenteil. Diese Bestimmung erlaubt dem Arbeitgeber, den Erholungsurlaub einer Arbeitnehmerin, die Mutterschaftsurlaub nimmt, in bestimmtem Umfang zu kürzen. Die Vorschrift ist § 4 ArbPlSchG nachgebildet (vgl. den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797). Während aber § 4 Abs. 2 ArbPlSchG außerdem eine Regelung über den Fortbestand von Urlaub enthält, der dem Wehrpflichtigen nicht oder nicht vollständig vor der Einberufung gewährt worden ist, fehlt eine solche Bestimmung in § 8 d MuSchG. Es verbleibt daher bei der Befristung des Anspruchs nach § 18 MTV (vgl. Urteil des Senats vom 11. August 1987 - 8 AZR 124/86 -, nicht zur Veröffentlichung bestimmt).
2. In Höhe der restlichen 13 Tage ist der Urlaub der Klägerin für 1984 zwar in das Urlaubsjahr 1985 übertragen worden. Er ist aber am 31. März 1985 verfallen.
a) Nach § 18 Satz 2 MTV hat, wenn der Urlaub aus betrieblichen oder aus zwingenden persönlichen Gründen bis zum Ablauf des Kalenderjahres nicht genommen werden konnte, bis zum 31. März des folgenden Jahres eine Regelung zwischen den Beteiligten zu erfolgen.
Die Klägerin konnte die 13 Tage Urlaub wegen ihrer Erkrankung und wegen der Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG nicht nehmen. Dies hatte zur Folge, daß der Urlaub in das Urlaubsjahr 1985 übertragen wurde, ohne daß es einer Handlung von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer bedurfte (vgl. Urteile des Senats vom 25. August 1987 - 8 AZR 118/86 - und vom 24. November 1987 - 8 AZR 140/87 -, beide zur Veröffentlichung bestimmt). Auch nach dem Wortlaut des § 18 Satz 2 MTV gilt nichts anderes. Die danach erforderliche Regelung der Beteiligten bezieht sich auf die zeitliche Festlegung übertragenen Urlaubs, ist aber nicht Voraussetzung für die Urlaubsübertragung selbst. Vielmehr ist § 18 Satz 1 MTV zu entnehmen, daß die Tarifpartner, ebenso wie der Gesetzgeber in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG, für die beiden genannten Sonderfälle (betriebliche und zwingende persönliche Gründe) die Anspruchsdauer, also die Befristung, erweitert haben, die Übertragung des Urlaubs also allein an das Vorliegen eines dieser Merkmale geknüpft haben (vgl. Urteile des Senats vom 25. August und 24. November 1987, aaO).
b) Da die Parteien eine Regelung bis zum 31. März 1985 nicht getroffen haben, ist auch dieser Teil des Resturlaubs der Klägerin aus dem Jahre 1984 verfallen.
Bereits im Urteil vom 11. August 1987 - 8 AZR 124/86 - (nicht zur Veröffentlichung bestimmt) hat der Senat angenommen, daß Urlaub, der bis zum 31. März des folgenden Jahres nicht genommen wurde, nach § 18 MTV verfällt. Daran ist festzuhalten. Die Bestimmung des § 18 Satz 2 MTV, nach der im Falle der Urlaubsübertragung eine Regelung zwischen den Beteiligten bis zum 31. März des folgenden Jahres zu erfolgen hat, schließt unmittelbar an Satz 1 an, der den Verfall zum 31. Dezember des Urlaubsjahres regelt. Die Befristung in Satz 2 kann daher nur so verstanden werden, daß der Arbeitgeber sich nach dem 31. März des folgenden Jahres auf eine Regelung nicht mehr einlassen muß. Dies bedeutet aber, daß der Urlaub des Vorjahres mangels erfolgter Regelung am 31. März des folgenden Kalenderjahres verfällt. Eine Abweichung von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG liegt insoweit nicht vor.
II. Die Klägerin kann die Urlaubsabgeltung auch nicht als Schadenersatz verlangen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung) kann der Arbeitnehmer, wenn er den Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, anstelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz Urlaub (Ersatzurlaub) in gleicher Höhe verlangen (§ 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 280 Abs. 1, § 249 Satz 1 BGB). Kann Urlaub, der als Schadenersatz für verfallenen Urlaub geschuldet wird, wie im vorliegenden Fall, wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden, ist der Arbeitnehmer gemäß § 251 BGB in Geld zu entschädigen (vgl. Urteil des Senats vom 26. Juni 1986 - 8 AZR 75/83 - AP Nr. 5 zu § 44 SchwbG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
2. Die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs liegen nicht vor. Die Klägerin hat die Beklagte nicht in Verzug gesetzt. In ihrem Schreiben vom 14. November 1984 hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, ihr den Resturlaub im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub zu gewähren. Dadurch wurde der Verzug der Beklagten nicht begründet, denn die Klägerin verlangte eine Leistung, auf die sie keinen Anspruch hatte. Sie bat um Urlaubsgewährung für die Zeit nach dem 20. April 1985 und somit für einen Zeitraum, in dem der Urlaubsanspruch bereits verfallen war. Nicht gefolgt werden kann der Klägerin, soweit sie meint, die Beklagte habe mit ihr eine Regelung treffen müssen, nach der der Urlaub auch nach dem 31. März 1985 erteilt oder abgegolten wird. § 18 Satz 2 MTV läßt dadurch, daß er auf § 18 Satz 1 MTV Bezug nimmt, erkennen, daß die Regelung, zu der der Arbeitgeber verpflichtet ist, ausschließlich die Gewährung im Urlaubsjahr nicht genommenen Urlaubs bis 31. März des folgenden Jahres betrifft. Zu einer darüber hinausgehenden Vereinbarung ist der Arbeitgeber tarifvertraglich nicht verpflichtet. Er braucht also den Urlaub weder nach dem 31. März nachzugewähren, noch braucht er ihn nach Verfall abzugelten. Auch ist er nach dieser Bestimmung nicht verpflichtet, "Urlaub" zu gewähren, wenn, wie hier, die Voraussetzungen für eine Freistellung von der Arbeitspflicht nicht vorliegen (vgl. dazu z.B. die Regelung in § 43 Abs. 17 Unterabs. 2 TV Ang Bundespost sowie das Urteil des Senats vom 22. Oktober 1987 - 8 AZR 171/86 -, insoweit zur Veröffentlichung bestimmt). Eine verzugsbegründende Aufforderung der Klägerin, ihr den Urlaub vor dessen Verfall abzugelten, kann in dem Schreiben vom 14. November 1984 schon deshalb nicht gesehen werden, weil diese Leistung tarifwidrig gewesen wäre. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV darf Urlaub (der nicht verfallen ist) im fortbestehenden Arbeitsverhältnis nicht in Geld abgegolten werden.
Michels-Holl Dr. Wittek Dr. Peifer
Dr. Haible R. Schmidt
Fundstellen
BAGE 00, 00 |
DB 1988, 2210-2211 (LT1-3) |
AuB 1989, 96 (K) |
Stbg 1989, 142-142 (T) |
JR 1989, 176 |
JR 1989, 176 (K) |
AP § 7 BUrlG Übertragung (LT1-3), Nr 16 |
AR-Blattei, ES 1640 Nr 314 (LT1-3) |
AR-Blattei, Urlaub Entsch 314 (LT1-3) |
EzA § 7 BUrlG, Nr 62 |