Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung nach dem Tod des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Endet das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlischt der gesetzliche Urlaubsanspruch. Es entsteht kein Urlaubsabgeltungsanspruch, der auf den Erben übergehen könnte. Der Anspruch nach § 7 Abs 4 BUrlG setzt voraus, daß der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses lebt. Die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus, gültig ab 1. September 1973, - nach dem Stand vom August 1987 - weichen insoweit von der gesetzlichen Regelung nicht ab.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 613, 1922; BUrlG § 7 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 15.01.1991; Aktenzeichen 2 Ca 2611/90) |
Tatbestand
Die Klägerin war die Ehefrau des von der Beklagten seit 1950 beschäftigten Hauers K H , dessen Arbeitsverhältnis mit seinem Tod am 16. Februar 1989 endete. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbaus (MTV), gültig ab 1. September 1973, nach dem Stand August 1987 anzuwenden. Darin ist u.a. bestimmt:
"§ 114
...
(2) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses ganz oder zum Teil nicht
mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
Dies gilt auch, wenn der Arbeiter infolge
fortdauernder Arbeitsunfähigkeit aus dem
Arbeitsverhältnis ausscheidet.
...
§ 115
...
(2) Kann ein Arbeiter infolge Arbeitsunfähig-
keit seinen Urlaub im laufenden Kalender-
jahr nicht nehmen, so ist der Urlaub auf
das folgende Kalenderjahr zu übertragen. Im
Fall der Übertragung ist der Urlaub bis
spätestens zum 31. Dezember zu gewähren und
zu nehmen. Danach verfällt der übertragene
Urlaubsanspruch. Endet das Arbeitsverhält-
nis vor Ablauf des Übertragungszeitraumes,
ohne daß der Arbeiter die Arbeit im Betrieb
wieder aufgenommen hat, gilt § 114 Abs. 2.
..."
Der Verstorbene konnte wegen Erkrankung bis zu seinem Tod seinen 45 Tage betragenden Tarifurlaub und Zusatzurlaub nach dem Schwerbehindertengesetz aus den Jahren 1988 und 1989 nicht nehmen.
Die alleinerbende Klägerin hat gemeint, sie habe einen Abgeltungsanspruch ihres Mannes erworben.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.737,85 DM
brutto Urlaubsabgeltung aus den Urlaubsansprüchen
ihres verstorbenen Ehemannes K H zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen. Mit diesem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Urlaubsabgeltungsanspruch ihres Ehemannes im Wege der Erbfolge nach § 1922 BGB erworben. Denn ihr Mann hatte keinen Urlaubsabgeltungsanspruch.
1. Dem Ehemann der Klägerin stand bis zu seinem Tod ein Urlaubsanspruch von 45 Tagen nach den §§ 115 Abs. 2, 114 Abs. 2 MTV und § 47 SchwbG zu. Dieser Anspruch ist mit seinem Tod erloschen (BAGE 65, 122 = EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 69; Senatsurteil vom 22. Oktober 1991 - 9 AZR 433/90 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Inhalt des Urlaubsanspruchs nach §§ 1, 3 BUrlG die Beseitigung der Arbeitspflicht für die Dauer der Urlaubszeit. Da die Arbeitspflicht nach § 613 Satz 1 BGB regelmäßig an die Person des Arbeitnehmers gebunden ist, können Pflichten, auf die der Urlaubsanspruch bezogen ist, nach dem Tode des Arbeitnehmers als dem zur Arbeit Verpflichteten nicht mehr entstehen. Ein Urlaubsanspruch entfällt daher schon deshalb, weil ein Arbeitgeber ihn nicht erfüllen könnte. Außerdem endet das Arbeitsverhältnis zugleich mit dem Tod des Arbeitnehmers. Die Vorschriften der §§ 114 und 115 MTV enthalten insoweit keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen.
2. Der Ehemann der Klägerin hat anstelle des erloschenen Urlaubsanspruchs keinen Abgeltungsanspruch erworben. Die Abgeltungsvorschriften des § 7 Abs. 4 BUrlG und der §§ 115 Abs. 2, 114 Abs. 2 MTV setzen voraus, daß der Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses lebt. Der Abgeltungsanspruch kann nur in der Person des Arbeitnehmers entstehen (BAG, aaO). § 114 Abs. 2 MTV weicht nur insofern von der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG ab, als danach der Abgeltungsanspruch nicht von der Arbeitsfähigkeit des ausgeschiedenen, weiterlebenden Arbeitnehmers abhängig ist. Anders als nach dem Gesetz erwirbt der ehemalige Arbeitnehmer nach §§ 114 Abs. 2, 115 Abs. 2 MTV einen nicht an urlaubsrechtliche Voraussetzungen gebundenen Geldanspruch, der auch vererbbar ist (BAGE 62, 252 = AP Nr. 49 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Entsteht aber wie vorliegend kein Abgeltungsanspruch in der Person des Arbeitnehmers, kann er auch nicht auf seinen Erben übergehen.
3. Entgegen der Auffassung der Revision besteht neben dem Urlaubsanspruch kein Anwartschaftsrecht auf Urlaubsabgeltung, das als vermögenswertes Recht nach § 1922 BGB auf den Erben übergeht und dort zum Vollrecht erstarkt. Der Abgeltungsanspruch entsteht unter den im Gesetz oder im Tarifvertrag genannten Voraussetzungen als Surrogat anstelle des untergehenden Urlaubsanspruchs und damit seinerseits als Vollrecht nur in der Person des Arbeitnehmers. Stirbt dieser, so entsteht der Anspruch nicht.
4. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Schadenersatz von ihrem Mann geerbt (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. Oktober 1991 - 9 AZR 433/90 -). Die Beklagte war gegenüber dem Ehemann der Klägerin nicht mit einer Leistung in Verzug.
5.Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Leinemann Dr. Lipke Dörner
Binzek Holst
Fundstellen
Haufe-Index 441754 |
BAGE 70, 348-350 (LT1) |
BAGE, 348 |
BB 1992, 1353 |
BB 1992, 2004 |
BB 1992, 2004-2005 (LT1) |
DB 1992, 2404 (LT1) |
NJW 1993, 281 |
NJW 1993, 281 (L) |
EBE/BAG 1992, 158 (LT1) |
AiB 1993, 60-61 (LT1) |
FamRZ 1993, 181 (L) |
NZA 1992, 1088 |
NZA 1992, 1088 (LT1) |
RdA 1992, 403 |
ZAP, EN-Nr 673/92 (L1) |
ZTR 1992, 517 (LT1) |
AP § 7 BUrlG Abgeltung (LT1), Nr 59 |
EzA § 7 BUrlG, Nr 84 (LT1) |