Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte ordentliche Kündigung
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats: "Bestätigung des Grundsatzurteils vom 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 = BAGE 61, 131 = AP Nr 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit".
2. Als gesetzgeberische Grundwertung für den "Normalfall" versteht der Senat eine Ausfallzeit von 6 Wochen.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 28.02.1991; Aktenzeichen 4 (9) Sa 903/90) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 22.05.1990; Aktenzeichen 2 Ca 2432/89) |
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 14. Juni 1982 als Montiererin gegen eine Vergütung von 14,08 DM in der 37-Stunden-Woche bei der Beklagten beschäftigt, welche mit 2.200 Arbeitnehmern in ihrem Werk vornehmlich Fernsehgeräte herstellt. Die Beklagte kündigte der Klägerin das Arbeitsverhältnis laut Schreiben vom 6. Dezember 1989 mit der Begründung: Zu hohe Abwesenheitszeiten bedingt durch Krankheit und unentschuldigtes Fehlen. Die Klägerin hatte in der Vergangenheit folgende Fehlzeiten aufzuweisen, und zwar im Jahre 1987:
10. Februar - 1 Arbeitstag
12.- 27. Februar - 12 Arbeitstage
19. März - 1 Arbeitstag
30. März - 1 Arbeitstag
15. April - 1 Arbeitstag
8. Mai - 1 Arbeitstag
21. Mai - 5. Juni - 12 Arbeitstage
26. August - 1 Arbeitstag
6. - 23. Oktober - 14 Arbeitstage
16. Dezember - 1 Arbeitstag
Für die Fehlzeit an 45 Arbeitstagen (Krankheitsquote 21,1 %) leistete die Beklagte Lohnfortzahlung in Höhe von 4.474,18 DM.
Im Jahre 1988:
6. Januar - 1 Arbeitstag
4. Februar - 1 Arbeitstag
23. Februar - 4. März - 9 Arbeitstage
4. Mai - 1 Arbeitstag
16. - 20. Mai - 5 Arbeitstage
5. September - 1 Arbeitstag
7. - 30. September - 18 Arbeitstage
12. Oktober - 1 Arbeitstag
24. November - 1 Arbeitstag
30. November - 1 Arbeitstag
Für diese Fehlzeit an 39 Arbeitstagen (Krankheitsquote 17,8 %) leistete die Beklagte Lohnfortzahlung in Höhe von 4.419,79 DM.
Im Jahre 1989:
21. - 23. Februar - 3 Arbeitstage
2. - 23. März - 16 Arbeitstage
25. April - 1 Arbeitstag
6. - 28. Juni - 17 Arbeitstage
28. September - 3. November - 27 Arbeitstage
Für diese Abwesenheit an 64 Arbeitstagen (Krankheitsquote 30,6 %) leistete die Beklagte 3.305,80 DM Lohnfortzahlung.
Mit Schreiben vom 16. November 1989 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer von ihr geplanten ordentlichen Kündigung zum 20. Dezember 1989 an, wobei als Kündigungsgrund ebenfalls "zu hohe Abwesenheitszeiten bedingt durch Krankheit und unentschuldigtes Fehlen" genannt und die Tage vom 27. Mai 1988 und 24. Februar 1989 als "unentschuldigt gefehlt" bezeichnet werden. Neben der Mitteilung der Fehlzeiten sowie der aufgewandten Lohnfortzahlungs- und Personalnebenkosten enthält die Kündigungsmitteilung an den Betriebsrat eine eineinhalbseitige Zusammenstellung der betrieblichen Schwierigkeiten, die u. a. bei Exportkunden für die Baugruppen "Fernsehgeräte und Videorekorder" entstanden seien. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit der Begründung, die längere Betriebszugehörigkeit müsse sozial gewertet werden.
Mit ihrer Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Die angegebenen Fehlzeiten belegten keine negative Indizwirkung für die Zukunft; sie erreichten 1987 nicht einmal den doppelten Lohnfortzahlungszeitraum und seien auch nicht ansteigend, wie die Fehlzeiten für 1988 auswiesen, die nur knapp über dem Lohnfortzahlungszeitraum lägen. Auch sei für 1989 nur ein einzelner Fehltag aufgeführt. Bei Arbeitsunfähigkeitszeiten bis zu zwei Tagen brauche nach einer betrieblichen Übung bei der Beklagten aufgrund von Unpäßlichkeiten während des weiblichen Zyklus keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht zu werden. Ziehe man die eintägigen Fehlzeiten ab, so könne von häufigen Kurzerkrankungen nicht mehr die Rede sein.
Im übrigen fehle es an betrieblichen Auswirkungen ihrer Fehlzeiten; die Beklagte habe solche jedenfalls nicht konkret geschildert. Angebliche Fertigungsfehler seien jedenfalls nicht auf ihre Fehlzeiten zurückzuführen. Der von der Beklagten angestellte Gruppenvergleich hinsichtlich der Lohnfortzahlungskosten sei falsch, weil richtigerweise auf die jeweilige Kostenstelle abzustellen sei. Nur die Arbeitnehmer einer solchen Einheit könnten hinsichtlich der Aufwendungen für Lohnfortzahlung miteinander verglichen werden.
Wenn es auf eine Krankheitsprognose ankomme, werde sie, die Klägerin, ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Eine Krankheit nach ihrer inzwischen erfolgten Weiterbeschäftigung vom 14. - 19. Dezember 1990 und vom 2. Januar - 22. Februar 1991 sei auf eine Verklemmung des Ischiasnervs und die Verlängerung der Behandlung sei auf eine Streckung zurückzuführen; derzeit bestünden aber keine Einschränkungen mehr. Auch sei sie im Jahre 1990 nur an einem einzelnen Arbeitstag (30. Oktober 1990) arbeitsunfähig gewesen. Die Krankheit sei daher ausgeheilt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei auch wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam. So sei dem Betriebsrat hinsichtlich der Betriebsablaufstörungen unzutreffend mitgeteilt worden, diese träten auch bei der Herstellung von Videorekordern auf, obwohl deren Fertigung bereits Mitte 1989 eingestellt worden sei. Die Information gegenüber dem Betriebsrat sei auch insofern falsch, als sie angeblich an den genannten beiden Tagen im Mai 1988 und Februar 1989 nicht unentschuldigt gefehlt habe; sie sei also zu Unrecht gegenüber dem Betriebsrat als unzuverlässig hingestellt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien durch die Kündigung der
Beklagten vom 6. zum 20. Dezember 1989 nicht
aufgelöst worden sei;
2. die Beklagte zu verurteilen, sie, die Klä-
gerin, weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat mit ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Kündigung sei aufgrund der Fehlzeiten personenbedingt; allerdings werde der Kündigungsgrund "unentschuldigtes Fehlen" nicht aufrecht erhalten. Aufgrund der vergangenen Fehlzeiten mit steigender Tendenz ergebe sich eine negative Prognose. Dies gelte auch für die eintägigen Fehlzeiten, wobei bestritten werde, daß diese überhaupt etwas mit dem weiblichen Zyklus zu tun hätten. Im übrigen gebe es genügend pharmazeutische Produkte zur Vermeidbarkeit solcher Fehlzeiten. Die durchschnittliche Abwesenheitsquote (einschließlich Tarifurlaub) habe im Arbeitsbereich der Klägerin wie folgt betragen:
1987 - 13,2 %
1988 - 11,2 %
1989 - 11,3 %
Die Klägerin liege mit ihrer Abwesenheitsquote erheblich über dieser einkalkulierten Vorhaltereserve. Für die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin seien 12.199,77 DM aufgewandt worden, wozu lohngebundene Kostenanteile von 8.429,51 DM hinzuzurechnen seien. Daneben habe es erhebliche betriebliche Schwierigkeiten gegeben, so sei die Einstellung von Aushilfspersonal angesichts solch kurzer Ausfallzeiten nicht möglich; auch komme es zu Fertigungsfehlern, da jeder Arbeitnehmer auf seinem Arbeitsplatz Spezialist sei. Gerade die Durchführung von Reparaturen sei aufwendig und führe zur Überlastung der Vorarbeiter. Wenn auch die Fertigung von Videorekordern eingestellt worden sei, so machten sich die Fertigungsfehler bei Fernsehgeräten etc. bemerkbar. Es sei ein reines Versehen, daß dem Betriebsrat die bezüglich der Videorekorder noch nicht aktualisierte Formblattmitteilung übersandt worden sei. Der Fehler sei aber auch unerheblich, weil die wesentlichen Kündigungsgründe richtig mitgeteilt worden seien.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO), weil der Senat weder abschließend über die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung (§ 102 BetrVG), noch über die soziale Rechtfertigung der Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) entscheiden kann.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß, weil dem Betriebsrat die wesentlichen Kündigungsgründe zutreffend mitgeteilt worden seien und die Beklagte subjektiv von einer falschen Vorstellung ausgegangen sei. Die Kündigung sei indessen sozial nicht gerechtfertigt, da eine krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Fehlzeiten aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu billigen sei; dem Bundesarbeitsgericht gelinge es nicht, eine plausible Begründung dafür zu geben, daß Fehlzeiten und Lohnfortzahlungskosten für einen Zeitraum bis zu sechs Wochen kündigungsrechtlich noch unerheblich seien, nicht aber darüber hinausgehende Inanspruchnahmen, die ebenfalls vom Gesetz gedeckt seien. Eine Wertung, wonach der Arbeitnehmer regelmäßig nur bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung in Anspruch nehmen dürfe, ergebe sich aus den einschlägigen Entgeltfortzahlungsvorschriften nicht. Selbst wenn man aber der Rechtsprechung folge, so sei einerseits für die Beurteilung der Fehlquote und der Lohnfortzahlungskosten nicht auf Kalenderjahre abzustellen, sondern vom Zeitpunkt der Information des Betriebsrats an rückwärts ein Drei-Jahres-Zeitraum zu beurteilen. Gehe man von den danach zu ermittelnden Fehlquoten von 20 % (16. November 1986 bis 15. November 1987), 17,3 % (16. November 1987 bis 15. November 1988) und 30 % (16. November 1988 bis 15. November 1989) aus, so werde der doppelte Sechs-Wochen-Zeitraum (27,2 %), der dem Arbeitgeber vom Gesetzgeber zugemutet werde, noch nicht überschritten. Die vorliegende Lohnfortzahlungsbelastung sei demnach nicht geeignet, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen zu lassen. Das Abstellen auf irgendwelche Fehlquoten sei wegen der Gesundheitsprognose ohnehin kaum verläßlich als Kündigungsgrund zu qualifizieren.
Auch was die Betriebsablaufstörungen angehe, sei nicht zu erkennen, inwiefern die angeblichen Fertigungsfehler auf den krankheitsbedingten Ausfall der Klägerin zurückzuführen seien. Der pauschale, formularmäßige Vortrag der Beklagten sei nicht einzelfallbezogen und damit unbeachtlich.
II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. 1. Die Revision ist entgegen der Meinung der Klägerin zulässig, auch wenn die Beklagte als Revisionsklägerin keine konkrete Rechtsnorm als verletzt bezeichnet hat. Denn die Revision macht geltend, das LAG-Urteil weiche von der BAG-Rechtsprechung ab und sei deshalb "zu dem rechtsfehlerhaften Ergebnis gelangt, die von der Beklagten am 6. Dezember 1989 ausgesprochene Kündigung sei sozial gerechtfertigt". Damit wird ersichtlich die fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 2 KSchG gerügt, so daß der Vorschrift des § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO Genüge getan ist. Der Gesetzesparagraph muß nicht unbedingt angegeben werden (ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 554 Anm. 4 D, m. w. N.).
2. Da der Senat mithin die materiell-rechtliche Begründung des Landesarbeitsgerichts insgesamt überprüfen muß, ist auch ein Fehler bei der Anwendung des § 102 BetrVG entscheidungserheblich.
a) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen der krankheitsbedingten Kündigung sind nicht zu beanstanden, insofern die behaupteten Betriebsablaufstörungen nicht die Videorekorder-Produktion - mangels Einstellung Mitte 1989 -, sondern nur die der Fernseher-Herstellung betreffen. Wenn diese Fehlinformation nicht ohnehin unerheblich ist, weil die Beklagte das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nicht nur mit Betriebsablaufstörungen, sondern auch hohen Lohnfortzahlungskosten begründet hat, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe als Arbeitgeberin in diesem Punkt ihren Betriebsrat bewußt falsch informiert und hinters Licht geführt und damit gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verstoßen. Der Senat hat hierzu entschieden (Senatsurteile vom 18. September 1986 - 2 AZR 638/85 - unveröffentlicht, zu II 4 der Gründe; vom 24. Mai 1989 - 2 AZR 399/88 - unveröffentlicht; vom 31. August 1989 - 2 AZR 453/88 - AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Schleswig-Holstein, zu II 1 der Gründe sowie vom 31. Mai 1990 - 2 AZR 78/89 - unveröffentlicht, zu II 1 a der Gründe), zwar genüge der Arbeitgeber grundsätzlich seiner Mitteilungspflicht nach § 102 BetrVG auch dann, wenn die mitgeteilten Kündigungsgründe die Kündigung objektiv nicht rechtfertigten, nicht bewiesen werden könnten oder unrichtig seien (BAGE 34, 309 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972; BAGE 44, 249 = AP Nr. 30, aaO); teilt der Arbeitgeber dagegen dem Betriebsrat bewußt wahrheitswidrig unrichtige Kündigungsgründe mit, so verletzt er nicht nur die auch im Anhörungsverfahren geltende Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG, sondern er setzt auch den Betriebsrat außerstande, sich ein zutreffendes Bild von den Gründen für die Kündigung zu machen und entsprechend zu handeln. In einem solchen Falle ist das Anhörungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt und die Kündigung daher gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
Die Beklagte hat lediglich versäumt, ihre Zusammenstellung bezüglich der betrieblichen Auswirkungen im Falle krankheitsbedingter Abwesenheit, was die Einstellung der Videorekorder-Produktion angeht, zu aktualisieren, was letztlich auch die Klägerin nicht bestreitet. Sie hat auch - allerdings bisher unbewiesen - vorgetragen, der Betriebsrat habe insofern schon selbst über den erforderlichen Kenntnisstand verfügt, was nach der Senatsrechtsprechung (BAGE 49, 136 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972) ebenfalls genügen würde. Hat daher die Beklagte nur irrtümlicherweise den Betriebsrat in dem genannten Punkt fehlerhaft informiert, so liegt der gerügte Verstoß gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG nicht vor.
b) Ein durchgreifender Fehler bei der Betriebsratsanhörung könnte der Beklagten aber insofern unterlaufen sein, als sie hinsichtlich der Kündigungsbegründung "zu hohe Abwesenheitszeiten bedingt durch Krankheit und unentschuldigtes Fehlen" beim Betriebsrat ein falsches Bild erweckt hat. Die Klägerin hatte sich schon erstinstanzlich darauf berufen, die Beklagte habe sie zu Unrecht gegenüber dem Betriebsrat als unzuverlässig hingestellt. Daraufhin hat die Beklagte den Kündigungsgrund "unentschuldigtes Fehlen" nicht mehr aufrecht erhalten (Protokollerklärung vom 22. Mai 1990). Gerade die Kumulation von krankheitsbedingten und unentschuldigten Fehlzeiten kann den eigentlichen Kündigungsgrund ausmachen, gleichgültig ob nun in dieser Frage rechtlich von einem sog. Mischtatbestand (vgl. dazu KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 178, mit Rechtsprechungsnachweisen) oder davon auszugehen ist, die Kündigung sei unabhängig von der "Störquelle" unter dem Gesichtspunkt des rein tatsächlich überwiegenden Tatbestandes zu beurteilen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber keine Differenzierung und gegebenenfalls Abstufung nach dem Gewicht der von ihm gewählten Kündigungsgründen macht, sondern - wie hier - insgesamt wegen zu hoher Fehlzeiten kündigt. Gerade die Verknüpfung beider Kündigungsbegründungen, nämlich personenbedingter und verhaltensbedingter Kündigungsgründe kann beim Betriebsrat evtl. Vorbehalte beseitigen, der Kündigungsabsicht des Arbeitgebers zuzustimmen. Denn es macht einen gravierenden Unterschied, ob der Arbeitnehmer aufgrund Krankheit gleichsam schicksalhaft fehlt und fehlen muß, oder ob er selbst durch sein steuerbares Verhalten die Fehlzeit veranlaßt hat. Vor allem könnten bei der vorliegenden Kündigungsbegründung gegenüber dem Betriebsrat Zweifel geweckt werden, ob es sich bei den anderen Fehlzeiten tatsächlich um solche krankheitsbedingter Art handelt. Der Arbeitgeber, der diese Dinge bewußt miteinander vermengt, obwohl er weiß, daß kein unentschuldigtes Fehlen vorliegt, verstößt gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 BetrVG.
Da die Vorinstanzen diesen Umständen keine Bedeutung beigemessen haben und der Senat nach einem Hinweis gem. § 278 Abs. 3 ZPO selbst kein abschließendes Bild zu den Motiven der Beklagten gewinnen konnte, ob sie insoweit etwa einem Irrtum erlegen ist oder aus anderen Gründen die ursprüngliche Kündigungsbegründung teilweise abgeändert hat, wird das Landesarbeitsgericht als Tatsacheninstanz dies aufzuklären haben. Nach dem bisherigen Sachverhalt, wie er im Tatbestand des Landesarbeitsgerichts wiedergegeben ist, fällt im übrigen auf, daß die angeblich unentschuldigten Fehltage vom 27. Mai 1988 und 24. Februar 1989 nicht etwa als krankheitsbedingte Fehltage aufgeführt, sondern vollständig "unter den Tisch gefallen" sind.
3. Was die nach Meinung des Landesarbeitsgerichts vorliegende Sozialwidrigkeit der Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) angeht, kann das Urteil keinen Bestand haben. Die Beklagte rügt zurecht eine Verletzung des § 1 Abs. 2 KSchG.
a) Bei der Frage, ob eine ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, weil personenbedingte Gründe vorliegen, handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 28. Februar 1990 - 2 AZR 401/89 - AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b da der Gründe). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Beurteilungsspielraums kann das Urteil nicht bestätigt werden.
b) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts erscheint nämlich in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
aa) Das hat der Senat, was die Berücksichtigung von Lohnfortzahlungskosten als erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen angeht, schon in dem den Parteien bekannten Zulassungsbeschluß vom 19. Dezember 1991 ausgeführt (dort S. 4, 5), auf den zur Abkürzung verwiesen wird. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts läßt deutlich erkennen, daß wegen einer anderen Auswertung der Grundgedanken des § 1 LohnFG nur eine andauernde Belastung des Arbeitgebers mit Lohnfortzahlungskosten oberhalb des doppelten Sechs-Wochen-Zeitraums berücksichtigungsfähig sein soll. Dies steht nicht nur in Widerspruch zur Senatsrechtsprechung (und hat deshalb wegen vorliegender Divergenz zur Zulassung der Revision geführt), sondern verkennt auch den Ausnahmecharakter der entsprechenden Lohnfortzahlungsvorschrift. Diese gewährt im Regelfalle, worauf die Revision in ihrer Replik zutreffend hinweist, einen Lohnfortzahlungsanspruch von zunächst nur sechs Wochen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG), wobei schon dies eine Ausnahme vom Grundsatz "ohne Leistung kein Lohn" darstellt. Auch bei mehrfacher Erkrankung wird der Lohnfortzahlungsanspruch zunächst durch den Sechs-Wochen-Zeitraum begrenzt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 LohnFG), und nur bei anderer Krankheitsursache oder bei erneuter Erkrankung wegen derselben Krankheit nach sechs Monaten, also weiteren Ausnahmesituationen, wird ein weiterer Lohnfortzahlungsanspruch begründet. So versteht auch der Senat im Grundsatzurteil vom 16. Februar 1989 (- 2 AZR 299/88 - BAGE 61, 131 = AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) als gesetzgeberische Grundwertung für den "Normalfall" eine Ausfallzeit von sechs Wochen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Klägerin in der Revisionserwiderung veranlassen den Senat nicht zu einer Korrektur seiner Rechtsprechung. Richtig ist, daß der Gesetzgeber mit dem Sechs-Wochen-Zeitraum keine allgemeine Mindestgrenze für Lohnfortzahlungsansprüche normiert hat und daß es gerade bei häufigen Kurzerkrankungen ebenfalls "Normalfall" sein kann, den Arbeitgeber mehrfach in Anspruch zu nehmen, was dann auch zur Überschreitung des Sechs-Wochen-Zeitraums führen kann. Darum ging es bei der Formulierung einer Grundwertung für den "Normalfall" in der erwähnten Entscheidung vom 16. Februar 1989 nicht, sondern um die Aussage, daß im Rahmen des Bestandsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz überspannt werde, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit und auf unbestimmte Zeit in der Zukunft pro Jahr Lohnfortzahlungskosten für mehr als sechs Wochen noch "billigerweise hinnehmen müsse" (so Senatsurteil vom 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - unveröffentlicht, zu B I 2 c der Gründe). Die in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen vorgelegten Statistiken über den Krankenstand der Arbeitnehmer belegen auch, daß durchschnittlich bei der Inanspruchnahme von Lohnfortzahlung die Überschreitung des Sechs-Wochen-Zeitraums pro Jahr die absolute Ausnahme darstellt. In diesem Sinne kann für das Durchschnittsarbeitsverhältnis nach wie vor der Sechs-Wochen-Zeitraum als "Normalfall" angesehen werden. Die allein am Lohnfortzahlungsrecht für Ausnahmesituationen orientierten Überlegungen der Klägerin, denen das Landesarbeitsgericht teilweise gefolgt ist, werden daher dem auf einen sozialen Interessenausgleich angelegten Kündigungsschutz nicht gerecht.
bb) Das Urteil leidet im übrigen an dem weiteren Mangel, personenbedingte und betriebsbedingte Kündigung nicht klar voneinander zu trennen, wie dies in § 1 Abs. 2 KSchG im Grundsatz angelegt ist. Das Landesarbeitsgericht führt aus (S. 23 der Entscheidungsgründe), eine Kündigung wegen Krankheit des Arbeitnehmers sei grundsätzlich nicht zu rechtfertigen, sondern maßgebend sei allein, ob die Krankheit - gleichgültig, ob sie lang andauere oder ob sie sich in vielen kurzen Fehlzeiten ausdrücke - eine Kündigung aus betrieblichen Gründen unumgänglich notwendig mache, d. h. ob sie unter spezifisch betrieblichen Bedingungen einen Kündigungsgrund darstellen könne. Das verstößt nicht nur gegen die Systematik des § 1 Abs. 2 KSchG hinsichtlich der bekannten Dreiteilung der Kündigungsgründe, sondern geht auch an der rechtlichen Folgerung vorbei, daß bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl stattzufinden hätte, also gegebenenfalls die Kündigung des "Verursachers" nicht möglich wäre, sondern die Auswahl bei weniger großem Sozialschutz (Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten) einen gesunden Arbeitnehmer treffen würde. Das steht aber im Widerspruch zu Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG (so zutreffend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 30. September 1982 - 1 Sa 25/82 - AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; vgl. ferner Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 11. Aufl., § 1 Rz 433 m. w. N.). Auch der Senat hat in dem erwähnten Grundsatzurteil ausgeführt, Krankheit sei stets als ein personenbedingter Grund i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG angesehen worden; sie sei auch nicht deswegen zu einem Unterfall der betriebsbedingten Kündigung geworden, weil bei der Entwicklung der Rechtsprechung zunächst (BAGE 29, 49, 54 f. = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, zu III 3 a der Gründe) die durch krankheitsbedingte Fehlzeiten verursachten Störungen des Betriebsablaufs im Vordergrund der Erörterung gestanden hätten; das Kündigungsschutzgesetz gehe bei der Dreiteilung der Kündigungsgründe in § 1 Abs. 2 Satz 1 davon aus, ob die "Störquelle" im Verhaltensbereich, im persönlichen oder im betrieblichen Bereich liege. Auswirkungen auf den Betrieb müßten alle den einzelnen Bereichen zuzuordnenden Tatbestände deswegen haben, weil die Kündigung durch eine der aufgeführten Gründe bedingt sein müsse; diese Gemeinsamkeit der Kündigungsgründe rechtfertige es nicht, die von der Rechtsprechung entwickelten speziellen Prüfungskriterien für die krankheitsbedingte Kündigung aufzugeben und sie dem "Monopol" der Betriebsbedingtheit unterzuordnen (Hillebrecht, VAA 1984, 79 ff.). Es sei auch dogmatisch verfehlt und für die Praxis wenig hilfreich, die behandelten Kriterien durch das unbestimmte Merkmal des "objektiven Sachzwangs" zur Kündigung wegen der nachteiligen Auswirkungen von Fehlzeiten zu ersetzen. Daran hält der Senat aus den vorstehenden Gründen fest.
cc) Für rechtlich unzutreffend, nämlich willkürlich hält der Senat es schließlich, für die Beurteilung der Fehlquote und der Lohnfortzahlungskosten nicht auf Kalenderjahre, sondern auf einen Zeitraum vom Zeitpunkt der Information des Betriebsrates an rückwärts für drei Jahre gerechnet abzustellen. Diese Überlegung erscheint schon deshalb unbrauchbar, weil die Beurteilung der Sozialwidrigkeit einer personenbedingten Kündigung im betriebsratslosen Betrieb dann wieder nach einem anderen Berechnungsmaßstab vorzunehmen wäre. Damit würde eine einheitliche Beurteilung der Sozialwidrigkeit nach den im § 1 Abs. 2 KSchG aufgestellten allgemein gültigen Kriterien unmöglich gemacht.
Die Gefahr einer möglichen Verzerrung der zu ermittelnden Werte besteht im übrigen bei der vom Landesarbeitsgericht befürworteten Methode mindestens ebenso wie bei der nach Veranlagung von Kalenderjahren, zumal die Betriebsratsanhörung zeitlich so datiert werden könnte, daß ein möglichst aussagekräftiger Krankheitszeitraum erfaßt würde. Schließlich würde bei dieser Berechnungsweise nicht den praktischen, betrieblichen Gegebenheiten Rechnung getragen, wonach die personalrelevanten Daten (Personalkosten, Lohnfortzahlung usw.) üblicherweise nach Kalenderjahren erfaßt werden.
c) Die Entscheidung erweist sich auch nicht unter Berücksichtigung von § 563 ZPO im Ergebnis als richtig. Nach der Rechtsprechung des Senats (u. a. BAGE 61, 131 = AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit und Urteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 - AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) ist die Sozialwidrigkeit einer wegen häufiger Erkrankungen ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers in drei Stufen zu prüfen. Zunächst ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes erforderlich. Die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, ist dann zu prüfen, ob die erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist.
aa) Die Beklagte hatte die krankheitsbedingten Fehlzeiten für einen repräsentativen Zeitraum von knapp drei Jahren dargestellt, so daß sich die Wiederholungsgefahr - negative Prognose als erste Stufe des Prüfungsrasters - aus den bisherigen häufigen - auch den eintägigen - krankheitsbedingten Fehlzeiten zunächst ergab (Senatsurteil vom 23. Juni 1983 - 2 AZR 15/82 - BAGE 43, 129 = AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Nach dieser Rechtsprechung müssen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die eine Indizwirkung entfaltenden Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Daraufhin muß der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. Dieser prozessualen Mitwirkungspflicht genügt er bei unzureichender ärztlicher Aufklärung oder Kenntnis von seinem Gesundheitszustand schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet (BAGE 61, 131 = AP Nr. 20, aaO). Dies gilt allerdings nur soweit, wie darin die Darstellung liegt, die Ärzte hätten die künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber bereits tatsächlich positiv beurteilt (BAG Urteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - AP Nr. 21, aaO).
Die Klägerin hat erklärt, wenn es auf die Krankheitsprognose ankomme, werde sie die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Sie hat im übrigen auf Befragen des Landesarbeitsgerichts für die nach Ausspruch der Kündigung in den Jahren 1990/91 aufgetretenen Krankheiten die Ursachen genannt und vorgetragen, es bestünden "derzeit" keine gesundheitlichen Einschränkungen mehr, die Krankheit sei ausgeheilt (Protokollerklärung vom 28. Februar 1991). Dieser Sachdarstellung läßt sich nicht deutlich entnehmen, ob die Klägerin den Krankheitsbefund und die vermutliche Entwicklung ab dem Kündigungszeitpunkt, auf den hier abzustellen ist (Senatsurteile vom 6. September 1989 - 2 AZR 118/89 - AP Nr. 22, aaO und vom 6. Februar 1992 - 2 AZR 364/91 - unveröffentlicht, zu C I 4 b ee der Gründe) selbst hinreichend kannte und/oder schildern konnte. Denn nur, wenn dies nicht der Fall war, genügte sie ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht mit dem Hinweis, sie entbinde den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht (Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - AP Nr. 21, aaO). Dagegen hat der Senat in dem genannten Urteil die bloße Bezugnahme auf die ärztliche Auskunft als unsubstantiierte Einlassung gegenüber dem Indizwirkung entfaltenden Sachvortrag des Arbeitgebers zur negativen Prognose angesehen. Die Klägerin hat vorliegend anklingen lassen, die häufigen eintägigen Krankheitszeiten hätten etwas mit Unpäßlichkeiten wegen des weiblichen Zyklus zu tun, während zu den längeren Fehlzeiten in den Jahren 1987 bis 1989 überhaupt keine Erklärung vorliegt. Auch wenn man der Klägerin zugesteht, mit Rücksicht auf ihre grundrechtlich geschützte Privatsphäre (Art. 1, 2 GG) brauche sie nicht in aller Öffentlichkeit ihre Krankheitsursachen zu offenbaren, so hätte sie jedenfalls in beschränktem Umfang und unter Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte sich modifiziert auf die Sachdarstellung der Beklagten einlassen und insoweit ihren Arzt von der Schweigepflicht entbinden müssen. Gegebenenfalls hätte die Klägerin einen Antrag nach § 171 b GVG stellen können. Ihre Darstellung vor dem Landesarbeitsgericht, nach den Erkrankungen im Jahre 1990 bestünden "derzeit" keine gesundheitlichen Einschränkungen mehr, besagt insofern nichts zu der auf den Kündigungszeitpunkt abzustellenden Prognose.
Da das Landesarbeitsgericht auf alle diese Umstände nicht eingegangen ist, sondern unzutreffend die negative Prognose aufgrund des Krankheitsbefundes nach Ausspruch der Kündigung beurteilt hat, muß der Klägerin, um den Grundsatz rechtlichen Gehörs zu wahren, Gelegenheit zur ergänzenden Klarstellung gegeben werden, zumal sie erklärt hatte, falls es auf die Krankheitsprognose ankomme, werde sie die Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Auch der Beklagten ist Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben, denn sie hat sich für die von ihr zu beweisende negative Prognose (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen, falls die Klägerin die Ärzte von der Schweigepflicht entbinde. Die Beklagte wird klarzustellen haben, ob ihre Äußerung (Berufungsurteil S. 17), die Kündigung sei ein heilsamer Schock für die Klägerin gewesen, in dem Sinne zu verstehen ist, die Behauptung einer negativen Prognose zum Zeitpunkt der Kündigung werde infolge Heilung nicht mehr aufrechterhalten.
bb) Was die in der zweiten Stufe zu prüfende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen angeht, wird das Landesarbeitsgericht die Rechtsprechung des Senats und die vorstehenden Erwägungen zu berücksichtigen haben, wonach von einer solchen erheblichen wirtschaftlichen Belastung auszugehen ist, wenn mit immer neuen beträchtlichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin und entsprechenden Mehraufwendungen, die für jährlich jeweils einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen anfallen, zu rechnen ist.
Zutreffend sind allerdings die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe eine erhebliche betriebliche Beeinträchtigung in Gestalt von Betriebsablaufstörungen nicht dargetan. Dazu hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, der formularmäßige Vortrag der Beklagten über die betrieblichen Schwierigkeiten reiche nicht aus, weil nicht ersichtlich sei, inwieweit die angeblichen Fertigungsfehler auf den krankheitsbedingten Ausfall der Klägerin zurückzuführen seien. Gleichgültig, ob solche Fehler nur bei der Fernseherproduktion oder auch bei der Videorekorder-Herstellung (vgl. dazu oben zu II 2 a) aufgetreten sein sollen, fehlt es an einem ausreichend substantiierten Vortrag, daß die angeblichen Bandablaufschwierigkeiten und die Überlastung der Vorarbeiter etwas mit der Krankheit der Klägerin zu tun haben (vgl. für einen ähnlichen Fall Senatsurteil vom 18. September 1986 - 2 AZR 638/85 - unveröffentlicht, zu II 5 der Gründe). Die entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts werden mit der Revision auch nicht angegriffen.
cc) Vom Standpunkt des Landesarbeitsgerichts aus konsequent ist eine Interessenabwägung nicht durchgeführt worden. Auch dies wird das Landesarbeitsgericht, falls es nach der Zurückverweisung hierauf ankommt (vgl. dazu Senatsurteil vom 6. September 1989 - 2 AZR 224/89 - AP Nr. 23, aaO), nachzuholen haben.
Hillebrecht Triebfürst Bitter
Dr. Bächle Dr. Wolter
Fundstellen
EEK, II/212 (ST1-3) |
EzA § 1 KSchG Krankheit, Nr 37 (ST1-3) |