Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschlechtsdiskriminierung beim Arbeitsentgelt
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind männliche und weibliche Arbeitnehmer mit der gleichen Arbeit beschäftigt und entlohnt der Arbeitgeber fast die Hälfte der Männer, dagegen nur 1/10 der Frauen über Tarif, dann liegt hierin ein Verstoß gegen § 612 Abs 3 BGB, wenn die höhere Entlohnung der männlichen Arbeitnehmer nicht durch Gründe gerechtfertigt ist, die nicht auf das Geschlecht bezogen sind.
2. Die nach § 612 Abs 3 Satz 3 iVm § 611a Abs 1 Satz 3 BGB für die Verlagerung der Beweislast auf den Arbeitgeber erforderlichen Tatsachen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, sind jedenfalls dann durch die zahlenmäßig wesentlich größere nachteilige Betroffenheit der Angehörigen eines Geschlechts glaubhaft gemacht, wenn die Kriterien für die Entlohnungspraxis des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer nicht durchschaubar sind.
3. Nach dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung beruht eine Entgeltdiskriminierung jedenfalls dann auf einer Vereinbarung iS des § 612 Abs 3 Satz 1 BGB, wenn der unterschiedlichen Behandlung zumindest eine Vereinbarung mit den begünstigten Arbeitnehmern zugrunde liegt. Eine Vereinbarung mit dem benachteiligten Arbeitnehmer muß nicht hinzukommen. Es bleibt unentschieden, ob angesichts der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts dem Tatbestandsmerkmal der Vereinbarung in § 612 Abs 3 Satz 1 BGB eigenständige Bedeutung zukommen kann.
4. Im Falle eines Verstoßes gegen § 612 Abs 3 BGB haben die wegen ihres Geschlechts benachteiligten Arbeitnehmer Anspruch auf die Leistungen, die der bevorzugten Gruppe gewährt werden.
Orientierungssatz
Auslegung des § 2 des Lohntarifvertrages für den Groß- und Außenhandel in Niedersachsen Lohngruppe 2 bzw Lohngruppe 3.
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.11.1991; Aktenzeichen 13 Sa 652/91) |
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 21.02.1991; Aktenzeichen 1 Ca 242/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerinnen seit dem 1. November 1989 Anspruch auf Arbeitsentgelt nach Lohngruppe 3 oder nach Lohngruppe 2 der Lohntarifverträge für den Groß- und Außenhandel in Niedersachsen, gültig ab 1. Mai 1989 bzw. ab 1. Mai 1990 (LTV), haben.
Die Beklagte betreibt einen Großhandel für Garten-, Haushalts- und Eisenwaren. Dort sind die Klägerinnen beschäftigt, und zwar
die Klägerin zu 1) seit dem 1. November 1987,
die Klägerin zu 2) seit dem 21. Februar 1980,
die Klägerin zu 3) seit dem 1. November 1980,
die Klägerin zu 4) seit dem 16. Februar 1981
und
die Klägerin zu 5) seit dem 1. Juni 1982.
Auf die Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen findet der für allgemeinverbindlich erklärte LTV Anwendung.
Die Klägerinnen sind im Lager I der Beklagten, wo Eisenwaren und Hausratsartikel gelagert werden, als Kommissioniererinnen (Lagerarbeiterinnen) tätig. Ihre Aufgabe ist es, die Ware für Kunden nach Sammelrichtscheinen zusammenzustellen. Der Richtschein enthält den Namen des jeweiligen Kunden, Artikelbezeichnung, Artikelnummer, Stückzahl und Preis. Bei den meisten Artikeln läßt sich der Lagerort anhand der auf dem Richtschein aufgeführten Ordnungsmerkmale (Buchstaben und Ziffern) feststellen. Es werden bis zu fünf Ordnungsmerkmale verwendet. Buchstaben kennzeichnen die vier Gänge, in die das Lager aufgeteilt ist. Jeder Gang hat mehrere Felder mit jeweils mehreren Etagen. Die Zahlen bezeichnen das jeweilige Regal im Lager sowie dessen Ebene und Fach. Nur bei wenigen Artikeln, die auf dem Hof gelagert sind, fehlt die Angabe des Lagerorts, so daß ihn die Klägerinnen selbst ermitteln müssen. Die Klägerinnen zeichnen auch Waren mit Preisen aus; dies geschieht jedoch in zeitlich geringerem Umfang als das Zusammenstellen von Waren.
Die Klägerin zu 3) ist mit Wirkung vom 1. November 1990 zur Gruppenleiterin ernannt worden, ohne daß sich dadurch ihre Tätigkeit entsprechend geändert hätte. Eine Einteilung der im Lager Beschäftigten in Gruppen ist jedenfalls bis zum 1. Oktober 1991 nicht erfolgt.
Die Klägerinnen zu 1), 2), 4) und 5) werden nach Lohngruppe 2 vergütet. Die Klägerin zu 3) wurde zunächst ebenfalls nach Gruppe 2 entlohnt und erhält seit ihrer Ernennung zur Gruppenleiterin Lohn nach Gruppe 3.
Im Lager I waren nach dem Stand vom 19. Dezember 1990 außer den Klägerinnen fünf weitere Kommissioniererinnen beschäftigt, die sämtlich nach Lohngruppe 2 bezahlt wurden:
F , eingestellt am 1. November
1987,
D , eingestellt am 1. September
1989,
B , eingestellt am 16. Oktober
1989,
J , eingestellt am 1. Februar 1990
und
Br , eingestellt am 1. November
1990.
Sechs männliche im Lager I beschäftigte Kommissionierer wurden ebenfalls nach Lohngruppe 2 vergütet:
Bü , eingestellt am 12. Juni 1969,
M , eingestellt am 1. November
1987,
P , eingestellt am 11. Juni 1990,
Ba , eingestellt am 1. November
1990,
Bu , eingestellt am 1. November
1990
und
H , eingestellt am 1. November
1990.
Schließlich waren in diesem Lager noch sieben weitere Kommissionierer beschäftigt, die Lohn nach Gruppe 3 erhielten:
Di , G., eingestellt am 1. November
1955,
E , eingestellt am 1. Januar 1970,
Di , K., eingestellt am 8. Juni 1971,
Bö , eingestellt am 1. September
1980,
Pl , eingestellt am 1. Dezember
1989,
W , eingestellt am 1. Dezember
1989
und
R , eingestellt am 1. Januar 1990.
Die Kommissionierer W und R sind seit ihrer Ernennung zu Gruppenleitern am 1. November 1990 in Gruppe 3 eingestuft. Eine Gruppenleitertätigkeit üben sie nicht aus.
Die Beklagte unterhält ein zweites Lager am K . Dort sind Gartenmöbel gelagert, die schwerer als die Waren im Lager I sind. Im Lager K sind drei in Gruppe 2 eingestufte männliche Kommissionierer beschäftigt:
T , eingestellt am 1. Dezember
1987,
Fa , eingestellt am 15. Februar
1990
und
Mi , eingestellt am 14. März 1990.
Zwei weitere Kommissionierer werden nach Gruppe 3 vergütet:
Ha , eingestellt am 15. Juni 1979
und
S , eingestellt am 1. Januar 1985.
Kommissioniererinnen sind im Lager K nicht beschäftigt. Die nach Gruppe 3 entlohnten männlichen Kommissionierer haben zumindest zeitlich überwiegend die gleiche Kommissioniertätigkeit geleistet wie die Klägerinnen.
Neben den Kommissioniererinnen und Kommissionierern beschäftigt die Beklagte noch weiteres Lagerpersonal, zu dem auch männliche Arbeiter der Lohngruppen 2 und 3 gehören.
Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, sie seien tarifgerecht nach Lohngruppe 3 LTV zu vergüten. Sie erfüllten das Tätigkeitsmerkmal "Zusammenstellen von Waren nach schwierigen Ordnungsmerkmalen und/oder zusätzliche Kontrolltätigkeit". Sie müßten ihre Tätigkeit selbst kontrollieren. Die Ware gehe so, wie sie zusammengestellt worden sei, an die Kunden.
Zumindest ergebe sich der Höhergruppierungsanspruch aus Gleichberechtigungsgesichtspunkten. Alle männlichen Arbeitnehmer, mit Ausnahme des Kommissionierers Bü , erhielten, sofern sie nicht zur Aushilfe beschäftigt seien, für dieselbe Tätigkeit eine Vergütung nach Lohngruppe 3. Der Kommissionierer Bü sei erst in die Lohngruppe 2 zurückgestuft worden, nachdem sie ihre Forderungen geltend gemacht hätten. Die Kommissionierer M und T seien nur in die Lohngruppe 2 eingruppiert worden, weil sie nicht als Dauerbeschäftigte vorgesehen gewesen seien.
Die männlichen Kommissionierer nähmen auch keine zusätzlichen Aufgaben wahr, die eine höhere Vergütung rechtfertigen würden. Eine Kontrolltätigkeit sei nur in geringfügigem Umfang und nur von den Kommissionierern K. und G. Di sowie E ausgeübt worden. Der Kommissionierer Bö fahre den Gabelstapler nur zu 0,5 % seiner Arbeitszeit. Der Kommissionierer Pl sei nie, wie vorgesehen, als Aushilfsfahrer tätig geworden.
Die Klägerinnen haben, nachdem sie in der Berufungsinstanz ihre Klage um Zahlungsansprüche für die Zeit nach Mai 1990 erweitert hatten, zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
an die Klägerin zu 1) 3.043,68 DM brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1991
an die Klägerin zu 2) 3.043,68 DM brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1991
an die Klägerin zu 3) 2.310,00 DM brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 1. November 1990
an die Klägerin zu 4) 3.043,68 DM brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1991
an die Klägerin zu 5) 4.620,00 DM brutto nebst
4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1991 zu zahlen.
Die Klägerinnen zu 1), 2), 4) und 5) haben weiter beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
sie auch ab dem 1. Mai 1991 nach den jeweils gül-
tigen Sätzen der Lohngruppe 3 des Lohntarifver-
trages für die Groß- und Außenhandelsunternehmen
im Land Niedersachsen zu vergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerinnen seien zutreffend in der Lohngruppe 2 eingruppiert. Die Kommissionen würden nur nach einfachen Ordnungsmerkmalen zusammengestellt. Die Richtscheine seien so umfassend deklariert, daß es außerordentlich einfach sei, die Waren zu kommissionieren. Zusätzliche Kontrollen hätten die Klägerinnen nicht auszuführen.
Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf den Gleichberechtigungsgrundsatz stützen. Die männlichen Kommissionierer seien nicht wegen ihres Geschlechts in Lohngruppe 3 eingruppiert. Die Mitarbeiter K. Di und E seien als Angestellte und wegen ihrer Kontrolltätigkeit mit den Klägerinnen nicht vergleichbar. Auch die anderen männlichen Kommissionierer kontrollierten im Umfang von 20 bis 25 % ihrer Gesamtarbeitszeit die kommissionierte Ware.
Der Angestellte G. Di sei aus sozialen Gründen noch in die Lohngruppe 3 eingruppiert. Er sei bis ca. 1980 als Lagermeister tätig gewesen. Da er diesen Aufgaben nicht mehr gewachsen gewesen sei, sei ihm die Tätigkeit als Kommissionierer zugeteilt worden. Wegen seines Alters von 59 Jahren und seiner Betriebszugehörigkeit seit dem 1. November 1955 sei eine Rückstufung in die Lohngruppe 2 nicht vertretbar gewesen. Der Kommissionierer Bö - habe auch als Gabelstaplerfahrer, der Kommissionierer Pl als LKW-Fahrer eingesetzt werden sollen.
Auch die im Lager am K tätigen Kommissionierer S und Ha seien mit den Klägerinnen nicht vergleichbar. Die von ihnen zu kommissionierenden Waren seien zum Teil schwerer und würden auf größeren Wagen kommissioniert. Zwischendurch müßten sie daher auch einen Gabelstapler fahren. Ab dem 15. Mai 1991 seien sie, ebenso wie der Kommissionierer Pl , überwiegend als Kontrolleure eingesetzt. Zugleich hat die Beklagte vorgetragen, daß die Nachkontrollen wegen ihrer Kompliziertheit weitgehend eingestellt worden seien.
Die Kommissionierer R und W seien erst mit der Übertragung der Gruppenleiterfunktion zum 1. November 1990 in die Lohngruppe 3 eingruppiert worden.
Das Arbeitsgericht hat den Zahlungsklagen stattgegeben und die Eingruppierungsfeststellungsklagen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerinnen und der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und den Klagen im wesentlichen stattgegeben. Im übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, wobei sie die rechnerische Richtigkeit der ausgeurteilten Beträge nicht in Frage stellt. Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. A. Die Klagen sind zulässig, auch soweit die Klägerinnen Feststellung begehren, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie vom 1. Mai 1991 an nach Lohngruppe 3 LTV zu vergüten. Das nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an einer solchen mit einer Eingruppierungsklage begehrten Feststellung ist nicht nur für den öffentlichen Dienst (so die ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 19. März 1986 - 4 AZR 470/84 - AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975) zu bejahen. Eingruppierungsfeststellungsklagen müssen vielmehr auch in der Privatwirtschaft zulässig sein. Der Kläger eines Eingruppierungsrechtsstreits ist nämlich zumindest für die Zukunft an der Erhebung einer Leistungsklage gehindert, da er nicht im voraus die Höhe der Differenzbeträge beziffern kann, die sich aus den im Streit befindlichen Vergütungsgruppen ergeben. Eine Klage nach § 258 ZPO kann nicht erhoben werden, weil Gehaltsansprüche keine wiederkehrenden Leistungen i.S. dieser Vorschrift sind (vgl. Senatsurteil vom 20. Juni 1984 - 4 AZR 208/82 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Außenhandel).
B. Die Klagen sind auch begründet. Die Klägerinnen haben Anspruch auf Vergütung entsprechend Lohngruppe 3 LTV seit dem 1. September 1989.
I. Zwar machen die Klägerinnen zu Unrecht einen tarifvertraglichen Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe 3 geltend.
1. Die für die Eingruppierung der Klägerinnen maßgeblichen Bestimmungen des allgemeinverbindlichen LTV lauten wie folgt:
"§ 2
Lohngruppen
Für die Einstufung sind in erster Linie die Ober-
begriffe der einzelnen Lohngruppen maßgebend.
Die Tätigkeitsbeispiele wurden ergänzend und nur
beispielhaft zugeordnet; sie erheben keinen An-
spruch auf Vollständigkeit.
...
Werden von Arbeitnehmern Tätigkeiten verschiede-
ner Lohngruppen ausgeübt, so muß die Einstufung
der überwiegenden Tätigkeit entsprechen.
...
Lohngruppe 2
Tätigkeiten, die gewisse Fertigkeiten, Geschick-
lichkeiten, Übung oder Erfahrung erfordern.
Tätigkeitsbeispiele:
Beifahrer, Pack-, Sortier- und Regalauffülltätig-
keit/Zusammenstellen von Waren nach einfachen
Ordnungsmerkmalen (Lagerarbeiter), Küchen- und
Kantinenkräfte, Pförtner, Geldboten, Wagenpfle-
ger.
Lohngruppe 3
Schwierige Tätigkeiten, die besondere Kenntnisse
oder Erfahrung erfordern.
Tätigkeitsbeispiele:
Kraftfahrer mit Führerscheinklasse III, Gabel-
staplerfahrer, Beifahrer mit Führerscheinklasse
III, Zusammenstellen von Waren nach schwierigen
Ordnungsmerkmalen und/oder zusätzliche Kontroll-
tätigkeit, Arbeitnehmer mit fachlicher Weisungs-
berechtigung an Arbeitnehmer der Lohngruppe 2.
..."
2. Das Landesarbeitsgericht hat einen tariflichen Anspruch der Klägerinnen auf Vergütung nach Lohngruppe 3 verneint. Die von den Klägerinnen ausgeübte Kommissionstätigkeit sei nämlich nicht schwierig. Die Tätigkeit der Klägerinnen bestehe überwiegend im Zusammenstellen von Waren nach vorgegebenen Artikelbezeichnungen und -nummern, die keine schwierigen, sondern lediglich einfache Ordnungsmerkmale seien. Die Arbeit der Klägerinnen erfordere daher keine besonderen Kenntnisse und Erfahrungen. Damit fallen sie unter die Lohngruppe 2, die lediglich gewisse Fertigkeiten, Geschicklichkeiten, Übung oder Erfahrung voraussetze. Dasselbe gelte für die nach vorgegebenen Preisen und Artikelnummern von den Klägerinnen ausgeübte Auszeichnungstätigkeit sowie für die mit dem Auszeichnen als Zusammenhangstätigkeit notwendig verbundene Kontrolle.
Unerheblich sei, daß die Klägerinnen teilweise Waren auch ohne Vorgabe von Lagerorten zusammenstellen müssen, weil diese Tätigkeit nicht überwiege.
3. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. a) Die abstrakten Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppen 2 und 3 LTV enthalten hier maßgebliche unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Anwendung solcher Begriffe durch die Tatsachengerichte kann vom Revisionsgericht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur darauf überprüft werden, ob der jeweilige Rechtsbegriff verkannt, bei der Subsumtion gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden oder die Beurteilung wegen Außerachtlassung wesentlicher Umstände offensichtlich fehlerhaft ist. Wegen der großen Reichweite und des hohen Maßes an Unbestimmtheit der hier maßgeblichen tariflichen Rechtsbegriffe kommt hierbei den Tatsachengerichten ein besonders weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. BAG Urteil vom 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70; Senatsurteil vom 11. September 1991 - 4 AZR 64/91 - AP Nr. 7 zu § 51 TV AL II; jeweils m.w.N.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Prüfung, ob die Tätigkeiten der Klägerinnen schwierig sind und besondere Kenntnisse und Erfahrungen erfordern, zutreffend darauf abgestellt, ob Waren nach einfachen oder nach schwierigen Ordnungsmerkmalen zusammenzustellen sind. Dabei hat es die von den Klägerinnen zu berücksichtigenden Artikelbezeichnungen, Großbuchstaben und Ziffern als einfache Ordnungsmerkmale angesehen. Dies ist nicht zu beanstanden, da die hier verwendeten Ordnungsmerkmale eindeutig und unverwechselbar sind und keine besondere Warenkenntnis voraussetzen.
c) Das angefochtene Urteil hält auch insoweit der revisionsrechtlichen Überprüfung stand, als das Landesarbeitsgericht die Auszeichnungstätigkeit der Klägerinnen und die hiermit verbundene Kontrolle von Preisen, Artikelnummern und Mengen als eine in Lohngruppe 2 einzustufende Tätigkeit angesehen hat. Da die Auszeichnung nach vorgegebenen Preisen und Artikelnummern erfolgt und die Kontrolle lediglich die richtige Übertragung dieser vorgegebenen Daten betrifft, ist die Bewertung dieser Tätigkeit als einfach nicht zu beanstanden.
d) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht schließlich auch erkannt, daß eine mögliche höhere Bewertung der Zusammenstellung von Waren ohne Vorgaben zu den Lagerorten hier nach § 2 Abs. 4 LTV ohne Bedeutung ist, weil sie gegenüber der unter Lohngruppe 2 einzuordnenden Tätigkeit nicht überwiegt, sondern nur in vergleichsweise geringem Umfang anfällt.
II. Die Klägerinnen haben nach § 612 Abs. 3 BGB Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Höhe wie die in Lohngruppe 3 eingestuften männlichen Kommissionierer.
1. Das Landesarbeitsgericht hat einen vertraglichen Anspruch der Klägerinnen auf Vergütung nach Lohngruppe 3 mit der Begründung bejaht, sie seien gegenüber den übertariflich nach Lohngruppe 3 bezahlten männlichen Kommissionierern benachteiligt. Diese Benachteiligung verstoße gegen § 612 Abs. 3 BGB, denn sie sei wegen des Geschlechts erfolgt. Dies ergebe sich unter Anwendung der Beweislastregel des § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB aus dem Zahlenverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Kommissionierern in den Lohngruppen 2 und 3 sowie daraus, daß die Beklagte sachliche Gründe für die übertarifliche Bezahlung männlicher Kommissionierer, abgesehen allenfalls vom Arbeiter G. Di , nicht substantiiert vorgetragen habe. Diese Verletzung von § 612 Abs. 3 BGB führe zur Nichtigkeit der Vereinbarungen, nach denen die Klägerinnen nach Gruppe 2 zu vergüten sind. Hieraus ergebe sich nach § 612 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung des Benachteiligungsverbots des § 612 Abs. 3 BGB ein vertraglicher Anspruch auf Vergütung nach Lohngruppe 3.
2. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die Klägerinnen mit ihrem Antrag auf Höhergruppierung einen Anspruch auf Vergütung i.S. des § 612 Abs. 3 BGB geltend machen und nicht einen Anspruch auf einen unter § 611 a BGB zu subsumierenden (vgl. Soergel/Kraft, BGB, Nachtrag zur 11. Aufl., § 611 a Rz 14) beruflichen Aufstieg. Die Klägerinnen begehren nämlich nicht eine Verbesserung ihrer Stellung in der betrieblichen Hierarchie, sondern unter Beibehaltung ihrer bisherigen Tätigkeit und hierarchischen Funktion Anhebung ihres Arbeitsentgelts auf das Niveau der in Gruppe 3 eingestuften männlichen Kommissionierer.
3. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 612 Abs. 3 BGB hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend darauf abgestellt, daß die Klägerinnen - die Klägerin zu 3) nur vor ihrer Höhergruppierung nach Lohngruppe 3 am 1. November 1990 - geringeres Arbeitsentgelt erhalten haben als die mit gleicher Arbeit beschäftigten in Gruppe 3 eingestuften männlichen Kommissionierer E , G. Di , K. Di , Bö , Pl , W , R , S und Ha .
a) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, diese Kommissionierer erfüllten mit ihrer Tätigkeit ebenso wie die Klägerinnen nicht die Voraussetzungen der Lohngruppe 3, sondern nur diejenigen der Lohngruppe 2 und würden daher übertariflich bezahlt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten haben die männlichen Kommissionierer zeitlich überwiegend dieselben Kommissionierarbeiten ausgeführt wie die Klägerinnen. Für die Einstufung in die verschiedenen Lohngruppen kommt es nach § 2 Abs. 4 LTV allein auf die überwiegende Tätigkeit und nicht darauf an, ob die männlichen Kommissionierer zusätzlich den Gabelstapler gefahren haben, teilweise schwere Waren haben kommissionieren müssen oder in zeitlich geringem Umfang auch Kontrollen durchgeführt haben. Ebenso ist es unerheblich, ob die Kommissionierer später teilweise für eine - möglicherweise in Lohngruppe 3 fallende - Kontrolltätigkeit oder Tätigkeit als Fahrer vorgesehen waren. Soweit das Landesarbeitsgericht entgegen dem neuen Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz nicht davon ausgegangen ist, daß die Kommissionierer Ha , S und Pl seit dem 15. Mai 1991 überwiegend als Kontrolleure eingesetzt sind, ist diese Würdigung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die rechtskundig vertretene Beklagte hat diese Behauptung nicht substantiiert und hierfür auch keinen Beweis angeboten. Die Beklagte hat vielmehr während beider Tatsacheninstanzen - besonders auch unter Beweisantritt in der Berufungsinstanz - vorgetragen, diese Arbeitnehmer seien 1988 bzw. 1989 wegen der ursprünglich von ihnen zusätzlich zur Kommissioniertätigkeit ausgeübten Kontrolltätigkeit in Gruppe 3 eingruppiert worden, diese Kontrolltätigkeit sei allerdings wegen Verzichts auf Nachkontrollen dann zurückgegangen.
Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten erhobene und auf § 139 ZPO gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Die Fragepflicht des Gerichts geht nicht soweit, daß es darauf hinwirken müßte, daß eine rechtskundig vertretene Partei neues tatsächliches Vorbringen, das zu dem bisherigen unter Beweisantritt erfolgten Tatsachenvortrag in Widerspruch steht, hinreichend substantiiert und hierzu Beweis anbietet. Gegen die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Wertung dieses Vortrags, daß die Beklagte immer neue Begründungen für eine übertarifliche Einstufung der männlichen Kommissionierer suche, sind durchgreifende Bedenken nicht zu erheben.
bb) Unerheblich ist die Ernennung der Kommissionierer R und W zu Gruppenleitern, weil sich deren tatsächliche Tätigkeit dadurch wegen fehlender Bildung von Arbeitsgruppen nicht geändert hat.
cc) Schließlich kann die Beklagte die Eingruppierung der Kommissionierer E , K. Di und G. Di in Lohngruppe 3 nicht darauf stützen, daß sie diese als Angestellte bezeichnet. Daß die Beklagte selbst die Genannten in Wirklichkeit als Arbeiter ansieht, ergibt sich schon daraus, daß sie sie nach dem LTV für Arbeiter vergütet und nicht nach dem für Angestellte geltenden Gehaltstarifvertrag. Entscheidend aber ist, daß diese Kommissionierer bei gleicher Tätigkeit wie die Klägerinnen ebenfalls Arbeiter und als solche in Lohngruppe 2 einzustufen sind.
dd) Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, die Klägerinnen könnten nicht die Richtigkeit der Eingruppierung der männlichen Kommissionierer in Lohngruppe 3 bestreiten und gleichzeitig die Auffassung vertreten, sie selbst seien tarifgerecht in diese Lohngruppe einzugruppieren. Abgesehen davon, daß Rechtsausführungen der Parteien für die rechtliche Würdigung des Gerichts nicht verbindlich sein können, verkennt die Beklagte, daß die Klägerinnen die Richtigkeit der Eingruppierung männlicher Kommissionierer in Gruppe 3 nur im Zusammenhang mit ihrem Gleichbehandlungsbegehren geltend gemacht haben, das auf den Fall beschränkt ist, daß nicht schon ein tariflicher Höhergruppierungsanspruch besteht.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht in seinem Urteil zusätzlich auf das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter bei der Eingruppierung des neben den Kommissionierern beschäftigten Lagerpersonals abstellt, läßt sich hieraus für eine mögliche Ungleichbehandlung der Klägerinnen nichts herleiten. Die nicht mit Kommissioniertätigkeit beschäftigten Arbeitnehmer üben nämlich nicht die gleiche Tätigkeit aus wie die Klägerinnen. Es ist auch nichts dafür dargetan, ob von diesen Arbeitnehmern möglicherweise Arbeit geleistet wird, die derjenigen der Klägerinnen gleichwertig wäre. Diese Beschäftigten müssen hier deshalb außer Betracht bleiben. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe deren Eingruppierung nicht zutreffend festgestellt, geht daher fehl.
c) Den auf eine Verletzung von § 612 Abs. 3 BGB gestützten Ansprüchen der Klägerinnen steht nicht entgegen, daß die Beklagte neben den in Gruppe 3 eingruppierten Kommissionierern noch weitere Männer mit Kommissionstätigkeit beschäftigt, die - wie die Klägerinnen - nach Gruppe 2 entlohnt werden. Ein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB erfordert nämlich nicht, daß sämtliche mit gleicher Arbeit wie die Klägerinnen beschäftigten männlichen Arbeitnehmer besser als die Klägerinnen entlohnt werden. Er kann vielmehr schon dann vorliegen, wenn die von der Beklagten geübte Lohnpolitik vergleichsweise wesentlich mehr weibliche als männliche Kommissionierer nachteilig betrifft.
aa) Dies ergibt sich aus einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung von § 612 Abs. 3 BGB. Zwar läßt der Wortlaut der Vorschrift, die eine geringere Vergütung "als bei einem Arbeitnehmer des anderen Geschlechts" voraussetzt, den Vergleich der Klägerinnen sowohl mit Kommissionierern der Gruppe 3 als auch mit solchen der Gruppe 2 zu. Bei der Interpretation ist aber zu berücksichtigen, daß § 612 Abs. 3 BGB ein zur Durchführung der Richtlinie 75/117/EWG vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. Nr. L 45 vom 19. Februar 1975, S. 19) erlassenes Gesetz ist. Dieses ist nach allgemeiner Meinung in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts auszulegen und anzuwenden (vgl. nur EuGH Urteile vom 10. April 1984 - Rs 14/83 (von Colson und Kamann) und 79/83 (Harz) - AP Nr. 1 und 2 zu § 611 a BGB; BAG Urteil vom 14. März 1989, BAGE 61, 209, 216 = AP Nr. 6 zu § 611 a BGB; Everling, ZGR 1992, 376 ff.; Lutter, JZ 1992, 593 ff.; jeweils m.w.N.). Daher sind hier die Grundsätze zu berücksichtigen, die sich nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. Urteil vom 13. Mai 1986 - Rs 170/84 (Bilka-Kaufhaus) - AP Nr. 10 zu Art. 119 EWG-Vertrag; Urteil vom 13. Juli 1989 - Rs 171/88 (Rinner-Kühn) - AP Nr. 16 zu Art. 119 EWG-Vertrag) aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Lohngleichheit für den Fall ergeben, daß eine Regelung oder eine Maßnahme oder die Lohnpolitik des Arbeitgebers zwar sowohl Männer als auch Frauen nachteilig betrifft, daß sich unter den Benachteiligten aber - im Vergleich zur Gesamtheit der betroffenen Arbeitnehmer - wesentlich mehr Angehörige eines Geschlechts befinden.
Nach dieser Rechtsprechung, der sich das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (z.B. Urteil vom 9. Oktober 1991 - 5 AZR 598/90 - EzA § 1 LFZG Nr. 122), kann eine nach den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Lohngleichheit verbotene Benachteiligung der Angehörigen eines Geschlechts nicht nur dann vorliegen, wenn die Lohnpolitik des Arbeitgebers dazu führt, daß die Angehörigen dieses Geschlechts durchgängig gegenüber denen des anderen benachteiligt werden. Vielmehr kann auch eine Lohnpolitik diskriminierend sein, nach der zwischen der Geschlechterverteilung innerhalb des Kreises der begünstigten und derjenigen innerhalb des Kreises der benachteiligten Arbeitnehmer wesentliche Unterschiede bestehen. Dabei ist es unerheblich, ob die unterschiedliche Entlohnung auf - unternehmensübergreifenden oder nur auf das Unternehmen oder den Betrieb bezogenen - Regelungen beruht oder sich lediglich aus der vom Arbeitgeber tatsächlich geübten Lohnpolitik ergibt. Die bereits angeführte Richtlinie 75/117/EWG verbietet nämlich jede tatsächliche Diskriminierung beim Arbeitsentgelt ohne Rücksicht darauf, ob die diskriminierende Wirkung auf einer Rechtsnorm, einer Vereinbarung oder dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers beruht. Dies hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. Februar 1982 (Rs 12/81 (Garland) - Slg. 1982, 359, 370) ausdrücklich für den der Richtlinie zugrundeliegenden Art. 119 EWG-Vertrag festgestellt. In gleicher Weise hat der Gerichtshof in seinem ebenfalls zu Art. 119 EWG-Vertrag ergangenen Urteil vom 13. Mai 1986 (Bilka-Kaufhaus, AP, aaO) ausdrücklich auf "Maßnahmen" und auf "die Anwendung einer Lohnpolitik", also auf das zu einer Diskriminierung führende tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers abgestellt.
bb) Im vorliegenden Fall befinden sich unter den von der Lohnpolitik der Beklagten nachteilig Betroffenen wesentlich mehr Frauen als Männer. Es mag dahinstehen, ob, wie die Klägerinnen offenbar meinen, in den Vergleich lediglich die Kommissionierer einzubeziehen sind, die ebenso wie die Klägerinnen vor 1990 eingestellt worden sind. Die nachteilige Betroffenheit der Kommissioniererinnen ergibt sich nämlich schon aus dem - für den Rechtsstandpunkt der Klägerinnen ungünstigeren - Geschlechterverhältnis unter allen von der Beklagten mit Kommissionsarbeiten Beschäftigten.
Danach errechnen sich aus der auf den 19. Dezember 1990 bezogenen Aufstellung folgende Zahlenverhältnisse: von zehn Kommissioniererinnen befanden sich neun (also 90 %) in Gruppe 2; allein die Klägerin zu 3) (also 10 %) wurde seit dem 1. November 1990 nach Gruppe 3 entlohnt. Dagegen wurden die Kommissionierer jeweils zur Hälfte (neun) nach Gruppe 2 und nach Gruppe 3 entlohnt. Wenn die weiblichen Beschäftigten zu 90 %, die männlichen dagegen zu 50 % Arbeitsentgelt nach der niedrigeren Lohngruppe beziehen, trifft die Lohnpolitik der Beklagten vergleichsweise wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig.
4. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Benachteiligung der Kommissioniererinnen wegen des Geschlechts (§ 612 Abs. 3 Satz 1 BGB) erfolgt ist.
a) Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, ein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB könne nicht vorliegen, weil er zumindest das Bewußtsein, wenn nicht die Absicht der Geschlechtsdiskriminierung voraussetze; hieran fehle es im vorliegenden Fall aber. Das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht keine tatsächlichen Feststellung hierzu getroffen.
Die Beklagte verkennt, daß die Feststellung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht nur auf dem Weg möglich ist, daß das Vorhandensein geschlechtsdiskriminierender Absichten handelnder Personen bewiesen wird. Nach § 612 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB kann dies vielmehr auch dadurch geschehen, daß Hilfstatsachen ermittelt werden, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vermuten lassen. Von einer solchen Diskriminierung ist dann auszugehen, wenn diese Vermutung nicht durch sachliche, nicht geschlechtsbezogene Gründe für die Benachteiligung widerlegt wird. Diesen Weg ist das Landesarbeitsgericht bei seiner Prüfung in zulässiger Weise gegangen.
b) Die Klägerinnen haben Hilfstatsachen dargetan, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vermuten lassen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. Urteil vom 13. Mai 1986 - Bilka-Kaufhaus - AP, aaO) wird eine Geschlechtsdiskriminierung schon durch die wesentlich stärkere nachteilige Betroffenheit eines Geschlechts indiziert. Der Gerichtshof hat nämlich für diesen Fall das Vorliegen einer Diskriminierung angenommen, "es sei denn, das Unternehmen legt (außerhalb des Geschlechts liegende objektive Gründe) dar". Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine nicht unerhebliche Zahl von Beschäftigten (insgesamt 28 Kommissionierer und Kommissioniererinnen), so daß eine zufällige ungleichmäßige Verteilung der Geschlechter auf die Lohngruppen 2 und 3 nicht wahrscheinlich ist.
bb) Es kommt hinzu, daß der von der Beklagten bezüglich der Kommissionierer angewandten Entlohnungspraxis die Durchschaubarkeit fehlt. Für die Arbeitnehmer ist nämlich nicht erkennbar, nach welchen Kriterien die Beklagte darüber entscheidet, ob sie Kommissionierer nach Gruppe 2 oder nach Gruppe 3 entlohnt. Das durchschnittliche Entgelt der Kommissioniererinnen ist, wie sich aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur tatsächlichen Eingruppierung ergibt, niedriger als das der Kommissionierer. Unter diesen Voraussetzungen folgt aus der angeführten Richtlinie 75/117/EWG, daß dem Arbeitgeber der Nachweis dafür obliegt, daß seine Lohnpolitik nicht diskriminierend ist (EuGH Urteil vom 17. Oktober 1989 - Rs 109/88 (Danfoss) - AP Nr. 27 zu Art. 119 EWG-Vertrag). Nach dem bereits dargestellten Gebot der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des innerstaatlichen Rechts muß diese sich aus der Richtlinie 75/117/EWG ergebende Beweislastregel bei der Auslegung von § 612 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB berücksichtigt werden. Auch hieraus ergibt sich, da § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB eine entsprechende Auslegung zuläßt, daß vorliegend die Tatsachen glaubhaft gemacht sind, die eine Benachteiligung der Klägerinnen wegen ihres Geschlechts vermuten lassen. Das von der Beklagten praktizierte Entlohnungssystem ist nämlich undurchschaubar. Außerdem erhalten die weiblichen Kommissionierer im Durchschnitt niedrigere Löhne als die männlichen.
c) Nicht zu beanstanden ist die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe den ihr nach § 612 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB obliegenden Beweis, daß nicht auf das Geschlecht bezogene sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigten, allenfalls für den Kommissionierer G. Di , im übrigen aber nicht geführt.
aa) Gerechtfertigt mag die Entlohnung des Arbeiters G. Diekmann nach Lohngruppe 3 sein. Er ist nämlich seit 1955 bei der Beklagten beschäftigt, war früher Lagermeister und wird zur Wahrung seines Besitzstandes weiterhin nach Lohngruppe 3 entlohnt, obwohl er wegen altersbedingter Leistungsminderung nur noch als Kommissionierer eingesetzt wird. Insoweit kann, da die Beklagte den Kommissionierer G. Di übertariflich bezahlen wollte, ein solcher außerhalb des tariflichen Bewertungssystems liegender Gesichtspunkt ein hinreichender sachlicher Grund für die Bezahlung nach Gruppe 3 sein.
Auch wenn aus diesem Grunde der Kommissionierer G. Di beim Vergleich der Entlohnung männlicher und weiblicher Beschäftigter unberücksichtigt bleiben müßte, würde dies nichts daran ändern, daß die Lohnpolitik der Beklagten vergleichsweise wesentlich mehr Frauen als Männer nachteilig betrifft. Es wäre dann nämlich immer noch von acht (= 47 %) übertariflich nach Gruppe 3 gegenüber neun (= 53 %) tarifgerecht nach Gruppe 2 entlohnten Kommissionierern auszugehen.
bb) Für die Kommissionierer K. Di , E , Bö , Pl , W , R , S und Ha hat das Landesarbeitsgericht dagegen eine Rechtfertigung der Einstufung in Gruppe 3 mit der Begründung verneint, am Tarifvertrag orientierte sachliche Gründe für diese Einstufung lägen nicht vor.
Dies ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat diese Eingruppierungen ausdrücklich damit verteidigt, sie beruhten auf ihrer tarifrechtlichen Verpflichtung und seien tarifgerecht. Daß diese Bewertung nicht zutreffend ist, wurde oben bereits dargelegt. Wenn die Beklagte aber mit der Entlohnung der in Gruppe 3 eingruppierten Kommissionierer im System des Tarifvertrags bleiben wollte, können die von der Beklagten rechtsirrig zur Eingruppierung in Gruppe 3 herangezogenen Gesichtspunkte nicht geeignet sein, um eine übertarifliche Bezahlung der genannten Kommissionierer und damit ihre Bevorzugung gegenüber den tarifgerecht bezahlten Kommissioniererinnen i.S.v. § 612 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB zu rechtfertigen.
d) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der unterschiedlichen Entlohnung Vereinbarungen i.S.v. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB zugrunde liegen. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.
Der Begriff der Vereinbarung in § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB ist weit zu verstehen. Er umfaßt nicht nur Einzelvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern z.B. auch Gesamtzusagen des Arbeitgebers (Soergel/Kraft, BGB, Nachtrag zur 11. Aufl., § 612 Abs. 3 Rz 3; MünchKomm-Schaub, BGB, § 612 Rz 254). Darüber hinaus liegt eine Vereinbarung i.S. dieser Vorschrift zumindest auch dann vor, wenn zwar nicht alle im Einzelfall erheblichen Vergütungen auf Vereinbarung beruhen, wohl aber die zwischen ihnen bestehenden und als diskriminierend anzusehenden Unterschiede. Dies folgt schon aus dem auf die Verhinderung von Geschlechtsdiskriminierungen beim Arbeitsentgelt gerichteten Zweck der Vorschrift. Sie ließe sich nämlich leicht umgehen, wenn nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB sowohl für die Bezahlung der begünstigten als auch für die der benachteiligten Gruppe jeweils Vereinbarungen zu fordern wären. Der Arbeitgeber könnte dann ohne Gesetzesverstoß weibliche Arbeitnehmer durch eine ohne Vereinbarung erfolgende tarifgerechte Bezahlung gegenüber männlichen Arbeitnehmern dadurch diskriminieren, daß er die letzteren aufgrund einer Vereinbarung übertariflich vergütet.
Es kommt hinzu, daß die bereits erörterte Notwendigkeit der gemeinschaftsrechtskonformen Anwendung von § 612 Abs. 3 BGB zumindest die dargestellte weite Auslegung des Begriffs "Vereinbarung" gebietet. Die Richtlinie 75/117/EWG und der ihr zugrunde liegende Art. 119 EWG-Vertrag fordern nämlich die Beseitigung jeder Benachteiligung aufgrund des Geschlechts beim Arbeitsentgelt ohne Rücksicht darauf, auf welcher Rechtsgrundlage der Entgeltanspruch im Einzelfall beruht (EuGH Urteil vom 9. Februar 1982 - Garland - Slg., aaO). In diesem Urteil hat der Gerichtshof erkannt, daß ein Arbeitgeber gegen Art. 119 EWG-Vertrag verstößt, wenn er männlichen Arbeitnehmern, ohne hierzu verpflichtet zu sein, Vergünstigungen einräumt, die er weiblichen nicht gewährt.
Ob danach das Tatbestandsmerkmal "vereinbart" in § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB überhaupt noch eine normative Bedeutung im Sinne einer Anwendungsvoraussetzung dieser Vorschrift haben kann, erscheint zweifelhaft. Dies kann hier aber dahinstehen, da es für die Entscheidung des Rechtsstreits hierauf nicht ankommt.
5. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend aus dieser Geschlechtsdiskriminierung gefolgert, daß die Klägerinnen Anspruch auf die der bevorzugten Gruppe gewährte Vergütung, hier nach Lohngruppe 3, haben.
a) Zur Frage, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen § 612 Abs. 3 BGB hat, wird allgemein auf die sich aus § 134 BGB ergebende Nichtigkeit der diskriminierenden Regelung verwiesen (vgl. nur MünchArbR-Richardi, § 11 Rz 41; MünchKomm-Schaub, BGB, § 612 Rz 272), die den Weg freimache für die Zuerkennung eines Anspruchs auf die der begünstigten Gruppe gewährte Leistung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (MünchKomm-Schaub, BGB, § 612 Rz 273).
Die Rechtsfolge der Nichtigkeit wird indessen Fällen wie dem vorliegenden nicht gerecht, in denen zwar Vereinbarungen über das Entgelt der begünstigten Arbeitnehmer getroffen worden sind, solche Vereinbarungen aber für das der benachteiligten fehlen. Bei einer solchen Konstellation ließe sich nämlich die Geschlechtsdiskriminierung dauerhaft beibehalten, wenn die Nichtigkeit einer benachteiligenden Vereinbarung als einzige Rechtsfolge des § 612 Abs. 3 BGB in Betracht käme.
b) Aus dem schon mehrfach angeführten Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Anwendung des § 612 Abs. 3 BGB ergibt sich, daß es keinen Unterschied machen kann, ob die Diskriminierung auf Vereinbarungen mit den benachteiligten Arbeitnehmern beruht oder auf einem sonstigen Verhalten des Arbeitgebers, z.B. wie vorliegend in der tarifgerechten Bezahlung der benachteiligten Gruppe bei gleichzeitiger übertariflicher Bezahlung anderer Arbeitnehmer. Da es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot unerheblich ist, ob der unterschiedlichen Behandlung überhaupt vertragliche Verpflichtungen zugrunde liegen (Urteil vom 9. Februar 1982 - Garland - Slg., aaO), kann auch die Möglichkeit einer Beseitigung der Diskriminierung nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber aufgrund vertraglicher Verpflichtung oder ohne eine solche Bindung gehandelt hat.
Die Diskriminierung ist, solange für die betroffenen Arbeitnehmer nicht ein neues, diskriminierungsfreies Lohnsystem geschaffen ist, dadurch zu beseitigen, daß den Angehörigen der benachteiligten Gruppe die gleiche Vergütung gewährt wird wie denjenigen der - hier durch übertarifliche Bezahlung nach Lohngruppe 3 - begünstigten Gruppe (vgl. EuGH Urteil vom 27. Juni 1990 - Rs C 33/89 (Kowalska) - AP Nr. 21 zu Art. 119 EWG-Vertrag; Urteil vom 7. Februar 1991 - Rs C 184/89 (Nimz) - AP Nr. 25 zu § 23 a BAT; BAG Urteil vom 28. Juli 1992 - 3 AZR 173/92 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
c) Der hiergegen von der Beklagten erhobene Einwand, die Klägerinnen könnten keinen Anspruch auf Vergütung entsprechend der unzutreffenden Eingruppierung der männlichen Kommissionierer in Lohngruppe 3 haben, denn dies sei eine Gleichbehandlung im Unrecht, geht fehl. Die übertarifliche Bezahlung der männlichen Kommissionierer ist nämlich für sich allein kein Unrecht, sondern durchaus zulässig. Erst durch die gleichzeitige niedrigere Vergütung der Kommissioniererinnen hat die Beklagte gegen das gesetzliche Verbot des § 612 Abs. 3 BGB verstoßen. Dieser Gesetzesverstoß soll aber durch die Vergütung auch der Kommissioniererinnen nach Gruppe 3 gerade behoben werden.
6. Das Landesarbeitsgericht hat den Klägerinnen zu Recht nicht nur die begehrten Differenzbeträge zuerkannt, sondern auch festgestellt, daß die Klägerinnen zu 1), 2), 4) und 5) ab 1. Mai 1991 nach Lohngruppe 3 zu vergüten sind. Dieser Anspruch besteht, solange eine Bezahlung nach Lohngruppe 2 weiterhin eine gegen § 612 Abs. 3 BGB verstoßende Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellen würde (vgl. MünchArbR-Richardi, § 11 Rz 42). Ist dies nicht mehr der Fall, beispielsweise weil die bisherige übertarifliche Bezahlung männlicher Kommissionierer entfallen ist, so dürfte insoweit entsprechend § 323 ZPO eine Abänderungsklage in Betracht kommen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 50. Aufl., § 323 Anm. 5 B).
C. Soweit der Senat zur Auslegung von § 612 Abs. 3 BGB Gemeinschaftsrecht herangezogen hat, war ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 177 Abs. 3 EWG-Vertrag nicht erforderlich. Zwar besteht die Vorlagepflicht nach dieser Bestimmung nicht nur bei unmittelbarer Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften durch das letztinstanzliche nationale Gericht, sondern auch dann, wenn dieses Gericht Gemeinschaftsrecht auslegt, um nationales Recht gemeinschaftsrechtskonform anzuwenden (Everling, ZGR 1992, 376, 389; Steindorff, ZHR 156 (1992), 1, 3; jeweils m.w.N.). Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erübrigt sich aber, soweit der Gerichtshof über die in Frage stehende Auslegung bereits entschieden hat (EuGH Urteil vom 27. März 1963 - Rs 28 bis 30/62 (Da Costa) - Slg. 1963, 62, 81). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Soweit der Senat auf Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zurückgegriffen hat, hat er diese in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung herangezogen.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schaub Schneider Dr. Wißmann
Fieberg Kamm
Fundstellen
BAGE 71, 195-212 (LT1-4) |
BAGE, 195 |
BB 1992, 2001 |
BB 1993, 650 |
BB 1993, 650-652 (LT1-4) |
DB 1993, 737-740 (LT1-4) |
DStR 1992, 1819 (T) |
DStR 1993, 1113-1113 (K) |
NJW 1993, 3091 |
NJW 1993, 3091-3095 (LT1-4) |
BuW 1993, 272 (K) |
AiB 1993, 554-557 (LT1-4) |
EWiR 1993, 361 (L) |
NZA 1993, 891 |
NZA 1993, 891-896 (LT1-4) |
SAE 1993, 283-290 (LT1-4) |
WiR 1992, 476 (S) |
ZAP, EN-Nr 418/93 (S) |
ZAP, EN-Nr 982/92 (S1) |
ZTR 1993, 296-298 (LT1-4) |
AP § 612 BGB Diskriminierung (LT1-4), Nr 1 |
AR-Blattei, ES 800 Nr 92 (LT1-4) |
EuZW 1993, 771-775 (LT1-4) |
EzA § 612 BGB, Nr 16 (LT1-4) |
MDR 1993, 993 (S) |