Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch und Mutterschaftsurlaub
Orientierungssatz
Verfall des Urlaubsanspruchs nach § 10 Nr 8 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30.04.1980.
Normenkette
TVG § 1; MuSchG §§ 8a, 8d; BUrlG § 7 Abs. 4, 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 19.03.1985; Aktenzeichen 11 Sa 1914/84) |
ArbG Hamm (Entscheidung vom 16.10.1984; Aktenzeichen 1 Ca 903/84) |
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1970 bei der Beklagten als Maschinenarbeiterin beschäftigt.
Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 30. April 1980 (MTV) anzuwenden.
§ 10 Nr. 8 MTV lautet:
"Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach
Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er
erfolglos geltend gemacht wurde oder daß Urlaub
aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit
nicht genommen werden konnte."
Vom Oktober 1983 bis zum 30. Januar 1984 arbeitete die Klägerin wegen der Mutterschutzfristen nicht und nahm im Anschluß daran bis zum 4. Juni 1984 Mutterschaftsurlaub.
Die Beklagte hat sich geweigert, der Klägerin danach 20 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 1983 zu gewähren mit der Begründung, dieser Anspruch sei wegen Ablaufs des Übertragungszeitraums am 31. März 1984 erloschen.
Die Klägerin hat beantragt, ihr 20 Tage Resturlaub aus dem Jahre 1983 zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagziel weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Urlaubsanspruch nach § 10 Nr. 8 MTV erloschen ist. Nach dieser Tarifvorschrift erlischt der Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß er erfolglos geltend gemacht wurde oder daß der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht genommen werden konnte.
1. Die Klägerin hat den Urlaub erst nach dem 31. März 1984 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch bereits verfallen, so daß es auf die Weigerung der Beklagten, den Urlaub zu erteilen, nicht mehr ankommt.
2. Der Verfall des Urlaubsanspruchs ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin durch Krankheit daran gehindert gewesen wäre, den Urlaub zu nehmen.
Die Mutterschutzfrist der Klägerin endete am 30. Januar 1984. Zu diesem Zeitpunkt war sie unstreitig arbeitsfähig. Der Zeitraum bis zum 31. März 1984 hätte ausgereicht, den Urlaubsanspruch zu erfüllen.
Daran ändert nichts, daß die Klägerin im Anschluß an die Mutterschutzfrist den Mutterschaftsurlaub nach § 8 a MuSchG genommen hat. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 498/84 - AP Nr. 3 zu § 8 d MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) dargelegt, daß die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs nicht miteinander gleichgesetzt werden können. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub i. S. von § 8 a MuSchG geschieht im Unterschied zur Erkrankung aufgrund der Entscheidung des Arbeitnehmers. Daran ändert nichts, daß die Klägerin nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub im Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte, nachdem sie sich hierfür entschieden hatte.
3. Zu Unrecht rügt die Klägerin, das Landesarbeitsgericht hätte prüfen müssen, ob im Mutterschaftsurlaub ein betrieblicher Grund i. S. von § 10 Nr. 8 MTV gesehen werden könne. Das kommt schon deshalb nicht in Frage, weil "betrieblich" nur solche Gründe sein können, die einen Arbeitgeber berechtigen, die Erteilung des Urlaubs bis zum Verfall des Urlaubsanspruchs zu verweigern. Ein solcher Grund ist der Mutterschaftsurlaub nicht.
4. Eine Regelung über den Fortbestand des Urlaubsanspruchs, der wegen der Gewährung von Mutterschaftsurlaub nicht hat genommen werden können, ist auch in den Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub nicht enthalten. Aus § 8 d MuSchG muß das Gegenteil der von der Klägerin vertretenen Auffassung gefolgert werden: Diese Bestimmung, die eine Kürzungsmöglichkeit für den der Arbeitnehmerin zustehenden Urlaubsanspruch zum Inhalt hat, ist an § 4 ArbPlSchG orientiert (vgl. den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797). Während jedoch § 4 Abs. 2 ArbPlSchG eine Regelung über die Fortdauer von Urlaub enthält, der dem Wehrpflichtigen nicht oder nicht vollständig vor der Einberufung gewährt worden ist, fehlt eine solche Bestimmung in § 8 d MuSchG, so daß es bei der Befristung des Anspruchs nach § 10 Nr. 8 MTV zu verbleiben hat (vgl. hierzu auch BAGE 45, 155 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968).
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Wittendorfer Dr. Haible
Fundstellen