Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristetes Arbeitsverhältnis mit wissenschaftlichem Mitarbeiter

 

Orientierungssatz

Bestätigung der Senatsrechtsprechung zum Befristungsgrund nach § 57b Abs 2 Nr 3 2. Alternative HRG, zuletzt im Urteil vom 23. Februar 2000 - 7 AZR 825/98 - AP Nr 26 zu § 57b HRG.

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des

Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. April 1999 - 5 Sa 987/98 -

wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß das Arbeitsverhältnis

der Parteien auf Grund der Befristung vom 15. November 1995

zum 31. Juli 1997 nicht beendet ist.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1997.

Die Klägerin war bei dem beklagten Land seit 3. Juli 1989 als wissenschaftliche Mitarbeiterin aufgrund mehrfach befristeter Arbeitsverträge an der Universität Bielefeld beschäftigt. Nach einer Tätigkeit vom 3. Juli 1989 bis 15. Juli 1990 im Interdisziplinären Zentrum für Hochschuldidaktik im Rahmen von Drittmittelprojekten war die Klägerin vom 25. Februar 1991 bis zum 25. Oktober 1991 zur Vertretung für die Dauer des Mutterschutzes und des Erziehungsurlaubs einer Beschäftigten tätig. Anschließend war sie vom 2. Dezember 1991 bis zum 1. April 1993 in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschäftigt.

In der Zeit vom 13. Oktober 1994 bis zum 30. September 1995 vertrat die Klägerin eine beurlaubte Mitarbeiterin des Interdisziplinären Frauenforschungszentrums (IFF). Während dieser Zeit sammelte sie Erfahrungen in der Beantragung und Verwaltung von Drittmitteln. Bei dem IFF handelt es sich um eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bielefeld, die ua. Studierende und Wissenschaftlerinnen bei der Planung und Durchführung von Arbeitsvorhaben im Bereich der Frauenforschung unterstützen soll. Durch das Einwerben von Drittmitteln soll insbesondere jungen Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit geboten werden, sich ein eigenes Forschungsgebiet zu erschließen bzw. in dem eigenen Forschungsgebiet neue Erkenntnisse und Erfahrungen zu sammeln.

Am 15. November 1995 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag für die Zeit vom 16. Oktober 1995 bis 31. Juli 1997 nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG. In dem Vertrag haben die Parteien einzelvertraglich die Geltung des BAT vereinbart. In § 4 des Vertrags haben die Parteien zum Aufgabengebiet der Klägerin verwiesen auf ein Schreiben der geschäftsführenden Leiterin des IFF vom 13. Oktober 1995. Danach sollte die Klägerin ihre wissenschaftliche Kompetenz, ihre Projekterfahrung sowie ihre Kenntnisse im verwaltungstechnischen Bereich dazu nutzen, beratend und unterstützend bei der Beantragung und Durchführung von Forschungsvorhaben weniger erfahrener Mitarbeiterinnen tätig zu werden. Weiterhin sollte "die vorübergehende Einbringung ihrer besonderen Kenntnisse und Erfahrungen dazu dienen", ... "jüngere Mitarbeiterinnen von der Weitergabe der speziellen Qualifikation profitieren" zu lassen. Mit Vertrag vom 27. Februar 1996 haben die Parteien anstelle eines Teilzeitarbeitsverhältnisses ein Vollzeitarbeitsverhältnis vereinbart.

Mit ihrer am 24. Juni 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags geltend gemacht.

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien

über den 31. Juli 1997 hinaus fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG wirksam. Im übrigen sei die Klägerin auch zur Erbringung von Aufgaben von begrenzter Dauer befristet eingestellt worden. Sie habe an der Öffnung der IFF für jüngere Wissenschaftlerinnen mitwirken und das Einwerben von Drittmitteln anschieben und unterstützen sollen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit seiner Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Befristung im Arbeitsvertrag vom 15. November 1995 nicht wirksam zum 31. Juli 1997 beendet.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Nach der gebotenen Auslegung des Klageantrags handelt es sich um einen Feststellungsantrag nach § 1 Abs. 5 BeschFG.

II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß für den letzten der Befristungskontrolle unterliegenden Arbeitsvertrag der vereinbarte Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG nicht vorgelegen hat.

1. Gemäß § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG ist ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags eines wissenschaftlichen Mitarbeiters gegeben, wenn der Mitarbeiter besondere Kenntnisse und Erfahrungen vorübergehend in die Forschungsarbeit einbringen soll. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (zuletzt vom 23. Februar 2000 - 7 AZR 825/98 - AP HRG § 57 b Nr. 26) folgt aus den Gesetzesmaterialien sowie aus Sinn und Zweck der Norm, daß dieser Sachgrund den Personalaustausch zwischen der Hochschulforschung und der übrigen Forschung insbesondere in Industrie und Wirtschaft erleichtern soll. Damit soll erreicht werden, daß über die Mitwirkung bereits qualifizierter Mitarbeiter an wissenschaftlichen Projekten die Grundlagenforschung und die anwendungsbezogene Forschung entscheidende Impulse erfahren. Sinn der ersten Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG ist nach der st. Rspr. des Senats der Wissenschaftstransfer in Bereiche außerhalb des bisherigen Arbeitsbereichs der Hochschule nach entsprechendem Erwerb besonderer Kenntnisse und Erfahrungen. Demgegenüber setzt der Transfergedanke für die zweite Alternative des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 HRG voraus, daß der Mitarbeiter bereits außerhalb der Hochschule oder in einer anderen Hochschule, zumindest aber in einem anderen Arbeitsbereich der Hochschule besondere Kenntnisse und Erfahrungen gesammelt hat, die er im Rahmen seiner befristeten Beschäftigung in die Forschungsarbeit der Hochschule oder eines ihrer Arbeitsbereiche einbringen kann (BAG 6. November 1996 - 7 AZR 126/96 - BAGE 84, 278 = AP HRG § 57 b Nr. 11, zu 3 a der Gründe; BAG 4. Dezember 1996 - 7 AZR 205/96 - AP HRG § 57 b Nr. 12 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 10). Diesem Transfergedanken wird nicht bereits dadurch Rechnung getragen, daß besondere Kenntnisse überhaupt an Dritte weitergegeben werden. Vielmehr müssen diese Kenntnisse und Fertigkeiten von außen kommend in die Forschungsarbeit desjenigen Arbeitsbereichs einer Hochschule eingebracht werden, in dem der wissenschaftliche Mitarbeiter künftig tätig werden soll.

2. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes ist § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG keine generelle Befristungsnorm für die Zeitverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Forschungsbereichen der Hochschulen. Die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Hinweis darauf, daß mit § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG ein funktionsbezogener Sachgrund für die Befristung der Arbeitsverträge wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschungsbereichen geregelt werden sollte. Der Wortlaut der Norm und die Systematik der in § 57 b Abs. 2 und Abs. 3 HRG geregelten Sachgründe belegen das Gegenteil. Zwar wollte der Gesetzgeber mit den Vorschriften der §§ 57 a ff. HRG gegenüber den zu § 620 BGB entwickelten Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle für die Arbeitsverträge der wissenschaftlicher Mitarbeiter Befristungserleichterungen schaffen. Dazu hat er für diesen Personenkreis nicht wie in § 48 HRG für Assistenten bzw. § 48 a HRG für Oberassistenten einen funktionsbezogenen Sachgrund geregelt, sondern sich in § 57 b Abs. 2 und Abs. 3 HRG auf eine abschließende Normierung hochschulspezifischer Sachgründe beschränkt.

3. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG nicht gegeben. Die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten, die von der Klägerin in die Arbeit des IFF eingebracht werden sollten, hatte sie ausschließlich in dieser Einrichtung erworben. Der von § 57 b Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative HRG vorausgesetzte Wissenschaftstransfer konnte deshalb bei Vertragsschluß nicht vorliegen.

III. Das Landesarbeitsgericht hat zudem frei von Rechtsfehlern angenommen, daß die Befristungsvereinbarung auch nicht aus anderen Gründen wirksam ist. Danach ist das beklagte Land bereits aus tariflichen Gründen gehindert, sich auf den Befristungsgrund der Nr. 1 b SR 2y BAT zu berufen. Unabhängig davon ist sein Vorbringen zum Vorliegen von Aufgaben von begrenzter Dauer auch völlig substanzlos.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dörner Schmidt Linsenmaier

Niehues Dr. Zachert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611058

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