Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung eines Arbeitsvertrages und Lohnfortzahlung
Leitsatz (redaktionell)
Für den Abschluß eines auf vier Wochen befristeten Arbeitsvertrages (§ 1 Abs 3 Nr 1 Satz 1 LFZG) bedarf es auch nach Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26. April 1985 (BGBl I S 710) eines sachlichen Grundes, wenn der Arbeitgeber von der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle entgegen der Grundregel des § 1 Abs 1 Satz 1 LFZG befreit sein soll (Bestätigung von BAG 11.12. 1985 5 AZR 135/85 = BAGE 50, 292 = AP Nr 65 zu § 1 LohnFG).
Normenkette
BGB § 620; ZPO § 565a; BeschFArbRG § 1; LFZG § 6 Abs. 1-2; ZPO § 561 Abs. 2; SGB X § 115 Abs. 1; LFZG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 S. 1; BeschFG 1985 Art. 1 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Lohnfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) schuldet.
Der bei der Klägerin gegen Krankheit versicherte Heizungsmonteur L G (im folgenden: der Versicherte) und die Beklagte schlossen am 18. Juni 1985 einen Arbeitsvertrag, wonach der Versicherte als Heizungsmonteur eingestellt wurde. Unter I. des Vertrages heißt es: "Das Arbeitsverhältnis beginnt am 18.6.1985 und ist vorerst befristet bis zum 15.7.1985". Der Versicherte war in der Zeit vom 12. bis zum 31. Juli 1985 arbeitsunfähig krank. Da die Beklagte ihm den Lohn nicht fortzahlte, gewährte ihm die Klägerin Krankengeld in Höhe von 1.145,40 DM. Wegen dieses Betrages nimmt die Klägerin die Beklagte mit ihrer Klage in Anspruch.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte sei unabhängig von dem Ende des Arbeitsverhältnisses zur Lohnfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen verpflichtet, da ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses des Versicherten nicht bestanden habe. Außerdem ergebe sich durch das Wort "vorerst" im Arbeitsvertrag, daß das Arbeitsverhältnis nicht endgültig auf vier Wochen befristet abgeschlossen worden sei; auch aus diesem Grunde könne sich die Beklagte nicht auf die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG berufen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.145,40 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1985 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, bei dem mit dem Versicherten begründeten Vertragsverhältnis habe es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG gehandelt. Durch Erholungsurlaub eines Mitarbeiters und durch Krankheit anderer Mitarbeiter sei im Betrieb ein unvorhergesehener Engpaß entstanden. Der Versicherte sei deswegen aushilfsweise zur Einhaltung von Terminen für ein bestimmtes Bauvorhaben eingestellt worden. Daneben sei ein Bedarf für die befristete Einstellung auch dadurch entstanden, daß die Belegschaft von 50 auf 17 Mitarbeiter verringert worden sei. Wegen eines plötzlichen Auftragseingangs hätten Aushilfskräfte eingestellt werden müssen. Im übrigen könne es auf den Grund für die Einstellung des Versicherten nicht ankommen, da nach § 1 Abs. 1 BeschFG befristete Arbeitsverhältnisse bis zur Dauer von 18 Monaten ohne Einschränkung abgeschlossen werden könnten.
Schließlich hat die Beklagte geltend gemacht, der verlangte Betrag sei nicht fällig, da der Versicherte die behauptete Arbeitsunfähigkeit nicht ordnungsgemäß nachgewiesen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht der verlangte Betrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG in Verbindung mit § 115 Abs. 1 SGB X zu.
I.1. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte und der Versicherte hätten durch Vertrag ein auf vier Wochen befristetes Arbeitsverhältnis begründet. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO), weil Verfahrensrügen hiergegen nicht erhoben worden sind und die Vertragsauslegung durch das Landesarbeitsgericht revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat weiter festgestellt, daß der Versicherte ausweislich ärztlicher Bescheinigungen in der Zeit vom 12. bis zum 31. Juli 1985 arbeitsunfähig krank gewesen ist. An diese Feststellung ist der Senat ebenfalls mangels einer durchgreifenden Verfahrensrüge gebunden (§ 561 Abs. 2 ZPO). Damit entfällt das von der Beklagten erhobene Leistungsverweigerungsrecht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 LohnFG), das sie auf die Behauptung gestützt hat, der Versicherte habe seine Krankheit nicht ordnungsgemäß nachgewiesen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe einen sachlichen Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses gerade für die Dauer vom 18. Juni bis zum 15. Juli 1985 nicht schlüssig vorgetragen. In erster Instanz habe sie sich darauf berufen, mehrere Mitarbeiter seien urlaubsbedingt und krankheitsbedingt nicht im Betrieb gewesen, während auf einer bestimmten Baustelle Terminarbeiten hätten durchgeführt werden müssen; in der Berufungsinstanz habe sie dagegen behauptet, ihren Mitarbeiterbestand in letzter Zeit von 50 auf 17 Arbeitnehmer gesenkt zu haben und deswegen bei einem plötzlichen Anstieg der Aufträge gezwungen gewesen zu sein, Aushilfskräfte einzustellen. Abgesehen von der Widersprüchlichkeit dieses Vorbringens ergebe sich daraus aber auch nicht, aus welchen konkreten betrieblichen Begebenheiten es gerade am 18. Juni 1985 notwendig gewesen sei, den Versicherten nur für vier Wochen einzustellen. Von einem Aushilfsbedürfnis als sachlichem Grund für die auf vier Wochen befristete Dauer des mit dem Versicherten abgeschlossenen Arbeitsvertrages könne daher nicht ausgegangen werden.
Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit in ihr die tatsächliche Feststellung enthalten ist, für die befristete Einstellung des Versicherten habe ein sachlicher Grund nicht vorgelegen, ist der Senat hieran gemäß § 561 Abs. 2 ZPO gebunden.
4. Der Senat hat die von der Beklagten erhobenen Verfahrensrügen geprüft, sie jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 565 a Satz 1 ZPO Abstand genommen.
II.1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei zur Lohnfortzahlung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG verpflichtet; sie könne sich nicht auf die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG berufen, weil sie von der dort eingeräumten rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit der Befristung auf vier Wochen wegen des Fehlens eines sachlichen Grundes für die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Versicherten in objektiv funktionswidriger Weise Gebrauch gemacht habe. Zur Begründung hat sich das Landesarbeitsgericht auf das Urteil des Senats vom 11. Dezember 1985 (BAGE 50, 292 = AP Nr. 65 zu § 1 LohnFG) berufen und ergänzend ausgeführt, auch nach Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes sei ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf vier Wochen zu verlangen, wenn der Arbeitgeber von der Lohnfortzahlungspflicht befreit werden solle. Das Beschäftigungsförderungsgesetz bezwecke in erster Linie einen Abbau der Hemmnisse, die den Arbeitgeber angesichts der Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen bisher vom Abschluß längerfristiger Zeitverträge abgehalten hätten; dagegen sei es nicht sein Sinn und Zweck, den Arbeitgeber für eine Übergangszeit von der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung dadurch zu befreien, daß es ihm erlaube, jedes neu begründete Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund auf vier Wochen befristet abzuschließen.
Dem ist beizupflichten.
2. In seiner Entscheidung vom 11. Dezember 1985 hat der Senat mit näherer Begründung ausgeführt, auf die Rechtsbeziehungen der Arbeitsvertragsparteien sei dann, wenn von der in § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG angesprochenen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeit, der Begründung eines Arbeitsverhältnisses für höchstens vier Wochen, in objektiv funktionswidriger Weise Gebrauch gemacht werde, weil ein sachlicher Grund für die Befristung fehle, die umgangene Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 LohnFG - die Grundregel der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle - anzuwenden (vgl. BAGE 50, 292, 295, 296 = AP Nr. 65 aaO, zu I 2 b und c der Gründe). Dabei hat der Senat ausdrücklich betont, dies führe nicht zu einem besonderen Bestandsschutz, etwa in der Art, daß das Arbeitsverhältnis nunmehr als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelte. Vielmehr bleibt die ursprünglich vereinbarte Befristung des Arbeitsverhältnisses als solche aufrechterhalten, während andererseits der Arbeitgeber den Lohn fortzahlen muß, wie wenn ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vereinbart worden wäre (vgl. BAGE 50, 292, 296, 297 = AP Nr. 65 aaO, zu I 3 der Gründe).
3. An dieser Rechtslage hat sich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, durch das am 1. Mai 1985 in Kraft getretene Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung vom 26. April 1985 (Beschäftigungsförderungsgesetz, BGBl. I S. 710) nichts geändert. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BeschFG ist es vom 1. Mai 1985 bis zum 1. Januar 1990 zulässig, die einmalige Befristung des Arbeitsvertrages bis zur Dauer von 18 Monaten zu vereinbaren, wenn der Arbeitnehmer neu eingestellt wird. Das Gesetz will mit dieser Bestimmung - ebenso wie mit den anderen Regelungen des § 1 - für eine Übergangszeit den Abschluß befristeter Arbeitsverträge dadurch erleichtern, daß es den Eintritt eines kündigungsrechtlichen Bestandsschutzes hinausschiebt. Damit verfolgt es das arbeitsmarktpolitische Ziel, die seit längerem schwierige Beschäftigungslage zu verbessern und zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten zu eröffnen (BT-Drucks. 10/2102 S. 14, 15, 16, 24). Zwar hat das Beschäftigungsförderungsgesetz auch zu Änderungen des Lohnfortzahlungsgesetzes geführt, diese betreffen sachlich jedoch nur die Erweiterung des Ausgleichsverfahrens (vgl. Art. 6 BeschFG 1985); die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG ist dagegen unverändert geblieben.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BeschFG und § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG verfolgen unterschiedliche Regelungsziele. Die rein lohnfortzahlungsrechtliche Regelung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 LohnFG liegt außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 1 Nr. 1 BeschFG. Die bisherige Rechtslage hat sich daher durch das Inkrafttreten des Beschäftigungsförderungsgesetzes ebensowenig geändert wie bei den sondergesetzlichen Befristungsregelungen oder den tariflichen Befristungsnormen (vgl. Friedhofen/Weber, BeschFG 1985, NZA 1985, 337, 338). Es besteht daher kein Anlaß, von der Entscheidung des Senats vom 11. Dezember 1985 abzugehen (zustimmend zu der Entscheidung Schüren, SAE 1987, 237; vgl. weiter Löwisch, RdA 1987, 97 Fußn. 4 m.w.N.; ferner Corts, BB 1986, 1363).
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Fischer Arntzen
Fundstellen
Haufe-Index 439937 |
BB 1988, 979-980 (LT1) |
DB 1988, 1118-1118 (LT1) |
SteuerBriefe 1988, 241 (S1) |
AiB 1988, 223-224 (LT1) |
BetrR 1989, 126-128 (LT1) |
ARST 1988, 84-85 (LT1) |
DOK 1988, 688 (K) |
EEK, I/922 (ST1-2) |
JR 1988, 352 |
NZA 1988, 464-464 (LT1) |
RdA 1988, 190 |
SKrV 1989, Nr 6, 13 (K) |
USK, 8801 (ST) |
AP § 1 LohnFG (LT1), Nr 75 |
AR-Blattei, ES 1000.3.1 Nr 142 (LT1) |
AR-Blattei, Krankheit IIIA Entsch 142 (LT1) |
ErsK 1990, 250-251 (T) |
EzA § 1 LohnFG, Nr 90 (LT1) |
SVFAng Nr 51, 15 (K) |