Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenkündigungsschutz. Unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber, der eine außerordentliche Kündigung gegenüber seinem Arbeitnehmer beabsichtigt, von einem Antrag des Arbeitnehmers auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft Kenntnis erlangt und kündigt er daher nicht innerhalb der Frist des § 626 Abs 2 BGB, sondern beantragt innerhalb der Frist des § 18 Abs 2 SchwbG Fassung 1979-10-08 die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, so darf sich der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben auch dann nicht die Versäumung der Frist des § 626 Abs 2 BGB berufen, wenn er tatsächlich nicht schwerbehindert war und es deshalb der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nicht bedurfte.
Normenkette
BGB §§ 242, 626 Abs. 2; SchwbG § 18 Fassung 1979-10-08
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 23.08.1985; Aktenzeichen 4 Sa 594/85) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 29.03.1985; Aktenzeichen 1 Ca 9333/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 18. Oktober 1984.
Die im Jahre 1934 geborene Klägerin war seit dem 1. Oktober 1970 beim beklagten Land im Bereich des Polizeipräsidiums K als Angestellte beschäftigt und zuletzt in die VergGr. V c BAT eingruppiert. Etwa seit dem Jahre 1982 ist sie um 30 % in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Im August 1984 beantragte sie ihre Anerkennung als Schwerbehinderte. Über diesen Antrag ist noch nicht rechtskräftig entschieden worden.
Schon kurze Zeit nach der Einstellung der Klägerin war es zu Problemen in der Zusammenarbeit zwischen der Klägerin und anderen Bediensteten der Dienststelle gekommen. Die Klägerin wurde deshalb mehrfach innerhalb des Polizeipräsidiums in andere Abteilungen versetzt. Am 3. September 1984 berichtete die Vorgesetzte der Klägerin, Frau F, dem beklagten Land, die Klägerin habe gegenüber anderen Bediensteten bestimmte Äußerungen getan, durch die sie - Frau F - verleumdet und beleidigt worden sei. Nachdem die Klägerin, die sich vom 27. August bis zum 21. September 1984 in Urlaub befand, zu diesen Vorwürfen am 24. September 1984 Stellung genommen und das beklagte Land am 25. September 1984 weitere Ermittlungen angestellt hatte, schloß das beklagte Land am 26. September 1984 die Ermittlungen ab. Am 28. September 1984 hörte es den Personalrat zu einer gegenüber der Klägerin beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an.
Erst durch die Stellungnahme des Personalrats vom 2. Oktober 1984, die beim Leiter der Dienststelle am 3. Oktober 1984 einging, erfuhr das beklagte Land von dem Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Schwerbehinderte. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1984, das am 5. Oktober 1984 bei der Hauptfürsorgestelle einging, beantragte das beklagte Land daraufhin die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur fristlosen Kündigung gegenüber der Klägerin. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1984, der am 15. Oktober 1984 zur Post gegeben wurde und beim Polizeipräsidenten in K am 16. Oktober 1984 einging, verweigerte die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung. Die hiergegen gerichtete Klage des beklagten Landes ist noch beim Verwaltungsgericht anhängig.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1984 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 54 Abs. 1 BAT außerordentlich unter Einräumung einer Auslauffrist zum 15. November 1984.
Die Klägerin hält die Kündigung für rechtsunwirksam und hat beantragt
festzustellen, daß das Dienstverhältnis zwischen
den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung
des Beklagten vom 18. Oktober 1984 aufgelöst worden
ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat im wesentlichen geltend gemacht, aufgrund des Verhaltens der Klägerin sei ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Die Klägerin habe die Äußerungen, über die Frau F berichtet habe, tatsächlich getan; diese Äußerungen seien unwahr. Die Äußerungen seien lediglich der letzte Höhepunkt einer sich seit der Einstellung der Klägerin abzeichnenden Entwicklung, daß die Klägerin zur Friedfertigkeit gegenüber Kollegen und Vorgesetzten nicht bereit oder nicht in der Lage sei; hierwegen sei die Klägerin wiederholt abgemahnt worden. Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle liege vor. Denn weil der ablehnende Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 12. Oktober 1984 erst am 16. Oktober 1984 und damit nach Ablauf der gesetzlichen Zehn-Tage-Frist beim Polizeipräsidenten eingegangen sei, gelte die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle als erteilt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgeführt, die Kündigung sei ohne Rücksicht darauf unwirksam, ob die Klägerin schwerbehindert sei; denn sei sie schwerbehindert, fehle es an der erforderlichen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, sei sie es dagegen nicht, habe das beklagte Land die Frist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. des gleichlautenden § 54 Abs. 2 BAT versäumt. Mit der gleichen Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Denn die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die außerordentliche Kündigung vom 18. Oktober 1984 sei unwirksam, ist nur für den Fall rechtsfehlerfrei, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Schwerbehinderte im Sinne des § 1 SchwbG 1979 (Schwerbehindertengesetz im folgenden noch in der Paragraphenfolge der für den Entscheidungsfall geltenden Fassung vom 8. Oktober 1979, BGBl. I S. 1649) war. Dies hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht festgestellt, sondern ausdrücklich offengelassen. War die Klägerin dagegen, was nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mithin möglich ist, nicht schwerbehindert, so ist die Kündigung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht wegen Versäumung der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. des § 54 Abs. 2 BAT unwirksam.
I. War die Klägerin im Zeitpunkt der Kündigungserklärung Schwerbehinderte im Sinne des § 1 SchwbG, so ist die Kündigung gemäß § 18 Abs. 1 SchwbG in Verbindung mit § 12 SchwbG, § 134 BGB unwirksam, weil sie dann der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedurfte und diese Zustimmung nicht vorlag.
1. Gemäß § 12 SchwbG bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle; gemäß § 18 Abs. 1 SchwbG gilt dies auch für eine außerordentliche Kündigung. Voraussetzung für das Eingreifen dieses besonderen Kündigungsschutzes ist nicht, daß die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gemäß § 3 SchwbG bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung erfolgt war, sondern lediglich, daß
a) die Schwerbehinderteneigenschaft gemäß § 1 SchwbG im Zeitpunkt der Kündigungserklärung objektiv vorlag (mag diese Feststellung gemäß § 3 SchwbG auch erst später erfolgen, sofern sie mit Rückwirkung zumindestens auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung erfolgt; vgl. z.B. BAG Urteil vom 23. Februar 1978 - 2 AZR 214/77 - AP Nr. 4 zu § 12 SchwbG; Wilrodt/ Neumann, SchwbG, 6. Aufl., § 1 Rz 11 ff., § 3 Rz 38 ff., insbesondere 42),
b) der Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bereits vor Ausspruch der Kündigungserklärung gestellt war (BAG Urteil vom 19. April 1979 - 2 AZR 469/78 - AP Nr. 5 zu § 12 SchwbG) und
c) dieser Antrag dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung bekannt ist oder vom Schwerbehinderten spätestens innerhalb einer Regelfrist von einem Monat nach Zugang der Kündigung dem Arbeitgeber mitgeteilt wird (BAGE 30, 141 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; für die außerordentliche Kündigung BAGE 39, 59 = AP Nr. 4 zu § 18 SchwbG).
Da die Voraussetzungen b) und c) unstreitig vorliegen (das beklagte Land erfuhr am 3. Oktober 1984 von der im August 1984 erfolgten Antragstellung), war mithin die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erforderlich, wenn das anhängige Feststellungsverfahren nach § 3 SchwbG dazu führen sollte, daß eine Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin zumindest ab 18. Oktober 1984 festgestellt wird.
2. An dieser Zustimmung der Hauptfürsorgestelle fehlt es. Bisher ist sie nicht erteilt worden; eine etwaige zukünftige Erteilung (insbesondere aufgrund des anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) wäre für die Wirksamkeit der hier streitbefangenen Kündigung vom 18. Oktober 1984 unerheblich, weil die §§ 18, 12 Abs. 1 SchwbG die "vorherige" Zustimmung verlangen.
a) Die Hauptfürsorgestelle hat durch Bescheid vom 12. Oktober 1984 die Erteilung der Zustimmung ausdrücklich verweigert. Auch greift die Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG nicht ein, wie das Landesarbeitsgericht im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 44, 22 = AP Nr. 6 zu § 18 SchwbG) zutreffend ausgeführt hat. Nach dieser Rechtsprechung, an der der erkennende Senat festhält, greift die Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG nicht ein, wenn die den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ablehnende Entscheidung der Hauptfürsorgestelle innerhalb der Zehn-Tage-Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG den Machtbereich der Hauptfürsorgestelle verlassen hat. Dies ist hier der Fall, denn die Ablehnung des am 5. Oktober 1984 bei der Hauptfürsorgestelle eingegangenen Zustimmungsantrags wurde am 15. Oktober 1984 und damit am letzten Tag der Zehn-Tage-Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG zur Post gegeben.
b) Die Erteilung der erforderlichen "vorherigen" Zustimmung zur Kündigung vom 18. Oktober 1984 ist nicht mehr möglich. Selbst wenn das beklagte Land im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegen sollte, könnte dies nur bedeuten, daß der ablehnende Bescheid der Hauptfürsorgestelle aufgehoben und die Hauptfürsorgestelle zur erneuten Entscheidung über den Zustimmungsantrag oder allenfalls zur Erteilung der Zustimmung verpflichtet wird. Diese Zustimmung beseitigt dann die Kündigungssperre für eine neu auszusprechende Kündigung, nicht aber kann sie die Unwirksamkeit der Kündigung vom 18. Oktober 1984 heilen (vgl. dazu z.B. Wilrodt/Neumann, aaO, § 12 Rz 83).
II. War die Klägerin dagegen im Zeitpunkt der Kündigung vom 18. Oktober 1984 nicht schwerbehindert, d.h. kommt es nicht zu einer rückwirkenden Feststellung einer Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin zumindest auf diesen Zeitpunkt, so greift der besondere Kündigungsschutz der §§ 12 ff. SchwbG und damit § 18 SchwbG nicht ein. In diesem Falle gilt für die Kündigungserklärung die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. der gleichlautenden Vorschrift des § 54 Abs. 2 BAT, die beginnt, sobald der Kündigungsberechtigte von den für die außerordentliche Kündigung maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt. Diese Frist war beim Zugang der hier streitbefangenen Kündigung am 18. Oktober 1984 bereits verstrichen; denn das beklagte Land hatte spätestens seit dem Abschluß seiner Ermittlungen am 26. September 1984 Kenntnis von dem Kündigungssachverhalt. Trotzdem könnte die Kündigung nicht an der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB scheitern. Denn die Klägerin kann sich auf den Ablauf der Ausschlußfrist nicht berufen, weil sie sich sonst in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen und dadurch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde.
Die Klägerin hatte im August 1984 beim Versorgungsamt einen Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderte gestellt. Dies hatte sie dem Personalrat zur Kenntnis gebracht, von dem es wiederum der Dienststellenleiter erfuhr. Damit hat die Klägerin für sich den gesetzlichen Schwerbehindertenschutz in Anspruch genommen und zugleich die Voraussetzungen geschaffen, um sich im Falle der beantragten Feststellung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft den besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte zu erhalten, der dem Schwerbehinderten grundsätzlich nur zugute kommt, wenn seine Schwerbehinderteneigenschaft im Zeitpunkt der Kündigung entweder bereits gemäß § 3 SchwbG festgestellt war oder doch wenigstens ein entsprechender Antrag beim Versorgungsamt gestellt war (BAGE 30, 141 = AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; BAGE 39, 59 = AP Nr. 4 zu § 18 SchwbG). Durch die Geltendmachung ihrer Schwerbehinderteneigenschaft hat die Klägerin selbst das beklagte Land veranlaßt, die vorgesehene außerordentliche Kündigung nicht noch innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu erklären, sondern zunächst den für die außerordentliche Kündigung Schwerbehinderter durch § 18 SchwbG vorgeschriebenen Weg zu gehen und innerhalb der der Frist des § 626 Abs. 2 BGB entsprechenden zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 18 Abs. 2 SchwbG die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu der beabsichtigten Kündigung zu beantragen. Das muß die Klägerin gegen sich gelten lassen, auch wenn sich im Laufe des von ihr eingeleiteten behördlichen Feststellungsverfahrens herausstellen sollte, daß sie die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Schwerbehinderte nicht erfüllt. Es wäre mit Treu und Glauben unvereinbar, wenn sie nunmehr dem beklagten Land entgegenhalten würde, der von ihr zunächst beanspruchte besondere gesetzliche Schwerbehindertenschutz, dem das beklagte Land bei der von ihm beabsichtigten Kündigung Rechnung getragen hat, habe ihr in Wahrheit gar nicht zugestanden, so daß die Kündigung ohne die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle und deshalb innerhalb der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB hätte ausgesprochen werden können.
Dem Vorwurf eines Verstoßes gegen Treu und Glauben könnte die Klägerin nicht mit dem Hinweis darauf begegnen, das beklagte Land hätte wegen ihrer noch nicht festgestellten und deshalb ungewissen Schwerbehinderteneigenschaft vorsorglich doppelspurig vorgehen und innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist sowohl die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle beantragen als auch ohne deren Zustimmung die Kündigung aussprechen können. Ein solches doppelspuriges Vorgehen ist dem Arbeitgeber bei Ungewißheit über die Schwerbehinderteneigenschaft des zu kündigenden Arbeitnehmers auch unter Berücksichtigung der Interessen des betroffenen Arbeitnehmers nicht zumutbar. Durch eine Kündigung ohne Zustimmung der Hauptfürsorgestelle innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB würde der Arbeitnehmer gezwungen, zur Wahrung der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage zu erheben, und der Arbeitgeber müßte nunmehr in zwei Verfahren die Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreiben, wobei von vornherein feststünde, daß er jedenfalls in einem dieser Verfahren unterliegen müßte. Auch der Arbeitnehmer müßte sich in zwei Verfahren gegen den Verlust seines Arbeitsplatzes zur Wehr setzen, ohne daß die Verfahrensverdoppelung und die damit auch ihn treffende doppelte Belastung seinen Interessen nachhaltig zugute käme. Das durch § 626 Abs. 2 BGB geschützte Interesse des Arbeitnehmers an alsbaldiger Klarstellung, ob der Arbeitgeber einen bestimmten Sachverhalt zum Anlaß einer außerordentlichen Kündigung nehmen will, ist bereits dadurch hinreichend gewahrt, daß der Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bei der Hauptfürsorgestelle den Antrag auf Zustimmung zu der von ihm beabsichtigten außerordentlichen Kündigung stellt. Die Hauptfürsorgestelle ist gehalten, den Arbeitnehmer zu dem Antrag zu hören (§ 18 Abs. 1 in Verb. mit § 14 Abs. 2 SchwbG) und innerhalb von zehn Tagen nach Eingang des Antrages ihre Entscheidung zu treffen (§ 18 Abs. 3 SchwbG). Damit ist sichergestellt, daß auch bei diesem Verfahren der Arbeitnehmer spätestens wenige Tage nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist seit Kenntnis des Arbeitgebers vom Kündigungssachverhalt von dem Kündigungsentschluß des Arbeitgebers erfährt. Diese geringfügig spätere Kenntniserlangung von dem Kündigungsentschluß des Arbeitgebers mutet der Gesetzgeber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer zu, weil sie seine Interessen nicht wesentlich berührt. Sie ist auch demjenigen Arbeitnehmer zuzumuten, der, ohne Schwerbehinderter zu sein, durch Stellung eines entsprechenden Antrages beim Versorgungsamt den gesetzlichen Schwerbehindertenschutz für sich in Anspruch nimmt und damit den Arbeitgeber auf den vom Schwerbehindertengesetz vorgeschriebenen Weg für eine Kündigung verweist.
III. Hiernach kann die streitbefangene außerordentliche Kündigung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht an der Versäumung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB scheitern, wenn die Klägerin zur Zeit des Zugangs der Kündigung nicht schwerbehindert gewesen sein sollte. In diesem Falle käme es darauf an, ob ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB bzw. von § 54 Abs. 1 BAT gegeben ist. Da es hierzu an entsprechenden Tatsachenfeststellungen fehlt, muß die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Der ehrenamtliche Richter Bea
Gossen ist inzwischen
ausgeschieden.
Dr.Seidensticker
Fundstellen
DB 1988, 763-764 (LT) |
ARST 1988, 41-42 (LT) |
DOK 1988, 539-540 (K) |
JR 1988, 176 |
NZA 1988, 429-431 (LT1) |
RdA 1988, 56 |
RzK, IV 8c Nr 10 (LT1) |
USK, 8792 (ST1) |
AP § 626 BGB Ausschlußfrist (LT1), Nr 26 |
DÖD 1988, 41-43 |
DÖD 1988, 41-43 (LT) |
EzA § 636 BGB Ausschlußfrist, Nr 1 (LT1) |
EzBAT § 54 BAT Schwerbehinderte, Nr 8 (LT1) |
PersV 1991, 189 (K) |
ZfSH/SGB 1988, 204-204 |