Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Arbeit an Sonntagen
Leitsatz (redaktionell)
Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 16 Nr. 2)
Normenkette
BAT § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 S. 2, § 15 Abs. 6 Unterabs. 3, § 35 Abs. 1 Buchst. b, § 2 S. 1 Buchst. v
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 29. Januar 2003 – 7 (8) Sa 711/02 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit.
Der Kläger ist bei der Flughafenfeuerwehr der Beklagten derzeit als Hauptbrandmeister beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des BAT. Nach § 2 Satz 1 Buchst. v BAT gilt für Angestellte in Flughafenbetrieben dieser Tarifvertrag mit den Sonderregelungen der Anlage 2. Die Anlage SR 2 v zum BAT lautet auszugsweise wie folgt:
„Sonderregelungen für Angestellte in Flughafenbetrieben
(SR 2v BAT)
Nr. 1. Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte in Flughafenbetrieben.
Nr. 2. Zu Abschnitt IV – Arbeitszeit –
Durch betriebliche Regelung kann die für Arbeiter im Feuerwehr- und Sanitätsdienst geltende Arbeitszeitregelung auf Angestellte im Feuerwehrund Sanitätsdienst sinngemäß übertragen werden.
Nr. 3. Zu § 15 Abs. 6 – Regelmäßige Arbeitszeit –
Die an einem Sonntag zu leistenden dienstplanmäßigen Arbeitsstunden werden im Rahmen des Dienst-(Schicht-)planes durch entsprechende zusammenhängende Freizeit ausgeglichen.
…”
Bei der Dienstplangestaltung für die Flughafenfeuerwehr orientiert sich die Beklagte an § 6 der Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d BMT-G für Arbeiter in Flughafenbetrieben (Anlage 4 zum BMT-G) mit folgender Arbeitszeitregelung:
„III. Feuerwehr- und Sanitätspersonal
§ 6
(1) Die dienstliche Beanspruchung des Feuerwehrund Sanitätspersonals beträgt bis zu 336 Stunden im Monatsdurchschnitt. Nach einer Dienstschicht von 24 Stunden ist eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden zu gewähren.
(2) Die Dienstschicht umfaßt die reine Arbeitszeit, etwaige Arbeitsbereitschaft und die Pausen. Die Arbeitszeit beträgt durchschnittlich 167,40 Stunden monatlich. Innerhalb der Dienstschicht ist eine zusammenhängende Ruhezeit am Arbeitsplatz von mindestens acht Stunden zu gewähren. Protokollerklärung zu Absatz 1 Satz 1:
Die Stundengrenze von 336 Stunden ist mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Dienstplangestaltung unverändert geblieben. Die Arbeitszeitverkürzungen ab 1. Januar 1969, 1. Januar 1971, 1. Oktober 1974, 1. April 1989 und 1. April 1990 sollen im Jahresdurchschnitt durch entsprechende Schichteinteilung berücksichtigt werden.
…”
Der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossene Tarifvertrag für das Feuerwehrpersonal der Beklagten vom 28. Januar 1975 enthält ua. folgende Bestimmungen:
„§ 1
1) Die dienstliche Beanspruchung des Feuerwehrpersonals beträgt bis zu 310 Stunden im Monatsdurchschnitt. Nach einer Dienstschicht von 24 Stunden ist eine ununterbrochene Ruhezeit von 24 Stunden zu gewähren.
2) Durch betriebliche Regelung wird die planmäßige Dienstschicht auf 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Arbeitsbereitschaft und 8 Stunden zusammenhängende Ruhezeit an der Arbeitsstelle aufgeteilt.”
Nach dem Dienstplanschema der Beklagten wird das Feuerwehrpersonal in Dienstschichten von 24 Stunden eingesetzt, die sich jeweils aus acht Stunden reine Arbeitszeit, acht Stunden Arbeitsbereitschaft und acht Stunden Ruhezeit zusammensetzen. Im Anschluss an jede Dienstschicht von 24 Stunden wird eine Ruhezeit von 24 Stunden gewährt. Den tariflichen Arbeitszeitverkürzungen trägt die Beklagte gemäß der Protokollnotiz zu § 6 Abs. 1 Satz 1 der oben genannten Sondervereinbarung dadurch Rechnung, dass sie – im Hinblick auf die maximal an jedem zweiten Kalendertag mögliche Dienstplaneinteilung – 38 Freischichten im Jahr festlegt. Außerdem werden besondere Freischichten für geleistete Arbeit an Wochenfeiertagen gewährt.
Der Kläger leistete im ersten Halbjahr 2001 an insgesamt acht Sonntagen Sonntagsarbeit. Er ist der Ansicht, ihm sei für die an den Sonntagen geleisteten Dienstschichten an einem anderen Werktag, an dem sonst Arbeit zu leisten wäre, eine Freischicht zu gewähren.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- ihm einen Freizeitausgleich von acht Tagen für seine an folgenden Tagen geleistete Sonntagsarbeit zu gewähren: 14. Januar, 11. Februar, 25. Februar, 25. März, 8. April, 6. Mai, 20. Mai sowie 17. Juni 2001,
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm zusätzlich zu den 24-stündigen Ruhezeiten einen Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit zu gewähren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Die Klage ist zulässig. Die Anträge bedürfen allerdings der Auslegung. Ihr Wortlaut lässt nicht erkennen, ob der Kläger eine bezahlte oder eine unbezahlte Freistellung erstrebt. Aus der Klagebegründung und seinem weiteren Vorbringen wird jedoch deutlich, dass es ihm darum geht, für seine an einem Sonntag geleistete Arbeit eine Freistellung an solchen Tagen zu erlangen, an denen er nach dem Dienstplan zu arbeiten hätte. Mithin verlangt er eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder nach der Sonderregelung Nr. 3 SR 2 v BAT (zu § 15 Abs. 6 BAT) noch auf Grund sonstiger Rechtsnormen einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich für die von ihm dienstplanmäßig geleistete oder noch zu leistende Sonntagsarbeit.
a) In Betrieben/Betriebsteilen, deren Aufgaben Sonntagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Abs. 6 Satz 1 BAT dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Der Flughafen ist eine Dienststelle, in der typischerweise Sonntagsarbeit zu leisten ist. Nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT wird die an einem Sonntag geleistete dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit durch entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet schon nach ihrem Wortlaut keinen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Sonntagsarbeit. Das folgt auch aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sowie dem tariflichen Gesamtzusammenhang.
aa) Der Wortlaut der Tarifvorschrift ist eindeutig; Sinn und Zweck der Regelung bestätigen das Auslegungsergebnis.
(1) Die tarifliche Bestimmung soll sicherstellen, dass derjenige Arbeitnehmer, der sonntags dienstplanmäßig gearbeitet hat, an einem anderen Wochentag im Ausgleichszeitraum eine der Sonntagsarbeit entsprechende Freizeit zum Zwecke der Erholung erhält. Es handelt sich ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit. Der Ausgleichstag für den Sonntag dient neben dem beabsichtigten Erholungszweck auch und gerade dem rechnerischen Ausgleich zur Einhaltung der vereinbarten regelmäßigen bzw. dienstplanmäßigen Wochenarbeitszeit und erfolgt deshalb ohne Fortzahlung der Vergütung (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand März 2004 § 15 Rn. 73; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand Dezember 2003§ 15 Erl. 14). Demgemäß führt die zum Ausgleich der Sonntagsarbeit zu gewährende unbezahlte Freizeit auch nicht zu einer Verkürzung der regelmäßigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit als dem wirtschaftlichen Gegenwert für die zu zahlende Vergütung. Vielmehr wird die Freizeit durch den Ausgleich nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT lediglich vom normalerweise arbeitsfreien Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder der übernächsten Woche verlagert. Für die Sonntagsarbeit erhält der Schichtdienstleistende den Zeitzuschlag nach § 35 Abs. 1 Buchst. b BAT. Im Übrigen leistet er nicht mehr als seine dienstplanmäßige Arbeitszeit, für die die monatliche Vergütung zu zahlen ist.
(2) Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 30. Juli 1992 (– 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 16 Nr. 2, zu II 2 der Gründe) ausgeführt, dass diese Vorschrift die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf die einzelnen Tage einer Woche regele und damit gewährleiste, dass auch der Arbeitnehmer, der an einem Sonntag arbeiten müsse, zeitlich nicht mehr arbeite als die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit. Die zu diesem Zweck zu gewährende Freizeit ist hiernach unbezahlte Freizeit, die von einem Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder übernächsten Kalenderwoche verlegt wird, und führt demgemäß nicht zu einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit.
bb) Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang mit der in § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 3 und Unterabs. 3 BAT getroffenen Regelung ergibt sich, dass es sich bei dem Freizeitausgleich nach Nr. 3 SR 2 v BAT / § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT um unbezahlte Freizeit handelt.
In § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT ist ausdrücklich festgelegt, dass die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Arbeitnehmers durch eine entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung der Vergütung ausgeglichen werden soll, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Anders als Nr. 3 SR 2 v BAT/§ 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT (für die Sonntagsarbeit) regelt § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT für den Fall der dienstplanmäßigen Arbeit an einem Wochenfeiertag eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung auf entsprechenden Antrag des Arbeitgebers. Diese Bestimmung (§ 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT) bezweckt damit eine Freistellung von der Arbeitspflicht, die sich bei im Schichtdienst eingeteilten Angestellten aus dem Schichtplan ergibt, und führt so zur Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit, wobei der Lohnanspruch für die Zeit der Arbeitsbefreiung bestehen bleibt (vgl. hierzu BAG 30. Juli 1992 – 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 16 Nr. 2, zu II 2 der Gründe).
Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit nach Nr. 3 SR 2 v BAT / § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT im Gegensatz zu der in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 BAT für die Arbeit an Wochenfeiertagen getroffenen Regelung grundsätzlich unbezahlt ist.
Aus § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 3 BAT folgt nichts anderes. Falls der Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit an einem Wochenfeiertag erfolgt, wird nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 3 BAT für die an diesem Tage die Sonntagsarbeit ausgleichenden Arbeitsstunden die Stundenvergütung gezahlt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, den Arbeiter finanziell dafür zu entschädigen, dass sein unbezahlter freier Tag, den er zum Ausgleich für Arbeit am vorhergehenden Sonntag erhält, auf einen Wochenfeiertag fällt, der ohnehin arbeitsfrei ist und für den ein Entgeltfortzahlungsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 EFZG bei entsprechendem Arbeitsausfall besteht. Durch den Freizeitausgleich an einem Wochenfeiertag hat der Schichtdienstleistende einen freien Tag weniger als der Arbeitnehmer, der keinen Schichtdienst leistet und der deshalb am Sonntag und am Wochenfeiertag frei hat; zum Ausgleich dafür erhält er die Stundenvergütung nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 3 BAT (BAG 11. Juni 1992 – 6 AZR122/91 – AP BAT § 15 Nr. 23 = EzBAT BAT § 35 Nr. 6, zu II 2 b der Gründe). Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich mithin aus dieser besonderen Regelung des Freizeitausgleichs an einem Wochenfeiertag nicht im Wege eines Umkehrschlusses ableiten, dass der Freizeitausgleich nach Nr. 3 SR 2 v BAT / § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT unter Fortzahlung der Vergütung zu erfolgen hat.
b) Die Klageforderung ergibt sich auch nicht auf Grund einer anderen Anspruchsgrundlage.
aa) Der Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung nach § 17 Abs. 5 BAT für geleistete Überstunden besteht nur bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats und wandelt sich dann in einen Zahlungsanspruch um, der vom Klageantrag nicht erfasst ist. Zudem kann vorliegend nicht festgestellt werden, ob der Kläger an den im Antrag zu 1) bezeichneten Sonntagen Überstunden geleistet hat.
bb) Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Richtlinie des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (93/104/EG) vom 23. November 1993 (ABl. EG Teil L Nr. 307 vom 13. Dezember 1993, S. 18) und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stützen. Die Frage, ob und inwieweit die vom Kläger nach dem Dienstplan zu leistenden 24-Stunden-Schichten in vollem Umfang als Arbeitszeit zu werten sind, betrifft einen anderen Streitgegenstand als den vorliegenden. Es muss daher nicht entschieden werden, ob die Feuerwehr als eine Einrichtung des Katastrophenschutzes nach Art. 1 Abs. 3 vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen ist (vgl. BAG 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10) oder für die Beantwortung dieser Frage der Europäische Gerichts 6 AZR 300/03 hof im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens angerufen werden muss (BVerwG 17. Dezember 2003 – 6 P 7.03 – ZTR 2004, 215).
Unterschriften
Schmidt, Dr. Armbrüster, Brühler, Wendlandt, Oye
Fundstellen
Haufe-Index 1257589 |
BAGReport 2005, 31 |