Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag im Anschluß an Umschulung
Leitsatz (amtlich)
Im Anschluß an ein betriebliches Umschulungsverhältnis kann ein befristeter Arbeitsvertrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG 1985 abgeschlossen werden.
Normenkette
BeschFG 1985 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. August 1995 – 3 Sa 1215/94 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Fortbestehen ihres Arbeitsverhältnisses über den 31. Dezember 1993 hinaus.
Der Kläger war vom 12. April 1983 bis zum 31. Juli 1990 bei der Beklagten als Lagerist tätig. Wegen einer Berufskrankheit wurde er von der Beklagten aufgrund Umschulungsvertrags vom 7. März 1990 in deren Betrieb zum Industriekaufmann umgeschult.
Am 17. Juni 1993 bestand der Kläger die Abschlußprüfung. Mit Arbeitsvertrag vom gleichen Tage begründeten die Parteien mit Wirkung ab 18. Juni 1993 ein bis zum 31. Dezember 1993 befristetes Arbeitsverhältnis “als Urlaubsvertretung in der Verwaltung”. Als Befristungsgrund ist im Arbeitsvertrag angegeben: “Gemäß Beschäftigungsförderungsgesetz”. Ein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer stand bei Vertragsabschluß nicht zur Verfügung.
Im November 1993 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß eine Beschäftigung über den 31. Dezember 1993 hinaus nicht möglich sei.
Der Kläger hält die Befristung für unwirksam, weil ein sachlicher Grund nicht vorgelegen habe und auch das Beschäftigungsförderungsgesetz die Befristung nicht zulasse. Der Arbeitsvertrag sei nicht im Anschluß an eine Berufsausbildung abgeschlossen worden. Eine Umschulung sei keine Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Dezember 1993 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Befristung für wirksam, weil die von ihr durchgeführte Umschulungsmaßnahme als Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG anzusehen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die streitgegenständliche Befristung zu Recht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG für wirksam angesehen.
I. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG (in der bei Abschluß des befristeten Arbeitsvertrages im Jahre 1993 geltenden Fassung) ist es zulässig, einen Arbeitsvertrag bis zur Dauer von 18 Monaten zu befristen, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluß an die Berufsausbildung nur vorübergehend weiterbeschäftigt werden kann, weil kein Arbeitsplatz für einen unbefristet einzustellenden Arbeitnehmer zur Verfügung steht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die von den Parteien durchgeführte Umschulungsmaßnahme entgegen der Ansicht des Klägers als Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG anzusehen ist. Denn der Begriff der Berufsausbildung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG ist wesentlich weiter als der entsprechende Begriff in § 1 Abs. 2 BBiG und erfaßt auch das vorliegende Umschulungsverhältnis.
2. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 22. Juni 1994 (BAGE 77, 112 = AP Nr. 15 zu § 1 BeschFG 1985) entschieden, daß ein zweijähriges Redaktionsvolontariat als Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG anzusehen ist, obwohl es kein Berufsausbildungsverhältnis im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG darstellt. Der Senat hat dies im wesentlichen damit begründet, daß für die Auslegung des Beschäftigungsförderungsgesetzes die Begriffsbestimmungen des Berufsbildungsgesetzes nicht maßgebend sind. Das Beschäftigungsförderungsgesetz verfolgt den Zweck, die Arbeitgeber zu Berufsbildungsmaßnahmen auch in den Fällen zu ermuntern, in denen ein Dauerbedarf an der Beschäftigung nach Beendigung der Ausbildung nicht besteht. Der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeschFG ist daher weit zu verstehen. Er umfaßt daher auch eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme.
3. An dieser Würdigung, die auch der ganz vorherrschenden Auffassung im Schrifttum entspricht (vgl. insbesondere KR-Lipke, 4. Aufl., § 1 BeschFG 1985 Rz 63, 63a; Staudinger/Preis, BGB, 13. Bearbeitung 1995, § 620 Rz 201; KK-BeschFG 1985-Winterfeld Rz 105; Frey, Neues Arbeitsrecht, Teil A Rz 32), hält der Senat fest. Entgegen der Ansicht der Revision fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß sich der Gesetzgeber des Beschäftigungsförderungsgesetzes an der Begriffsbildung des Berufsbildungsgesetzes hätte orientieren wollen.
4. Nach den Zwecksetzungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes ist das vorliegende Umschulungsverhältnis in noch stärkerem Maße als das im Senatsurteil vom 22. Juni 1994 (aaO) behandelte Redaktionsvolontariat als Berufsausbildungsmaßnahme anzusehen. Es war für die Dauer von drei Jahren geplant und entsprach in Ausbildungsinhalten und Prüfungsverfahren weitgehend einer Berufsausbildung zum Industriekaufmann im Sinne des § 1 Abs. 2 BBiG. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Kosten der Ausbildung durch einen Dritten, hier die Bundesanstalt für Arbeit, getragen werden.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Steckhan, Johannsen, Seiler
Fundstellen
BB 1996, 2467 |
NJW 1997, 758 |
NZA 1997, 154 |