Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstanwärter bei Berufsgenossenschaft. Trennungsgeld
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Dienstanwärter für den gehobenen Verwaltungsdienst einer Berufsgenossenschaft im Rahmen einer Ausbildung zu einem auswärtigen Lehrgang entsandt, so hat er Anspruch auf Trennungsgeld gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV. Es liegt eine Abordnung und keine Zuweisung im Sinne des § 22 Abs. 2 BRKG vor.
Normenkette
BRKG § 22; TGV i.d.F. vom 20. Mai 1986 § 1 Abs. 2 Nr. 6
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.06.1990; Aktenzeichen 13 Sa 154/89) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 02.08.1989; Aktenzeichen 9 Ca 221/89) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juni 1990 – 13 Sa 154/89 – auch hinsichtlich der Kosten aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 2. August 1989 – 9 Ca 221/89 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeiten der Teilnahme an den Ausbildungslehrgängen in der BGA Hennef vom 4.1. bis 30.1.1987, 22.3. bis 16.4.1987, 23.8. bis 9.10.1987 sowie vom 25.10. bis 20.11.1987 Trennungsgeld zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zutragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger wurde von der beklagten Berufsgenossenschaft aufgrund eines Fortbildungsvertrages vom 15. Januar/3. Februar 1986 als Dienstanwärter für den gehobenen berufsgenossenschaftlichen Dienst eingestellt. Gemäß § 1 dieses Vertrages findet § 12 Abs. 1 der Dienstordnung der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft vom 30. Juni 1976 Anwendung, wonach die Vorschriften für Beamte auf Widerruf gelten. Gemäß § 3 des Fortbildungsvertrages bestimmen sich die Anwärterbezüge und sonstigen Leistungen nach den Vorschriften, die für Bundesbeamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gelten.
Der Kläger hatte im Rahmen seiner Fortbildung ausbildungsbegleitend an Lehrgängen teilzunehmen, welche an der berufsgenossenschaftlichen Akademie des Hauptverbandes der Berufsgenossenschaften in Hennef stattfanden. Für die jeweils mehrwöchigen Lehrveranstaltungen übernahm die Beklagte die Kosten für Unterkunft und Verpflegung, außerdem wurden die Anwärterbezüge fortgezahlt. Die Zahlung von Trennungsgeld nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 der Trennungsgeldverordnung des Bundes vom 20. Mai 1986 (TGV) unterblieb.
Der Kläger ist der Auffassung, durch die Neuregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV sei ein Anspruch auf Trennungsgeld auch für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst begründet worden. In der Eingangsformel der Trennungsgeldverordnung sei auf den gesamten § 22 BRKG Bezug genommen worden, so daß auch § 22 Abs. 2 BRKG als Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber gelte.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für die Zeiten der Teilnahme an den Ausbildungslehrgängen in der BGA Hennef vom 4. Januar bis 30. Januar 1987, 22. März bis 16. April 1987, 23. August bis 9. Oktober 1987 sowie vom 25. Oktober bis 20. November 1987 Trennungsgeld zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV finde auf die Fälle der Zuweisung gemäß § 22 Abs. 2 BRKG keine Anwendung.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile zur Stattgabe des Feststellungsbegehrens.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe keinen Anspruch auf Trennungsgeld gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV, weil keine Abordnung vorliege. Der Kläger sei gemäß § 22 Abs. 2 BRKG den Lehrgängen zugewiesen worden. In einem solchen Fall finde § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV keine Anwendung, weil § 22 Abs. 2 BRKG keine Ermächtigungsgrundlage für eine Trennungsgeldregelung für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst enthalte. Eine Trennungsgeldregelung verstieße daher gegen Art. 80 Abs. 2 GG.
Dieser Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
II. Der Anspruch des Klägers auf Trennungsgeld für die Zeit der Teilnahme an den auswärtigen Ausbildungslehrgängen ist gemäß §§ 1, 3 des Fortbildungsvertrages in Verb. mit § 12 Abs. 1 der Dienstordnung der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft begründet. Danach bestimmen sich derartige Leistungen nach den Vorschriften für Bundesbeamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst. Gemäß § 22 Abs. 1 BRKG in Verb. mit § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV entsteht ein Anspruch auf Trennungsgeld aus Anlaß einer Abordnung auch im Rahmen der Ausbildung.
1. Der Begriff der Abordnung ist gesetzlich nicht bestimmt. Beamtenrechtliche Regelungen (wie § 17 BRRG bzw. § 27 BBG) setzen den Begriff voraus, in dem sie bestimmen, daß ein Beamter dann, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht, vorübergehend zu einer seinem Amt entsprechenden Tätigkeit an eine andere Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn abgeordnet werden kann. Daraus wird in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt BVerwGE 69, 208 f. und 303 f., mit weiteren Nachweisen) angenommen, das Wesen der Abordnung bestehe in der vorübergehenden Zuweisung einer dem statusrechtlichen Amt des Betroffenen entsprechenden Tätigkeit bei einer anderen Dienststelle desselben oder eines anderen Dienstherrn, wobei die Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle aufrechterhalten bleibt.
Ausgehend von diesen Merkmalen einer Abordnung wird die Ansicht vertreten, daß ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht abgeordnet werde, wenn er zur Ausbildung bei einer anderen Dienststelle eine entsprechende Tätigkeit aufnehme. Das wird damit begründet, daß ein solcher Beamter kein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt innehabe (vgl. Günther, ZBR 1978, 73, 81; Achterberg/Püttner, Bes. VerwaltungsR, Bd. I, S. 926 Rz 83; Fürst in GKÖD, Bd. I, K § 27 II 2 Rz 3; Müssig, ZBR 1990, 109, 112, mit weiteren Nachweisen; Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Bay. BeamtG, Stand 1991, Erl. 33, 2, mit weiteren Nachweisen; a.A. Crisolli, Anm. zu AP Nr. 1 zu § 22 BRKG) bzw. ihm kein konkret-funktionelles Amt (Dienstposten) zur verantwortlichen Wahrnehmung übertragen werde, wenn er vorübergehend einer anderen Dienststelle zur Ausbildung zugewiesen werde (vgl. Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, BBG, Stand Juli 1990, § 27 Rz 14; Meyer/Fricke, Reisekosten im öffentlichen Dienst, Stand 1991, § 1 TGV Rz 83; Scheerbarth/Höffken, BeamtenR, 5. Aufl. 1985, S. 329, § 14 III 1b, bb).
Diese Ansicht verkennt, daß das Wesen der Abordnung im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV mit der allgemeinen beamtenrechtlichen Abordnung nicht gleichzusetzen ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst konkret ein statusrechtliches bzw. abstrakt-funktionelles Amt innehat. Ein solches Amt wird für eine Abordnung im Rahmen der Ausbildung nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV nicht gefordert. Diese Vorschrift erweitert konstitutiv die Abordnung auch auf die Fälle der Ausbildung und somit auch auf Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, denen in der Regel noch kein Amt übertragen ist (vgl. Meyer/Fricke, aaO, § 22 BRKG Rz 42 und § 1 TGV Rz 24; Ule, Beamtenrecht, 1970, S. 60, § 17 II Rz 2). Eine Abordnung im trennungsgeldrechtlichen Sinn liegt somit vor, wenn die bisherige Rechtsstellung, d. h. die Art des Beamtenverhältnisses, bei der vorübergehenden Zuweisung zu einer anderen Dienststelle erhalten bleibt und der Beamte entsprechende Tätigkeiten auszuführen hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, der Verordnungsgeber habe mit der Hinzufügung der Worte “auch im Rahmen der Ausbildung” seit der Trennungsgeldverordnung vom 20. Mai 1986 lediglich eine Klarstellung für die Fälle erreichen wollen, bei denen einem Beamten im Rahmen der Ausbildung ausnahmsweise ein Amt übertragen werde. Dafür findet sich in § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV kein Hinweis. Hätte der Verordnungsgeber eine solche deklaratorische Interpretation gewollt, so hätte er dies durch eine andere Wortwahl bzw. Satzstellung deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Im übrigen wäre ein solcher Hinweis auch überflüssig, weil bei Übertragung eines Amtes im Rahmen der Ausbildung eine allgemeine beamtenrechtliche Abordnung vorliegen würde.
Es ist auch rechtlich nicht erforderlich, daß dem Beamten durch die Abordnung ein konkret-funktionelles Amt (Dienstposten) zur verantwortlichen Wahrnehmung übertragen wird. Dieses Merkmal wird nicht einmal bei der allgemeinen beamtenrechtlichen Abordnung vorausgesetzt. Auf die Übertragung eines Dienstpostens während der vorübergehenden Zuweisung zu einer anderen Dienststelle zur Ausbildung kommt es daher nicht an (vgl. dazu auch BAG Urteil vom 21. Juni 1990 – 6 AZR 342/88 –, unveröffentlicht und vom 13. Juni 1991 – 6 AZR 9/89 –, EzBAT § 10 MTV Auszubildende Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung).
Damit ist davon auszugehen, daß eine Abordnung im Rahmen der Ausbildung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV gegeben ist, wenn ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst vorübergehend auswärtigen Ausbildungslehrgängen zugewiesen wird (so auch Meyer/Fricke, aaO, § 22 BRKG Rz 42; vgl. auch § 1 TGV Rz 75 für den Fall der Fortbildung).
2. Mit diesem rechtlichen Inhalt verstößt § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV auch nicht gegen § 22 Abs. 2 BRKG. Danach können Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, die zum Zwecke der Ausbildung einer Ausbildungsstelle an einem anderen Ort als dem bisherigen Dienst- oder Wohnort zugewiesen werden, die dadurch entstehenden notwendigen Mehrauslagen ganz oder teilweise erstattet werden. Diese Regelung schließt jedoch nicht aus, daß Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst einen originären Trennungsgeldanspruch haben. Nach § 22 Abs. 1 BRKG erhalten Beamte ein Trennungsgeld nach einer Rechtsverordnung, die für Abordnungen im Inland der Bundesminister des Innern erläßt. Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage wurde mit § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV eine besondere Regelung über Trennungsgeld bei Abordnung im Rahmen der Ausbildung geschaffen. Da der persönliche Geltungsbereich dieser Regelung alle Beamte (§ 22 Abs. 1 BRKG) bzw. Bundesbeamte (§ 1 Abs. 1 TGV) umfaßt, gilt sie auch für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst. Damit findet § 22 Abs. 2 BRKG für Trennungsgeld bei Abordnung im Rahmen der Ausbildung keine Anwendung. Der zugewiesene Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst erhält Trennungsgeld (so auch Meyer/Fricke, aaO, § 22 BRKG Rz 42).
3. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Senat damit von der Entscheidung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12. April 1972 – 4 AZR 224/71 – AP Nr. 1 zu § 22 BRKG) abweicht, da der Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 6 TGV in der Fassung vom 12. August 1965 bei Abordnung noch nicht den Zusatz “auch im Rahmen der Ausbildung” enthielt und damit die Abordnung einen anderen Inhalt hatte. Soweit im Ergebnis abgewichen wird, ist die Anrufung des Großen Senats wegen der nunmehrigen alleinigen Zuständigkeit des erkennenden Senats entbehrlich (§ 45 Abs. 3 Satz 2 ArbGG).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Dr. Gehrunger, Marx
Fundstellen
Haufe-Index 838602 |
BAGE, 186 |
NZA 1992, 977 |
RdA 1992, 288 |