Entlassung eines Polizeianwärters wegen enger Kontakte ins Rockermilieu
Der Entscheidung lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Kontakt eines Polizeianwärters ins Rockermilieu
Ein Polizeianwärter in Nordrhein-Westfalen hatte engen persönlichen Kontakt zu hochrangigen Funktionären des Rockermilieus. Aus diesem Grund wurde er im Jahr 2017 aus dem Dienst entlassen.
Der Polizeianwärter wehrte sich gegen seine Entlassung mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Er machte geltend, dass er die freundschaftlichen Beziehungen schon vor dem Eintritt in den Polizeidienst unterhalten habe. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen lehnte seine Klage mit der Begründung ab, er sei charakterlich für den Polizeidienst ungeeignet.
Das Verwaltungsgericht hat stellte fest, der Kläger habe ausweislich der bei ihm aufgefundenen Chat-Verläufe während seines Vorbereitungsdienstes engen persönlichen Kontakt nicht nur mit einfachen Mitgliedern oder Mitläufern des Rockermilieus, sondern teilweise mit hochrangigen Funktionsträgern der C. gehabt, und zwar in einer länger andauernden, freundschaftlichen Beziehung. In einem Chat vom 8. April 2017 hätten sich der Kläger und in Mitglied der Chatgruppe über die Tätigkeit des Antragstellers als Polizist unterhalten, wobei der Kläger auf die Bemerkung seines Gesprächspartners, er habe das "Potenzial vernünftiger Gangster zu werden", sei aber "wieder den falschen Weg" gegangen, erwidert habe, er fahre "2gleisig".
Zudem habe er auf den Hinweis des Chatpartners, dass der Rockerclub jemanden brauche, der sie decke, mitgeteilt, dass man das bestimmt hinbekommen werde. Auch wenn der Austausch dieser Botschaften durch den Kläger über den Zusatz "haha" bzw. "hahaha" mit einer humoristischen Komponente versehen worden sei, belege die Kommunikation, dass der Kläger mit einem hochrangigen Mitglied des Rockerclubs freundschaftlich verbunden sei.
Durch den engen Kontakt auch zu herausgehobenen Mitgliedern des Rockerclubs habe der Polizeianwärter gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht in Form des Abstandsgebots verstoßen. Von einem Beamten, der sich in der Ausbildung zum Polizisten befinde, könne erwartet werden, dass er solche intensiven Kontakte in ein Milieu, dem eine Nähe zur organisierten Kriminalität vorgehalten werde und das deswegen von verschiedenen Staatsschutzbehörden unter Beobachtung stehe, unterlasse.
Vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen trug der Kläger vor, es genüge für die in Rede stehende Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf vor Beendigung des Vorbereitungsdienstes nicht, dass die charakterliche Ungeeignetheit wahrscheinlich sei; sie müsse vielmehr feststehen.
OVG: Zweifel an Eignung sind ausreichend für Entlassung
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und ließ die Berufung nicht zu.
Nach Auffassung des Gerichts genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde an der charakterlichen Eignung des Beamten für sein Amt und können dessen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf rechtfertigen. Hierfür ist die Einschätzung entscheidend, inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird.
Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten.
Liegen berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde an der persönlichen Eignung des Beamten vor, kann diese dessen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf verfügen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens ist hierfür nicht erforderlich. Eignungszweifel können sich dabei sowohl aus dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten ergeben.
Der Kläger habe nicht aufzeigen können, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, es lägen berechtigte Zweifel an der charakterlichen und damit persönlichen Eignung des Klägers vor, ernstlichen Zweifeln unterliegt.
Bestand der Kontakte vor Eintritt in den Polizeidienst führt nicht zu anderer Beurteilung
Der Einwand des Polizeianwärters, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend gewürdigt, dass der ihm vorgeworfene enge freundschaftliche Kontakt zu der Führungsriege der C. bereits bestanden habe, bevor er sich konkret für eine Karriere als Polizist entschlossen habe, verfängt nicht.
Das Verwaltungsgericht hat hierzu in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt, es sei ohne Belang, ob der Kläger die genannten Personen bereits vor dem Eintritt in den Polizeidienst gekannt habe oder nicht. Denn die Kontakte hätten noch nach Eintritt in den Polizeivollzugsdienst fortgewirkt und der Kläger habe sogar selbst aktive Kontaktpflege betrieben, als er bereits im Beamtenverhältnis auf Widerruf gestanden habe.
Kontakt zum Milieu ist Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht
Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass bereits in dem Unterhalten der engen Kontakte in das der organisierten Kriminalität nahestehende und durch den Staatsschutz beobachtete Rockermilieu während der Ausbildung ein Verstoß gegen die beamtenrechtliche Wohlverhaltenspflicht liegt.
Daher ist es - anders als der Kläger geltend macht - rechtlich nicht von Belang, ob die Kontakte einen Einfluss auf seinen Berufswunsch gehabt haben und ob den Mitgliedern der C. aus seiner Sicht hätte "klar sein müssen, dass er im Zweifel seine Pflichten als Polizist über mögliche persönliche Kontakte stellen würde".
Der Beschluss des OVG, die Berufung nicht zuzulassen, ist unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig (OVG NRW, Beschluss v. 25.11.2021, 6 A 3742/19)
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