Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von “Kur-Tagen” auf Tarifurlaub. Parallelverfahren zu – 9 AZR 656/98 und 9 AZR 657/98 –
Leitsatz (amtlich)
§§ 31, 33 TVAL II in der bis 31. Juli 1997 geltenden Fassung stand einer Anrechnung von Tagen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation auf den Tarifurlaub nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 BUrlG in der vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung nicht entgegen.
Normenkette
BUrlG i.d.F. des ArbBeschFG vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) § 10 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 13; TVAL II §§ 31, 33; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 31. März 1998 – 6 Sa 39/98 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Krefeld vom 24. September 1997 – 1 Ca 961/97 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anrechnung von Tarifurlaub auf eine Maßnahme der Rehabilitation.
Die im September 1935 geborene Klägerin war seit Mai 1978 bei den britischen Stationierungsstreitkräften in Deutschland als Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien waren Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Bestimmungen des Tarifvertrags für Arbeitnehmer bei den Stationierungskräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) anzuwenden.
In § 29 TVAL II in der bis zum 31. Juli 1997 geltenden Fassung ist unter der Überschrift “Anspruch auf Krankenbezüge” ua. bestimmt:
- “
Wird ein Arbeitnehmer
durch Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung oder Unfalles oder durch eine von einem Träger der Sozialversicherung, … bewilligte Kur an seiner Arbeitsleistung verhindert, so erhält er … als Angestellter Krankenbezüge nach den Bestimmungen des § 31.
- Die Fristen für die Zahlung der Krankenbezüge gem. … § 31 beginnen mit … dem Tag des Antritts einer Kur.”
In § 31 TVAL II “Krankenbezüge der Angestellten” heißt es in der bis zum 31. Juli 1997 geltenden Fassung auszugsweise:
- “
Unter den Voraussetzungen des § 29 hat der Angestellte Anspruch auf Krankenbezüge, und zwar auf
- Gehaltsfortzahlung (Ziffer 2),
- Krankengeldzuschuß (Ziffer 3).
Gehaltsfortzahlung
Der Angestellte behält für die Zeit, in der er wegen Arbeitsunfähigkeit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist,
seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt
bis zur Dauer von … sechs Wochen.
Nach einer anrechenbaren Beschäftigungszeit … von … hat der Angestellte in jedem Kalenderjahr … zusätzlich Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgelts
bis zur Dauer von … sechs Wochen.
Diese Zeit kann im Kalenderjahr für verschiedene Fälle der Arbeitsunfähigkeit verwendet werden.
Sie kann jedoch nicht – auch nicht teilweise – in das folgende Kalenderjahr übertragen werden.
- …
Steht ein Krankheitsfall in unmittelbarem Zusammenhang mit einer vorherigen Erkrankung, und
war die Arbeit zwischen beiden Krankheitsfällen wieder aufgenommen worden, obwohl die volle Arbeitsfähigkeit noch nicht erlangt war,
so sind beide Zeiten der Arbeitsunfähigkeit als ein Krankheitsfall zu behandeln.
- …
- Arbeitsentgelt im Sinne der vorstehenden Bestimmungen ist der regelmäßige Arbeitsverdienst (§ 17).
- …
Kuren
Hat ein Sozialleistungsträger (vgl. § 29 Ziffer 1a) eine Vorbeugungskur, eine Heilkur oder eine Genesungskur bewilligt, so hat der Angestellte für die Dauer der Kur oder einer daran anschließenden, ärztlich verordneten Schonungszeit Anspruch auf Gehaltsfortzahlung nach den Bestimmungen der Ziffer 2a, b.
Eine solche Kur und Schonungszeit stehen im Sinne der Bestimmungen der Ziffer 2d einer Arbeitsunfähigkeit gleich.”
Die tarifvertraglichen Bestimmungen sind mit Wirkung zum 1. August 1997 geändert worden. Die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall und bei Kurmaßnahmen sind nunmehr in § 29 TVAL II geregelt. Dort heißt es in § 29 Ziffer 5 TVAL II:
“Die vorstehenden Bestimmungen gelten entsprechend für die Arbeitsverhinderung infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Als Maßnahme im Sinne dieser Ziffer gelten die in § 9 Entgeltfortzahlungsgesetz beschriebenen Maßnahmen.”
Die Klägerin befand sich vom 25. Dezember 1996 bis 12. Februar 1997 in einer von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) bewilligten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Bei Kurantritt hatte die Klägerin noch einen Resturlaub für das Jahr 1996 von 14 Urlaubstagen. Im Februar 1997 teilten die britischen Stationierungsstreitkräfte der Klägerin unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 BUrlG in der vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung mit, sie rechneten von dem tariflichen Jahresurlaub der Klägerin zehn Tage und von dem tariflichen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte von sechs Arbeitstagen einen weiteren Tag auf die Maßnahme an. Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden.
Mit ihrer im April 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin insbesondere geltend gemacht, der Anrechnung von “Kur-Tagen” stehe § 31 Ziffer 4a) TVAL II entgegen. Die Verpflichtung der britischen Stationierungsstreitkräfte, ihr für die Dauer einer bewilligten Kur das Gehalt fortzuzahlen schließe eine Anrechnung auf den Urlaub aus.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr 11 Urlaubstage aus dem Jahre 1996 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Zwischen den Parteien ist ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO im Streit. Nach dem Wortlaut des Klageantrags soll die fehlende Berechtigung der Beklagten – gemeint sind die britischen Stationierungsstreitkräfte – zur Anrechnung der “Kur-Tage” auf den Erholungsurlaub des Jahres 1996 festgestellt werden. Seine gebotene Auslegung ergibt jedoch, daß die Klägerin nicht nur diese Vorfrage sondern das Bestehen des Urlaubsanspruch klären lassen will. Hierfür hat sie auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Klage betrifft keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt, aus dem sich keine Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergäben (vgl. Senat 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – BAGE 74, 201). Diente sie zunächst der Durchsetzung des Anspruchs der Klägerin auf ersatzweise bezahlte Freistellung für den mit Ende des Urlaubsjahres oder spätestens des Übertragungszeitraums untergegangen Urlaubsanspruchs (BAG 8. Mai 2001 – 9 AZR 240/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Blumenbinder Nr. 1 = EzA BUrlG § 3 Nr. 22), richtet sie sich, nachdem das Arbeitsverhältnis während des Rechtsmittelverfahrens beendet worden ist, auf die Klärung des Urlaubsabgeltungsanspruchs.
II. Die Klage ist unbegründet.
Mit Beginn des Jahres 1996 war zwar nach § 33 TVAL II ein Anspruch der Klägerin gegen die britischen Stationierungsstreitkräfte auf 30 Tage Urlaub und nach § 34 TVAL II auf sechs Tage Zusatzurlaub entstanden. Der geltend gemachte Anspruch auf elf Tage Resturlaub ist jedoch in Folge der erklärten Anrechnung von elf Tagen der vom 25. Dezember 1996 bis 12. Februar 1997 durchgeführten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Ersatzansprüche für den 1997 erloschenen Anspruch kommen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.
1. Rechtsgrundlage für die Anrechnungserklärung der Arbeitgeberin war § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in der Fassung des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25. September 1996 (BGBl. I S 1476; künftig: BUrlG idF ArbBeschFG), das zum 1. Oktober 1996 in Kraft getreten und durch das Gesetz zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S 3843) zum 31. Dezember 1998 aufgehoben worden ist. Die Vorschrift lautete auszugsweise:
“Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation
Der Arbeitgeber ist berechtigt, von je fünf Tagen, an denen der Arbeitnehmer infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (§ 9 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes) an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, die ersten zwei Tage auf den Erholungsurlaub anzurechnen. Die angerechneten Tage gelten als Urlaubstage; insoweit besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Satz 1 gilt nicht
- Durch Anrechnung nach Absatz 1 dürfen der gesetzliche Jahresurlaub nach § 3 Abs. 1, § 19 des Jugendarbeitsschutzgesetzes und den §§ 53, 54 des Seemannsgesetzes sowie der Zusatzurlaub nach § 47 des Schwerbehindertengesetzes nicht unterschritten werden.
- (…)“
2. Verfassungsrechtliche Bedenken können gegen die Wirksamkeit von § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden.
a) Nach dem Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 3. April 2001 (– 1 BvL 32/97 – BVerfGE 103, 293) war die Vorschrift für die Dauer ihrer Geltung mit dem Grundgesetz vereinbar. Die dem Arbeitgeber eingeräumte Anrechnungsbefugnis griff zwar in die den Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie ein. Die Regelung war aber durch die mit ihr verfolgten Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt, zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geeignet und verhältnismäßig. Das hat das Bundesverfassungsgericht für alle Gerichte verbindlich (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) festgestellt.
b) Nach dieser Entscheidung ist auch kein Raum für die von einem Teil der Rechtsprechung geforderte verfassungsrechtlich gebotene einschränkende Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG (LAG Brandenburg 20. Februar 1998 – 4 Sa 817/97 – LAGE BUrlG § 10 Nr. 3). Das Gesetz ist deshalb auch auf Tarifverträge anzuwenden, die zur Zeit des Inkrafttretens des ArbBeschFG zum 1. Oktober 1996 bereits bestanden.
3. Die Anrechnungserklärung der britischen Stationierungsstreitkräfte erfüllt die gesetzlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen.
a) Die Anwendungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG sind erfüllt. Die Klägerin hat an einer von einem Sozialversicherungsträger durchgeführten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation teilgenommen. Die Beklagte hat nicht mehr als die jeweils ersten zwei Wochentage sowie einen zusätzlichen Wochentag der insgesamt siebenwöchigen Rehabilitation angerechnet.
b) Es lag keiner der Ausschlußtatbestände des § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 4 BUrlG idF ArbBeschFG vor. Die Klägerin war weder arbeitsunfähig erkrankt noch nahm sie an einer der besonderen Rehabilitationsmaßnahmen teil, die eine Anrechnung nicht zulassen.
c) Der Tarifurlaub hatte eine Dauer von 30 Arbeitstagen (in der 5-Tage-Woche). Die Anrechnung der ersten zwei Wochentage der siebenwöchigen Rehabilitation auf zehn Urlaubstage hat den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen (§ 3 Abs. 1 BUrlG) nicht berührt. Das gilt auch hinsichtlich der Anrechnung eines weiteren Wochentags auf den gesetzlichen Zusatzurlaub nach § 47 SchwbG.
d) Die britischen Stationierungsstreitkräfte haben auch von ihrer Berechtigung zur Anrechnung zulässig Gebrauch gemacht. Sie haben gegenüber der Klägerin die Anrechnung erklärt. Diese Erklärung hat nach § 10 Abs. 1 Satz 2 BUrlG idF ArbBeschFG bewirkt, daß die jeweils ersten zwei Tage zuzüglich eines weiteren Tages der medizinischen Rehabilitation bei sieben Wochen als Urlaubstage gelten. Dabei ist unerheblich, daß die Arbeitgeberin ihre Anrechnungserklärung erst abgegeben hat, nachdem die Klägerin die Rehabilitationsmaßnahme bereits angetreten hatte.
Das ist mit der Rechtsprechung des Senats zur rückwirkenden Freistellung vereinbar. Der Senat vertritt zwar die Auffassung, ein Arbeitgeber, der dem Arbeitnehmer für die Dauer einer nicht von einem Sozialversicherungsträger angeordneten Kurmaßnahme Urlaub iSv. § 7 Abs. 1 BUrlG erteilen wolle, müsse den Urlaub vor Kurantritt gewähren (BAG 1. Oktober 1991 – 9 AZR 290/90 – BAGE 68, 309 mwN). Für die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers nach § 10 Abs. 1 BUrlG idF ArbBeschFG gilt das aber nicht.
Im Unterschied zur Freistellungserklärung bewirkte eine Anrechnungserklärung iSv. § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG idF ArbBeschFG nicht, daß der Arbeitnehmer für die jeweils ersten zwei Tage der Woche einer Rehabilitationsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht befreit wurde. Dem Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubs und zugleich Schuldner der Entgeltfortzahlung wurde vielmehr eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt. Das Gesetz berechtigte ihn, Tage der Arbeitsverhinderung, für die er an sich Entgeltfortzahlung nach § 9 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 EFZG schuldete, auf den Urlaubsanspruch erfüllungshalber anzurechnen (Leinemann BB 1996, 1381). Zur Anrechnung war deshalb lediglich eine hierauf gerichtete Erklärung über die Inanspruchnahme der gesetzlichen Berechtigung erforderlich. Diese Erklärung war keine Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 BUrlG. An den so angerechneten Tage wurde der Arbeitnehmer nicht zum Erholungsurlaub freigestellt. Die angerechneten Tage “galten” nur als Urlaubstage. Der Arbeitnehmer war bereits kraft Gesetzes, nämlich “infolge einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation … an seiner Arbeitsleistung verhindert”.
Dieses Ergebnis wird im Umkehrschluß durch die Regelung des § 4a Abs. 1 Satz 1 EFZG in der Fassung des BeschFG 1996 bestätigt (vgl. ErfK/Dörner 1. Aufl. § 10 BUrlG Rn. 11). Danach konnte der Arbeitnehmer bis zum dritten Arbeitstag nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit sein Wahlrecht ausüben und zur Vermeidung einer auf 80 % des Entgelts abgesenkten Fortzahlung die Anrechnung von Urlaub verlangen. Dagegen enthielt § 10 Abs. 1 BUrlG für die Anrechnungsbefugnis des Arbeitgebers keine entsprechende zeitliche Begrenzung.
4. Die Anrechnung war auch nicht tarifvertraglich ausgeschlossen.
a) § 10 BUrlG idF ArbBeschFG enthielt kein sog. zweiseitig zwingendes Recht. Das ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, der von der Änderung des BUrlG nicht betroffen war. Die Tarifvertragsparteien konnten daher abweichend von der gesetzlichen Regelung des ArbBeschFG dem Arbeitgeber verbieten, Tage der Teilnahme an einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation auf den Tarifurlaub anzurechnen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat § 31 TVAL II in der bis zum 31. Juli 1997 geltenden Fassung ein Anrechnungsverbot entnommen. Die Vorschrift begründe einen eigenständigen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung und stelle Zeiten einer Kur mit Zeiten der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit gleich. Demgegenüber fingiere § 10 Abs. 1 Satz 2 BUrlG idF ArbBeschFG einen gewährten Erholungsurlaub. Das schließe sich aus.
c) Dem stimmt der Senat nicht zu.
aa) Für die vergleichbaren Berechtigungen des Arbeitgebers zur Kürzung des Jahresurlaubs nach § 8d MuSchG in der Fassung vom 25. Januar 1979 bei Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub sowie nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ArbPISchG bei Einberufung zum Grundwehrdienst hat das Bundesarbeitsgericht ein ausdrückliches tarifliches Verbot verlangt, wenn die Tarifvertragsparteien die Kürzung des Urlaubs ausschließen wollten (15. Februar 1984 – 5 AZR 192/82 – BAGE 45, 155; 14. November 1963 – 5 AZR 498/62 – BAGE 15, 116). Gleiches wird im Schrifttum für den Ausschluß der Anrechnungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BUrlG vertreten (Schwedes BB 1996 Beilage 17 S 2, 7; Heise/Lessenich/Merten Arbeitgeber 1997, 251; aA ArbG Heilbronn Vorlagebeschluß zum Bundesverfassungsgericht 26. September 1997 – 3 Ca 489/97 – AuR 1998, 217; Buschmann AuR 1996, 285, 290; Giesen RdA 1997, 193, 199).
Wem zuzustimmen ist, kann offen bleiben. Auch wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, der Ausschluß der Anrechnung könne sich aus dem Gesamtzusammenhang eines Tarifvertrags ergeben, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. Mit der Änderung des § 10 BUrlG durch das BeschFG 1996 sollte in den über den Mindesturlaub des § 3 BUrlG hinausgehenden Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers eingegriffen werden. Die Arbeitgeber sollten, wie es einleitend in der Begründung zum Gesetzentwurf heißt (BT-Drucks. 13/4612 S 1), von “beschäftigungsfeindlichen” hohen Lohnzusatzkosten entlastet werden. Gegenstand der Anrechnung sollte nicht nur ein arbeitsvertraglich vereinbarter übergesetzlicher Urlaub sein, sondern auch der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende Tarifurlaub. Dem Zusammenhang eines Tarifvertrags läßt sich deshalb ein Anrechnungsverbot nur entnehmen, wenn hinreichend deutlich wird, daß die Tarifvertragsparteien eine Regelung treffen wollten, die dem gesetzlichen Eingriff entgegenwirken sollte.
Auf einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien kann nicht schon dann geschlossen werden, wenn die Urlaubsdauer oder die Bedingungen zur “Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei Kuren” eigenständig ausgestaltet sind. Die Eigenständigkeit bewirkt zwar, daß nicht jede spätere Änderung der gesetzlich bestimmten Ansprüche zum Nachteil des Arbeitnehmers auf die tariflichen Leistungen “durchschlägt”. Diese Wirkung beschränkt sich aber auf den in der Norm geregelten Gegenstand (vgl. hierzu nur BAG 16. Juni 1999 – 5 AZR 297/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Gaststätten Nr. 7; 16. Juni 1999 – 5 AZR 67/97 – BAGE 89, 95). Aus einer tarifvertraglich festgelegten Dauer des Erholungsurlaubs oder aus Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation läßt sich daher nicht ohne weiteren Anhalt herleiten, die Tarifvertragsparteien hätten auch einen gesetzlichen Eingriff in den Tarifurlaub abwehren wollen, der darin besteht, den Arbeitgeber zu berechtigen, tarifliche Ansprüche durch Anrechnung anderer Leistungen zu mindern.
bb) Aus dem für die Klägerin geltenden Tarifrecht sind keine Anhalte für einen Ausschluß der Anrechnungsbefugnis zu entnehmen.
(1) § 33 TVAL II enthält ausschließlich Regeln über die Dauer des Urlaubs, seiner Berechnung, die Urlaubsvergütung und das Urlaubsgeld.
(2) Ein Anrechnungsverbot ergibt sich nicht im Zusammenhang mit den Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Rehabilitationsmaßnahmen nach § 31 TVAL II. Die Vorschrift betrifft Höhe und Dauer der Entgeltfortzahlung bei den von einem Sozialversicherungsträger durchgeführten Kur-Maßnahmen. Daß die Tarifvertragsparteien nach § 31 TVAL II die Teilnahme an einer Kur einer Arbeitsunfähigkeit gleichgestellt haben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Daraus ergibt sich allein, daß die Tarifvertragsparteien Maßnahmen der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation als einen Fall der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und nicht als Urlaub behandeln wollten. Die Tarifvorschrift regelt nicht, wie sich dieser Anspruch zum Urlaubsanspruch verhält, insbesondere nicht, ob Tage der Arbeitsverhinderung wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation Urlaubsansprüche ersetzen oder vermindern können.
III. Die Klägerin hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke, Fr. Holze, Furche
Fundstellen