Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung der Kosten eines Sprachaufenthalts
Leitsatz (amtlich)
Ein sechsmonatiger Sprachaufenthalt unter Mitarbeit in einem Unternehmen im Ausland kann eine Bindung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber bis zu zwei Jahren rechtfertigen.
Normenkette
BGB §§ 611, 242; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 23.04.1993; Aktenzeichen 10 Sa 946/92) |
ArbG Minden (Urteil vom 18.03.1992; Aktenzeichen 2 Ca 1314/91) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Teils der Kosten, die der beklagten Arbeitgeberin anläßlich eines sechsmonatigen Aufenthalts der Klägerin bei einem ihrer Tochterunternehmen in England entstanden sind. Die Klägerin schied aufgrund eigener Kündigung sechs Monate später bei der Beklagten aus.
Die Beklagte produziert und vertreibt elektronische Bauelemente. Sie beschäftigt etwa 1500 Arbeitnehmer und unterhält eine Reihe von Tochterunternehmen im Ausland, darunter eines in Northampton/England.
Die Beklagte ermöglicht ihren Mitarbeitern die Vervollkommnung ihrer englischen und französischen Sprachkenntnisse. Sie hat die Grundsätze hierfür wie folgt formuliert:
“Allgemeine Inhalte zur Fortbildung in den Fremdsprachen Englisch/Französich in unseren Tochtergesellschaften
Seit dem 21.01.1988 haben Mitarbeiter der H… GmbH die Möglichkeit, ihre englischen/ französischen Grundkenntnisse in unseren Tochtergesellschaften in England/Frankreich weiter zu vervollständigen.
Diese Möglichkeit steht grundsätzlich allen Mitarbeitern offen, deren Probezeit beendet ist und die sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befinden.
Voraussetzung ist selbstverständlich, daß sie über soviel fremdsprachliches Grundwissen verfügen, daß sie sich ohne Angst und Hemmungen im Ausland frei bewegen können.
Ziele
Ziel des Aufenthalts ist, die Sprachkenntnisse im jeweiligen Mutterland in jeder Hinsicht zu verbessern; wobei zu betonen ist, daß die dabei ausgeübte Tätigkeit ausschließlich Mittel zum Zweck und nicht Begründung für die Entsendung ins Ausland ist.
Zur Verbesserung der Sprachkenntnisse gehören im einzelnen:
- Gewöhnung an die der Muttersprache eigenen Intonation, damit Einüben und Verbessern des Hörverständnisses
- Abbau der Sprechhemmungen durch täglichen Umgang mit Muttersprachlern
- Aufnehmen und Einüben idiomatischer Ausdrücke und Redewendungen durch tägliches Sprechen
- Erweiterung des Wortschatzes
- Verbesserung der Fertigkeiten in der Schrift durch Anfertigen von kaufmännischen Schriftstücken aller Art
- das bewirkt Verbesserung der Sicherheit in der Grammatik
- Es bestehen hinreichend Möglichkeiten, die Sprachkenntnisse auch durch Lesen zu verbessern (kaufmännische Schriftstücke, Texte am PC, Zeitungen, Fachzeitschriften)
- Durch Erweiterung der Kenntnisse in den vorgenannten Bereichen wird gleichzeitig auch eine Verbesserung möglicher anfallender Übersetzungen (Englisch/Deutsch, Deutsch/Englisch, Französisch/Deutsch, Deutsch/Französisch) erreicht. Das wiederum dient der Kommunikation innerhalb der international operierenden H…-Gruppe.
Wirtschaftliche und finanzielle Voraussetzungen
Um seine Sprachkenntnisse in einem zusammenhängenden Zeitraum von 6 Monaten wirkungsvoll zu verbessern, erhält der Mitarbeiter eine Tätigkeit, die seinen vorhandenen bzw. wachsenden Sprachkenntnissen angemessen ist.
Er bezieht während dieser Zeit sein bisheriges Gehalt zuzüglich einer Auslandsvergütung, und zwar auch dann, wenn die dort ausgeübte Tätigkeit vom Anforderungsprofil nach unten abweicht und obwohl das Gehaltsniveau in England und Frankreich insgesamt niedriger als in Deutschland ist.
Für die Dauer seines Auslandsaufenthalts wird dem Mitarbeiter eine möblierte Wohnung überlassen. Alle Mietkosten sowie anfallende Nebenkosten mit Ausnahme der Gebühren für ein Telefon werden firmenseitig übernommen. Die Wohnungen werden ausschließlich für diese Mitarbeiter angemietet.
Der Mitarbeiter erhält zur Erreichung o. g. Ziele einen Firmen-PKW zur freien Verfügung. Kosten dafür werden ihm nicht angelastet.
Um dem Mitarbeiter den größtmöglichen Freiraum zu bieten, wird ausdrücklich darauf verzichtet, ihn durch Sprachprüfungen unter Druck zu setzen.
Die Manager der Tochtergesellschaften sind gehalten, nach Abschluß des Auslandsaufenthalts einen Statusbericht an die Muttergesellschaft zu geben.”
An die Mitarbeiter des Tochterunternehmens in England hat die Beklagte folgende schriftlichen Hinweise gerichtet:
- “
- Ziele : Der Zweck dieser Aufenthalte besteht darin, den Teilnehmern die Möglichkeit zu bieten, ihre mündlichen und schriftlichen Englischkenntnisse sowohl im betrieblichen Bereich als auch auf privater Ebene zu verbessern.
Methode :
- Der Mitarbeiter wird am Anfang in unserer Logistikabteilung eingesetzt. Er muß sich auf englisch verständigen und auf englisch korrespondieren. Zu Beginn erhält er innerhalb der Abteilung Hilfe und Anleitung, ggf. mit Unterstützung der Verwaltungs- und Personalabteilung.
- Der Mitarbeiter muß ermuntert werden, Telefaxe, Mitteilungen und Briefe auf englisch zu verfassen.
- Dem Mitarbeiter wird Gelegenheit gegeben, im Rahmen der Englischkurse für Nicht-Muttersprachler Abendunterricht oder Lehrveranstaltungen zu besuchen, für die der Mitarbeiter tageweise von der Arbeit freigestellt wird. Die Teilnahme ist freiwillig und geschieht auf eigene Rechnung.
- Die englischen Mitarbeiter werden gebeten, die deutschen Mitarbeiter an ihren eigenen Freizeitbeschäftigungen teilhaben zu lassen, damit sie ihre Englischkenntnisse, ihr Verständnis verschiedener Dialekte und den umgangssprachlichen Wortschatz verbessern können und sich ihr Aufenthalt in England möglichst angenehm gestaltet.
- Um dem Gast im privaten Bereich gute Bedingungen für seinen Aufenthalt zu bieten, wird für seine Unterkunft gesorgt und ihm ein Auto zur Verfügung gestellt, damit er völlig mobil ist und interessante Orte überall im Vereinigten Königreich besuchen kann.
- Der Mitarbeiter erhält Fahrunterricht, um zu gewährleisten, daß er Kraftfahrzeuge im Vereinigten Königreich in einer sicheren Fahrweise steuern und keine Probleme mit dem Linksverkehr hat.
- Mitarbeiter mit den entsprechenden intellektuellen Fähigkeiten oder besonderen Erfahrungen oder mit hervorragenden Englischkenntnissen werden eventuell in anderen Funktionen eingesetzt.
- Alle Mitarbeiter von H… werden dazu aufgefordert, wohlwollenden Umgang mit den deutschen Mitarbeitern zu pflegen, um ihnen jede Möglichkeit zu bieten, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu verbessern.”
Die 1966 geborene Klägerin, die die Realschule besucht hat, war nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau seit dem 1. März 1987 bei der Beklagten als Sekretärin angestellt. Im Arbeitsvertrag war die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vereinbart.
Die Klägerin, deren Englischkenntnisse im Abschlußzeugnis der Realschule mit “Ausreichend” benotet worden waren, beabsichtigte seit Anfang 1989, sich beruflich zur Fremdsprachenkorrespondentin in Englisch weiterzubilden und eine entsprechende Prüfung vor der Industrie- und Handelskammer abzulegen. Sie verfaßte unter dem 15. März 1989 einen “Ausbildungsplan”, der neben dem Besuch eines Abendkurses für Englisch an der B…-Schule in M… einen sechsmonatigen Aufenthalt bei der englischen Tochterfirma der Beklagten ab September 1990 vorsah, und übergab ihn der Beklagten. Die Beklagte konnte der Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine feste Zusage erteilen und wollte außerdem sicherstellen, daß die Klägerin ihre Englischkenntnisse auch nach einer geplanten Reorganisation des Unternehmens in ihrem Arbeitsbereichnutzbringend anwenden konnte; dieses vermerkte sie auf dem Ausbildungsplan.
Ab 19. April 1989 besuchte die Klägerin den geplanten Abendkurs “Englisch” in der B…-Schule. Der Kurs endete am 5. September 1990. Die Klägerin erhielt folgendes Zeugnis:
“
Schriftliche Leistungen |
Diktat: |
ausreichend |
Grammatik: |
gut |
Übersetzungen engl./dt.: |
gut |
Übersetzungen dt./engl.: |
sehr gut |
Briefe: |
befriedigend |
Mündliche Leistungen |
Beurteilung: |
befriedigend |
”
Im Juni 1990 sagte die Beklagte der Klägerin schriftlich zu, sie ab Januar 1991 für sechs Monate zu ihrer englischen Tochtergesellschaft zu entsenden, damit sie dort auch durch ihre Mitarbeit ihre englischen Sprachkenntnisse weiter ausbauen könne. Mit Wirkung vom 1. Juli 1990 übertrug die Beklagte der Klägerin die Aufgabe einer “Sekretärin des Leiters des Geschäftsbereiches Han-Steckverbinder” und zahlte ihr zu den bisherigen Bezügen (Gehalt nach der Tarifgruppe K 3 zuzüglich 4,5 % Leistungszulage) eine weitere freiwillige Firmenzulage, so daß die Bezüge sich insgesamt auf 3.212,00 DM brutto im Monat erhöhten. Zudem vereinbarten die Parteien, daß die Klägerin nach ihrem Englandaufenthalt, der ausdrücklich der Verbesserung ihrer Sprachkenntnisse dienen sollte, in die Tarifgehaltsgruppe “K 4” umgruppiert werden sollte.
Im November 1990 vereinbarten die Parteien schriftlich die Einzelheiten zum Auslandsaufenthalt der Klägerin. Hiernach übernahm die Beklagte neben den Flugkosten für die An- und Abreise und den sonstigen Reisenebenkosten die Miete und die Mietnebenkosten für eine der Klägerin in England zur Verfügung gestellte Wohnung und sagte der Klägerin eine Trennungsentschädigung nach den steuerlichen Höchstsätzen zu. Zugleich vereinbarten die Parteien eine Bindung der Klägerin an das Unternehmen der Beklagten für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Auslandsaufenthalts. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens der Klägerin wegen Eigenkündigung wurde die teilweise Rückzahlung der von der Beklagten übernommenen Kosten des Auslandsaufenthalts der Klägerin vorgesehen; der zurückforderbare Betrag wurde auf 5.000,00 DM begrenzt.
Zu Beginn des Auslandsaufenthalts erteilte die Beklagte der Klägerin auf deren Wunsch ein Zwischenzeugnis, wonach die Klägerin als Sekretärin des Abteilungsleiters “die gesamte Korrespondenz in Englisch und Deutsch mittels PC nach Diktat, Stichworten und selbständig erledigt und ihre Aufgabe sicher und umfassend beherrscht” habe.
Unter Fortzahlung ihrer Bezüge war die Klägerin vom 2. Januar 1991 bis zum 28. Juni 1991 bei der englischen Tochter der Beklagten in der Abteilung Logistik beschäftigt. Die Einzelheiten der Aufgaben, die der Klägerin übertragen waren, sind streitig. Ausweislich des Arbeitszeugnisses der Klägerin vom 31. Dezember 1991 war sie in England damit befaßt, Bestellungen nach Vorgaben aufzugeben und Auftragsbestätigungen und Lieferscheine auf ihre sachliche Richtigkeit hin zu prüfen.
Während des Englandaufenthaltes finanzierte die Beklagte der Klägerin mehrere Fahrstunden in einer Fahrschule. Sie bot der Klägerin auch die Teilnahme an einem für sie kostenlosen Sprachkurs an. Die Klägerin lehnte dies ab und besuchte stattdessen einen von ihr selbst ausgewählten Sprachkurs, dessen Kosten von umgerechnet 300,00 DM sie selber trug. Im Juni 1991 legte die Klägerin die Pitmans-Prüfung in Englisch für Nicht-Muttersprachler mit der Bewertung “intermediate” ab. Die Beklagte bezifferte die Kosten, die ihr außer dem weitergezahlten Gehalt für den Auslandsaufenthalt der Klägerin entstanden seien, auf 15.678,26 DM.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland war die Klägerin zunächst in ihrer früheren Position tätig. Mit Wirkung vom 1. August 1991 wurde sie – wie vorgesehen – in die Tarifgruppe K 4 höhergruppiert; ihre Bezüge betrugen nunmehr 3.475,00 DM brutto monatlich. Im September 1991 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen fristgemäß zum 31. Dezember 1991. Am 1. Januar 1992 trat sie eine neue Arbeitsstelle als Sekretärin des kaufmännischen Leiters eines anderen Unternehmens gegen eine Vergütung von 3.800,00 DM im Monat an. Nachdem der kaufmännische Leiter zum Geschäftsführer bestellt worden war, wurde die Klägerin im Frühjahr 1992 zu dessen Sekretärin mit einem Gehalt von 4.200,00 DM brutto im Monat bestellt.
Von den Bezügen der Klägerin für die Monate November und Dezember 1991 behielt die Beklagte jeweils 1.875,00 DM als teilweisen Ausgleich für die Fortbildungskosten ein. Mit ihrer Klage macht die Klägerin diese Teile ihres Gehalts geltend.
Sie hat behauptet, der Auslandsaufenthalt habe lediglich zu einer Verfestigung der Sprachkenntnisse beigetragen, die sie schon zuvor in der Realschule und im Abendkurs erworben habe. Ihre Tätigkeit in der Tochterfirma und der Umgang mit den englischen Kollegen habe für sie nicht zu einer grundlegenden Vertiefung geführt, weil die bloße Eingabe von Daten in einen Computer überwogen habe. Sie habe durch den Englandaufenthalt keine wesentlichen persönlichen Vorteile erworben. In ihrer derzeitigen Position benötige sie keine besseren als die bereits in der B…-Schule erworbenen englischen Sprachkenntnisse. Ihr Aufenthalt in England sei nicht ursächlich dafür gewesen, daß sie die Anstellung bei der neuen Arbeitgeberin gefunden habe. Das höhere Gehalt, welches sie nach ihrer Rückkehr aus England bei der Beklagten erhalten habe, hätte ihr schon ab 1. Juli 1990 zugestanden, denn schon damals sei ihr die Aufgabe der Sekretärin eines Geschäftsbereichsleiters übertragen worden. In die von der Beklagten berechneten Aufwendungen für ihren Englandaufenthalt dürften die Reisekosten, die Kosten für den Möbelspediteur und die Trennungsentschädigung nicht einbezogen werden, weil es sich dabei um tarifvertraglich geschuldete Leistungen handele; die Beklagte habe die Reise der Klägerin nach England und den Aufenthalt dort als Dienstreise angeordnet. Ebenso dürften die Kosten für die Wohnung nicht eingerechnet werden; die Miete für die Wohnung habe unabhängig davon bezahlt werden müssen, ob sie die Wohnung genutzt habe oder nicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.750,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 1.875,00 DM seit dem 18. Dezember 1991 und aus weiteren 1.875,00 DM seit dem 7. Januar 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Klage insoweit abzuweisen, als die Verurteilung den Betrag von 1.122,64 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Dezember 1991 übersteige. Sie hat erwidert, der Klägerin sei eine Position als Sekretärin der Geschäftsbereichsleitung nur unter der Voraussetzung übertragen worden, daß sie die vorgesehene Ausbildungsmaßnahme zur Verbesserung ihrer bisher unzulänglichen Englischkenntnisse durchlaufe. Die Klägerin habe durch den Aufenthalt in England und die damit verbundene Vertiefung der Sprachkenntnisse berufliche Vorteile erlangt, die sich in der Zahlung der höheren tariflichen Vergütung nach ihrer Rückkehr und ihrem Erfolg bei der Stellensuche widergespiegelt habe. Im 1. Halbjahr 1992 habe im Raum M… eine rege Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nach Sekretärinnen mit qualifizierten Englischkenntnissen bestanden. Die Klägerin habe ihre neue Stelle allein aufgrund ihres Auslandsaufenthalts erhalten. Die jetzt vorhandene Qualität der Sprachkenntnisse der Klägerin sei allein auf ihren Aufenthalt in England zurückzuführen. Es habe sich um eine Fortbildungsmaßnahme gehandelt. Die Mitarbeit in England sei nicht Anlaß für die Reise gewesen, sondern habe allein dazu gedient, die Englischkenntnisse der Klägerin zu verbessern.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat auf die Einhaltung von Pfändungsfreigrenzen verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die restlichen Gehaltsforderungen der Klägerin für die Monate November und Dezember 1991 sind gemäß § 389 BGB dadurch erloschen, daß die Beklagte hiergegen mit ihrer Forderung auf Rückzahlung eines Teils der Ausbildungskosten aufgerechnet hat. Die Forderungen standen sich aufrechenbar gegenüber. Auf die Einhaltung der Pfändungsgrenzen (vgl. § 394 Abs. 1 in Verb. mit § 850a ff. ZPO) kommt es nicht an, nachdem sich die Parteien nachträglich darauf geeinigt haben, daß die Klägerin auf die Einhaltung dieser Grenzen verzichtet (vgl. BAG Urteil vom 18. August 1976 – 5 AZR 95/75 – NJW 1977, 1168; Weber in RGRK, BGB, 12. Aufl., § 394 Rz 32).
1. Der Beklagten stand gegen die Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der Aufwendungen für die Fortbildung in England zu.
a) Bei der Vereinbarung der Parteien handelt es sich um einen Fortbildungsförderungsvertrag mit einer Bindungsklausel. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen.
b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist nicht zweifelhaft, daß die Klägerin durch den Englandaufenthalt überhaupt eine “Ausbildung” erfahren hat. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit die bisherige Rechtsprechung zur Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb des Arbeitgebers durch die vereinbarte Rückzahlung der vom Arbeitgeber getragenen Ausbildungskosten verkannt. Tatsächlich handelte es sich bei den entschiedenen Fällen überwiegend um solche, bei denen von einem enggefaßten Begriff der “Ausbildung” ausgegangen werden kann, nämlich der Arbeitnehmer durch die Bildungsmaßnahme besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten und Fertigkeiten erst erlangen sollte, die er dann vereinbarungsgemäß weiterhin im Betrieb einsetzen sollte. Das war aber keine Voraussetzung für die Wirksamkeit von Rückzahlungsklauseln für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Betrieb. Die von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätze gelten auch dann, wenn der Arbeitnehmer schon über Grundkenntnisse verfügt, die vom Leistungsniveau her verbessert und erweitert und nur allgemein angehoben werden sollen. Zwar konnte die Klägerin ihre bisherige Aufgabe auch ohne die Verbesserung ihrer Kenntisse der englischen Sprache durch den Sprachaufenthalt erfüllen. Beide Seiten erwarteten jedoch vom Sprachaufenthalt eine Verbesserung der Arbeit der Klägerin. Zudem setzt eine “Ausbildung” oder “Fortbildung” nicht voraus, daß die Maßnahme planmäßig, formalisiert und mit einem vorher exakt festgelegten Lernziel erfolgt oder gar eine Vereinbarung zum Einsatz der gerade erworbenen Fähigkeiten im Betrieb des Arbeitgebers vorliegen muß. Fort- oder Ausbildung im Sinne der Rechtsprechung zur Rückzahlung von Fort- und Ausbildungskosten ist jede Maßnahme zur Entwicklung von Fähigkeiten und Kenntnissen, die generell für den Arbeitnehmer beruflich von Nutzen sind. Fort- oder Ausbildung kann auch darin bestehen, bereits vorhandene Kenntnisse zu verbessern oder durch tatsächliche praktische Übungen zu vervollkommnen.
2. Die Beklagte hat die Kosten einer Fortbildungsmaßnahme in diesem Sinne getragen. Die Vereinbarung der Parteien über die Rückzahlung eines Teils dieser Kosten für den Fall des Ausscheidens vor Ablauf von zwei Jahren nach Beendigung der Maßnahme ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen § 242 BGB und verletzt auch nicht das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG). Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. schon BAG Urteil vom 29. Juni 1962, BAGE 13, 168 = AP Nr. 25 zu Art. 12 GG; zusammenfassend: BAG Urteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 – EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe Nr. 10 = DB 1994, 1726, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) sind Verträge über die Rückzahlung der Aus- oder Fortbildungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise können derartige Zahlungsverpflichtungen wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt einer – auch an der Grundrechtsposition des Arbeitgebers gemessen – übermäßigen Beeinträchtigung des Grundrechts des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG), unwirksam sein. Eine Rückzahlungsverpflichtung muß bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen. Der Arbeitnehmer muß mit der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß dem Arbeitnehmer die Erstattungspflicht zuzumuten sein. Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (zusammenfassend: BAG Urteil vom 16. März 1994, aaO, unter III 1 der Gründe; siehe auch BAG Urteil vom 26. Oktober 1994 – 5 AZR 390/92 –, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, unter II 1 der Gründe).
b) Die Interessenabwägung hat sich insbesondere daran zu orientieren, ob und inwieweit der Arbeitnehmer durch die Aus- oder Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt. Eine Kostenbeteiligung ist ihm um so eher zuzumuten, je größer für ihn der mit der Aus- oder Fortbildung verbundene berufliche Vorteil ist. Bei beruflichen Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen kann der die Bindung rechtfertigende geldwerte Vorteil sowohl darin liegen, daß der Arbeitnehmer die Voraussetzungen einer höheren Tarifgruppe erfüllt, als auch darin, daß sich die erworbenen Kenntnisse für andere Arbeitsverhältnisse nutzbar machen lassen. Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln kommt daher vor allem dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auch außerhalb des Betriebes des Arbeitsgebers, der die Aus- oder Fortbildung finanziell getragen hat, verwerten oder gar zum beruflichen Aufstieg nutzen kann (vgl. BAG Urteil vom 18. August 1976, BAGE 28, 159, 164 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, m.w.N.). Unwirksam ist eine Rückzahlungsvereinbarung dann, wenn die Aus- oder Fortbildung ausschließlich für den Betrieb von Nutzen ist, und es lediglich um die Auffrischung vorhandener oder die Anpassung der Kenntnisse an vom Arbeitgeber veranlaßte oder zu vertretende neuere betriebliche Gegebenheiten geht (BAG Urteil vom 18. August 1976, aaO; BAG Urteil vom 20. Februar 1975 – 5 AZR 240/74 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, jeweils m.w.N.).
3. Von diesen Grundsätzen ist zwar auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat jedoch zu hohe Anforderungen an die Feststellung geldwerter Vorteile der Klägerin gestellt. Es hat die Auffassung vertreten, von einem geldwerten Vorteil könne nur dann ausgegangen werden, wenn die Klägerin ihre jetzige Position allein nur deshalb erlangt hätte, weil sie den von der Beklagten bezahlten sechsmonatigen Englandaufenthalt absolviert hatte. Dies ist weder mit den Rechtsgrundsätzen, wie sie der Senat im Urteil vom 16. März 1994 aufgestellt hat, zu vereinbaren noch mit den – daran gemessen strengeren – früheren Anforderungen.
a) In seiner früheren Rechtsprechung hat der Senat die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber habe substantiiert darzulegen, daß außerhalb des eigenen Betriebes Bedarf an aus- oder fortgebildeten Fachkräften bestanden habe und gerade durch die Bildungsmaßnahme die Berufs- und Verdienstchancen des Arbeitnehmers gesteigert worden seien. Dazu forderte der Senat konkrete Angaben über die Lage auf dem Arbeitsmarkt für Arbeitskräfte mit dem Ausbildungsstand des betreffenden Arbeitnehmers (so noch BAG Urteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 443/90 – BAGE 68, 178, 184 f. = AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG Urteil vom 24. Juli 1991 – 5 AZR 430/90 – AP Nr. 15 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe). Aber selbst nach dieser Rechtsprechung war entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer die gesteigerten Berufs- oder Verdienstchancen realisiert hatte oder die Ausbildung allein ursächlich für die Einstellung durch den neuen Arbeitgeber war. Die abweichende Ansicht des Landesarbeitsgerichts läßt außer Betracht, daß Auswahlentscheidungen des Arbeitgebers in der Regel von einer Vielzahl von Faktoren beeinflußt werden und sich daher objektiv kaum je hinreichend sicher erkennen läßt, ob allein eine bestimmte Aus- oder Fortbildungsmaßnahme des Arbeitnehmers für die Einstellungsententscheidung des neuen Arbeitgebers entscheidend war.
b) Nach seiner neueren Rechtsprechung hält der Senat es für die Annahme eines geldwerten Vorteils des Arbeitnehmers für ausreichend, wenn der Arbeitgeber Umstände dargelegt hat, aus denen sich ergibt, daß im Zeitpunkt der Vereinbarung der Rückzahlungsklausel durch die Aus- oder Fortbildung ein beruflicher Vorteil für den Arbeitnehmer mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dem Arbeitnehmer obliegt es dann, dieses Wahrscheinlichkeitsurteil zu entkräften (BAG Urteil vom 16. März 1994 – 5 AZR 339/92 –, aaO, unter IV 1e der Gründe).
4. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts konnte die Beklagte bei Abschluß der Rückzahlungsvereinbarung objektiv davon ausgehen, der Klägerin werde durch ihren Aufenthalt in England ein geldwerter Vorteil zumindest insoweit erwachsen, als es um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt geht.
a) Die Klägerin ist Bürokauffrau und war als Sekretärin beschäftigt. Sie verfügte beim Abschluß der Rückzahlungsvereinbarung über Englischkenntnisse aus ihrer Schulausbildung (Realschule, Schlußnote: Ausreichend) sowie aus dem Besuch der B…-Schule. Von einem Erfolg der Fortbildungsmaßnahme durch den Aufenthalt in ihrem englischen Tochterunternehmen durfte die Beklagte als überwiegend wahrscheinlich ausgehen; die Klägerin hatte als ersten Teil ihrer Fortbildung in der englischen Sprache über etwa 1 1/2 Jahre die Abendkurse an der B…-Schule besucht. Nach dem von ihr selbst aufgestellten Ausbildungsplan wollte die Klägerin ihre Fortbildung etwa sieben bis zehn Monate nach ihrer Rückkehr aus England mit einer Prüfung zur Fremdsprachenkorrespondentin vor der Industrie- und Handelskammer beenden. Damit war ein sinnvoller, zum beruflichen Aufstieg führender Weg vorgezeichnet. Die hierzu eingeholten Auskünfte des Arbeitsamts und der Industrie- und Handelskammer zeigen, daß die Arbeitsmarktchancen für Sekretärinnen mit derartigen Fremdsprachenkenntnissen im Raum M… im maßgeblichen Zeitpunkt besonders gut waren. Diese Einschätzung wird letztlich durch die tatsächliche berufliche Entwicklung der Klägerin bestätigt; schon nach einem halben Jahr hat die Klägerin mit sehr erheblichen Gehaltssteigerungen eine anderweitige Anstellung gesucht und gefunden. Ob diese günstige Entwicklung allein oder überwiegend auf den Englandaufenthalt zurückzuführen ist, haben die Vorinstanzen zwar nicht festgestellt. Es erscheint jedoch kaum vorstellbar, daß der Englandaufenthalt sich nicht positiv ausgewirkt habe.
b) Die Einwendungen der Klägerin hiergegen greifen nicht durch. Sie selbst geht von einem Erfolg ihres Aufenthaltes in England aus. Sie räumt ein, daß ihre Sprachkenntnisse vertieft worden sind. Soweit sie meint, eine wesentliche Verbesserung ihrer Englischkenntnisse sei nicht zu erwarten gewesen, weil sie bereits vor dem Englandaufenthalt über gute bis sehr gute Englischkenntnisse verfügt habe, übersieht sie, daß sie bisher ausschließlich über ein “Schulwissen” verfügte und ihre Ergebnisse insgesamt zwischen “Gut” und “Befriedigend” lagen, also einer Verbesserung durchaus zugänglich waren. Die Klägerin übersieht zudem, daß die Verbesserung ihrer Englischkenntnisse gerade nicht allein durch ihre Arbeit im englischen Tochterunternehmen der Beklagten erfolgen sollte, sondern durch einen hinreichend langen, nämlich halbjährigen Aufenthalt im Muttersprachenland England. Auf derartige Sprachaufenthalte ist das Fortbildungskonzept der Beklagten ausgerichtet. Die Klägerin muß sich entgegenhalten lassen, daß sie den Aufenthalt in England in ihren eigenen Ausbildungsplan für eine Qualifikation zur Fremdsprachenkorrespondentin für Englisch aufgenommen hat; dies wäre höchst unverständlich, wenn sie sich von diesem Aufenthalt keine beruflichen Vorteile versprochen hätte.
c) Auch die weiteren Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte kraft Tarifvertrags die Reisekosten zu übernehmen hatte und ob eine Trennungsentschädigung zu leisten war. Selbst wenn diese Leistungen aufgrund Tarifvertrages zu erbringen gewesen sein sollten, ändert dies nichts daran, daß diese Kosten erst durch den Aufenthalt der Klägerin in England ausgelöst worden sind. Unerheblich ist auch der Einwand der Klägerin hinsichtlich der Miete der ihr zur Verfügung gestellten Wohnung. Die Klägerin hat diese Wohnung genutzt.
5. Die Rückzahlungsklausel ist auch im Hinblick auf die Bindungsdauer nicht zu beanstanden. Die zulässige Dauer derartiger Bindungen richtet sich vor allem nach der Dauer der Aus- und Fortbildungsmaßnahme und den hierfür aufgewendeten Mitteln. Hier hat die Maßnahme fast genau sechs Monate gedauert; die aufgewendeten Mittel lagen bei über 15.000,00 DM, wenn man die der Klägerin fortgezahlte Vergütung unberücksichtigt läßt. Dies rechtfertigt eine Bindungsdauer von zwei Jahren. Deshalb ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte pro rata temporis 3/4 der vertraglich auf 5.000,00 DM begrenzten Rückforderung gegenüber der Klägerin im Wege der Aufrechnung geltend gemacht hat. Die Klägerin hat die vertragliche Bindungsdauer von zwei Jahren nach Beendigung ihres Englandaufenthaltes um genau diesen Anteil, nämlich 3/4, nicht eingehalten.
Unterschriften
Griebeling, Reinecke, Schliemann, Winterfeld, Kreienbaum
Fundstellen
BAGE, 356 |
BB 1995, 1191 |
JR 1995, 528 |
NZA 1995, 727 |