Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagsbezahlung bei Aussperrung
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des BAG vom 31.5.1988, 1 AZR 192/87, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Werk L als Arbeiter beschäftigt. Für die Arbeiter dieses Werkes haben Arbeitgeber und Betriebsrat am 21. Oktober 1983 die Betriebsvereinbarung Nr. 15/83 geschlossen, in der es u.a. heißt:
Betr.: Betriebsferien und Betriebsruhe 1984
Zwischen der Werksleitung und dem Betriebsrat des
Werkes L wird folgende Vereinbarung getroffen:
1. Die Betriebsferien für das gesamte Werk im Jahre
1984 beginnen am Montag, den 16.07.1984 und en-
den am Freitag, den 27.07.1984.
Außerdem ruht der Betrieb am 30.04., 01.06. und
22.06. sowie in der Zeit vom 24.12. bis 31.12.
1984.
....
3. Für die Zeit der Betriebsferien ist von den
nicht beschäftigten Mitarbeitern Urlaub zu neh-
men.
....
8. Die Mitarbeiter werden aufgefordert, sich für die
vereinbarten Betriebsferien und die Tage der Be-
triebsruhe in ausreichendem Umfang Tarifurlaub zu
reservieren.
....
Im Zuge des Arbeitskampfes in der hessischen Metallindustrie 1984 befolgte die Beklagte den Aussperrungsbeschluß des Arbeitgeberverbandes der hessischen Metallindustrie, wonach die gewerblichen Arbeitnehmer in allen Betrieben des Tarifgebietes mit mehr als 1.000 gewerblichen Arbeitnehmern ausgesperrt werden sollten, soweit diese in Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern beschäftigt waren. Die Beklagte schrieb daher am 28. Mai 1984 allen betroffenen gewerblichen Arbeitnehmern u.a. wie folgt:
....
Wir erklären deshalb hiermit die Aussperrung ab
Mittwoch, den 30. Mai 1984, null Uhr.
Ihr Arbeitsvertrag bleibt bestehen. Sie erhalten
vom genannten Zeitpunkt an für die Dauer der Aus-
sperrung kein Arbeitsentgelt und dürfen das Werks-
gelände nicht mehr betreten.
....
Das Ende der Aussperrung und den Zeitpunkt der Wie-
deraufnahme der Arbeit werden wir in geeigneter
Form rechtzeitig bekanntgeben.
Die Aussperrung dauerte bis zum 29. Juni 1984.
Für die in die Aussperrungszeit fallenden Tage der mit dem Betriebsrat in der genannten Betriebsvereinbarung vereinbarten Betriebsruhe, den 1. Juni (Freitag nach Himmelfahrt) und 22. Juni (Freitag nach Fronleichnam), die sogenannten "Brückentage", zahlte die Beklagte auch den von der Aussperrung betroffenen Arbeitern die Urlaubsvergütung. Sie weigerte sich jedoch, für die vor diesen Tagen der Betriebsruhe liegenden Feiertage (31. Mai - Himmelfahrt - und 21. Juni - Fronleichnam -) den Feiertagslohn zu zahlen.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger, der im übrigen ebenfalls von der Aussperrung betroffen war, von der Beklagten die Bezahlung der beiden genannten Feiertage.
Er ist zunächst der Ansicht, daß die von der Beklagten erklärte Aussperrung unzulässig gewesen sei. Auch bei zulässiger Aussperrung müßten jedoch die beiden Feiertage bezahlt werden. Die Betriebsruhe für die "Brückentage" sei im Interesse der Beklagten vereinbart worden. Sinn der Regelung sei u.a. gewesen, den Arbeitnehmern in Verbindung mit den vorausgehenden Feiertagen eine zusammenhängende längere bezahlte Freizeit zu gewähren. Die vorausgehenden Feiertage seien daher Teil des vereinbarten Betriebsurlaubs und daher auch bei einer Aussperrung zu bezahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
247,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit
dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält sich aus Rechtsgründen mit Rücksicht auf die erklärte Aussperrung auch des Klägers nicht für verpflichtet, die fraglichen Feiertage zu bezahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesenen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß der Kläger die Bezahlung der genannten Feiertage nicht verlangen kann.
I. Der Kläger hält die Aussperrung in der Metallindustrie Hessen aus dem Jahre 1984 für unzulässig.
In seiner Entscheidung vom 26. April 1988 (- 1 AZR 399/86 - zur Veröffentlichung vorgesehen) hat der Senat entschieden, daß die Aussperrung ein zulässiges Arbeitskampfmittel der Arbeitgeber ist und daß auch Art. 29 Abs. 5 der hessischen Verfassung eine Aussperrung im Lande Hessen nicht verbietet. Allerdings hat der Senat in dieser Entscheidung nicht auch ausgesprochen, daß die Aussperrung in der hessischen Metallindustrie im Jahre 1984 zulässig war. Der darauf gerichtete Feststellungsantrag der Gewerkschaft ist vielmehr als unzulässig abgewiesen worden. Gleichwohl bestehen gegen die Zulässigkeit auch dieser Aussperrung keine Bedenken. Auch wenn man zugunsten des Klägers von der Entscheidung des Senats vom 10. Juni 1980 (BAGE 33, 185 = AP Nr. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ausgeht, wonach der Umfang der Aussperrung begrenzt ist, hat die Arbeitgeberseite im Arbeitskampf 1984 diese Grenzen beachtet. Nach den tatsächlichen Feststellungen für die Entscheidung vom 26. April 1988 waren bei ungefähr 233.000 Beschäftigen im Tarifgebiet etwa 30.000 Arbeiter zum Streik aufgerufen, woraufhin der Arbeitgeberverband die Aussperrung von rd. 27.000 Arbeitnehmern beschlossen hat. Im vorliegenden Fall trägt der Kläger zwar vor, daß im Tarifgebiet ungefähr 250.000 Arbeiter beschäftigt seien, von denen 45.000 Arbeiter zum Streik aufgerufen waren. Eine konkrete Zahl der ausgesperrten Arbeiter wird von ihm jedoch nicht genannt, insbesondere nicht behauptet, daß mehr als 27.000 Arbeiter ausgesperrt waren.
Wenn geltend gemacht wird, die IG Metall habe keinen eng begrenzten Teilstreik geführt, da sie Unternehmen unterschiedlicher Produktion bestreikt habe, so ist das ohne Bedeutung. Ein eng geführter Teilstreik im Sinne der Entscheidung des Senats liegt nicht nur dann vor, wenn Unternehmen mit gleicher Produktion bestreikt werden. Der Senat hat in der Entscheidung vom 10. Juni 1980 allein auf das Verhältnis der streikenden zu den nicht- streikenden Arbeitnehmern eines Tarifgebietes abgestellt. Auch wenn einige wenige Unternehmen mit unterschiedlicher Produktion bestreikt werden, versucht die Gewerkschaft mit geringem Aufwand einen möglichst großen Druck zu erzeugen.
Der Kläger macht weiter geltend, die Beklagte habe nicht ausgesperrt, um einer Gefährdung der Solidarität im Arbeitgeberlager durch im Wettbewerb stehende aber vom Arbeitskampf in ungleicher Weise betroffene Unternehmen vorzubeugen. Sie habe nicht nur solche Unternehmen zur Aussperrung aufgerufen, die im Wettbewerb zu bestreikten Unternehmen gestanden hätten, sondern allein auf die Größe der Unternehmen abgestellt. Auch das macht die Aussperrung nicht unzulässig. Eine Beschränkung der Aussperrungsbefugnis auf Unternehmen, die zu schon bestreikten Unternehmen im Wettbewerb stehen, kann der Entscheidung des Senats vom 10. Juni 1980 nicht entnommen werden.
II. 1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern derjenige Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Der 31. Mai und 21. Juni 1984 waren zwar gesetzliche Feiertage. Voraussetzung für einen Anspruch auf Bezahlung dieser Feiertage ist jedoch, daß der gesetzliche Feiertag die alleinige Ursache für den Arbeitsausfall ist (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt Urteil des Dritten Senats vom 27. September 1983 - 3 AZR 159/81 - BAGE 44, 160 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, mit weiteren Nachweisen). An dieser Voraussetzung fehlt es im vorliegenden Falle.
2. Der gesetzliche Feiertag ist dann alleinige Ursache des Arbeitsausfalles, wenn ohne den Feiertag an dem betreffenden Tage gearbeitet worden wäre. Sowohl am 31. Mai als auch am 21. Juni 1984 wäre, wenn diese Tage nicht gesetzliche Feiertage gewesen wären, infolge der von der Beklagten erklärten Aussperrung nicht gearbeitet worden. Durch die von der Beklagten erklärte Aussperrung war die Pflicht zur Arbeitsleistung der ausgesperrten Arbeitnehmer suspendiert und die Beklagte von der Verpflichtung zur Lohnzahlung befreit worden. Alleinige Ursache des Arbeitsausfalles an diesen Tagen war daher nicht der gesetzliche Feiertag, sondern die von der Beklagten schon vorher erklärte Aussperrung.
3. a) Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, daß mit Rücksicht auf diese beiden Feiertage von den Betriebspartnern schon im Oktober 1983 für die nachfolgenden Brückentage Betriebsruhe unter Anrechnung auf den Tarifurlaub vereinbart worden war. Diese Betriebsvereinbarung erklärt nicht die den Brückentagen vorausgehenden Feiertage zu Urlaubstagen. Die Feiertage werden in der Betriebsvereinbarung nicht einmal erwähnt. Die Arbeitszeit am 31. Mai und 21. Juni 1984 ist daher nicht aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 21. Oktober 1983 weggefallen. Ebensowenig ist durch diese Betriebsvereinbarung ein Anspruch des Klägers auf Bezahlung dieser Tage begründet worden. Ein Anspruch auf Bezahlung der beiden Feiertage kann sich daher nur aus dem Gesetz über die Lohnzahlung an Feiertagen ergeben, dessen Voraussetzungen jedoch - wie dargelegt - nicht gegeben sind.
b) Wenn der Kläger geltend macht, die Betriebsvereinbarung vom 21. Oktober 1983 sei unwirksam, zumindest sei deren Geschäftsgrundlage nachträglich entfallen, so vermag auch das den Klageanspruch nicht zu begründen.
aa) Die Betriebsvereinbarung ist wirksam. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch auf die Frage, ob Betriebsferien eingeführt werden sollen (BAGE 36, 14 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub). Mit der Betriebsvereinbarung vom 21. Oktober 1983 haben sich die Betriebspartner daher im Rahmen ihrer Regelungsbefugnis gehalten. Bedenken gegen die darin für die sogenannten Brückentage getroffenen Regelungen sind nicht ersichtlich (vgl. BAGE 46, 1 = AP Nr. 58 zu § 1 LohnFG). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, wie sich aus einer Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung ein Anspruch des Klägers auf Bezahlung der den Brückentagen vorausgehenden Feiertage ergeben soll.
bb) Gleiches gilt für die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Betriebsvereinbarung vom 21. Oktober 1983 wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage unwirksam geworden ist. Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, daß es Geschäftsgrundlage der in der Betriebsvereinbarung für die Brückentage getroffenen Regelung war, daß die vorausgehenden gesetzlichen Feiertage auch tatsächlich bezahlt werden. Nur wenn auch die Feiertage tatsächlich bezahlt wurden, erhielten die Arbeitnehmer eine längere zusammenhängende Freizeit ohne Entgeltausfall. Nur mit Rücksicht auf diese längere zusammenhängende - bezahlte - Freizeit kann es aus der Sicht der Arbeitnehmer gerechtfertigt sein, einen Tag des Tarifurlaubs im Interesse des Arbeitgebers an einer Betriebsruhe an den Brückentagen zu "opfern". Geschäftsgrundlage der Betriebsvereinbarung wäre dann, daß die gesetzlichen Feiertage tatsächlich bezahlt werden. Fällt diese Geschäftsgrundlage weg, so führt dies entgegen der Ansicht des Klägers jedoch nicht dazu, daß die Feiertage gleichwohl zu bezahlen sind, sondern dies könnte allenfalls zur Folge haben, daß der für die Brückentage eingesetzte Tarifurlaub nicht verbraucht worden ist, sondern vom Arbeitgeber nachzugewähren wäre. Ob von einer solchen Rechtsfolge auszugehen ist, braucht nicht entschieden zu werden. Der Kläger verlangt nicht die Nachgewährung eines Urlaubstages.
Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat aus diesem Grunde die Betriebsvereinbarung hätte kündigen können. Eine solche Kündigung ist nicht erfolgt.
cc) Wenn der Kläger geltend macht, Arbeitnehmer, die sich im Urlaub befinden, könnten nicht ausgesperrt werden, so rechtfertigt auch das keine andere Beurteilung. Urlaub hatte der Kläger lediglich an den Brückentagen, nicht aber an den vorausgehenden Feiertagen. Diese fielen nicht in einen bewilligten Urlaub. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der Entscheidung des Senats vom gleichen Tage (- 1 AZR 200/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZP0.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
K. H. Janzen Dr. Giese
Fundstellen