Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagsbezahlung und Urlaub bei Aussperrung
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des BAG vom 31.5.1988, 1 AZR 200/87, das vollständig dokumentiert ist.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 07.10.1986; Aktenzeichen 5 Sa 352/85) |
ArbG Gießen (Entscheidung vom 07.02.1985; Aktenzeichen 2 Ca 356/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten in deren Werk L als Arbeiter beschäftigt.
Im Zuge des Arbeitskampfes in der hessischen Metallindustrie 1984 folgte die Beklagte dem Aussperrungsbeschluß des Arbeitgeberverbandes der hessischen Metallindustrie, wonach die gewerblichen Arbeitnehmer in allen Betrieben des Tarifgebietes mit mehr als 1.000 gewerblichen Arbeitnehmern ausgesperrt werden sollten, soweit diese in Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern beschäftigt waren. Die Beklagte schrieb daher am 28. Mai 1984 allen betroffenen gewerblichen Arbeitnehmern u.a. wie folgt:
....
Wir erklären deshalb hiermit die Aussperrung ab
Mittwoch, den 30. Mai 1984, null Uhr.
Ihr Arbeitsvertrag bleibt bestehen. Sie erhalten
vom genannten Zeitpunkt an für die Dauer der Aus-
sperrung kein Arbeitsentgelt und dürfen das Werks-
gelände nicht mehr betreten.
....
Das Ende der Aussperrung und den Zeitpunkt der Wie-
deraufnahme der Arbeit werden wir in geeigneter
Form rechtzeitig bekanntgeben.
Die Aussperrung dauerte bis zum 29. Juni 1984.
Dem Kläger war zuvor auf seinen Antrag vom 14. Mai 1984 für die Zeit vom 4. Juni 1984 bis 29. Juni 1984 Tarifurlaub bewilligt worden. In die Zeit seines Urlaubs fielen zwei gesetzliche Feiertage: 11. Juni (Pfingstmontag) und 21. Juni (Fronleichnam). Die Beklagte zahlte dem Kläger für die Urlaubstage die tarifliche Urlaubsvergütung, lehnte es jedoch ab, für die in die Urlaubszeit fallenden gesetzlichen Feiertage den Lohn fortzuzahlen. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Bezahlung der genannten Feiertage.
Er ist zunächst der Ansicht, daß die von der Beklagten erklärte Aussperrung unzulässig gewesen sei. Auch bei Zulässigkeit der Aussperrung müßten die Feiertage bezahlt werden. Während eines bewilligten Urlaubs könne ein Arbeitnehmer nicht ausgesperrt werden. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
264,20 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit
dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält sich aus Rechtsgründen mit Rücksicht auf die erklärte Aussperrung auch des Klägers nicht für verpflichtet, die fraglichen Feiertage zu bezahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, die in den Urlaub des Klägers fallenden Feiertage zu bezahlen.
1. Es bedarf im vorliegenden Falle keiner Entscheidung der Frage, ob die von der Beklagten erklärte Aussperrung unzulässig war (vgl. dazu die Entscheidung des Senats vom gleichen Tage - 1 AZR 192/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Klage ist auch dann begründet, wenn die Aussperrung zulässig war.
2. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen ist für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern derjenige Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Arbeitsausfall erhalten hätten. Der 11. Juni und 21. Juni 1984 waren gesetzliche Feiertage. Voraussetzung für einen Anspruch auf Bezahlung dieser Feiertage ist, daß der gesetzliche Feiertag die alleinige Ursache dafür ist, daß Arbeitszeit ausgefallen ist (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt Urteil des Dritten Senats vom 27. September 1983 - 3 AZR 159/81 - BAGE 44, 160 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, mit weiteren Nachweisen). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle erfüllt.
3. Der gesetzliche Feiertag ist dann alleinige Ursache des Arbeitsausfalles, wenn ohne den Feiertag an den betreffenden Tagen gearbeitet worden wäre. Wenn die Beklagte meint, diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil an diesen Tagen infolge der von ihr erklärten Aussperrung nicht gearbeitet worden wäre, so trifft dies für den Kläger nicht zu. Der Kläger war für die Zeit seines Urlaubs, d.h. für die Zeit vom 4. bis 29. Juni 1984, nicht ausgesperrt.
4. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 1982 (- 1 AZR 567/79 - AP Nr. 16 zu § 11 BUrlG) ausgesprochen, ein bewilligter Urlaub werde nicht dadurch unterbrochen, daß während des Urlaubs der Betrieb bestreikt wird. Einem Arbeitnehmer stehe es frei, trotz eines Streiks im Betrieb einen einmal bewilligten und nicht wirksam widerrufenen Urlaub anzutreten oder während des Streiks fortzusetzen. Er hat nicht entschieden, ob ein Arbeitnehmer berechtigt ist, einen bereits bewilligten Urlaub nicht anzutreten oder zu unterbrechen, um sich an einem Streik zu beteiligen mit der Folge, daß der Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren ist.
Für eine vom Arbeitgeber erklärte Aussperrung ist von den gleichen Erwägungen auszugehen. Auch eine Aussperrung der Arbeitnehmer läßt einen bereits bewilligten Urlaub unberührt, gleichgültig, ob er bei Beginn der Aussperrung schon angetreten ist oder erst im Laufe der Aussperrung beginnt. Mit der Bewilligung des Urlaubs für einen bestimmten Zeitraum erfüllt der Arbeitgeber seine auf dem Bundesurlaubsgesetz oder tariflichen Vorschriften beruhende Verpflichtung, den Arbeitnehmer für die Zeit des Urlaubs unter Fortzahlung der Urlaubsvergütung von der Arbeit freizustellen. Der Widerruf eines einmal bewilligten, erst recht eines bereits angetretenen Urlaubs ist nur in Ausnahmefällen, an deren Vorliegen strenge Anforderungen zu stellen sind, zulässig (BAGE 11, 318 = AP Nr. 84 zu § 611 BGB Urlaubsrecht). Ein solcher Widerruf muß dem Arbeitnehmer gegenüber eindeutig erklärt werden.
In der bloßen Erklärung des Arbeitgebers, er sperre seine Arbeitnehmer oder eine bestimmte Gruppe derselben aus, kann jedenfalls im Regelfall ein Widerruf eines bewilligten Urlaubs nicht gesehen werden. Am Widerruf eines bewilligten Urlaubs für die Zeit der Aussperrung hat der Arbeitgeber regelmäßig kein Interesse. Ein Widerruf des Urlaubs würde bedeuten, daß der Urlaub, soweit er widerrufen worden ist, zu einem späteren Zeitpunkt nachgewährt werden müßte. Er hätte u.U. zur Folge, daß Aufwendungen des Arbeitnehmers für den Urlaub, die wegen des Widerrufs nutzlos werden, vom Arbeitgeber zu erstatten sind, ohne daß dies hier abschließend entschieden werden müßte. Auf der anderen Seite geht auch der Arbeitnehmer regelmäßig davon aus, daß er einen ihm bewilligten Urlaub auch antreten und wie geplant durchführen kann. Ein Urlaub wird in der Regel langfristig geplant. Das liegt auch im Interesse des Arbeitgebers. Angesichts des Umstandes, daß Arbeitskämpfe relativ selten sind, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß Arbeitnehmer wie Arbeitgeber als selbstverständlich davon ausgehen, daß mögliche Arbeitskämpfe an dieser Urlaubsplanung etwas ändern werden. Dem Senat sind auch Fälle bekannt, in denen daher anläßlich einer Erklärung der Aussperrung vom Arbeitgeber - klarstellend - darauf hingewiesen wird, daß die Aussperrung einen bereits bewilligten Urlaub unberührt läßt.
Auch die Beklagte ist im vorliegenden Falle nicht davon ausgegangen, daß durch die von ihr erklärte Aussperrung der bereits bewilligte Urlaub widerrufen wird. Sie hat dem Kläger - und anderen vergleichbaren Arbeitnehmern - die für den bewilligten Urlaub zu zahlende Urlaubsvergütung trotz der erklärten Aussperrung gezahlt. Damit fehlt es an einem Widerruf des Urlaubs des Klägers.
Es kann daher unentschieden bleiben, ob eine Aussperrung es überhaupt rechtfertigen kann, einen bereits bewilligten Urlaub zu widerrufen, um den Arbeitnehmer in den Arbeitskampf einzubeziehen. Der Senat hat dagegen ebenso Bedenken, wie es ihm bedenklich erscheint, daß Arbeitnehmer einen bewilligten Urlaub, vielleicht sogar vereinbarte Betriebsferien, widerrufen, um für diese Zeit von ihrem Streikrecht Gebrauch zu machen und den Urlaub später nachzuverlangen.
5. War damit der Kläger in der Zeit vom 4. bis zum 29. Juni 1984 nicht ausgesperrt, so entfällt die Grundlage für die Argumentation der Beklagten, an den in den Urlaub fallenden Feiertagen hätte der Kläger, wären diese Tage nicht Feiertage gewesen, infolge der Aussperrung auch kein Arbeitsentgelt erhalten. Es verbleibt vielmehr bei der allgemeinen Rechtsfolge, daß in den Urlaub fallende gesetzliche Feiertage nach § 1 des Feiertagslohnzahlungsgesetzes zu bezahlen sind.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß Feiertage weder Urlaubstage im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes noch nach den für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgebenden tariflichen Vorschriften sind, Urlaub dem Kläger vielmehr nur für die in diesen Zeitraum fallenden Werk- bzw. Arbeitstage gewährt worden ist, die keine gesetzlichen Feiertage sind. Der einem Arbeitnehmer bewilligte Urlaub ist ein zusammenhängender Zeitraum. Die Regelung, daß als Urlaubstage nur Werk- bzw. Arbeitstage gelten, die keine gesetzlichen Feiertage sind, dient lediglich der Berechnung dieses Zeitraums, besagt aber nicht, daß der Arbeitnehmer an den in diesen Zeitraum fallenden gesetzlichen Feiertagen und auch Sonntagen nicht "im Urlaub" ist mit der Folge, daß an diesen Tagen das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ein anderes wäre als an den allein für die Berechnung der Urlaubsdauer maßgebenden "Urlaubstagen" im Sinne der gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften für die Länge des Urlaubsanspruchs.
War damit der Kläger für die Dauer des ihm bewilligten Urlaubs nicht ausgesperrt, so war er es auch nicht an den in diesen Urlaub fallenden gesetzlichen Feiertagen oder Sonntagen. Damit entfällt die von der Beklagten erklärte Aussperrung ihrer Arbeitnehmer als andere Ursache für den Lohnausfall an den in die Urlaubszeit fallenden gesetzlichen Feiertagen.
Der Klageanspruch erweist sich damit als begründet. Die Entscheidung der Vorinstanzen war daher aufzuheben und die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZP0.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
K. H. Janzen Dr. Giese
Fundstellen