Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflohnerhöhung - Anrechnung einer Zulage
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 31.5.1989, 5 AZR 376/88.
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 06.05.1988; Aktenzeichen 9 (8) Sa 171/88) |
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 02.12.1987; Aktenzeichen 2 Ca 1586/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verrechnung einer monatlichen Zulage mit Tariflohnerhöhungen.
Der Kläger war vom 1. Oktober 1977 bis zum 31. Dezember 1986 als Metzger bei der Beklagten beschäftigt. Bei der Einstellung haben die Parteien im Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1977 ein monatliches Bruttogehalt von 1.800,-- DM zuzüglich einer Anwesenheitsprämie in Höhe von 10,-- DM arbeitstäglich vereinbart.
Mit Schreiben vom 14. August 1979 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung zur Umwandlung der Anwesenheitsprämie in Lohnzulagen aus. Dementsprechend sollte sich das Gehalt des Klägers wie folgt zusammensetzen:
"Tarif (Gruppe L III c) DM 1.920,00 (173 Stunden)
außertarifliche Zulage
- jederzeit anrechenbar - DM 180,00 (173 Stunden)
freiwillige Zulage DM 210,00 (173 Stunden)
sonstige Zulage
(Mankogeld etc.) DM ...... (173 Stunden)
------------------------------------------------------
Gesamt Lohn/Gehalt DM 2.310,00 (173 Stunden)".
Zugleich ist dem Kläger mitgeteilt worden, bis zum 30. Juni 1980 werde die umgewandelte freiwillige Zulage nicht angerechnet. Vor dem 30. Juni 1980 werde aber mit dem Betriebsrat über eine Nichtanrechenbarkeit neu verhandelt. Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis zu diesen Bedingungen fortgesetzt, ohne die Kündigung anzugreifen.
Am 18. August 1980 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag mit einem Gehalt von 2.400,-- DM brutto.
Am 23. April 1981 hat die Beklagte mit ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Änderung der vertraglich vereinbarten Anwesenheitsprämie in freiwillige Zulagen mit folgendem Wortlaut abgeschlossen:
"
.....
1. Die ab 1.10.1979 in eine freiwillige Zulage um-
gewandelte Anwesenheitsprämie ... wird wie
folgt behandelt:
Jährlich können 25 % der freiwilligen Zulage auf
etwaige Tariferhöhungen angerechnet werden, so
daß mit der Tariferhöhung 1984 die freiwillige
Zulage in vollem Umfang auf Tariferhöhungen an-
rechenbar sein wird.
2. Eine höhere Anrechnung als 25 % pro Jahr wird
ausgeschlossen.
3. Die zentrale Geschäftsleitung hat derzeit nicht
die Absicht, im Rahmen der Tariferhöhung 1981
eine ganze oder teilweise Anrechnung auf überta-
rifliche Lohnbestandteile vorzunehmen."
Am 2. September 1982 vereinbarten die Parteien ein Monatsgehalt von 2.600,-- DM (ab 1. April 1982) mit folgender Aufgliederung:
"Tarifgruppe: L III c
Vollzeit
Tariflohn DM 2.272,--
Freiwillige, jeder-
zeit widerrufliche
und auf Tarif- und
Lohnerhöhung an-
rechenbare Zulage DM 170,50
Nicht anrechenbare
Zulage DM 157,50
-----------
Bruttolohn DM 2.600,-- ".
In der Folgezeit nahm die Beklagte eine Anrechnung der Tariflohnerhöhungen auf die "nicht anrechenbare Zulage" vor, wodurch sich das Gehalt des Klägers bei gleichbleibendem Gesamtbruttogehalt von 2.600,-- DM folgendermaßen entwickelte:
- ab 1. April 1983: 2.345,-- Tariflohn
150,-- freiwillige Zulage
105,-- nicht anrechenbare
Zulage
- ab 1. April 1984: 2.427,-- Tariflohn
120,50 freiwillige Zulage
52,50 nicht anrechenbare
Zulage
- ab 1. April 1985: 2.488,-- Tariflohn
112,-- freiwillige Zulage
- ab 1. April 1986: 2.540,-- Tariflohn
60,-- freiwillige Zulage.
Die Beklagte hat dem Kläger in der Folgezeit Gehaltsmitteilungen zugesandt. Für die Zeit ab 1. August 1984 belief sich die nicht anrechenbare Zulage gemäß der entsprechenden Gehaltsmitteilung auf 52,50 DM. Schließlich geht eine Gehaltsmitteilung vom 30. Juni 1985 dahin, daß eine nicht anrechenbare Zulage ganz entfällt. Der Kläger hat sie bereits ab 1. April 1985 nicht mehr erhalten.
Der Kläger hat erst nach dem völligen Wegfall der Zulage diese in Höhe von 157,50 DM monatlich für die Zeit ab 1. Juli 1985 bis zum 31. Juli 1986 verlangt und fordert für den von der tariflichen Verfallklausel nicht erfaßten Zeitraum insgesamt 2.047,50 DM brutto.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
2.047,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus
dem Nettobetrag seit dem 15. August 1986
zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält sich nach der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 für berechtigt, die außertarifliche Zulage zu kürzen. Die Vereinbarung einer "nicht anrechenbaren Zulage" in den Arbeitsverträgen sei unter Berücksichtigung der Änderungskündigung und der Betriebsvereinbarung so zu verstehen, daß sie nach den vorher erfolgten Kürzungen derzeit nicht weiter anrechenbar sei. Eine Anrechnung in Zukunft habe man damit nicht ausschließen wollen. Im übrigen habe sich der Kläger durch seine widerspruchslose Weiterarbeit auf die Gehaltsmitteilungen mit der Kürzung der Zulagen einverstanden erklärt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Mit der Revision will die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Die Klage ist abzuweisen, denn dem Kläger steht seit dem 1. April 1985 keine Zulage von ursprünglich 157,50 DM mehr zu.
I. Das Landesarbeitsgericht legt Ziff. 3 des Arbeitsvertrages vom 2. September 1982 dahin aus, daß der Kläger neben dem Tarifgehalt eine in der Höhe nicht anrechenbare Zulage von 157,50 DM monatlich erhalten solle. Es entnimmt dies einmal aus dem Vertragswortlaut, der ausdrücklich von einer "nicht anrechenbaren Zulage" spräche. Daneben finde sich im Arbeitsvertrag eine nicht ausgefüllte Spalte für die Eintragung einer freiwilligen, jederzeit widerruflichen und auf Tariflohnerhöhung anrechenbaren Zulage. Aus dieser Gegenüberstellung im Arbeitsvertrag entnimmt das Berufungsgericht, daß die nicht anrechenbare Zulage auch in Zukunft bei Tariflohnerhöhungen in vereinbarter Höhe fortbestehen solle.
II. Die Revision wendet sich zu Recht gegen diese nur am Wortlaut haftende Auslegung des Arbeitsvertrages und verweist demgegenüber auf die Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981, die eine Anrechnung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Zulage in Höhe von 25 % regelt.
1. Zwar ist das Revisionsgericht in der Nachprüfung einer nichttypischen Willenserklärung - darum handelt es sich bei dem Arbeitsvertrag vom 2. September 1982 - nicht frei. Nachprüfbar ist aber in jedem Fall, ob der Tatsachenrichter bei der Auslegung einer privaten nichttypischen Willenserklärung die Vorschriften des materiellen Rechts beachtet hat. Nach § 133 BGB muß das Gericht bei der Auslegung einer Willenserklärung den wirklichen Willen erforschen. Das bedeutet, daß nicht nur auf den Wortlaut abzustellen ist, sondern alle Begleitumstände zu würdigen sind, die für die Frage, welchen Willen der Beteiligte bei seiner Erklärung gehabt hat, von Bedeutung sind. Fehlt es an einer solchen Würdigung, so kann die vom Tatsachenrichter vorgenommene Auslegung keinen Bestand haben (BAGE 22, 424, 426 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB, zu 1 a der Gründe).
2. Das Berufungsgericht hat die für die Vertragsauslegung wichtigen Begleitumstände nicht hinreichend berücksichtigt.
Zwar spricht der Arbeitsvertrag von einer "nicht anrechenbaren Zulage". Dieser Wortlaut bezieht sich jedoch nicht auf die gegenwärtige Höhe der Zulage, sondern bezeichnet sie nur dem Gegenstand nach als die Zulage, die nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 teilweise - nämlich in Höhe von 25 % jährlich - anrechenbar ist. Das ergibt sich aus der unstreitigen Vertragsentwicklung.
a) Die hier umstrittene Zulage ist dem Kläger nach der Änderungskündigung ab 1. Oktober 1979 als "freiwillige Zulage" von damals 210,-- DM, anstelle der vorher gezahlten Anwesenheitsprämie vertraglich zugesagt worden. Zugleich hat die Beklagte dem Kläger aber mitgeteilt, daß über die Kürzung der Zulage i.V. mit Tariflohnerhöhungen, mit dem Betriebsrat vor dem 30. Juni 1980 eine Vereinbarung getroffen werde. Da alle Arbeitnehmer entsprechende Mitteilungen erhalten haben, hat die Beklagte damit eine Gesamtzusage erteilt unter dem Vorbehalt weiterer Regelungen mit dem Betriebsrat.
Die Beklagte hat sodann mit ihrem Betriebsrat am 23. April 1981 vereinbart, die freiwillige Zulage von 210,-- DM in Höhe von nicht mehr als 25 % jährlich auf Tariflohnerhöhungen anzurechnen. Mit dieser Regelung war die vertragliche Grundlage für das Schicksal der Zulage gegeben. Die freiwillige Zulage von 210,-- DM durfte in Höhe von 52,50 DM jährlich bei Tariflohnerhöhungen angerechnet werden.
b) Der Kläger konnte und mußte die vorbezeichnete Regelung in diesem Sinne verstehen. Wenn die Beklagte sie demgegenüber im Arbeitsvertrag und in den Gehaltsmitteilungen als "nicht anrechenbare Zulage" bezeichnet hat, so ist das zwar mißverständlich ausgedrückt, weil die Zulage in den Grenzen der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 nur schrittweise abgebaut werden durfte und in restlicher Höhe nicht anrechenbar war. Es war insbesondere auch wegen der Höhe des Betrages für den Kläger offensichtlich, daß damit die Zulage gemeint war, die aufgrund der Änderungskündigung ab 1. Oktober 1979 als freiwillige Zulage gezahlt wurde und auf die sich die Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 bezog. Die Beklagte hat entsprechend dieser Betriebsvereinbarung die Zulage in den Jahren ab 1982 bei Tariflohnerhöhungen jeweils um 25 % gekürzt. Dies wurde dem Kläger mit den Gehaltsmitteilungen auch jeweils bekanntgegeben. Dem Kläger war daraus der Vollzug der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 hinsichtlich dieser Zulage erkennbar. Er hat dagegen auch nichts unternommen. Zwar hat er damit allein dieser Regelung nicht zugestimmt, jedoch war dafür sein Einverständnis nicht nötig, weil die Rechtsgrundlage schon durch die Vertragsentwicklung im Zusammenhang mit der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 gegeben war. Andererseits hat er aber durch sein Verhalten erkennen lassen, daß er die Anrechnungsfähigkeit der Zulage genauso verstanden hat wie die Beklagte. Der Kläger hat dreimal hintereinander den schrittweisen Abbau der Zulage nach Maßgabe der Betriebsvereinbarung vom 23. April 1981 bis zum völligen Wegfall ab 1. April 1985 hingenommen und damit deutlich gemacht, daß er die Anrechnungsfähigkeit der Zulage genauso sieht wie die Beklagte.
Vorsitzender Richter Dr. Gehring Dr. Olderog
Prof. Dr. Thomas
ist im Urlaub und
daher an der Unter-
schrift gehindert.
Dr. Gehring
Polcyn Dr. Koffka
Fundstellen