Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Aushilfskraft. kurzfristiges Beschäftigungsverhältnis. zeitgeringfügige Beschäftigung. Maßgeblichkeit der Entgeltgrenze von 400 Euro mtl. Zugrundelegung einer anteiligen Arbeitsentgeltgrenze. Vereinbarkeit mit geltendem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer geringfügigen Beschäftigung im Sinn des § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV ist auch dann die Entgeltgrenze von 400 Euro im Monat maßgeblich, wenn die Beschäftigung im Lauf eines Kalendermonats beginnt und endet.
2. Der in den Geringfügigkeits-Richtlinien vorgesehene anteilige Monatswert ist mit dem geltenden Recht nicht vereinbar.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Rahmen einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen ist die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger Beschäftigung im Sinn des § 8 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) streitig.
Die klagende Firma betreibt neben Sicherheitsdienstleistungen den Auf- und Abbau bei Veranstaltungen z.B. von Bühnen oder Eisflächen und erhält Aufträge oft kurzfristig mit der Folge eines kurzfristig erhöhten Personalbedarfs. Sie arbeitet mit einem Stamm von Angestellten und auch mit Aushilfskräften, die ihr über Beziehungen, Kontakte, Medien usw. bekannt sind und in einer Kartei geführt werden. Bei Bedarf werden diese Personen gefragt, ob sie für einen Tag oder mehrere Tage aushelfen können, die dann jeweils zusagen oder ablehnen. Schriftliche Vereinbarungen werden zwischen der Klägerin und den Aushilfskräften nicht geschlossen. Die Aushilfskräfte arbeiten auf Weisung des Firmeninhabers oder seines Prokuristen, die die technischen und sonstigen Anforderungen des Auf- und Abbaus kennen und verantworten. Die Einsätze der Aushilfskräfte sind in der Regel auf einen Tag bis wenige Tage befristet. Neue Aushilfskräfte haben Gelegenheit, sich den Job anzuschauen, werden aber schon am ersten Arbeitstag bezahlt.
Die jeweils 1985 geborenen Beigeladenen zu 1 und 3 arbeiteten für die Klägerin im Zusammenhang mit der Schauproduktion H., die nacheinander in verschiedenen Städten aufgebaut wurde. Zum Auf- und Abbau der Produktion wurden jeweils Aushilfskräfte vor Ort angeworben, ohne dass diesen Personen weitere Einsätze in Aussicht gestellt wurden. Wie sich aus den Lohnunterlagen ergibt, arbeitete der Beigeladene zu 1 bei der Klägerin drei Arbeitstage in der Zeit vom 01.01.2006 bis zum 09.01.2006 und erhielt ein Entgelt in Höhe von 135 €, der Beigeladene zu 3 arbeitete bei ihr am 19.12.2006 (ein Arbeitstag) und erhielt ein Entgelt in Höhe von 65 €. Es erfolgte jeweils eine Meldung zur Sozialversicherung mit der Angabe eines beitragspflichtigen Bruttoarbeitsentgelts von 0.
Der Beigeladene zu 1 bezog von Januar bis Juli 2006 Arbeitslosengeld und anschließend Krankengeld. Der Beigeladene zu 3 erhielt von Oktober bis Dezember 2006 Arbeitslosengeld II. Beide übten im streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren (geringfügigen) Beschäftigungen aus.
Die Beklagte führte in der Zeit vom 21.07.2010 bis zum 25.10.2010 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gemäß § 28p SGB VI durch und erteilte nach der Schlussbesprechung am 22.07.2010 den Bescheid vom 26.10.2010, mit dem eine Nachforderung in Höhe von 15.316,74 € geltend gemacht wurde. Laut Anlagen zum Bescheid ("Berechnung der Beiträge") wurden Sozialversicherungsbeiträge für eine Vielzahl von Beschäftigten nachberechnet, wobei zum Sachverhalt jeweils angegeben wurde "Berufsmäßige Beschäftigung, da arbeitslos. Kurzfristigkeit ohne Beiträge ist nicht möglich." Für einen Teil der Personen wurden Beiträge wegen angenommener Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berechnet, mit Bezeichnung der jeweils zuständigen Einzugsstelle, für einen anderen Teil der Personen wurden jeweils ein Beitrag zur Krankenversicherung (13 %) und ein Beitrag zur Rentenversicherung (15 %) zugunsten der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Minijob-Zentrale nachberechnet.
Den gegen den Bescheid vom 26.10.2010 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die berufsmäßige Beschäftigung nicht schade, wenn das monatliche Entgelt 400 € nicht überschreite.
Die Beklagte erließ im Widerspruchsverfahren den Bescheid vom 05.07.2012 und bezifferte nunmehr eine Nachforderung in Höhe von 12.823,20 €. Beiträge wegen Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung berechnete sie nur noch für die Personen, die für die Klägerin einmalig, d.h. nur in einem Kalendermonat bezogen auf den streitgegenständlichen Zeitraum, tätig gewesen waren. Für alle anderen Aushilfskräfte ging sie nunmehr davon aus, dass es sich aufgrund der mehrmaligen Arbeitseinsätze und der Rufbereitschaft um regelmäßige Beschäftigungsverhältnisse gehandelt habe. Damit erhöhten...