Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis im Testament
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis, wenn de, Erblasser praktisch sein gesamtes Vermögen nach Gegenständen und Vermögensgruppen auf seine Lebensgefährtin und deren Enkel verteilt hat.
2. Die Auslegungsregel des § 2085 BGB gilt auch dann, wenn nicht nur eine, sondern mehrere in einem Testament enthaltene Verfügungen unwirksam sind, sofern neben den unwirksamen mindestens eine an sich wirksame Anordnung steht.
Normenkette
BGB §§ 2078, 2081, 2085, 2087
Verfahrensgang
LG Augsburg (Aktenzeichen 5 T 943/02) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 2889/01) |
Tenor
I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 3) und 4) gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 12.9.2002 werden zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 3) und 4) haben die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der im Alter von 68 Jahren verstorbene Erblasser war ledig und kinderlos. Er lebte viele Jahre zusammen mit seiner Mutter, der nachverstorbenen früheren Beteiligten zu 2), in A. Sein Vater war bereits 1965 vorverstorben.
Mit der Beteiligten zu 1) und deren Ehemann verband den Erblasser eine jahrzehntelange Freundschaft. Nach dem Tod des Ehemanns im Jahre 1998 kam es zu einer noch intensiveren Beziehung zwischen dem Erblasser und der Beteiligten zu 1), die wenigstens vorübergehend seine Lebensgefährtin wurde. Seit dem 5.6.2001 wohnte der Erblasser offiziell bei der Beteiligten zu 1) in A. Seine Mutter war zuvor, im Frühjahr 2001, zu ihrer Tochter (Schwester des Erblassers, Beteiligte zu 3) ins Allgäu gezogen. Am 24.7.2001 zog der Erblasser ebenfalls zu seiner Schwester ins Allgäu, blieb aber weiterhin unter der Adresse der Beteiligten zu 1) in A. gemeldet.
Der Bruder des Erblassers ist im Jahr 1999 vorverstorben; dessen einziger Sohn ist der Beteiligte zu 4).
Der Erblasser hinterließ folgende eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 16.11.2000:
Die Beteiligte zu 1)
soll bekommen
1. mein Auto
2. meine Barschaft
3. einen evtl. vorhandenen Anteil an einer Eigentumswohnung oder Reihenhaus. Auch soll sie mich beerdigen im Familiengrab in A. und meine Grabpflege übernehmen.
4. Meinen Erbteil am Reihenhaus.
Die Beteiligte zu 3)
soll bekommen die Stilmöbel, die Kommode und den Rauchtisch. Mit der Vorgabe alles in Wohnung zu lassen bis zum Ableben der Beteiligten zu 1), die obige Möbel nicht verkaufen darf.
L. soll bekommen mein Miteigentum am Grundstück B.
alles was mit Eisenbahn zu tun hat, und meine vollst. Amateurfunk Anlage. Ich ordne Vollstreckung an.
Testamentsvollstrecker soll die Beteiligte zu 1) sein.
Den Pkw hatte der Erblasser am 3.11.1999 als Neuwagen zu einem Preis von 30.890 DM erworben. Die Beteiligten zu 2) bis 4) haben vorgetragen, dass der Erblasser den Pkw Anfang August 2001 dem Schwiegersohn der Beteiligten zu 3) geschenkt habe, ohne dass eine Umschreibung in den Kfz-Papieren erfolgt sei.
Kurz vor seinem Tod besaß der Erblasser ein Bankguthaben von ca. 17.000 DM. Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 2) bis 4) soll auch dieser Vermögensposten nicht in den Nachlass fallen, da der Erblasser über diesen Betrag am 18.10.2001, einen Tag vor seinem Ableben, durch Banküberweisung zugunsten der Beteiligten zu 3) verfügt habe, um damit u.a. für ihn verauslagte Beträge abzugelten.
Zu dem vom Erblasser beabsichtigten Erwerb einer Eigentumswohnung oder eines Reihenhauses, auf den Ziff. 3 des Testaments Bezug nimmt, kam es nicht mehr.
Der Erblasser war zu 1/8 an einer Erbengemeinschaft beteiligt, zu deren Nachlass der Hälfteanteil an einem Reihenhaus gehörte. Dieses Haus wurde zwischenzeitlich zu einem Kaufpreis von 390.000 DM veräußert; der auf den Erblasser entfallende Anteil beträgt rund 24.000 DM.
Die im Testament vom 16.11.2000 erwähnten Stilmöbel, deren Wert die Beteiligten zu 2) bis 4) mit 200.000 DM angeben, standen unstreitig nicht im Eigentum des Erblassers; sie gehörten seiner Mutter. Diesbezüglich hatten der Erblasser; die Beteiligten zu 3) und 4), der Vater des Beteiligten zu 4) sowie die Tochter der Beteiligten zu 3) unter dem 23.12.1997 eine maschinenschriftliche, von der Mutter des Erblassers eigenhändig unterschriebene Erklärung mitunterzeichnet, wonach die komplette Wohnungseinrichtung nach dem Tod der Mutter im Besitz des Erblassers verbleiben sollte. Dieser verpflichtete sich, bestimmte Einrichtungsgegenstände an den Beteiligten zu 4) und andere Einrichtungsgegenstände an die Tochter der Beteiligten zu 3) zu vererben.
Der Erblasser war neben der Familie L. zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks, das vor ca. 25 Jahren für einen Kaufpreis von insgesamt 4.500 DM gekauft worden war und dessen Wert sich nach den Angaben der Beteiligten praktisch nicht erhöht hat.
Der im Testament bedachte L. ist der Enkel der Beteiligten zu 1), deren Sohn – wie der Erblasser...