Leitsatz (amtlich)
›1. Die Besorgung von Rechtsangelegenheiten verschiedener Personen kann weder als natürliche Handlungseinheit noch als tatbestandliche Bewertungseinheit noch als fortgesetzte Tat zusammengefaßt werden und stellt auch keine einheitliche Tat im prozessualen Sinne dar (Konsequenzen aus BGH Beschluß vom 3. 5. 1994 - GSSt 2 und 3/93, NJW 1994, 1663).
2. Führt der Bußgeldbescheid lediglich einen Einzelfall unerlaubter Rechtsbesorgung auf, verurteilt der Tatrichter aber wegen insgesamt 17 in Fortsetzungszusammenhang stehender Einzelfälle, so kann das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der auf das zulässige Rechtsmittel hin von Amts wegen vorzunehmenden Überprüfung der Verfahrensvoraussetzungen den Schuldumfang auf den im Bußgeldbescheid aufgeführten Einzelfall begrenzen, ohne daß es einer gesonderten Verfahrenseinstellung hinsichtlich der weiteren 16 in das Urteil einbezogenen Einzelfälle bedarf.
3. Verfolgt ein Verein ausschließlich Interessen, die jedermann haben kann, so ist er nicht in berufsstandsähnlicher Weise im Sinne des Art. 1 § 7 RBerG gebildet.
4. Der weisungsgebundene Angestellte, der vorsätzlich an der unerlaubten Rechtsbesorgung des Vereins bzw. dessen gesetzlichen Organs mitwirkt, kann im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Satz 2 OWiG Beteiligter sein.
5. Unter leitenden Angestellten im Sinne von § 10 Abs.2 1. AVO RBerG sind nur solche Personen zu verstehen, die das dem Merkmal "geschäftsmäßig" innewohnende Kennzeichen der Selbständigkeit (jedenfalls für den in Frage kommenden Teilbereich) aufweisen, also nicht Weisungen Dritter unterworfen sind.
Tatbestand
Die Staatsanwaltschaft erließ gegen den Betroffenen am 17. 3. 1993 wegen unerlaubter Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einen Bußgeldbescheid mit folgender Begründung:
"Sie sind Justitiar der '... Gesellschaft ...'. In dieser Eigenschaft haben Sie an das Amtsgericht P. am 13.7. 1992 ein Schreiben betreffend die Hinterlegung des Patientenschutzbriefs Ingeborg N. gerichtet, die Vertretung von Frau Ingeborg N. angezeigt und Beschwerde gegen eine Verfügung des Gerichts vom 25.4. 1992 eingelegt und begründet. "
Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen nach Einspruch durch Urteil vom 18. 2. 1994 wegen unerlaubter Rechtsberatung zur Geldbuße von 1. 000 DM. Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Der Betroffene wurde mit Arbeitsvertrag vom 6.2. 1992 durch den Zeugen X als Justitiar in der Bundesgeschäftsstelle der "... Gesellschaft... " angestellt. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte es nach § 3 des Vertrages u.a., "das gesamte Rechts- und Prozeßwesen" wahrzunehmen. In diesem Zusammnhang hatte er auch Schreiben an Dritte zu entwerfen und nach Überprüfung durch den Zeugen X zu unterzeichnen und in Auslauf zu geben. Bezüglich des Inhalts ausgehender Schreiben unterlag er der ausschließlichen Weisung durch den Zeugen X, dem damaligen Geschäftsführer des Vereins.
Die Mitglieder des eingetragenen Vereins "... Gesellschaft ... " verfertigten im Jahre 1992 auf Betreiben des Vereins in großem Umfang sog. Patientenschutzbriefe und suchten sie bei den Vormundschaftsgerichten der Amtsgerichte im gesamten Bundesgebiet für den Fall ihrer Unterstellung unter einen Betreuer zu hinterlegen. Außerdem enthielten diese Schreiben eine sog. Patientenverfügung für den Fall des bevorstehenden Ablebens und die Ernennung des sog. Patientenanwalts.
Für den Fall, daß die Mitglieder dies wünschten oder die Annahme der Patientenschutzbriefe von den Amtsgerichten verweigert wurde, konnten sie sich an die "... Gesellschaft... " wenden. In diesen Fällen stellte der Betroffene für die Mitglieder den Hinterlegungsantrag oder legte gegen die Ablehnung Beschwerden oder Dienstaufsichtsbeschwerden ein.
In mindesten 17 Einzelfällen wandte sich der Betroffene im Sommer 1992 an die Amtsgerichte P., W. und S. (Wird näher ausgeführt).
Gegen die Verurteilung durch das Amtsgericht richtete sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung des formellen und materiellen Rechts beanstandete. Sie führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wegen teilweisen Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung zur Begrenzung des Schuldumfangs und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
1. Die auf das zulässige Rechtsmittel hin von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung der Verfahrensvoraussetzungen, auf welche die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers abzielt, ergibt, daß die der Verurteilung zugrunde liegenden Handlungen mit Ausnahme der am 13. 7. 1992 vorgenommenen Besorgung von Rechtsangelegenheiten im Bußgeldbescheid keine Grundlage finden und damit die abgeurteilte Tat jedenfalls teilweise, im Gegensatz zu dem Erfordernis des § 264 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG, mit der in der Anklage oder einem gleichstehenden Verfahrensvorgang bezeichneten und verfolgten Tat nicht identisch ist.
a) Grundlage für das gerichtliche Verfahren in Bußgeldsachen ist der Bußgeldbescheid. Er hat nach dem Einspruch des Betroffenen den Charakter einer Beschuldigung, die den Prozeßgegenst...