Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozeßvertretung. Landtagsabgeordneter. Geschäftsmäßigkeit. öffentliches Amt
Leitsatz (amtlich)
Ein Parlamentsabgeordneter darf ohne gegebenenfalls erforderliche Erlaubnis geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten vor Sozialgerichten nicht vertreten.
Normenkette
SGG § 73 Abs. 1; ZPO § 157; RBerG Art. 1 § 1; RBerG § 3 Nr. 2
Verfahrensgang
SG Koblenz (Beschluss vom 24.09.1984; Aktenzeichen S 4 Vs 572/84) |
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluß des Sozialgerichts Koblenz vom 24. September 1984 wird zurückgewiesen.
Gründe
Durch den vorgenannten Beschluß hat das Sozialgericht den Bevollmächtigten des Klägers von der Prozeßvertretung ausgeschlossen mit der Begründung, dieser trete laufend in Rechtsverfahren auf und beabsichtige dies auch in Zukunft unter Hinweis auf seine Sprechstundentätigkeit als Abgeordneter des Landtags Rheinland-Pfalz. Im Schreiben vom 11. August 1984 hatte der Bevollmächtigte auf Anfrage des Gerichts erklärt, in seiner Tätigkeit als Abgeordneter werde er von Bürgern in seinen wöchentlichen Sprechstunden häufig um Rat und Hilfe gefragt, er sei also auch in sozialen Angelegenheiten als Beistand oder als rechtlicher Berater tätig.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt und hierzu im wesentlichen vorgetragen, zu Unrecht stelle der Beschluß den Ausschluß von der gesamten Prozeßvertretung fest, allenfalls könne ein Ausschluß von der mündlichen Verhandlung in Frage kommen. Die VOM Sozialgericht unterstellte Geschäftsmäßigkeit der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten liege nicht vor, die Prozeßvertretung erfolge lediglich bei Vorliegen ganz bestimmter Voraussetzungen. Unabhängig hiervon übe ein Landtagsabgeordneter, nicht zuletzt als Petitionsadressat, ein öffentliches Amt aus, das ihm in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten verfassungsrechtlich gestatte.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die statthafte Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), wobei es nicht der Entscheidung der Frage bedarf, ob sie nur vom Prozeßbeteiligten selbst oder auch vom ausgeschlossenen Bevollmächtigten eingelegt werden kann (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 2. Aufl., § 73, Randnr. 11), weil die Beschwerde jedenfalls auch vom Kläger angesichts seiner Prozeßvollmacht vom 23. November 1984 eingelegt ist.
Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Bevollmächtigten des Klägers von der gesamten Prozeßvertretung ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 157 Zivilprozeßordnung (ZPO) betrifft das Auftreten in der mündlichen Verhandlung, nicht auch schriftliche Prozeßhandlungen (vgl. BSG SozR § 73 SGG Nr. 10; BSG SozR 1500 § 73 SGG Nr. 2; Meyer-Ladewig, a.a.O., Randnr. 10). Denn bei §§ 73 Abs. 6 Satz 1 SGG, 157 ZPO handelt es sich lediglich um Ergänzungsvorschriften für Personen, die bereits eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I, 1478) haben, jedoch zusätzlich zum mündlichen Verhandeln vor Gericht zugelassen sein müssen (§ 157 Abs. 3 ZPO). Damit ist zu prüfen, ob der Bevollmächtigte durch sein Handeln für einen Prozeßbeteiligten gegen das RBerG verstößt, weil zwar Bevollmächtigter grundsätzlich jede prozeßfähige Privatperson sein kann, deren Tätigkeit aber ohne Erlaubnis, sei es in oder außerhalb der Mündlichen Verhandlung, nicht geschäftsmäßig sein darf (vgl. BSG SozR 1500 § 73 SGG Nr. 3; Meyer-Ladewig, a.a.O. Randnr. 3, 4, 10).
Die Tätigkeit des Bevollmächtigten des Klägers im vorliegenden Verfahren verstößt gegen die Verbotsbestimmungen des RBerG. Denn es handelt sich um die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit, die ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis geschäftsmäßig betrieben wird (Artikel 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG).
An der Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit besteht kein Zweifel. Hierunter ist die unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten entweder durch unmittelbare Wahrnehmung Dritten gegenüber, also nach außen als Bevollmächtigter, oder nur nach innen durch Rechtsberatung oder Entwerfen von Schriftsätzen usw. dergestalt zu verstehen, daß die Rechtsangelegenheit einem gewissen Abschluß zugeführt werden soll, wozu beispielsweise die Durchführung von Klageverfahren gehört (vgl. Altenhoff/Busch/Kampmann, Kommentar zum RBerG, 6. Aufl., Randnr. 26; Schorn, Die Rechtsberatung, 2. Aufl., S. 105 ff.).
Auch die weitere Voraussetzung der Geschäftsmäßigkeit ist hier erfüllt. Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit erfordert eine Tätigkeit, bei der der Handelnde beabsichtigt, sie – sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit – in gleicher Art zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen; es ist weder erforderlich, daß die Tätigkeit hauptberuflich, noch d...