Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Ein Erbscheinsverfahren kann in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt werden, wenn zwischen den Erbprätendenten ein Zivilrechtsstreit zur Feststellung des Erbrechts anhängig ist.
Normenkette
ZPO § 148 analog
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Aktenzeichen 1 O 475/97) |
AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen VI 135/39) |
Tenor
Das Erbscheinsverfahren wird im Hinblick auf die von dem Beteiligten zu 2 gegen den Beteiligten zu 1 erhobene Klage zum Landgericht Aschaffenburg (Az. 1 O 475/97), soweit sie die Feststellung des Erbrechts nach dem Erblasser betrifft, ausgesetzt.
Tatbestand
I.
Der 1939 verstorbene Erblasser war das Haupt eines fürstlichen Hauses. Das Stammgut dieses Hauses, das insbesondere aus umfangreichen Ländereien besteht und bis zur gesetzlichen Auflösung der Fideikommisse durch die Reichs- und Landesgesetzgebung gebundenes Vermögen war, lag im Zeitpunkt dieser Auflösunggesetzgebung 1919 bis 1939 in den damaligen Ländern Bayern, Hessen und Baden, die insoweit jeweils unterschiedliche gesetzliche Regelungen erlassen hatten. Im Bestreben, das Vermögen zusammenzuhalten, schloß der Erblasser am 14.4.1925 mit seiner Ehefrau und den drei lebenden männlichen Abkömmlingen einen Erbvertrag, in dem er zu Erben seines Vermögens, soweit ihm darüber das Eigentums- und Verfügungsrecht zustand, seine Abkömmlinge einsetzte mit der Maßgabe, daß für die Erbfolge die darauf bezüglichen Bestimmungen des fürstlichen Hausgesetzes, jedoch unter Anwendung der Vorschriften in den §§ 2100 bis 2146 des Bürgerlichen Gesetzbuches, maßgebend bleiben sollten. Gemäß § 25 Abs. 2 des Hausgesetzes können sich Prinzen und Prinzessinnen des fürstlichen Hauses nur mit vorgängiger schriftlicher Einwilligung des regierenden Fürsten vermählen. § 25 Abs. 4 des Hausgesetzes sieht vor, daß Familienmitglieder, welche ohne eine solche Einwilligung eine eheliche Verbindung eingehen, für sich, ihre Ehegatten und ihre Nachkömmlinge von den Rechten und Bezügen ausgeschlossen sind, welche ihnen das Hausgesetz gewährt.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind Urenkel des Erblassers und Brüder. Ihr Großvater und ihr Vater waren nach dem im Hausgesetz vorgesehenen Grundsatz der Linealerbfolge im Mannesstamm jeweils als regierenden Fürsten des Hauses und, entsprechend dem Erbvertrag und dem Hausgesetz, als (Nach-)Erben des Erblassers anerkannt worden. Der Beteiligte zu 1 war, als ältester Sohn des letzten regierenden Fürsten, als weiterer (Nach-)Erbe vorgesehen. Er hat nach dem Tod seiner ersten Ehefrau im Mai 1991 eine zweite Ehe geschlossen. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der letzte regierende Fürst, der Vater der Beteiligten zu 1 und 2, zu dieser Ehe seine Einwilligung erteilt hat.
Im Oktober 1991 ist der letzte regierende Fürst verstorben. Die Beteiligten streiten darum, ob der Beteiligte zu 1 an dessen Stelle als (Nach-)Erbe die Erbschaft nach dem Erblasser angetreten hat, oder ob er aufgrund seiner möglicherweise nicht konsentierten zweiten Heirat gemäß § 25 Abs. 4 des Hausgesetzes von der Erbfolge ausgeschlossen ist, so daß nach den hausgesetzlichen Regeln der Beteiligte zu 2 an seine Stelle getreten wäre. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Beteiligten die Wirksamkeit des Erbvertrages vom 14.4.1925 insgesamt, aber auch dessen Auslegung umstritten. Wesentliche Streitpunkte liegen insbesondere darin, ob § 25 Abs. 4 des Hausgesetzes als Bestandteil der Erbfolgeregelung in den Erbvertrag inkorporiert ist, ob, wenn man dies bejaht, eine solche Regelung unter Beachtung des Art. 6 GG wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist und welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind. Der Beteiligte zu 1 meint außerdem, daß jedenfalls eine Berufung auf diese Klausel wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unbeachtlich sei. Offen ist auch, welche Bedeutung in diesem Zusammenhang „familienrechtlichen Regelungen” des Fürstlichen Hauses zukommt, die in den Jahren 1974 bis 1976 von den meisten Mitgliedern des Hauses unterzeichnet worden sind und einen Heiratskonsens nicht mehr vorsehen.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihm einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben des Erblassers ausweisen soll. Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten und hat seinerseits verschiedene Erbscheinsanträge gestellt, die darauf abzielen, daß der Erblasser entweder von seinen vier Kindern in gesetzlicher Erbfolge oder aber aufgrund letztwilliger Verfügung durch den Beteiligten zu 2, dessen Vater oder dessen Großvater jeweils allein als Vollerbe beerbt worden ist.
Das Nachlaßgericht hat einen Erbschein entsprechend dem Antrag des Beteiligten zu 1 angekündigt. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 mit Beschluß vom 3.9.1996 (BayObLGZ 1996, 204 ff.) aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hat nach einer umfangreichen weiteren Beweisaufnahme mit Beschluß vom 17....