Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Konnten die Erbvertragsparteien eine Änderung der Rechtslage in bezug auf eine Vereinigung aller Teile des Hausguts und des Allods zu einem einheitlichen, der Universalsukzession unterliegenden freien Vermögen nicht voraussehen, enthält der betroffene Erbvertrag eine Lücke, deren Ausfüllung die ergänzende Auslegung dient.
2. Bei der Ermittlung des hypothetischen Willens der Erbvertragsparteien ist zu fragen, wie diese ihre Verfügung inhaltlich gestaltet hätten, wenn sie die spätere Entwicklung vorausschauend bedacht hätten. Dabei ist insofern an den Wortlaut der Urkunde anzuknüpfen, als diese einen wenn auch unvollkommenen Ausdruck für die Willensrichtung der Erbvertragsparteien enthalten muß.
Normenkette
BGB § 157
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 15.03.1995; Aktenzeichen 4 T 35/93) |
AG Obernburg a.M. (Aktenzeichen VI 135/39) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 15. März 1995 aufgehoben; die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Aschaffenburg zurückverwiesen.
Tatbestand
A.
Der verwitwete Erblasser, der Fürst zu N, ist im Jahr 1939 verstorben. Er hinterließ eine Tochter sowie die Söhne A, B, und C. Ein weiterer Sohn D war bereits im Jahr 1918 verstorben.
Am 14.4.1925 hatte der Erblasser mit seiner Ehefrau und den drei lebenden männlichen Abkömmlingen einen Erbvertrag geschlossen, der von den Vertragsparteien unterzeichnet und einem Notar in einem verschlossenen Umschlag übergeben wurde. Er lautet auszugsweise wie folgt:
Mit Rücksicht darauf, daß durch die Gesetzgebung der Länder, nämlich in Bayern …, in Baden …, in Hessen … die Fideikommisse und Stammgüter aufgehoben worden sind und hierdurch auch die fideikommissarische Bindung hinsichtlich des Hausgutes des Fürstlichen Hauses N betroffen worden ist, haben wir, die derzeitigen Mitglieder des Fürstlichen Hauses N, uns entschlossen, die künftige Erbfolge in unser gegenwärtiges und künftiges Vermögen, soweit es nach Maßgabe des Fürstlichen Hausgesetzes vom 23.10.1897 gebunden war (Hausgut), durch Erbvertrag zu ordnen. Demgemäß vereinbaren wir unter Wahrung der für den Erbvertrag und den Erbverzichtsvertrag gesetzlich vorgeschriebenen Formen, indem wir gegenseitig unsere einzelnen Erklärungen ausdrücklich annehmen, was folgt:
I.
Ich, … (Erblasser), setze zu Erben des vorbezeichneten Vermögens, soweit das Eigentums- und Verfügungsrecht daran mir zusteht, meine Abkömmlinge ein und zwar mit der Maßgabe, daß für die Erbfolge die darauf bezüglichen Bestimmungen des Hausgesetzes vom 23.10.1897, jedoch unter Anwendung der Vorschriften in den §§ 2100 bis 2146 des Bürgerlichen Gesetzbuches, maßgebend bleiben. Zur Erbfolge in meinen vorbezeichneten Nachlaß ist und bleibt danach die Geburt aus einer hausgesetzmäßigen Ehe (§ 25 des Hausgesetzes) und das Bekenntnis zum evangelischen Glauben erforderlich (§ 4 des Hausgesetzes). Die Erbfolge geschieht im Mannesstamm des Fürstlichen Hauses und nach dem Rechte der Erstgeburt und der Linealerbfolge; unter gleichnahen Linien wird die jüngere von der älteren ausgeschlossen (§ 5 Abs. 1 des Hausgesetzes). Im Falle des Erlöschens des Mannesstammes fällt mein Nachlaß an meine weiblichen Abkömmlinge, wie dies des näheren in den Absätzen 2 bis 5 des § 5 des Hausgesetzes geregelt ist.
…
II.
Wir, A, B und C bestimmen, daß die Erbfolge in unseren dereinstigen Nachlaß, soweit er aus dem vorbezeichneten Vermögen herrührt, sich nach den Grundsätzen vollziehen soll, wie sie unter I niedergelegt sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob uns dieses Vermögen kraft Gesetzes oder kraft letztwilliger Verfügung angefallen sein sollte.
III.
Soweit unter I. und II. Familienmitglieder des Fürstlichen Hauses N als Nacherben eingesetzt sind, sollen sie zugleich Ersatzerben sein. Der jeweilige Vorerbe soll von den Beschränkungen und Verpflichtungen, denen nach jetzigen oder künftigen Gesetzen der Vorerbe unterworfen sein sollte, insbesondere von denen in §§ 2113 Abs. 1, 2114, 2116 bis 2119, 2127 bis 2131, 2133, 2134 des Bürgerlichen Gesetzbuches befreit sein.
Wir verzichten für uns und unsere Rechtsnachfolger darauf, daß das Recht der Nacherbfolge im Grundbuch eingetragen werde.
…
IV.
Die Bestimmungen des Hausgesetzes vom 23.10.1897 bleiben, soweit sie nicht durch den Wegfall der fideikommissarischen Bindung des Hausgutes gegenstandslos geworden sind und soweit sie mit den Abreden dieses Erbvertrages vereinbar sind, auch weiterhin in Kraft …
…
V.
Wir versprechen uns für uns und unsere Rechtsnachfolger, das durch das Fürstliche Hausgesetz begründet gewesene Familienfideikommiß wieder herzustellen, wenn und soweit die Gesetzgebung dies zuläßt.
VI.
Sollte die durch diesen Erbvertrag begründete erbrechtliche Bindung (Nacherbfolge) durch Zeitablauf unwirksam werden, so verpflichten wir uns für uns und für unsere Rechtsnachfolger, die uns oder unseren Rechtsnachfolgern zufallenden Vermögensteile auch...