hier: Anspruch auf Fahrkostenübernahme für Fahrten zu probatorischen Sitzungen während einer Krankenhausbehandlung
Sachstand:
Gemäß § 92 Abs. 6a Satz 2 SGB V i.d.F. bis 19.7.2021 können während einer laufenden Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V erforderliche probatorische Sitzungen bereits frühzeitig auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden, sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll.
Durch das "Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)" vom 11.7.2021 (BGBl. I Nr. 44 vom 19.7.2021, S. 2754 ff.) wurde der § 92 Abs. 6a Satz 2 SGB V dahingehend erweitert, dass Versicherte während einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V einen Anspruch auf probatorische Sitzungen auch in einer vertragspsychotherapeutischen Praxis haben können. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll dadurch ermöglicht werden, dass sich Versicherte durch die realen Behandlungserfahrungen frühzeitig für eine Weiterbehandlung in der jeweiligen Praxis entscheiden können. Zudem sollen sie bestärkt werden, eigenständig die Behandlungstermine wahrzunehmen.
Krankenkassen übernehmen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 SGB V, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind.
Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung übernehmen die Krankenkassen unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinie, KrTrR) festgelegt hat. Die Übernahme der Fahrkosten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB V). Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB gilt für Krankenfahrten zu ambulanten Behandlungen die Genehmigung mit Ausstellung der ärztlichen Verordnung als erteilt, für Versicherte
- die einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung), "Bl" (Blindheit) oder "H" (Hilflosigkeit) besitzen oder
- in den Pflegegrad 3 (mit dauerhafter Mobilitätsbeeinträchtigung), Pflegegrad 4 oder 5 eingestuft sind oder
- die bis zum 31.12.2016 in die Pflegestufe 2 eingestuft waren und seit dem 1.1.2017 mindestens in den Pflegegrad 3 eingestuft sind.
Fahrkosten zu stationären Leistungen sind nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages (Fahrkosten abzüglich gesetzlicher Zuzahlungen) zu übernehmen.
Gemäß der Gesetzesbegründung zur Einführung des § 92 Abs. 6a Satz 2 SGB V durch das "Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung" (BT-Drucks. 19/13585 vom 25.9.2019), womit zunächst ein Anspruch auf probatorische Sitzungen während einer Krankenhausbehandlung im Krankenhaus eingeführt wurde, handelt es sich bei den probatorischen Sitzungen um eine ambulante Behandlung im Krankenhaus; konkret um eine besondere Form der aufsuchenden Versorgung. Die probatorischen Sitzungen gehören laut den Ausführungen in der Gesetzesbegründung nicht zu den Krankenhausleistungen. Vielmehr handele es sich weiterhin um ambulante Leistungen, die auch entsprechend vergütet werden. Das Krankenhaus stelle lediglich die erforderlichen Räumlichkeiten für die Durchführung der probatorischen Sitzungen zur Verfügung.
Finden die probatorischen Sitzungen nicht im Krankenhaus, sondern in der vertragspsychotherapeutischen Praxis statt, können damit Fahrten der Versicherten verbunden sein.
Vor diesem Hintergrund war darüber zu beraten, ob und unter welchen Voraussetzungen für Fahrten zu probatorischen Sitzungen in einer vertragspsychotherapeutischen Praxis während einer Krankenhausbehandlung ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme nach § 60 SGB V besteht.
Eine Beratung war in der Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht angezeigt.
Besprechungsergebnis:
Die Besprechungsteilnehmerinnen und Besprechungsteilnehmer vertreten einheitlich die Auffassung, dass für die Beurteilung des akzessorischen Anspruchs auf Übernahme von Fahrkosten als Hauptleistung die erforderliche psychotherapeutische Behandlung und damit die probatorischen Sitzungen zugrunde zu legen sind. Ausgehend von den Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum "Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung" handelt es sich bei den hier in Frage kommenden probatorischen Sitzungen in der vertragspsychotherapeutischen Praxis ebenfalls um ambulante Behandlungen.
Insofern kann ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme nur bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen von § 60 Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB V i.V.m. KrTrR bestehen. Die Anspruchsvoraussetzungen werden von dauerhaft mobilitätsbeeinträchtigten Versicherten nach § 60 Abs. 1 Satz 5 SGB V erfüllt (Versicherte nach § 8 Abs. 3 KrTrR). Daneben kann ein Anspruch auf Fahrkostenübernahme auch für vergleichbar mobilitäts...