Nach der aktuellen Rechtslage ist das Beitragsrecht der Kranken- und Pflegeversicherung durch die – in der Rechtsprechung maßgeblich ausgearbeitete – Anforderung geprägt, dass die Unsicherheiten der Versicherten über den endgültig geschuldeten Beitrag und der Krankenkassen über ihre Einnahmen grundsätzlich zu vermeiden sind. Vor diesem Hintergrund müssen die mit Wirkung für die Zukunft zu erlassenen Verwaltungsakte der Krankenkassen im Anwendungsbereich des § 240 SGB V im Regelfall den Charakter einer endgültigen Beitragsfestsetzung haben. Dagegen ist die zukunftsbezogene vorläufige Beitragsfestsetzung als Ausnahme konzipiert und nur unter engen Voraussetzungen, wie zum § bei der Beitragsbemessung aus dem Arbeitseinkommen für sogenannte Existenzgründer, zulässig.
Durch das HHVG wird das gesetzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis im gewissen Umfang verändert. Zunächst ist festzuhalten, dass für den weit überwiegenden Teil der beitragspflichtigen Einnahmen der Grundsatz der endgültigen zukunftsbezogenen Beitragsfestsetzung unberührt bleibt. Lediglich für Einnahmearten, die typischerweise starken Schwankungen unterworfen sind und deren Höhe erst nachträglich über den Einkommensteuerbescheid endgültig festgestellt wird, ist das beschriebene Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren. Ausdrücklich angesprochen im Gesetz sind in diesem Sinne das Arbeitseinkommen und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl. § 240 Abs. 4a SGB V i. d. F. des HHVG). Für diese Einnahmearten werden die Beiträge zunächst zukunftsbezogen vorläufig und erst nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das jeweilige Kalenderjähr nachträglich endgültig festgesetzt. Ungeachtet dieser abstrakten – auf die Einnahmearten bezogenen – Darstellung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses sind die faktischen Auswirkungen der Neuregelungen des HHVG auf die praktischen Abläufe bei den Krankenkassen wegen der Vielzahl betroffener Fälle erheblich.
Nach dem Wortlaut des Gesetzes bezieht sich das Verfahren der vorläufigen Beitragsfestsetzung ausschließlich auf die aus dem Arbeitseinkommen und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung resultierenden Beiträge. Dies würde bei wörtlicher Umsetzung der Regelung bedeuten, dass im Falle des Vorhandenseins von weiteren beitragspflichtigen Einnahmen bei demselben Mitglied die auf der Grundlage der weiteren beitragspflichtigen Einnahmen errechneten Beitragsanteile bereits zukunftsbezogen endgültig festzusetzen wären. Im Ergebnis bliebe die gegenseitige Abhängigkeit der beitragspflichtigen Einnahmen wegen derer summarischen Begrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze unberücksichtigt. Die Auswirkungen der rückwirkenden Erhöhung oder Reduzierung des Umfangs der Beitragspflicht für das Arbeitseinkommen bzw. für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf den Umfang der Beitragspflicht von anderen Einnahmen (die in der Rangfolge der Einnahmearten einen niedrigeren oder gleichen Rang besitzen) würden unter Umständen an den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts scheitern. Dies wäre insbesondere dann relevant, wenn bei den unterschiedlichen Komponenten der beitragspflichtigen Einnahmen unterschiedliche Beitragssätze Anwendung finden und/oder die Beitragsbemessungsgrenze (eventuell auch nur bei der rückwirkenden endgültigen Beitragsfestsetzung) überschritten wird.
Unter Berücksichtigung der beschriebenen – der Regelung immanenten – Zusammenhänge ist es daher notwendig, das Verfahren der zukunftsbezogenen vorläufigen Beitragsfestsetzung auf alle beitragspflichtigen Einnahmen auszuweiten, wenn bei dem Mitglied mehrere beitragspflichtige Einnahmearten vorhanden sind und mindestens eine Einnahmeart vorliegt, für die kraft Gesetzes die Anforderung der vorläufigen Beitragsfestsetzung gilt (vgl. jedoch die Besonderheiten für die BBG-Fälle unter Punkt 9 der Niederschrift). Im Sinne der Rechtssicherheit wird dieses Rechtsverständnis in den Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler [BVSzGs] des GKV-Spitzenverbandes verankert.