hier: Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt - Veräußerungsrente
Sachstand:
Versicherte haben während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Die Belastungsgrenze beträgt 2 vom Hundert (v. H.), für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, 1 v. H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz und Satz 2 SGB V).
Der Gesetzgeber hat den Begriff "Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt" selbst nicht näher erläutert oder definiert. Gesetzlich geregelt wurde lediglich, dass einzelne Leistungen nicht zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören. Daher haben die Spitzenverbände der Krankenkassen in ihrem gemeinsamen Rundschreiben zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt – zuletzt in der Fassung vom 22./23. Januar 2008 – unter Berücksichtigung gesetzlicher Regelungen, der Rechtsprechung sowie entsprechender Rechtsauslegung näher ausgeführt, welche Einnahmen zum Lebensunterhalt zu berücksichtigen bzw. nicht zu berücksichtigen sind. Darin ist unter Abschnitt 6.1 vorgesehen, dass Veräußerungsrenten, die aus dem Verkauf eines Hauses oder Betriebes herrühren (Verkauf auf Rentenbasis), zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt zählen.
Zwischenzeitlich wurde zur Frage der Berücksichtigung von Veräußerungsrenten als Einnahmen zum Lebensunterhalt bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach § 62 SGB V ein Rechtstreitverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) unter dem Aktenzeichen - B 1 KR 16/09 R - anhängig. In dem dem Rechtstreitverfahren zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es konkret um die Veräußerung eines Grundstücks mit Wirkung vom 1. Oktober 2004. Für den Erlös und weitere Ersparnisse (insgesamt 320.000 EUR) wurde ein Anspruch auf eine private lebenslange Rente eines Lebensversicherers erworben, die sich für den Ehemann ab 1. Oktober 2004 auf einen Garantiebetrag in Höhe von monatlich 2.359,52 EUR belief, zu der eine monatliche Überschussbeteiligung von ca. 200 EUR hinzukam. Die Klägerin hatte für den Fall des Todes ihres Ehemannes Anspruch auf eine Garantierente von monatlich 1.415,71 EUR zuzüglich Überschussbeteiligung. Nachdem die Krankenkasse bei der Ermittlung der Belastungsgrenze für die Kalenderjahre 2005 und 2006 zunächst lediglich die monatliche Rente der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung und die Pension ihres Ehegatten berücksichtigte, bezog sie später auch die Zahlungen aus der privaten Rente in vollem Umfang ein und nahm höhere Belastungsgrenzen an. Mit ihrer Revision rügte die Klägerin die Verletzung des § 62 SGB V. Die private Veräußerungsrente zähle nicht zu den "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt", sondern sei wie eine bloße Vermögensumschichtung anzusehen (siehe Terminvorschau des BSG Nr. 6/10 vom 9. Februar 2010 für die Verhandlung am 17. Februar 2010, Anlage 1). Zu einer Entscheidung durch das BSG ist es allerdings nicht gekommen, da die Beteiligten sich auf Anregung des 1. Senats, der auf seine Rechtsprechung (BSG-Urteil vom 19. September 2007 - B 1 KR 1/07 R -, BSG SozR 4-2500 § 62 Nr. 4 RdNr. 17) verwiesen hat, außerterminlich verglichen haben (siehe Terminbericht des BSG Nr. 6/10 vom 18. Februar 2010, Anlage 2).
Mit Urteil vom 19. September 2007 - B 1 KR 1/07 R - (Anlage 3) hatte das BSG entschieden, dass eine dem Versicherten zugeflossene Beitragserstattung keine Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt sei, denn dazu gehöre nicht das Vermögen oder seine Umschichtung (siehe RdNr. 17 des Urteils). Nach Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck des § 62 SGB V seien "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" entsprechend dem Verständnis, das sich - anknüpfend an das Recht der Reichsversicherungsordnung - RVO - (§ 180 Abs. 4 RVO) - zu § 61 und § 62 SGB V in den früheren Fassungen gebildet habe, die persönlichen Einnahmen, die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen. Den Begriff der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt definiere das Gesetz nicht umfassend, zur Konkretisierung könne jedoch auf die Rechtsprechung zu § 180 Abs. 4 RVO zurückgegriffen werden (siehe RdNrn. 11 bis 14 des Urteils). Im Zusammenhang mit der Vermögensumschichtung weist das BSG in der weiteren Folge seiner Urteilsbegründung u. a. auch auf das BSG-Urteil vom 25. August 1982 - 12 RK 57/81 - (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 12 S. 38) hin (siehe RdNr. 17 des Urteils). Mit diesem Urteil hatte das BSG entschieden, dass bei einer sogenannten Veräußerungsleibrente auf Lebenszeit (Leibrente gegen Überlassung eines Grundstückes) nur der Ertragsanteil des Zahlbetrages eine Einnahme zum Lebensunterhalt im Sinne des § 180 Abs. 4 RVO sei. Demgegenüber handele es sich beim Kapitalanteil des Zahlbetrages nicht um eine Einnahme, sondern nur um eine Umschichtung von Kapital.
Zur Begründung führte das BSG seinerzeit unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (Bundestags- Drucksache 8/338 zu § 180 RVO, Seite 60) und den BSG-Urteilen vom 21. Oktober 1980 - 3 RK 53/79 -, 25. November 1981 - 5a/5 RKn 18/79 - und 9. Dezember 1981 - 12 RK 29/79 - im Ergebnis a...