Sachverhalt:
Nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erstatten die Krankenkassen den Arbeitgebern unter bestimmten Voraussetzungen und in bestimmtem Umfang
- die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie die darauf entfallenden Arbeitgeberbeitragsanteile (U1-Verfahren) und
- den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, das bei Beschäftigungsverboten gezahlte Arbeitsent-gelt sowie die darauf entfallenden Arbeitgeberbeitragsanteile (U2-Verfahren).
Die Mittel für die Durchführung der Ausgleichsverfahren werden durch Umlagebeträge der Arbeitgeber aufgebracht. Dabei sind die Aufwendungen bei Krankheit (U1-Verfahren) einerseits und bei Mutterschaft (U2-Verfahren) andererseits getrennt zu finanzieren. Bemessungsgrundlage für die Umlagebeträge ist das Arbeitsentgelt, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bemessen werden oder bei Versicherungspflicht zu bemessen wären.
Am Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Krankheit (U1-Verfahren) sind nach § 1 Abs. 1 AAG nur Arbeitgeber beteiligt, die in der Regel nicht mehr als 30 Arbeitnehmer beschäftigten; die zur Berufsausbildung Beschäftigten bleiben hierbei außen vor.
Bei der Feststellung der Arbeitnehmerzahl sind nach Auffassung der (ehemaligen) Spitzenverbände der Krankenkassen ausländische Saisonarbeitskräfte zu berücksichtigen, da sie mit dem Arbeitgeber im Inland ein Arbeitsverhältnis eingehen und für sie im Fall der Arbeitsunfähigkeit ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz besteht. Für diesen Personenkreis sind Umlagebeträge zu entrichten. Infolgedessen werden die erstattungsfähigen Aufwendungen des Arbeitgebers erstattet (vgl. Ausführungen unter Abschnitt 2.3.8 des gemeinsamen Rundschreibens zum Aufwendungsausgleichsgesetz in der Fassung der Ergänzung vom 13. Februar 2006).
Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) hat hierzu mitgeteilt, dass die vorgenannten Aussagen im gemeinsamen Rundschreiben zu den (nicht in Deutschland wohnenden) Saisonarbeitskräften nicht danach differenzieren, ob für die betreffende Person die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit oder die entsprechenden Regelungen ihres Wohnstaates gelten. Sie weist darauf hin, dass gemäß Artikel 4 Abs. 1 der VO (EWG) Nr. 1408/71 die Verordnung unter anderem für alle Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft (sachlicher Geltungsbereich) gilt. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass die von den deut-schen Arbeitgebern zu tragende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (jetzt: Entgeltfortzahlungsgesetz) eine Leistung bei Krankheit im Sinne von Artikel 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 darstellt (vgl. Urteil des EuGH vom 3. Juni 1992 – C-45/90 -). Auch der Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG wird nach der in der Literatur vertretenen Auffassung vom sachlichen Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfasst.
Gewöhnlich in mehreren Staaten beschäftigte Personen, für die aufgrund der Zuordnungsregelungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 auch hinsichtlich der Beschäftigung in Deutschland die Rechtsvorschriften des Wohnstaates gelten, haben Anspruch auf Geldleistungen bei Krankheit und Mutterschaft nach den Vorschriften des Wohnstaates (Artikel 19 Abs. 1 Buchst. b VO (EWG) Nr. 1408/71). Hiervon erfasst sind auch Saisonarbeitskräfte, die im Besitz einer Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften des Wohn- oder Herkunftsstaates sind (Vordruck E 101). Für sie gilt das Recht des Wohn- oder Herkunftsstaates auch hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Geldleistungen im Krankheitsfall. Darüber hinaus kann allenfalls aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen ein zusätzlicher/ergänzender Anspruch auf Geldleistungen bei Krankheit gegenüber dem (deutschen) Arbeitgeber geltend gemacht werden.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist die Einbeziehung der in Rede stehenden Saisonarbeitskräfte in das U1- und U2-Verfahren fragwürdig, ungeachtet dessen, dass gerichtlich noch nicht entschieden ist, ob die Verfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen gemeinschaftsrechtlich koordiniert sind.
Ergebnis:
Saisonarbeitskräfte, die im Besitz einer Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften des Wohn- oder Herkunftsstaates sind (Vordruck E 101) und im Rahmen dessen auch Anspruch auf Geldleistungen im Krankheitsfall und bei Mutterschaft nach Maßgabe der VO (EWG) Nr. 1408/71 haben, sind nicht in das Verfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen nach dem AAG eingebunden. Sie bleiben daher bei der Feststellung der Arbeitnehmerzahl unberücksichtigt. Für diese Personen sind Umlagebeträge nicht zu entrichten. Etwaige Aufwendungen des Arbeitgebers für Entgeltfortzahlung bzw. im Falle der Mutterschaft sind nicht erstattungsfähig.
Das vorstehende Ergebnis ist gleichermaßen auf Arbeitnehmer übertragbar, für die aufgrund einer Regelung des überstaatlichen Rechts die Rechtsvorschriften eines anderen EU-/...