Ertragswertwertverfahren
Die Schenkerin S wendet ihrer Freundin N im April 2022 ein 20 Jahre altes Dreifamilienhaus zu, das fremd vermietet ist. Für die Wohnung im Erdgeschoss (Größe 110 qm) ist eine vertragliche Miete von 11 EUR je qm zu zahlen. Die vertragliche Miete für die Wohnung im 1. Obergeschoss (Größe 105 qm) beträgt 12 EUR je qm und die vertragliche Miete für die Wohnung im 2. Obergeschoss (Größe 100 qm) beträgt 13 EUR. Erfahrungssätze der Gutachterausschüsse für Bewirtschaftungskosten oder Liegenschaftszinssätze liegen nicht vor. Das Grundstück ist 450 qm groß und der Bodenrichtwert beträgt 91 EUR/qm.
Lösung
Das fremd vermietete Dreifamilienhaus (sog. Mietwohngrundstück gem. § 181 Abs. 3 BewG) ist nach den Regeln des Ertragswertverfahren zu bewerten. Dabei ist zunächst der Bodenwert (getrennt vom Gebäudewert) nach den Grundsätzen für ein unbebautes Grundstück zu ermitteln. Dieser beträgt (450 qm x 91 EUR/qm =) 40.950 EUR. Nächste Schritte:
Ermittlung des Rohertrags für das Gebäude:
Vertragliche Miete EG: 11 EUR x 110 qm = 1.210 EUR x 12 Monate = |
14.520 EUR |
Vertragliche Miete OG: 12 EUR x 105 qm = 1.260 EUR x 12 Monate = |
15.120 EUR |
Vertragliche Miete OG: 13 EUR x 100 qm = 1.300 EUR x 12 Monate = |
15.600 EUR |
Rohertrag |
45.240 EUR |
Die Restnutzungsdauer beträgt 50 Jahre (Unterschiedsbetrag zwischen der Gesamtnutzungsdauer lt. Anlage 22 zum Bewertungsgesetz, bei einem Mietwohngrundstück wie vorliegend 70 Jahre, und dem Alter des Gebäudes am Bewertungsstichtag, hier 20 Jahre).
Ermittlung der Bewirtschaftungskosten:
Da keine Erfahrungssätze des Gutachterausschusses vorliegen, sind die pauschalierten Bewirtschaftungskosten der Anlage 23 zum Bewertungsgesetz zugrunde zu legen. Bei einer Restnutzungsdauer von 50 Jahren und einem Mietwohngrundstück ergibt sich ein pauschaler Satz von 23 %, somit Bewirtschaftungskosten i. H. v. 10.405 EUR (23 % des Rohertrags von 45.240 EUR).
Ermittlung des Reinertrags für das Grundstück:
Rohertrag für das Gebäude |
45.240 EUR |
Bewirtschaftungskosten |
./. 10.405 EUR |
Reinertrag des Grundstücks |
34.835 EUR |
Ermittlung der Bodenwertverzinsung:
Da keine geeigneten Liegenschaftszinssätze der Gutachterausschüssen vorliegen, ist hier ein Satz von 5 % zugrunde zu legen (§ 188 Abs. 2 BewG):
5 % von 40.950 EUR (Bodenwert) = Bodenwertverzinsung 2.048 EUR
Ermittlung des Gebäudereinertrags:
Reinertrag des Grundstücks (s. o.) |
34.835 EUR |
abzüglich Bodenwertverzinsung |
./. 2.048 EUR |
Gebäudereinertrag |
32.787 EUR |
Gebäudeertragswert
Ausgehend von dem Liegenschaftszinssatz (5 %) und der Restnutzungsdauer für das Gebäude (50 Jahre) ergibt sich aus Anlage 21 zum Bewertungsgesetz ein Vervielfältiger von 18,26. Dieser ist mit dem Gebäudereinertrag zu multiplizieren und ergibt den Gebäudeertragswert von (32.787 EUR x 18,26 =) 598.690 EUR.
Ermittlung des endgültigen Grundbesitzwerts:
Gebäudeertragswert |
598.690 EUR |
Bodenwert des unbebauten Grundstücks |
./. 40.950 EUR |
Grundbesitzwert |
639.640 EUR |
In die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage geht damit der Grundbesitzwert i. H. v. 639.640 EUR ein. Hieraus ergibt sich für N die folgende Steuer:
Festgestellter Wert des unbebauten Grundstücks |
639.640 EUR |
Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) |
./. 20.000 EUR |
Abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) |
619.600 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 30 %) |
185.880 EUR |