Leitsatz
1. Die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat auf den Erwerb von Kapitalvermögen erhebt, das ein inländischer Erblasser in dem Staat angelegt hatte, ist bei Fehlen eines DBA weder auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
2. Führt die Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung, kann eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 8, § 21 ErbStG, § 121 BewG, § 163, § 227 AO, Art. 10, Art. 56, Art. 58, Art. 293 EG, Art. 4 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 EUV, Art. 63, Art. 65, Art. 267 AEUV, Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Art. 52 Abs. 7 EUGrdRCh, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 23 GG, Art. 11 ZP EMRK
Sachverhalt
Die Klägerin mit Wohnsitz in Deutschland ist Miterbin ihrer 2000 verstorbenen Großtante, die ihren Wohnsitz in Deutschland hatte. Der Nachlass bestand aus u.a. in Frankreich angelegtem Kapitalvermögen (Bankguthaben und festverzinsliche Wertpapiere) sowie Bargeld. Die französische Erbschaftsteuer für das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen wurde gegenüber der Klägerin nach dem für Großnichten vorgesehenen Steuersatz von 55 % erhoben. Das FA ließ bei der Erbschaftsteuerfestsetzung gegen die Klägerin die französische Erbschaftsteuer unberücksichtigt. Da das FA die Gesamtbelastung durch die französische und die deutsche Erbschaftsteuer teilweise als sachlich unbillig ansah, erließ es die Steuer in Höhe eines Teilbetrags. Die gegen die Steuerfestsetzung gerichtete Klage blieb erfolglos. Das FG ließ für die französische Erbschaftsteuer weder deren Anrechnung auf die deutsche Erbschaftsteuer noch ihren Abzug als Nachlassverbindlichkeit zu (FG Baden-Württemberg vom 21.12.2011, 7 K 1935/10, Haufe-Index 2947256, EFG 2012, 1290).
Entscheidung
Dies sah auch der BFH so. Der Klägerin verbleibt damit nur die Möglichkeit, im Erlassverfahren eine weitere Milderung ihrer Steuerbelastung durch Billigkeitserlass zu erreichen.
Hinweis
Fällt für ererbtes Auslandsvermögen sowohl ausländische als auch inländische Erbschaftsteuer an, wird eine doppelte steuerliche Belastung des Erwerbers – vorbehaltlich eines etwa einschlägigen DBA – in erster Linie durch die Anrechnungsregelung des § 21 ErbStG gemildert. Soweit aber weder ein DBA noch § 21 ErbStG greifen, kann sich eine u.U. dramatische Kumulation von in- und ausländischer Erbschaftsteuer ergeben.
Über einen solchen (deutsch-französischen) Erbschaftsteuerfall, in dem das am 3.4.2009 in Kraft getretene Erbschaftsteuer-DBA zwischen Deutschland und Frankreich noch nicht galt, hatte der BFH zu entscheiden. Die Entscheidung bleibt für solche Erbschaftsteuerfälle bedeutsam, in denen kein Erbschaftsteuer-DBA besteht und in denen ein ausländischer Staat für die Erhebung der Erbschaftsteuer an Wohnsitz oder Sitz des Schuldners von Kapitalforderungen des Erblassers anknüpft.
1.Die Frage der Anrechenbarkeit ausländischer Erbschaftsteuer würde sich von vornherein nicht stellen, wenn diese als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig wäre. Das schließt jedoch § 10 Abs. 8 ErbStG aus, der ausdrücklich die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer für nicht abziehbar erklärt. Dieses Abzugsverbot gilt auch für ausländische Steuern, die der deutschen Erbschaftsteuer entsprechen. Über die Abzugsfähigkeit ausländsicher Steuern entscheidet allein die in § 21 ErbStG getroffene abschließende Regelung.
2. Bei einem fehlenden DBA setzt die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG auf die deutsche Erbschaftsteuer voraus, dass für den Erblasser unbeschränkte oder erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht bestand. Dabei ist eine Anrechnung der ausländischen Steuer aber nur möglich, wenn sie auf Auslandsvermögen entfällt. Kein Auslandsvermögen sind jedoch (die im Streitfall geerbten) private Guthaben von Inländern bei ausländischen Banken sowie ausländische festverzinsliche Wertpapiere.
3. In der Nichtanrechnung ausländischer Steuer liegt kein Verstoß gegen EU-Recht, und zwar unabhängig von der Höhe der ausländischen Steuer und der Höhe der Gesamtbelastung mit in- und ausländischer Erbschaftsteuer. Nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 12.2.2009, C-67/08, BFH/NV 2009, 677, Slg 2009, I-883, Margarete Block, sowie EuGH, Beschluss vom 19.9.2012, C-540/11 [franz.], IStR 2013, 307, Levy und Sebbag) lässt das Unionsrecht die grundsätzliche Autonomie der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer unberührt. Insoweit besteht für die Mitgliedstaaten keine Verpflichtung zur Harmonisierung der verschiedenen Steuersysteme und auch keine Verpflichtung zur Beseitigung etwaiger Doppelbelastungen.
Auch aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union lässt sich ein Verbot der Doppelbesteuerung schon deshalb nicht ableiten, weil sich diese nur an Organe und Einrichtungen der EU und an die Mitgliedstaaten ausschließlich bei Durchführung von EU-Recht richtet. Beim Erbschaftsteuerrecht handelt es sich aber um rein nationales, unionsrech...