OFD Hannover, Verfügung v. 11.10.2004, S 7105 - 49 - StO 171
1. Ende der Organschaft
1.1 Allgemeines
Eine Organschaft liegt vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Die Organschaft endet zu dem Zeitpunkt, zu dem eine der Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nicht mehr erfüllt ist. Das ist z.B. der Fall, wenn
- sich die Stimmrechtsverhältnisse durch Aufnahme weiterer Gesellschafter in die Organgesellschaft entscheidend ändern (vgl. BFH vom 11.1.1990, V R 156/84, BFH/NV 1990 S. 741),
- der Betrieb des Organträgers oder der Organgesellschaft veräußert oder
- die Organgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewandelt wird.
1.2 Liquidation und Vermögenslosigkeit
1.2.1 Die Liquidation der Organgesellschaft hat, solange sie noch nicht abgeschlossen ist, keine Auswirkung auf ihre Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers. Der Liquidationsbeschluss führt deshalb nicht zur Beendigung des Organschaftsverhältnisses; die Organgesellschaft rechnet vielmehr so lange zum Unternehmen des Organträgers, bis die Liquidation abgeschlossen und das vorhandene Gesellschaftsvermögen veräußert ist (FG Münster vom 31.1.1991, 5 K 3761/88 U, UR 1991 S. 378, m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn im Rahmen der Liquidation nur noch Umsätze aus der Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände bewirkt werden (FG Nürnberg vom 22.2.1990, II 169/86, EFG 1990 S. 543).
Dagegen führt die Liquidation des Organträgers regelmäßig zur Beendigung der Organschaft, weil mit der Einstellung der aktiven unternehmerischen Tätigkeit des Organträgers die wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft entfällt (vgl. FG Hessen vom 21.8.1975, IV 127/74, EFG 1976 S. 34, und FG Saarland vom 3.3.1998, l K 281/95, EFG 1998 S. 971).
1.2.2 Die Vermögenslosigkeit der Organgesellschaft beendet die Organschaft nicht; sie dauert fort, bis alle Rechtsbeziehungen der Organgesellschaft abgewickelt sind (vgl. BFH vom 27.9.1991, V B 78/91, BFH/NV 1992 S. 346, und vom 19.10.1995, V R 128/93, BFH/ NV 1996 S. 275). Das gilt auch in Fällen, in denen der Antrag der Organgesellschaft auf Insolvenzeröffnung mangels einer die Kosten deckenden Masse abgelehnt wird.
1.3 Insolvenzverfahren
1.3.1 Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter für das Vermögen der Organgesellschaft bestellt und wird der Organgesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, so geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Organgesellschaft auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). In diesem Fall endet die Organschaft mit Wirksamwerden der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, weil der Organträger nicht mehr die Möglichkeit hat, seinen Willen in der Organgesellschaft umzusetzen.
Wird hingegen ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass der Organgesellschaft ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird (vgl. § 22 Abs. 2 InsO), bleibt die Organschaft regelmäßig bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Tz. 1.3.2) bestehen. Das gilt selbst dann, wenn das Insolvenzgericht anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 2. Alt. InsO). Der Organträger und der vorläufige Insolvenzverwalter haben insoweit eine vergleichbar starke Stellung (BFH vom 1.4. 2004, V R 24/03, BFH/NV 2004 S. 1054). Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens bei der Organgesellschaft endet die Organschaft nur, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter auf Grund der ihm im Einzelfall übertragenen Pflichten den maßgeblichen Einfluss auf die Organgesellschaft erhält und ihm eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung in der Organgesellschaft möglich ist.
1.3.2 Die Organschaft endet regelmäßig spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft, weil der Organträger den wesentlichen Einfluss auf die Organgesellschaft an den Insolvenzverwalter verliert (§ 80 InsO, s. auch Tz. 4 der Vollstreckungskartei – Insolvenzverfahren – Karte 2).
Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung der Insolvenzmasse durch den Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters anordnet (§§ 270 ff. InsO). Hier besteht die Organschaft regelmäßig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort, weil die Verfügungs- und Verwertungsbefugnis über das Vermögen der Organgesellschaft im Wesentlichen beim Schuldner und damit beim Organträger verbleibt (§ 270 Abs. 1 InsO; s. auch Vollstreckungskartei – Insolvenzverfahren – Karte 24). Die Organschaft endet jedoch auch in den Fällen der Eigenverwaltung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn dem Sachwalter derart weitreichende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse eingeräumt werden, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung mö...