Kommentar
Eine Steuerfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die regelmäßig vierjährige Festsetzungsfrist abgelaufen ist ( § 169 Abs. 1 Satz 3 Abs. 2 Nr. 2 AO ). Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist ( § 170 Abs. 1 AO ). Abweichend hiervon beginnt jedoch die Festsetzungsfrist, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung/Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist ( § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO ; Verjährung ).
Bei Unterlassen einer gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG gebotenen Anzeige durch einen Pflichtteilsberechtigten wird der Beginn der Festsetzungsfrist dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber jedoch nicht weiter hinausgeschoben, wenn dem Finanzamt aufgrund der Angaben in der von einem Erben eingereichten Erbschaftsteuererklärung der Name des Erblassers und des (anzeigepflichtigen) Erwerbers (z. B. des Pflichtteilsberechtigten) sowie der Rechtsgrund für den Erwerb bekannt werden. Hat nämlich das Finanzamt von allen für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umständen positiv Kenntnis erlangt, läge ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns, auch wenn es vom Gesetzeswortlaut noch gedeckt wäre, außerhalb des Normzwecks .
Im Streitfall hatte die Alleinerbin des im Februar 1985 verstorbenen Erblassers die Erbschaftsteuererklärung am 28. 3. 1987 abgegeben mit der Folge, daß die Festsetzungsfrist von vier Jahren mit Ablauf des 31. 12. 1987 begonnen und mit Ablauf des 31. 12. 1991 geendet hatte. Nach Auffassung des BFH genügten die Angaben in der Steuererklärung der Alleinerbin über den Erwerb des Pflichtteilsberechtigten, um die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 auch dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber zu beenden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 30.10.1996, II R 70/94
Anmerkung:
Die vorstehend mitgeteilte Entscheidung enthält auch interessante Ausführungen zur Wahrung der Festsetzungsfrist bei falscher Adressierung des Bescheides . Das Gesetz stellt insoweit nicht auf den Zeitpunkt ab, in dem der Bescheid dem Steuerpflichtigen zugeht, sondern darauf, wann der Bescheid den Bereich der Finanzverwaltung verlassen hat ( § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO ). Dabei ist jedoch nach der Rechtsprechung erforderlich, daß die Finanzbehörde alle Voraussetzungen eingehalten hat, die für den Erlaß eines wirksamen Steuerbescheides vorgeschrieben sind, so daß der Bescheid nach dem Inhalt der Steuerakten hätte wirksam werden können (BFH, Urteil v. 31. 10. 1989, VIII R 60/88, BStBl 1990 II S. 518).
Dieses Erfordernis ist, wie der BFH in der vorstehend mitgeteilten Entscheidung entschieden hat, jedoch dann nicht erfüllt, wenn der vom Finanzamt innerhalb der Festsetzungsfrist abgesandte Steuerbescheid dem Adressaten nach Ablauf der Festsetzungsfrist auf einem nach dem Inhalt der Steuerakten nicht vorgesehenen Weg bekannt wird ( Verwaltungsakt ).