Leitsatz
Sollte als Grundstück des Familienheimerwerbs die wirtschaftliche Einheit im Sinne des BewG zu verstehen sein und erlässt das Belegenheitsfinanzamt einen entsprechenden Feststellungsbescheid, ist diese Feststellung bindend und kann im Verfahren gegen den Erbschaftsteuerbescheid nicht erfolgreich angegriffen werden.
Normenkette
§ 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, § 2 Abs. 1, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 152 Nr. 1, § 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Erbin der verstorbenen Erblasserin. Diese hatte bis zu ihrem Tod in einer Eigentumswohnung in einem Zweifamilienhaus gewohnt. Die Klägerin nutzte die Eigentumswohnung nach dem Tod der Erblasserin zu eigenen Wohnzwecken. Das Haus stand auf einem Flurstück (im Weiteren: Grundstück 1), das sich im hälftigen Miteigentum der Erblasserin befunden hatte. Neben diesem Grundstück lag – unmittelbar angrenzend – ein weiteres, jedoch unbebautes Grundstück (im Weiteren: Grundstück 2), dessen Alleineigentümerin die Erblasserin gewesen war und das im Wege der Erbfolge ebenfalls auf die Klägerin überging.
Das für die Bewertung des Grundbesitzes zuständige Belegenheitsfinanzamt behandelte die beiden Grundstücke als eigene wirtschaftliche Einheiten und stellte für sie daher jeweils einen Grundbesitzwert gesondert fest.
Das für die Festsetzung der ErbSt gegenüber der Klägerin zuständige FA legte daraufhin bei der Steuerfestsetzung die Grundstücke 1 und 2 jeweils als Einzelflächen zugrunde. Die Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheims von Todes wegen durch Kinder nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG gewährte es nur noch für das Grundstück 1. Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG München, Urteil vom 5.4.2018, 4 K 2568/16, Haufe-Index 12852029, EFG 2019, 453).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Das FG habe im Ergebnis zutreffend entschieden, dass nur das Grundstück 1 nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steuerbefreit sei. Sei der Grundstücksbegriff nach zivilrechtlichen Maßstäben abzugrenzen, folge dies aus der katastermäßigen Selbstständigkeit des Grundstücks 1. Sei bewertungsrechtlich abzugrenzen, folge dies aus den beiden getrennten Feststellungsbescheiden des Belegenheitsfinanzamts für die beiden Grundstücke, die im vorliegenden Verfahren auch hinsichtlich der Bestimmung der wirtschaftlichen Einheiten bindend seien. Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass des geänderten Erbschaftsteuerbescheids hätten ebenfalls vorgelegen.
Hinweis
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück i.S.d. § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG durch Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 steuerfrei, wenn der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und sie beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt.
2. Durch den Verweis auf § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 BewG werden von der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG Ein- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Wohnungs- und Teileigentum, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke erfasst. Eine nähere Bestimmung, in welchem Umfang der zu der Wohnung gehörende Grund und Boden an der Begünstigung teilhat, enthält die Vorschrift nicht. In Betracht kommt einerseits das Grundstück im zivilrechtlichen Sinne, d.h. ein vermessener, im Liegenschaftskataster bezeichneter Teil der Erdoberfläche, oder andererseits die wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 Abs. 1 BewG.
3. Der BFH konnte diese Frage im Besprechungsurteil offenlassen; denn sie war nicht entscheidungserheblich.
Nach § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BewG sind für Zwecke der ErbSt für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens die Grundbesitzwerte gesondert festzustellen (§ 179 AO). Die Feststellungen treffen die zuständigen Belegenheitsfinanzämter (§ 152 Nr. 1 BewG). Diese sind zwar nicht zur Entscheidung darüber befugt, ob eine Steuerbefreiung, z.B. nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG, zu gewähren ist. Ihnen obliegt neben der Wertfeststellung aber auch die verbindliche Feststellung über die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 157 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BewG). Diese Feststellung kann gemäß § 351 Abs. 2 AO, § 42 FGO nur durch Anfechtung des Wertfeststellungsbescheids angegriffen werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.2.2021 – II R 29/19