Leitsatz
Ein "Vorabgewinnanteil" i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 EStG 2002 ist dadurch gekennzeichnet, dass der betroffene Gesellschafter vor den übrigen Gesellschaftern aufgrund gesellschaftsvertraglicher Abrede einen Anteil am Gewinn erhält. Der "Vorabgewinnanteil" ist vor der allgemeinen Gewinnverteilung zu berücksichtigen und reduziert den noch zu verteilenden Restgewinn.
Normenkette
§ 35 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 4 Satz 2 EStG 2002, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
An einer KG waren die Komplementär-GmbH mit 10,71 % und der einzige Kommanditist mit 89,29 % beteiligt. Die Gewinnverteilung war zunächst so geregelt, dass die GmbH eine Vorabvergütung für die Haftung und ein mitarbeitender Kommanditist vorweg eine Tätigkeitsvergütung erhalten sollte. Der Restgewinn war nach Kapitalanteilen zu verteilen. Später wurde die Gewinnverteilungsabrede dahin geändert, dass der Gewinnanteil des Kommanditisten auf maximal 100.000 DM beschränkt sei; der Restbetrag stehe der GmbH zu. Weiterhin erhalte der Kommanditist eine Tätigkeitsvergütung.
Im Hinblick auf die Aufteilung des GewSt-Messbetrags auf die Mitunternehmer nach § 35 Abs. 3 EStG war die KG der Auffassung, die Gewinnbegrenzung für den Kommanditisten wirke wie ein Vorabgewinn der GmbH und sei deshalb bei der Aufteilung nicht zu berücksichtigen. Das FA erfasste diesen Gewinnanteil der GmbH jedoch und rechnete der GmbH 88,68 % und dem Kommanditisten 11,32 % des GewSt-Messbetrags zu. Das FG hielt die Handhabung des FA für richtig (FG des Saarlandes, Urteil vom 21.7.2011, 1 K 1150/11, Haufe-Index 2745349, EFG 2011, 2080).
Entscheidung
Auch mit der Revision konnte sich die KG nicht durchsetzen. Der BFH bestätigte das FG-Urteil.
Hinweis
1.Die typisierte Anrechnung der GewSt auf die ESt durch Abzug eines aus dem GewSt-Messbetrag errechneten Betrags von der ESt führt zu Schwierigkeiten, wenn der Gewerbebetrieb von einer Personengesellschaft unterhalten wird. Denn Steuerschuldner ist die Personengesellschaft selbst. Allein ihr gegenüber ist der GewSt-Messbetrag festzusetzen. Damit die Gesellschafter in den Genuss einer Anrechnung kommen können, muss der GewSt-Messbetrag aufgeteilt werden. Dies geschieht üblicherweise im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung.
2.Nach welcher Methode die Aufteilung des GewSt-Messbetrags vorgenommen werden muss, regelt § 35 Abs. 3 Satz 2 EStG. Danach ist entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen. Vorabgewinnanteile sind ausdrücklich nicht zu berücksichtigen. Sie beeinflussen das Aufteilungsverhältnis nicht, sondern werden bei der Ermittlung des Aufteilungssatzes schlicht übergangen.
Man sollte meinen, dass es nicht zweifelhaft sein kann, ob und in welchem Umfang ein Gesellschafter Vorabgewinnanteile erhält. Der hier entschiedene Fall beweist das Gegenteil. Weil ein Gesellschafter nur höchstens einen bestimmten Gewinnanteil (zusätzlich zu einer Tätigkeitsvergütung) erhalten sollte, fiel der gesamte nach Zuweisung der Vorabgewinne und des Höchstbetrags verbleibende Gewinn dem anderen Gesellschafter zu. Hierin sah die Gesellschaft eine Art Vorabgewinn für den begünstigten Gesellschafter. Tatsächlich war es aber ein Restgewinn, der nach Abarbeitung der Sonderregelungen der Gewinnverteilung verblieb. Dass ein solcher Rest aus der Perspektive des Begünstigten wie ein Vorabgewinn wirkt, ist lediglich ein Reflex der gewählten Verteilungsmethode. Ein solcher Restgewinn ist deshalb auch bei der Aufteilung des GewSt-Messbetrags zu berücksichtigen.
3. Folge der Nichtberücksichtigung von Vorabgewinnen ist das Entstehen sog. Anrechnungsüberhänge, denn der Messbetrag wird anders verteilt als der einkommensteuerliche Gewinn. Anrechnungsvolumen kann dadurch verlorengehen. Verfassungsrechtlich ist gegen die dadurch ausgelöste Doppelbelastung mit ESt und GewSt allerdings nichts einzuwenden (BVerfG vom 15.1.2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.6.2014 – IV R 43/11