Leitsatz
Aufwendungen des Kindes als freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einzubeziehen.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Sohn der Klägerin begann im September 2004 eine Ausbildung als Steueranwärter im Beamtenverhältnis. Da die Familienkasse für 2005 – ohne Abzug der Versicherungsbeiträge – voraussichtliche Einkünfte und Bezüge des Sohnes von mehr als 7.680 € im Kalenderjahr ermittelte, hob sie die Kindergeldfestsetzung mit Ablauf des Dezembers 2004 auf.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, der Abschluss der Versicherung beruhe auf einer freien Willensentscheidung des Sohnes.
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gab der Klage statt. Denn nach Abzug der unstreitigen Werbungskosten und der Versicherungsbeiträge war nicht davon auszugehen, dass der Jahresgrenzbetrag überschritten wird.
Hinweis
Die Problematik entspricht der des ebenfalls in dieser Ausgabe auf Seite 101 abgedruckten Grundsatzurteils vom 14.12.2006, III R 24/06. In jener Entscheidung ging es um die Minderung der Einkünfte des in Ausbildung befindlichen volljährigen Kindes um die Beiträge zu einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Folge des Beschlusses des BVerfG vom 11.1.2005, 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164) zur Abziehbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge.
In der vorliegenden Entscheidung überträgt der BFH die neue Sichtweise des BVerfG auf die Beiträge des Kindes zu einer freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung des Kindes.
Andernfalls würden Eltern von freiwillig gesetzlich versicherten Kindern gegenüber unterhaltsverpflichteten Eltern von gesetzlich versicherten Kindern benachteiligt. Denn es handelt sich auch hier um unvermeidbare zwangsläufige Aufwendungen, die für die Eltern nicht verfügbar sind und daher nicht zur Bestreitung des Existenzminimums des Kindes eingesetzt werden können.
Für die Pflegeversicherungsbeiträge gilt dies schon deshalb, weil ein Kind, das freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung ist, in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XI).
Die Notwendigkeit des Abschlusses einer Krankenversicherung gilt auch für ein verbeamtetes Kind, da die beamtenrechtliche Beihilfe die nur einen Teil (i.d.R. 50 %) der Krankheitskosten abdeckt. Das Beihilferecht in Bund und Ländern setzt voraus, dass Beamte durch den freiwilligen Abschluss einer Krankenversicherung für Krankheitsfälle vorsorgen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.11.2006, III R 74/05