Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Wird eine KG formwechselnd in eine GmbH umgewandelt, ist ein nach dem Formwechsel noch an die KG adressierter Grunderwerbsteuerbescheid wirksam. Bei einem Formwechsel ändert sich nur die Rechtsform, während die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft unverändert bleibt. Bei einer falschen Adressierung handelt es sich allenfalls um die unrichtige Bezeichnung ein und derselben Rechtsperson.
Normenkette
§ 119 Abs. 1, § 124 Abs. 1 und 3, § 125 Abs. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, § 1 Abs. 2a, § 6 Abs. 1 und 3 GrEStG, § 190 Abs. 1, § 191 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 200 Abs. 1 Satz 1, § 202 Abs. 1 Nr. 1, § 214 UmwG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine ausländische Kapitalgesellschaft, entstand durch mehrere Umwandlungen. Sie ging ursprünglich auf die KG1 zurück. Die KG1 war Eigentümerin eines Grundstücks. Kommanditisten der KG1 waren A mit einer Beteiligung i.H.v. 58,9 %, B mit einer Beteiligung von 36,1 % und die KG2 mit einer Beteiligung von 5 %. Mit Vertrag vom 30.9.2011 haben A und B ihre Anteile an der KG1 in die KG3 eingebracht, an der sie als (alleinige) Kommanditisten beteiligt waren, sodass die KG3 nun zu 95 % an der KG1 beteiligt war. Am 28.8.2012 hat die KG3 die noch verbliebenen 5 % der Kommanditanteile der KG1 erworben. Am 29.8.2012 ist der Formwechsel der KG1 in die B‐GmbH erfolgt. Nach einer Umfirmierung der B‐GmbH in die C‐GmbH im Januar 2021 hat sich am 8.12.2021 der grenzüberschreitende Formwechsel der C‐GmbH in die Klägerin angeschlossen.
Das FA hat aufgrund einer Kontrollmitteilung im Jahr 2014 Kenntnis von der am 30.9.2011 erfolgten Einbringung der Anteile der KG1 in die KG3 erhalten. Auf Anforderung hat die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B‐GmbH) dem FA am 14.11.2014 den Einbringungsvertrag übersandt. Außerdem hat sie mitgeteilt, dass die vormalige KG1 nunmehr die B‐GmbH sei.
Am 8.4.2015 hat das FA einen GrESt-Bescheid erlassen und ausgeführt, dass die Einbringung der Anteile von A und B an der KG1 in die KG3 zwar gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG der GrESt unterliege, die Steuer aber nach § 6 Abs. 3 GrEStG wegen des Übergangs der Anteile von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand nicht erhoben werde. Der Bescheid war an die KG1 adressiert. Er ist bestandskräftig geworden.
Am 2.2.2018 hat das FA einen weiteren GrESt-Bescheid erlassen, der an die Klägerin (unter ihrer damaligen Firma B‐GmbH) als Rechtsnachfolgerin der KG1 adressiert war. Für den zum 1.10.2011 Wirkung entfaltenden Einbringungsvorgang vom 30.9.2011 hat es nunmehr GrESt festgesetzt, da die Steuerbegünstigung nach § 6 Abs. 3 GrEStG aufgrund des Formwechsels der KG1 in die B‐GmbH im Jahr 2012 nicht mehr gewährt werden könne.
Die nachfolgend erhobene Untätigkeitsklage blieb ohne Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, dass dem Erlass des geänderten GrESt-Bescheids vom 2.2.2018 der bestandskräftige GrESt-Bescheid vom 8.4.2015 nicht entgegengestanden habe, da dieser aufgrund falscher Adressatenbezeichnung nichtig gewesen sei (FG München, Urteil vom 15.9.2021, 4 K 815/19, Haufe-Index 15522191).
Entscheidung
Die Revision war begründet und führte zur Aufhebung des FG-Urteils sowie zur Stattgabe der Klage.
Hinweis
1. Der vorliegende Fall zeigt die strengen Regeln der AO in Bezug auf die Änderung von materiell bestandskräftigen Steuerbescheiden auf. Die materielle Bestandskraft tritt ein, wenn ein Steuerbescheid wirksam bekanntgegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO). Ab diesem Zeitpunkt ist das FA nach § 172 Abs. 1 AO an seine Festsetzung gebunden, es sei denn, der Bescheid ergeht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift greifen ein oder es wird Einspruch eingelegt. Beim Einspruch greift jedoch das Verböserungsverbot nach § 367 Abs. 2 AO. Der Sinn und Zweck der materiellen Bestandskraft liegt darin, dass dem wirksam gewordenen Steuerbescheid eine Verbindlichkeit verliehen wird, sodass von der Regelung grundsätzlich nicht mehr abgewichen werden kann.
2. Die wirksame Bekanntgabe setzt voraus, dass der Verwaltungsakt bestimmt, unzweideutig und vollständig den Willen der Behörde zum Ausdruck bringt und damit auch klar erkennen lässt, an wen er sich richtet. Die Angabe des Inhaltsadressaten ist nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts.
3. Entgegen der Auffassung des FG war der erste GrESt-Bescheid vom 8.4.2015 nicht mangels wirksamer Bekanntgabe nichtig. Der Bescheid wurde der KG1 als richtiger Inhaltsadressatin nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO wirksam bekannt gegeben. Nach einer formwechselnden Umwandlung steht der Rechtswirksamkeit eines Bescheids nicht entgegen, wenn dieser noch an die Gesellschaft unter dem Namen der alten Rechtsform gerichtet ist. Die rechtliche und wirtschaftliche Identität der Gesellschaft bleibt unverändert; die Gesellschaft tauscht nur ihr "Rechtskleid" aus. Danach besteht der formwechselnde Rechtsträger in der in dem Formwechselbeschluss bestimmten Rechtsform weiter fort (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 Umw...